Monströse Zukunft

 In FEATURED, Kultur, Roland Rottenfußer

Filmszene aus „Mary Shelley“

Der Frankenstein-Mythos deutet auf heutige Versuche voraus, ethische Grenzen zu überschreiten. „Niemand wählt das Böse, weil es böse ist, sondern nur weil er es irrtümlich für das Glück und höchste Gut hält, nach dem er verlangt“, schrieb Mary Shelley. Nach unzähligen teils seichten Verfilmungen des Frankenstein-Stoffs, ist es erfreulich, dass jetzt eine Hollywood-Produktion über das Leben der Schriftstellerin ins Kino kommt. Der Mythos wird damit gerade rechtzeitig ins öffentliche Bewusstsein gerückt, um auf die Gefahren des technologischen Fortschritts aufmerksam zu machen, die u.a. mit Gentechnik, Roboterisierung und Biotechnologie drohen. Darf der Mensch alles, was er kann? Und gebiert menschliche Hybris Monster? Sich solche Fragen zu stellen, war nie notwendiger als heute.  Roland Rottenfußer

„Hat sich von Ihnen schon mal jemand gefragt, ob Tote wieder lebendig werden können?“ In Haifaa Al-Mansours romantischer Verfilmung des Lebens von Mary Shelley, der Schöpferin des klassischen Schauerromans „Frankenstein“, wird die Autorin als leidende und ringende, im Ganzen aber erstaunlich moderne junge Frau dargestellt. Die Anregungen, die sie für ihren Roman verarbeitete, werden dramatisch und bildgewaltig in Szene gesetzt. Dies gilt zunächst für Experimente der so genannten Galvanisten des frühen 19. Jahrhunderts, die elektrischen Strom in Leichname leiteten und dadurch unwillkürliche Zuckungen erzeugten; es gilt aber auch für romantische Liebe – hier ist der Begriff doppelt passend – in den Zeiten feindlicher gesellschaftlicher Enge.

Mary Shelley, die im Film von Elle Fanning dargestellt wird, wurde 1797 in London geboren. Ihr Geburtsname war Mary Godwin, oft wird sie auch als Mary Wollstonecraft Shelley bezeichnet. Marys Eltern gehörten der absoluten Bewusstseins-Avantgarde ihrer Zeit an. Ihr Vater war der Sozialphilosoph und Begründer des politischen Anarchismus William Godwin, ihre Mutter die Feministin Mary Wollstonecraft. Deren Hauptwerk „Verteidigung der Rechte der Frau“ (1792) war ein frühes Manifest des Feminismus. Das Werk beider Eltern wirkt auch auf Heutige inspirierend. Die feministische Stoßrichtung, die in der Verfilmung von Mary Shelleys Leben enthalten ist, wurde also nicht einfach aus moderner Sicht „draufgesetzt“, sondern ist dem zeitlebens sehr fortschrittlichen Geist der Autorin geschuldet.

Wildromantische Liebe

Hinzu kamen die Kreise der englischen Romantiker, mit denen Mary über ihren späteren Ehemann Percy Bysshe Shelley in Berührung kam und zu denen auch der berühmte Dichter Lord Byron gehörte. Das Paar soll sich – malerisch und sehr „gothic“ – am Grab von Mary Wollstonecraft die gegenseitige Liebe geschworen haben. Mary sah in Percy quasi die Fortsetzung der fortschrittlichen Ideale ihrer Eltern. Die geistige Atmosphäre im England des beginnenden 18. Jahrhundert war dem Irrationalen und Unheimlichen durchaus zugetan. Schauerromane wie Ann Radcliffs „Udolpho“ (1794) waren populär. Realistische Autorinnen wie Jane Austen und Charlotte Brontë arbeiten sich später ironisch an diesem Genre ab, bevorzugten aber meist natürliche Auflösungen „übernatürlicher“ Rätsel. Der romantische Maler Johann Heinrich Füssli, Schöpfer des bekannten Gemäldes „Nachtmahr“ (1782), in dem sich ein dämonischer Gnom und ein irres Pferd über eine schlafende weiß gewandete Frau beugen, war ein Liebhaber von Marys Mutter.

