Nun werden Menschenhelfer in Griechenland sogar schon inhaftiert

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

237. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Bereits in der Vorwoche war Schlimmes zu berichten aus Griechenland: HelferInnen werden von der Polizei mittlerweile als „Spione“ beschimpft. Doch diese Feindseligkeit ist offenbar noch steigerbar: inzwischen verhaftet man HelferInnen in Griechenland sogar. Und mehr und mehr Asylbewerber werden aus ihren Unterkünften vertrieben, dürfen an der Schwelle zum griechischen Winter neuerlich erfahren, was Obdachlosigkeit ist, in Athen und anderswo. Furchtbare Nachrichten, ich weiß! Aber: wir „beschweigen“ diese nicht. Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

erinnert Ihr Euch noch, welchen Titel ich meinem letzten Bericht über unsere GriechInnenhilfe gegeben hatte? „Nun werden Menschenhelfer sogar schon als ‚Spione‘ gebrandmarkt“. Hintergrund dieser Überschrift: die griechische Polizei hat 35 HelferInnen von vier humanitären Nichtregierungsorganisationen als „Schleuser“ und „Spione“ bezeichnet, und zwar deshalb, weil diese in mindestens 32 Fällen Informationen an Schleuser in der Türkei weitergeleitet hätten, mit der Auskunft, wo sich gerade Küstenwachschiffe der griechischen Flotte befänden. Der Grund: diese sind immer wieder damit beschäftigt, Flüchtlingsboote zurückzutreiben aufs offene Meer.

Es scheint, die griechische Polizei setzt diese Diskriminierungspolitik gegenüber Helferinnen und Helfern auf der Insel Lesbos nunmehr mit anderen und noch drastischeren Mitteln fort. Einem Bericht vom 3. Oktober des Jahres ist zu entnehmen, das nunmehr die Polizeikräfte auf Lesbos sogar dazu übergegangen sind, ausländische Helferinnen und Helfer beim neuen Flüchtlingslager Kara Tepe zu inhaftieren, Menschenhelfer, die es „gewagt“ haben, für die Kinder dort – Schuhe zu verteilen, kostenlos natürlich. Motiv für diese Aktion: sie hatten beobachtet, dass „ganz viele Kinder“ dort keine Schuhe mehr haben. Ich zitiere aus dem Bericht:

„Kurz vor der Schließung des Lagers, um 19.30 Uhr, wollten die Helfer die Zeltstadt verlassen. Sie trafen auf einen Polizeiwagen: ‚Vollbremsung, drei Polizisten sind rausgesprungen, auf uns zu gerannt‘, beschrieb Eren die nächsten Momente. ‚Was macht ihr hier? Habt ihr eine Genehmigung?‘, sollen die Beamten zu beiden gesagt haben.

Als Nächstes seien sie auf die Polizeiwache ins Camp gebracht worden. ‚Ihr habt euch strafbar gemacht‘, sollen die Polizisten ebenfalls zu Eren gemeint haben. Warum genau die Polizisten Eren und seine Kollegin festnahmen, ist unklar. (…) Eren (einer der beiden HelferInnen) sagte, dass die Polizisten Sanchez und ihn nach einer halben Stunde zu der zentralen Polizeistelle Lesbos fuhren.

“Einfach Psychoterror”

Wie Eren erzählt, war ihre Zeit auf der Polizeiwache ‚einfach Psychoterror‘. Ihnen wurden ‚die absurdesten Fragen‘ gestellt. Darunter auch Fragen zu ihren Eltern, die laut Eren nichts mit der Sache zu tun haben. Unterschiedliche Beamte seien immer wieder rein- und raus gegangen.
‚Die Ungewissheit war das Schlimmste‘, denn für Eren und Sanchez war unklar, ob und wann sie die Polizeistelle wieder verlassen dürfen. Zeitweise seien sie auch getrennt voneinander befragt worden.
Eren habe gefordert, Freunde und Familie zu kontaktieren. So erlaubten die Polizisten, dass er seinen letzten Handy-Kontakten eine Mitteilung schicken dürfe.“

Erst einige Zeit später durften die HelferInnen die Polizeistation verlassen. Vor ihrem Rückflug von Athen aus nach Deutschland hätten Zivilpolizisten die beiden „relativ offensichtlich gefilmt und beobachtet“. Mit anderen Worten: Menschenhilfe verkommt im Bewusstsein des amtlichen Griechenlands allmählich zum Straftatbestand.

Menschenvernachlässigung hingegen steht in Griechenland nach wie vor auf der Tagesordnung und nimmt sogar zu. Das berichtet zum einen Gregor Gysi, der in der vorletzten Woche auf Lesbos war, zum anderen die „Griechenland Zeitung“ (GZ) vom 30. September über den Umgang mit – anerkannten – Asylbewerbern in Griechenland.

Gysi bezeichnete die Verhältnisse im neuen Flüchtlingslager Kara Tepe als „unverschämte Zumutung“. Und forderte, daß sich die EU-Staaten „stärker in die Asylverfahren vor Ort einbringen müssten“. Dies betreffe auch die medizinische Versorgung und auch die Schaffung sanitärer Einrichtungen im Camp (laut Bericht der zeitweilig inhaftierten HelferInnen teilten sich immer noch zweihundert Menschen eine Toilette).

