Mitsotakis sucht den „Dialog“ – mit dem Prügel in der Hand

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

196. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Nun gut, nach dem Rekordergebnis der Vorwoche dieses Mal nur ein mittleres Spendenresultat. Aber: unsere Hilfsprojekte in Griechenland sind ungefährdet. Gefährdet hingegen ist etwas anders in diesem Mittelmeerstaat, und dieses gilt Woche für Woche mehr: die Demokratie! Ein weiterer Bericht über unsere Hilfsprojekte in Griechenland – und über Prügelorgien der Polizei in Athen. Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

natürlich war klar, dass wir das Rekordergebnis der vorletzten Woche bei den Spendenzahlungen nicht würden halten können. 13 UnterstützerInnen hatten da 937,77 Euro an uns überwiesen.

In den vergangenen sieben Tagen gingen 165,- Euro auf unserem Hilfskonto ein, überwiesen von 4 LeserInnen an uns. Das ist aus unserer Sicht ein mittelgutes Ergebnis, das mit den Einzahlungen davor auf jeden Fall sicherstellen wird, dass wir allen Hilfsbedürftigen, die in diesem Jahr noch auf unsere Unterstützung angewiesen sind, über den Jahreswechsel hinweg den Lebensunterhalt werden absichern können. Dank also allen Spenderinnen und Spendern, die während der letzten Woche unsere Hilfsinitiative mit weiteren Geldern zu unterstützen vermochten. Ich konkretisiere an dieser Stelle nochmal die Situation einiger Menschen, die wir in Griechenland unterstützen:

Zuallererst sei Panagiota K. mit ihren drei Töchtern aus Megara erwähnt: Sie scheint eine schöne neue Wohnung gefunden zu haben, eine Drei-Zimmer-Wohnung mit Küche und Bad (Mietkosten pro Monat, Ihr wisst es, 220,- Euro). Deren Finanzierung durch uns ist bis auf weiteres sichergestellt. Leider hat sich aber bewahrheitet, dass Panagiota ihren Arbeitsplatz verloren hat. Deswegen werden wir sie wieder mit Lebensmittel-Bons unterstützen, einschließlich ihrer Töchter natürlich. Den genauen Finanzbedarf teilt uns Tassos Chatzatoglou noch mit.

Des weiteren werden wir die Armen auf Andros mit Geldmitteln für Lebensmittel und Hygieneartikel unterstützen. Da hat Tassos Chatzatoglou den Finanzbedarf mit 500,- Euro veranschlagt, vorerst einmal (= für die nächsten zwei Monate). Auch diese Hilfe wird unsere Initiative vor keine Probleme stellen.

In argen Nöten befindet sich immer noch Alexander, der arbeitslose Schauspieler aus Athen. Da werden wir zunächst einmal aufgelaufene Rechnungen in der Gesamthöhe von rund 630,- Euro bezahlen. Alexander ist aber gleichzeitig ein Beispiel dafür, mit welcher Häme der griechische Staat mit seinen Hilfsbedürftigen umgeht. Da Alexander im letzten Jahr seine frühere Wohnung verkauft hat, um eine neue, erhebliche kleinere, Wohnung kaufen zu können (bei der einiger Renovierungsbedarf bestand), wurden die Sozialhilfezahlungen an ihn erst mal kurzerhand eingestellt. Auch die Rentenzahlungen an ihn wurden storniert und sollen erst im kommenden Jahr, im Februar, in der Gestalt einer Mindestrente wieder aufgenommen werden. Auch hier werden wir zur Überbrückung dieser Wartezeit den Lebensunterhalt für Alexander sicherstellen, wobei Tassos derzeit noch ermittelt, um welchen Hilfsbetrag, der dazu erforderlich ist, es sich konkret handeln wird. Wichtig jedenfalls ist: auch Alexander wird sich zumindest auf absehbare Zeit keine Sorgen machen müssen, dass es für den Lebensunterhalt nicht mehr reicht. In diesem Zusammenhang erinnere ich kurz daran, dass es viele Rentenberechtigte in Griechenland gibt, die – zum Teil über Jahre hinweg! – auf erste Rentenzahlungen des Staates an sie warten müssen (auch Tassos Chatzatoglou gehört ebenfalls zu diesen Betroffenen!).

