Mitsotakis: 400,- Euro schützen den sozialen Zusammenhalt!

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

215. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Fast schon paradox, was uns in der letzten Woche beim Spendenzugang passiert ist! Doch von fataler Eindeutigkeit, was derzeit in Griechenland selber passiert. Mein neuester Bericht jedenfalls zeigt: immer mehr GriechInnen haben immer weniger Geld in der Tasche. Der Kollaps droht. Und Hilfe ‚von oben‘ ist nicht in Sicht. Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

ein sehr merkwürdiges Spendenergebnis habe ich Euch heute mitzuteilen: einerseits gingen in der vergangenen Woche noch mehr Euro ein als in den sieben Tagen davor – 600,- Euro nämlich statt “nur” 405,- Euro in der Vorwoche –, andererseits war es lediglich ein einziger Spender, der für dieses sehr gute Ergebnis sorgte. Zuwachs also beim Geldbetrag, deutlicher Rückgang hingegen bei der SpenderInnenzahl (= in der Woche davor hatte es 6 UnterstützerInnen gegeben). Da könnte man ja direkt ins Grübeln geraten! Aber ich belasse es dabei, dem großzügigen Einzelspender meinen ganz großen Dank auszusprechen, und zermartere mir nicht weiter den Kopf, was hinter diesem Widerspruch stecken könnte. Hauptsache, unsere GriechInnenhilfe kommt wieder auf die Beine, und das tut sie seit einigen Wochen aufs deutlichste wieder. Fast haben wir schon wieder einen Saldobetrag von rund 3.000,- Euro auf unserem Hilfskonto erreicht! Gut also, dass der Engpass, den es noch vor einigen Wochen gab, inzwischen der Vergangenheit angehört!

Was wir an Einzelzahlungen während der letzten Wochen auf den Weg bringen konnten – bitte schaut gegebenenfalls nach im vorletzten Bericht und in den Berichten davor! –, hat inzwischen alle Hilfsbedürftigen erreicht. Und erinnert sei an dieser Stelle daran, dass durch unsere Übernahme der Mietkosten Panagiota K. aus Megara ohnehin regelmäßig von unserer Hilfsinitiative unterstützt wird. Hilfe, die sie mit ihren drei Töchtern aufs dringendste benötigt, da sie ja seit dem Dezember des letzten Jahres wieder arbeitslos ist. Wir wissen, welche Minderung der Existenzängste das für Panagiota bedeutet – trotz der miserablen Begleitumstände insgesamt. Hilfe durch uns findet demnach auch in Zeiten statt, in denen nicht jedes Mal darüber berichtet wird.

Natürlich könnte auch ich heute einsteigen in eine breite Berichterstattung über die Corona-Krise in Griechenland. Generell, so kann man sagen, kommen die Einwohner recht gut mit dieser Pandemie klar, auch mit den Regierungsmaßnahmen dagegen. Etwa 130 Menschen (Stand: 24. April) sind bisher am Covid-19-Virus gestorben, so der Griechenland-Korrespondent des Südwestrundfunks (SWR Stuttgart) Thomas Bormann. „Kein Vergleich zu Italien oder Spanien mit mehr als 20.000 Toten“, wie Bormann schreibt. Und der SWR-Journalist führt das vor allem auf die strenge Einhaltung der Ausgangssperre zurück. Die Griechen, so Bormann, staunen über sich selbst.

Aber wie sich inzwischen auch bei uns herumgesprochen haben dürfte, ist solchen Zahlenangaben ja nur mit allergrößter Vorsicht zu trauen. Der Leiter des bundesdeutschen Robert-Koch-Institutes, Lothar Wieler, hat es ja selber vor einigen Wochen auf den Punkt gebracht: als „Corona-Tote“ werden nicht jene gezählt, die an dieser Virus-Erkrankung gestorben sind, sondern auch alle, die mit einem Corona-Virus gestorben sind (nicht der einzige Fehler, der uns mit den alltäglichen Epidemie-Zahlen aufgetischt wird – aus welchen Gründen auch immer). Auf festerem Boden jedenfalls bewegen wir uns, wenn wir auf die ökonomischen und sozialen Folgen schauen, die inzwischen auch Griechenland in eine noch viel tiefere Krise als zuvor zu stürzen droht. Ich beschränke mich nur auf zwei Dimensionen der Katastrophe, auf die Griechenland unaufhaltsam zuzusteuern beginnt.