Mary und Percy lebten zunächst in „wilder Ehe“ und waren somit gesellschaftlich geächtet. Nach der Rückkehr von einer gemeinsamen Europareise war Mary schwanger. 1815 starb ihr Baby wenige Tage nach der Geburt. Dies war die Ursache von Depressionen, die sie seither immer wieder plagten. Man kann mutmaßen, dass der Wunsch, Tote wieder zum Leben zu erwecken, der im Frankenstein-Roman thematisiert wird, hier einen biografischen Ursprung hatte. Im Film wehrt sich Mary gegen die Unterstellung von Männern, Frauen brächten nicht die nötige Seelentiefe mit, um ein literarisches Werk zu schaffen: „Wie können Sie es wagen, einer Frau die Fähigkeit abzusprechen, Verlust zu erfahren, Betrug, Tod? Hätte ich nicht diese Seelenqualen durchlitten, hätte ich nicht diese Stimme gefunden.“

Die Nacht, in der „Frankenstein“ entstand

Im Sommer 1816 weilten Mary und Percy Shelley zusammen mit Lord Byron, John William Polidori und Marys Halbschwester Claire Clarimont am Genfer See. Die Legende sagt, dass dort zwischen den Teilnehmern eine Art Dichterwettstreit stattfand, in dem sich jeder und jede an einer Schauergeschichte versuchen sollte. „Frankenstein“ sollte das später bei weitem populärste Erzeugnis dieser Zusammenkunft werden. Die Nacht, in der Roman geistig geboren wurde, soll nach einem Bericht der Autorin stürmisch und gewittrig gewesen sein. Man darf sich also ruhig zuckende Blitze und Donnergrollen vorstellen, wie es der Film „Gothic“ von Ken Russel (1986) in einer arg dick aufgetragen Verfilmung der Story suggeriert. Mary Shelley erzählte später, dass sich die Gruppe während dieses „Retreats“ über den Naturphilosophen Erasmus Darwin unterhalten habe, der angeblich in Experimenten tote Materie belebt hätte. Es ist unklar, ob es Wahrheit oder Selbstmystifizierung ist, was die Autorin bewog zu behaupten, „Frankenstein“ beruhe auf einem Alptraum, den sie in jener Nacht hatte:

„Ich sah den bleichen Schüler unheiliger Künste neben dem Ding knien, das er zusammengesetzt hatte. Ich sah das bösartige Phantom eines hingestreckten Mannes und dann, wie sich durch das Werk einer mächtigen Maschine Lebenszeichen zeigten und er sich mit schwerfälligen, halblebendigen Bewegungen rührte (…). Sein Erfolg würde dem Künstler Angst einjagen; er würde voll Grauen vor dem abscheulichen Werk fliehen. Er würde hoffen, dass der schwache Lebensfunke, den er übertragen hatte, verblassen würde, wenn er ihn sich selbst überließe (…) und er könnte in dem Glauben schlafen, dass die Stille des Grabes die flüchtige Existenz dieses bösartigen Leichnams, den er als Quelle des Lebens betrachtet hatte, für immer ersticken würde.“

Jenseits von Boris Karloff

Im Januar 1818 wurde „Frankenstein“ als Buch veröffentlicht und war zunächst wenig erfolgreich. Da das Buch ohne Verfassernamen, jedoch mit einem Vorwort von Percy Shelley erschien, hielt man zunächst diesen für den Autor. 1822 ertrank Shelley bei einem Segelunfall. Mary setzte ihre literarische Karriere mit zahlreichen weiteren, weniger bekannten Werken fort und lebte mit ihrem einzigen überlebenden Kind in England. Sie starb 1951 mit nur 53 Jahren an einem Gehirntumor.