Geradezu zynisch mutet in dieser Hinsicht übrigens eine Meldung aus der neuesten Ausgabe der „Griechenland Zeitung“ (GZ) an, vom 4. Dezember des Jahres:

Die OECD, die „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit“, hat demzufolge „Alarm geschlagen“, was die Situation des Rentensystems in Griechenland betrifft (und nicht nur dort). In einem Bericht mit dem Titel „Renten auf einen Blick“ haben die Experten dieser Organisation darauf aufmerksam gemacht, dass die sogenannte „Überalterung der Bevölkerung“ die „finanzielle Tragfähigkeit des öffentlichen Rentensystems gefährden werde“. Im GZ-Einspalter wörtlich: „Die OECD fordert deshalb zügige Reformen“. Worin allerdings diese „Reformen“ bestehen sollen, geht aus dieser Nachricht nicht hervor. Etwa weitere Absenkung des Rentenniveaus – und damit noch mehr Existenznöte in Griechenland? Und trifft auch die Ursachenangabe „Überalterung“ wirklich zu?

Natürlich, wegen des sogenannten „Braindrains“, wegen der Emigration von rund 600.000 Menschen aus Griechenland aufgrund der Tatsache, im Heimatland keinen Job gefunden zu haben, verließen vor allem jüngere – oft hochqualifizierte! – Arbeitskräfte das Land. Insofern, in der Tat, nahm der Anteil der älteren Menschen in Griechenland zu, der Anteil also von Renten- und Pensionsbeziehern. Aber zur eigentlichen Ursache dieser Katastrophenentwicklung kein einziges Wort, dazu nämlich, dass aufgrund der bestialischen Austeritätspolitik Griechenland mehr und mehr in diese Krise hineingespart worden ist, dass aufgrund der diktatorischen EU-Politik mehr und mehr Arbeitsplätze in Griechenland verloren gegangen sind und ein Konjunkturaufschwung in Griechenland allein schon durch diese hirnrissige Politik der Nachfrageverknappung verhindert worden ist.

Dass es auch anders geht, hat Portugal gezeigt – ich berichtete bereits vor vielen Monaten ausführlich darüber. Nicht Lohnsenkungen und Rentenkürzungen wären angezeigt gewesen, sondern das genaue Gegenteil, nicht Steuererhöhungen für alle – insbesondere im Bereich der indirekten Steuern (= Mehrwertsteuer!) –, sondern Steuersenkungen für das unter Bevölkerungsdrittel, nicht Sparkurs (zugunsten westeuropäischer Banken!), sondern staatliche Investitionsprogramme für die Wohlfahrt der Bürger, vor allem ganz unten in der Einkommenshierarchie!

Zu befürchten steht also, dass die ultrakonservative Regierung unter Kyriakos Mitsotakis stattdessen auf weitere Verelendung der Armen in seinem Land setzen wird – und dieses womöglich sogar mit dem ausdrücklichen Segen der OECD. In einem Wort mithin: es besteht die Gefahr, dass die Katastrophe in Griechenland durch noch mehr Katastrophe „bekämpft“ werden soll!

Nun, „Heldenmut“ legt die neue Regierung der „Neuen Demokratie“ nicht an der Front europäischer Forderungen und Diktate an den Tag, sondern stattdessen erneut – und brutaler als vorher noch – an einer ganz anderen „Front“. Jawohl, ein weiteres Mal muss an dieser Stelle von Exarchia die Rede sein. Ihr wisst, von jenem Künstler- und Anarchistenviertel in Athen, das seit Monaten schon wieder und wieder angesagtes Angriffsziel staatlicher Polizeikräfte ist. Besetzte Häuser, die vorher Flüchtlingen und vorher Obdachlosen eine Unterkunft geboten haben, sind mittlerweile fast restlos geräumt und dürfen nunmehr – welch grandioser humaner Fortschritt“! – leer stehen. Das Gentrifizierungsprojekt Exarchia als Spekulationsobjekt für – nicht selten ausländische – Immobilienzocker wird noch konsequenter als vorher vorangetrieben. Und die griechische Polizei, im Regierungsauftrag, scheut auch vor weiteren Eskalationen nicht zurück. Der neueste Höhepunkt:

Man geht nunmehr auch gegen Kinder und Jugendliche im Viertel vor, verprügelt sie auf offener Straße und reißt ihnen die Kleider vom Leib, verhaftet die Jugendlichen sogar. Einziges Pech für die Staatsgewalt:

Dieses Mal wurden viele dieser Polizeiausschreitungen von Journalisten auch gefilmt, und die Videos machen zumindest in den sozialen Medien inzwischen die Runde. Da sieht und hört man dann Jugendliche schreien „Ich ergebe mich“, und Polizisten dreschen auf sie ein, da beobachten unbeteiligte Bewohner von Exarchia diese Exzesse, und die Polizisten halten sich bei ihren Prügelorgien nicht mal aus diesen Gründen zurück!