Die eine, das ist der Tourismus, den es aller Voraussicht nach in Griechenland 2020 nicht mehr in nennenswertem Umfang geben wird. Um noch einmal Thomas Bormann zu zitieren:

„Vor Ende Juni bis Anfang Juli wird in Griechenland kein Hotel aufmachen. Die Folge: Zigtausende verlieren deshalb ihre Arbeit. (…) Die Saison 2020 wird katastrophal.“

Ich ergänze an dieser Stelle nur, dass der Tourismus in Griechenland ohnehin ein Janusgesicht besitzt: den großen Reibach dabei machten während der letzten Jahre eh nur die großen Tourismuskonzerne, nicht aber die einheimischen Arbeitskräfte, die überwiegend im Niedriglohnsektor und befristet in den Hotels geschuftet haben. Mieseste Ausbeutung oder jeglicher Wegfall von Einkünften jetzt: das war und ist die Alternative, vor der die arbeitenden Menschen in der Tourismusbranche standen oder stehen. Die Vergnügungsregionen für die Touristen waren also niemals identisch mit den Lebenssicherungsregionen für die in dieser Branche arbeitenden GriechInnen selbst. Doch das soziale und ökonomische Elend, das sich nunmehr unter den Bedingungen der Corona-Krise abzuzeichnen beginnt, kann noch deutlicher umrissen werden, und dieses Elend betrifft keineswegs nur die Arbeitskräfte in der Tourismusindustrie. Konkret:

Einer Studie des Meinungsforschungsinstituts „Interview“ zufolge gaben 24 Prozent aller Arbeitnehmer in Griechenland an, dass sie bereits jetzt keinerlei Geld mehr hätten, um weiterexistieren zu können. 44 Prozent der Befragten gaben zu Protokoll, daß ihre Geldmittel gerade noch für zwei bis drei Wochen reichen würden. Und lediglich 32 Prozent konnten davon berichten, dass sie noch für die kommenden zwei Monate über Rücklagen verfügen würden. Erneut also werden wir mit der Zweidrittelgesellschaft in Griechenland konfrontiert – dieses Mal allerdings anders herum: nicht ein Drittel nur der Menschen sind abgehängt vom Wohlstand in Griechenland, sondern zwei Drittel sind es mittlerweile. Und es ist lediglich ein Drittel der griechischen Arbeitsbevölkerung, das sich bis auf weiteres noch einigermaßen sicher fühlen darf, in materieller Hinsicht zumindest. Folgerichtig deshalb auch, dass bei derselben Umfrage 70 Prozent aller Arbeitnehmer beklagten, psychisch nicht mehr gut drauf zu sein, allein schon der Beschränkung wegen, die eigene Wohnung nicht mehr verlassen zu dürfen (abgesehen von Kurzaufenthalten draußen, um zum Beispiel einkaufen zu gehen).

Wie ich bereits vor einigen Wochen berichtete, stecken auch Uschi und Kalle Apel, unsere “Außenhelfer”, in dieser Falle. Sie hängen in Kyparissi fest, an der Südküste der Peloponnes, und dürfen nicht nach Deutschland zurück. Und sie dürfen, wie ihre griechischen Nachbarn und Freunde, das Haus nur verlassen, wenn sie sich eine Ausgeherlaubnis ausgedruckt haben, heruntergeladen aus dem Internet, die auch die präzise Uhrzeit enthält. Ohne dieses Papier kein Einkauf, ohne dieses Papier kein Gassigehen mit den Hunden, die Uschi und Kalle mitgebracht haben aus Deutschland!

Und was tut die Regierung der „Nea Dimokratia“, um der wachsenden Not der Menschen entgegenzuwirken? – Nun, Kyriakos Mitsotakis hatte dazu am Montag, den 13. April, der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass er 155.000 Langzeitarbeitslosen eine „Sonderzuwendung“ von 400,- Euro zukommen lassen wolle – „…um den sozialen Zusammenhalt zu schützen“, so der ultrakonservative Regierungs-Chef. 400,- Euro, einmalig natürlich, in einem Land mit inzwischen rund 3,5 Millionen verarmten oder verelendeten Menschen.

Ich überlasse es Euch, den Lesern und Leserinnen, dem unsäglichen Zynismus dieses Spruchs auf die Spur zu kommen. Es wird wohl niemandem schwerfallen unter den Leserinnen und Lesern von HdS!

Womit ich mal wieder bei meinem Aufruf zu weiteren Spenden für unsere Hilfsaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ bin. Also:
Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ auf das Konto:

Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Mit herzlichen Grüßen und allen meinen guten Wünschen
Euer Holdger Platta

Anzeigen von 2 Kommentaren
  • Volker
    Antworten

    Ich überlasse es Euch, den Lesern und Leserinnen, dem unsäglichen Zynismus dieses Spruchs auf die Spur zu kommen. Es wird wohl niemandem schwerfallen unter den Leserinnen und Lesern von HdS!

    Sehr nobel. Reicht gerademal für einen Schlafsack und paar Kleinigkeiten für ein Dahinleben auf der Straße.

  • Peter Boettel
    Antworten
    Der Spruch könnte natürlich ebenso von den Pseudochristen Schäuble, Merkel, Seehofer, Scheuer, Dobrindt, Söder & Co. kommen.

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