Boris Karloff als Frankensteins Monster

„Frankenstein“ kennen wir aus mittlerweile unzähligen Verfilmungen. Für die älteren unter uns dürfte vor allem die Version von James Whale (1931) prägend gewesen sein, in der Boris Karloff das Monster mit flachem Schädel und sehr grob vernähten Narben darstellt. Im Roman selbst werden wir zunächst nicht in von Blitzen umzuckte mittelalterliche Gemäuer entführt, sondern finden uns überraschend am Nordpol wieder, wo Schöpfer und Geschöpf zu einem letzten Showdown zusammentreffen. Viktor Frankenstein erzählt seine Geschichte rückblickend einem Schiffskapitän. Als Rückblende innerhalb der Rückblende wird ein Teil der Handlung auch vom sehr redegewandten „Monster“ selbst erzählt. Einigermaßen eng an den Roman angelehnt war nur Kenneth Branaghs Filmversion von 1994, die er gleich sinnigerweise „Mary Shelley’s Frankenstein“ nannte und in der Robert de Niro den unglücklichen Unhold gibt. Zuletzt war auch eine Neuverfilmung mit Javier Bardem im Gespräch, von der aber nicht sicher ist, ob sie je gedreht werden wird. Dazwischen gab es unzählige seichte und klischeehafte Versionen wie die Comedy-Serie „The Munsters“ oder Film-Gurken die „Frankensteins Monster“ im Titel tragen, in denen es aber eher um aggressive Riesenechsen geht.

Prometheus: Der Aufstand gegen Gott

Schon der vollständige Titel des Romans – „Frankenstein oder der neue Prometheus“ – verweist jedoch auf den seriösen Anspruch der Autorin. Es geht um bewusste Grenzüberschreitung im Widerstreit mit einem „göttlichem“ Gebot. Prometheus brachte den Menschen das Feuer und missachtete damit das ausdrückliche Gebot des Göttervaters Zeus – quasi eine altgriechische Variante der Geschichte von Adam, Eva und dem Apfel. In beiden Geschichten hatte die Grenzüberschreitung das Doppelgesicht von Sünde und Emanzipation. Der Mensch löst sich aus der Abhängigkeit von Gott/den Göttern und nimmt selbst gottähnliche Fähigkeiten für sich in Anspruch. Er maßt sich an, was sonst Göttervorrecht ist: im Frankensteinroman also das absolute Alleinstellungsmerkmal Gottes: Lebewesen zu erschaffen.

So haben die ausführlichen Dialoge der Kreatur mit ihrem Schöpfer Viktor Frankenstein auch einen Subtext, der klar auf die Beziehung Mensch/Gott verweist. Das „Monster“ des Originalbuchs von Mary Shelley ist nämlich denkbar weit entfernt von einem grunzenden Tiermenschen, wie ihn Boris Karloff in den klassischen Horrorfilmen der 30er darstellte. Als groß und abstoßend hässlich wird das Wesen zwar beschrieben, jedoch auch als intelligent und überaus sensibel, begabt mit geradezu intellektuellen Ambitionen. Von ihrem Versteck aus in der Scheune einer Bauernfamilie stibitzt sich die Kreatur so manche erbauliche Lektüre. Vor allem ragt hier Miltons klassisches Versepos „Verlorenes Paradies“ (1667) heraus, das in der englischen Literatur einen hohen Rang einnimmt. Adam und Eva, die ersten Menschen, ringen darin mit Gott und dem Satan um moralische Fragen.

Das sensible „Monster“

Das belesene Monster sieht in dem Versepos „das Bild eines allmächtigen, im Widerstreit mit seinen Geschöpfen liegenden Gottes“. Mit Adam, dem einsamen Sonderling der Schöpfung fühlt es sich zutiefst verbunden. „Ganz so wie Adam war auch ich mit keinem anderen Lebewesen verwandt – und doch, welch ein Abgrund trennte uns beide voneinander! Er war ja aus den Händen Gottes hervorgegangen als ein vollkommenes Geschöpf – er war glücklich, war gesegnet und ruhte in der göttlichen Obhut seines Schöpfers! Ihm war’s ja verstattet mit höheren Wesen Zwiesprache zu halten und dergestalt sein Wissen zu mehren. Ich aber war elend, hilflos und ganz allein und so manches Mal wollt es mich bedünken, als wär der leibhaftige Satan ein besseres Sinnbild meines verstoßenen Daseins.“