Selbst die bereits erwähnte „Griechenland Zeitung“ (GZ) hat Vorfälle dieser Art verurteilt und spricht – immerhin das! – in ihrer neuesten Ausgabe vom „Macho-Gehabe“ der Macht, erwähnt Exarchia ausdrücklich und nennt sogar Namen: den des Investitionsministers Adonis Georgiadis etwa, den „Bürgerschutzminister“ (!) Michalis Chrysochoidis und dessen Staatssekretär für Immigrations- und Asylfragen Jorgos Koumoutakos. GZ-Redakteur Dimos Chatzichristou wörtlich dazu: „Die Gefahr, die damit einhergeht, ist, dass das Pendel dann noch stärker nach rechts ausschlagen könnte“. Aber ist das schon alles? – Keineswegs:

Der griechische Premierminister und Neudemokrat Kyriakos Mitsotakis entblödete sich nicht, auf einem Kongress seiner Partei „Nea Dimokratia“ (ND) am Wochenende vom 29. November bis 1. Dezember des Jahres der staunenden Öffentlichkeit mitzuteilen – Ort der Handlung: das Messegelände am Athener Flughafen -: die „ND (…) sei ‚immer eine offene Partei‘ gewesen, die auf der Suche nach dem Dialog sei“ (hier zitiert nach GZ). Nun. in Exarchia darf man Woche für Woche erleben, was dieser Herr, was diese Partei, unter „Dialog“ versteht: das Verprügeln und Inhaftieren der eigenen jungen Generation! Die Unbarmherzigkeit gegenüber den Armen im eigenen Land geht einher mit der Erbarmungslosigkeit gegenüber den jungen Menschen in Griechenland. Und da beklagt die OECD die „Überalterung“ in diesem Staat – in einem Staat, der die einen aus der jungen Generation aus Griechenland vertreibt, weil er ihnen keine Arbeitsplätze anbieten kann, und der die anderen aus der jungen Generation zusammenschlägt und in die Gefängnisse wirft, weil sie mit einem solchen Staat nicht einverstanden sind. Übrigens gedachten diese Jugendlichen bei ihrer Demonstration in Exarchia eines Jugendlichen, der als Sechzehnjähriger Todesopfer der griechischen Junta geworden ist! An diesem Gedenktag konnte man den Eindruck haben, dass die Obristen in Griechenland noch immer nicht ausgestorben sind! Und Panagiota und Alexander und die Armen auf Andros werden bei dieser Gelegenheit gleich mit verheizt! Es bleibt dabei, liebe Leserinnen und Leser von HdS: unser Mitleid bleibt weiterhin gefragt! Und unser Protest!

Deshalb erneut mein Aufruf zu Spenden für unsere Hilfsaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“.

Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ auf das Konto:

Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Und wer, wie gesagt, noch etwas mehr tun will: auch unser gemeinnütziger Verein, die „Initiative für eine humane Welt (IHW) e.V.“, ist immer wieder erneut auf neue Hilfsgelder angewiesen, zur finanziellen Absicherung unserer Arbeit ganz generell. Diese Spenden bitte dann an dasselbe Konto, wie oben angegeben, jedoch mit dem Stichwort „GR-IHW“ versehen. Es sei wiederholt: wir würden uns riesig auch über diese Unterstützung freuen.

Mit herzlichen Grüßen wie stets
Euer Holdger Platta

Kommentare
  • heike
    Antworten

    Nicht Lohnsenkungen und Rentenkürzungen wären angezeigt gewesen, sondern das genaue Gegenteil, nicht Steuererhöhungen für alle – insbesondere im Bereich der indirekten Steuern (= Mehrwertsteuer!) –, sondern Steuersenkungen für das unter Bevölkerungsdrittel, nicht Sparkurs (zugunsten westeuropäischer Banken!), sondern staatliche Investitionsprogramme für die Wohlfahrt der Bürger, vor allem ganz unten in der Einkommenshierarchie!

    Um das Einkommen der Banker braucht man sich wirklich keine Sorgen zu machen. Zum Beispiel verdient ein leitender Manager der Sparkasse Freiberg fast doppelt soviel wie die Bundeskanzlerin, deren Jahreseinkommen bei ca. 380.000 Euro liegt.

     

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