Und die GZ berichtet in der genannten Ausgabe, daß anerkannte AsylbewerberInnen vom griechischen Migrationsministerium aufgefordert worden seien, Anfang Juni bereits, die ihnen zugewiesenen Unterkünfte in Athen, vor allem für diesen Zweck angemietete Hotels, unverzüglich zu räumen. Die „Griechenland Zeitung“ wörtlich:

„Viele der Menschen landeten mangels Wohnung schließlich auf der Straße und vor allem am Victoria Platz (= in Athen)…“

Dasselbe spielt sich auch auf Lesbos ab: 100 Asylbewerber sollen dort bis Ende Oktober das Kinderlager der Sozialfürsorgeorganisation PIKPA verlassen – „es sei dies eine Dauerforderung der örtlichen Gesellschaft und der Hoteliers“, so eine lokale Website vor Ort. Und das kommunale Camp in Kara Tepe, so der griechische Migrationsminister Notis Mitarkas, soll mit seinen offiziell 971 Menschen bis spätestens Silvester geräumt sein. Die GZ dazu:

„Wo die Menschen unterkommen sollen, ließ der Minister in beiden Fällen offen.“

Am heutigen Mittwoch sind Mitglieder der faschistischen „Morgenröte“, die vor sieben Jahren für die Ermordung eines linksengagierten Sängers verantwortlich waren, wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden. Allmählich fragt man sich, ob diese regierungsoffizielle, diese menschenfeindliche Politik der „Nea Dimokratia“ nicht ebenfalls als faschistisch zu bezeichnen ist und ob nicht auch diese Politik längst schon auf die Anklagebank gehört!

Muss ich wiederholen, was ich nun so oft schon hier mitzuteilen hatte? – Dass dann auf diese Anklagebank auch die europäische Gemeinschaft gehörte, die all dieses tatenlos zulässt? Und dass es eine Schande sondergleichen ist, dass die Mainstream-Medien der westlichen Welt nicht mal darüber berichten? – Wie weit ist die Untat von ungetanen Taten gegen die Untat entfernt?

Zum Schluss eine halb gute und eine gar nicht so gute Nachricht zu unserer Spendenaktion:

Die halb gute Nachricht: endlich kann ich Euch mitteilen, für welche Hilfszwecke wir unsere nächsten 1.200,- Euro ausgeben werden („halb gut“ ist diese Nachricht deshalb, weil der Betrag längst nicht ausreicht, allen Menschen zu helfen, die wir bisher betreut haben): 600,- Euro werden wir, in der Gestalt von Lebensmittel-Bons, wieder einmal Panagiota K. in Megara mit ihren drei Töchtern zur Verfügung stellen, schlicht fürs Überlebenkönnen. Arbeitslos seit längerem, ohne jede Sozialhilfe, benötigt Panagiota K. unsere Hilfe dringlicher denn je.

Gleiches gilt für Alexander, den arbeitslosen Schauspieler aus Athen. Dieser – Ihr erinnert Euch vielleicht – wartet immer noch auf die erste Auszahlungsrate seiner Pension, mittlerweile seit vielen Monaten schon. Auch ihm werden wir 600,- Euro, in der Gestalt von Lebensmittel-Bons, als weitere Überlebenshilfe zukommen lassen. Andere Menschen – etwa die Armen auf der Insel Andros – werden leider auch weiterhin auf Hilfe noch warten müssen.

Die andere, gar nicht so gute Nachricht:

Zum ersten Mal in der Geschichte unserer Spendenaktion für notleidende Menschen in Griechenland kann ich Euch heute die neuesten Spendenzahlen nicht mitteilen. Bis zur Stunde weiß ich nicht, was der Grund dafür ist. Ich kann mit Euch allen nur hoffen, dass es kein ernster Grund ist.

Gleichwohl: bitte spendet auch weiterhin! So einmalig dieser Informationsausfall ist, so einmalig soll er auch bleiben! Und die geschilderten Notlagen in Griechenland zeigen ja, wie dringend erforderlich nach wie vor unsere Hilfsaktion ist. In diesem Sinne:

Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ auf das Konto:

Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Mit herzlichen Grüßen und allen meinen guten Wünschen
Euer Holdger Platta

PS: Eben erreicht mich die Nachricht, dass der „Absturz“ des Computers bei Henry Royeck, unserem Kassenwart, zur Übermittlungspanne der neuesten Spendenzahlen geführt hat. Hier also nachgetragen: in der letzten Woche gingen 255,- Euro auf unserem Hilfskonto ein, in den sieben Tagen davor waren das 165,- Euro gewesen. In der Vorwoche hatten 2 SpenderInnen für dieses Ergebnis gesorgt, während der letzten sieben Tage 7 UnterstützerInnen. Mit großer Erleichterung – Ihr werdet es verstehen – teile ich Euch das mit und danke wie immer allen SpenderInnen sehr, sehr herzlich.

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