Die Kreatur beginnt am Sinn ihrer Existenz zu zweifeln und ergeht sich in Selbsthass: „O hassenswerter Tag, da ich ins Leben trat! (…) Vermaledeiter Schöpfer! Was musstest du ein Monstrum formen, von dem selbst du voll Grausen dich gewandt? Der große Gott, hat er nicht voll Erbarmnis nach seinem eigenen Bild den Menschen sich erschaffen, voll Schönheit und voll Anmut? Ich aber bin ein schmutziges Zerrbild nur, und dass ich dennoch meinem Schöpfer gleiche, macht meine Hässlichkeit bei weitem ärger!“ Die Verantwortung dessen, der Leben geschenkt hat, wandelt sich zur Schuld, wo Leben überwiegen mit Leiden einhergeht. Dieser Vorwurf trifft leibliche Eltern ebenso wie einen angenommenen Schöpfergott – ja der Sinn der Existenz selbst ist es, was letztlich in Frage gestellt wird.

Die Angst macht jemanden zum Monster

An einer Stelle zeigt sich das „Monster“ sogar sensibler als es die meisten Menschen bis heute sind. Im Einklang mit dem sozialkritischen Vegetarismus, dem Mary und Percy Shelley sowie Lord Byron anhingen, proklamierte es für sich und seine noch zu erschaffende Braut eine reine Pflanzenkost: „Meine Nahrung ist anders als die der Menschen; ich töte weder Lamm noch Zicklein, um meinen Hunger zu stillen. Eicheln und Beeren genügen mir. Da auch meine Gefährtin meine Natur besäße, wäre sie mit derselben Kost zufrieden.“ Hier wird das Geschöpf zum Sprachrohr einer utopischen Gegenwirklichkeit, mit der sich die Autorin befasste.

Ein eigentlich „reines“, zumindest aber in kindlicher Weise ethisch indifferentes Wesen, wird erst durch die Projektionen seiner Umwelt, durch deren Fixierung auf Schönheitsideale, denen es nicht entspricht, zur Gefahr für sich und andere. In dem „Monster“ schwelt die Wunde des Ungeliebten. Erst die Angst der anderen vor ihm macht es zu etwas Furchterregendem. Sein Verhalten folgt den Unterstellungen und Befürchtungen der Mitmenschen bis zum ungewollten Mord an dem Knaben Wilhelm. „Ich bin ja nur so böse, weil ich so elend bin“, sagt die Kreatur im Gespräch mit ihrem Erschaffer. „Vermag ich’s nimmer, Liebe zu erwecken, nun gut, so mag man Furcht vor mir empfinden!“ Eine hellsichtige Beobachtung über die Genese des Bösen. Viktor Frankenstein als Prototyp väterlichen Versagens  wendet sich nach Vollendung des Schöpfungsvorgangs mit Grausen von seiner Schöpfung ab – ein Phänomen, das man leider auch in der Realität immer wieder beobachten kann, wenn ein Kind den Erwartungen seiner Eltern nicht entspricht. Die „normalen“ Menschen sind in ihrer emotionalen Kälte eigentlich die Monster. Oder wie Mary Shelley in der Filmversion sagt: „Die Menschen erscheinen mir wie Bestien.“

Darf der Mensch alles, was er kann?

Der Frankenstein-Mythos ähnelt natürlich jenem etwas leichtfüßigeren vom „Zauberlehrling“. Die Ballade schrieb Goethe im Jahr 1827, und sie gipfelt in dem Ausspruch: „Die ich rief, die Geister,/ Werd ich nun nicht los.“ Eindeutig geht es in beiden Geschichten darum, ob die Wissenschaft alles tun sollte, was sie technisch betrachtet tun könnte. Eine moralisierende Warnung wird ausgesprochen, die Grenzen des Humanen zu respektieren und auf das Machbare, jedoch Gefährliche zu verzichten. Die Atombombe ist ein typisches „Monster“, das sich in der Mitte des 20. Jahrhunderts erhob – einer der schlimmen „Geister“, die der Mensch rief und die er nun nicht mehr loswird. Allenfalls ist Schadensbegrenzung möglich, indem auf die Anwendung der Bombe vorerst verzichtet wird, aber als Bedrohung bleibt das technisch Mögliche stets gegenwärtig.

„Frankenstein“ ist somit auch ein Werk der Gegenaufklärung, festgemacht an der klassischen Figur des „Mad scientist“, dem die Folgen seines verantwortungslosen Handelns drastisch vor Augen geführt werden. Der Galiei-Mythos einer „voraussetzungsfreien Wissenschaft“, die sich aus der Gebundenheit an Moralsysteme (damals vor allem jene der katholischen Kirche) löst, die furchtlos das Denkbare denkt und das Machbare macht – er stieß in der europäischen Romantik auf machtvollen literarischen Widerspruch. Mary Shelley teilte nicht den Fortschrittsoptimismus ihrer Eltern, die Auffassung, dass die Entwicklung der Menschheit quasi einem Naturgesetz folgend immer „aufwärts“, zu fortschreitender Verbesserung der Lebensumstände führen müsse. Die Handlung ihres Klassikers scheint dem modernen Dogma von Ratio, Willensanstrengung, Wissenschaft und Fortschritt zutiefst zu misstrauen. Es scheint, als wolle Mary Shelley die Straße in die Zukunft mit „Leitplanken“ aus ethischen und traditionellen Vorstellungen absichern.

Frankenstein-Food und Cyborg-Technik

Die zentrale Frage im Roman ist, ob wir als menschliches Kollektiv unsere Zukunft wählen wollen anstatt verantwortungslos in sie hineinzustolpern oder uns passiv von ihr überrollen zu lassen. Dies gilt für die anstehende Digitalisierung, die man uns gern als unausweichlich aufschwatzen will, ebenso wie für „künstliche Intelligenz“, die für manche wohl den Mangel an natürlicher Intelligenz kompensieren soll. Die Wirkung des Schauerromans reicht bis in die unmittelbare Gegenwart, wenn Gentechnik-Gegner vom „Frankenstein-Food“ im Zusammenhang mit Monsanto-Genmais sprechen und damit kulturgeschichtlich weiter in die Tiefe gehen als ihnen vermutlich bewusst ist. Als „Chinas Frankenstein“ wurde He Jiankui bezeichnet, ein Wissenschaftler, der unlängst Genmanipulationen an zwei Embryonen vornahm. Gentechnik birgt exakt das Potenzial einer vom Schöpfer nicht mehr kontrollierbaren und „rückholbaren“ Schöpfung. Einmal in der Welt, kann Gentechnik, können z.B. auch Nanotechnologie und Roboterisierung, eine zerstörerische Eigendynamik entwickeln.

Der erfolgreiche Sachbuchautor Yuval Noah Harari entwirft in seinem Buch „Homo Deus“ die eher furchterregende Vision einer Zukunftsmenschheit, die nach Unsterblichkeit und gottähnlicher Macht strebt. Wie Dr. Frankenstein wird der Homo Sapiens letztlich den Tod selbst überwinden wollen. Neuere Entwicklungen in der Biotechnologie, Cyborg-Technik (das Zusammenschalten von Mensch und Maschine), der Download von menschlichem Geist in Computer und andere Science fiction-Szenarios erscheinen längerfristig möglich. Als „Tschechows Gesetz“ bezeichnet Harari die Neigung der Menschheit, einmal geschaffene Werkzeuge immer auch anzuwenden. Für die Stücke des russischen Schriftstellers gilt: Wenn im ersten Akt ein Gewehr im Schrank steht, wird es im letzten Akt abgefeuert.

Leidenschaft plädiert Harari jedoch dafür, dass der Mensch seine Gestaltungsfreiheit beibehält: „Manchmal tauchen Gewehre auf der Bühne auf, die nie abgefeuert werden. Gerade deshalb ist es so wichtig, sich über die neue Agenda der Menschheit Gedanken zu machen. Gerade weil wir, was den Einsatz neuer Technologien angeht, über gewisse Entscheidungsfreiheiten verfügen, sollten wir darüber Bescheid wissen, was passiert, und uns zu einer Entscheidung durchringen, ehe die Entwicklungen uns diese Entscheidung abnehmen.“

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