Ohne Militär geht es besser

 In FEATURED, Gesundheit/Psyche, Politik, Wolf Schneider

Nachrichtenflut

Das Ausmaß an Nachrichten, die wir in einer globalisierten Welt täglich konsumieren, überfordert die meisten von uns. Manche wollen gar keine politischen Nachrichten mehr in sich aufnehmen, andere nur noch durch den Filter der Satire (die US Late Night News oder auf Deutsch die ZDF-Satire-Sendung »Aus der Anstalt«), oder sie verhöhnen die Politik als Realsatire. Einige praktizieren zeitweise Nachrichtenfasten, andere verzichten auf politische Nachrichten ganz.

Ich selbst nehme weiterhin Nachrichten auf, allerdings hochselektiv und bestmöglich aufs Wesentliche ausgerichtet. Denn es interessiert mich wirklich, was in Brasilien und Sudan passiert, in Neuseeland und Görlitz. Ich schreibe ja nicht nur über Buddha, Jesus und Joanna Macy, sondern auch über politische Themen. Circa zwei Stunden Nachrichtenaufnahme täglich, das muss genügen. Bevor ich schreibe, recherchiere ich noch einiges im Internet und verwende dabei oft die Wikipedia, hauptsächlich die deutsche und die englische. Aus Einzelfällen weiß ich, wie oft sie falsch liegt, aber sie versucht heldenhaft aus einer prinzipiellen Überforderung das Beste zu machen, dafür und für ihre Art des Crowdsourcings von Wissen verdient sie hohes Lob.

Trotz aller Fake News und Filterblasen nutze und schätze ich das Internet sehr. Ja, es gibt dort Mobbing, Profilierungssucht und Empörungskultur, doch insgesamt fördert das Internet Gemeinschaft und Vernetzung unter uns Menschen mehr als je bisher und bietet dabei ein unendlich reichhaltiges Angebot an Wissen und Weisheit, Bildern und Tönen, Filmen und Musik, alles mit ein paar Klicks zu erreichen, das meiste davon kostenlos.

Diese Ode an die Freude, ein Flashmob vom Sommer 2014 vor der Nürnberger Lorenzkirche, wäre zu Beethovens Zeiten noch nicht möglich gewesen. Zu seiner Zeit konnten nur wenige, v.a. reiche Bürger und Adelige, seine neunte Sinfonie hören. Heute kann sie jeder auf der Welt hören, bis auf die ärmste Milliarde, die keinen Internetzugang hat.

Die Demokratie neu erfinden

Audrey Tang, 38 Jahre alt, Frau und Mann zugleich, ist die Digitalministerin von Taiwan und will die Demokratie neu erfinden – durch das Internet. Denn die bisherigen Demokratismen, unterstützt durch ein veraltetes Justizsystem, haben unsere Köpfe zu Rechthabern gemacht und unsere Herzen erkaltet; sie gehören zum Ancien Régime und sind die Antagonisten einer Kulturrevolution des Bewusstseins und der Natürlichkeit. Das Internet könnte auf wirtschaftlich unaufwändige Weise die Meinung der Bevölkerung abfragen, auch die von Berufs- und anderen sozialen Gruppen, und das viel öfter als nur alle vier Jahre. Das könnte zu politischen Entscheidungen führen, die mehr Menschen gerecht werden als je bisher. Wissen und Weisheit könnten per Internet Crowdsourcing gewonnen werden, wie die Wikipedia das schon im Bereich des Wissens tut, denn es braucht nicht nur Wissen, sondern auch Weisheitsbildung für die Massen, damit »das Volk« nicht so dumme politische Entscheidungen trifft wie bisher.

Wir haben so viele technische Möglichkeiten um Zeit zu sparen, und doch fühlen sich viele von uns im krassen Zeitmangel und gehetzter denn je. Was ist da falsch gelaufen? Vieles am Fortschritt war vielleicht nur in Fortschreiten ohne ein Ankommen.

Künstliche Intelligenz wird – wie so vieles, was Wissenschaftler erfunden haben – , v.a. vom Militär verwendet. Wie wär’s mal mit KI in der Krankheitsdiagnose?

Und auch das kann man sich fragen: Hat die Industrialisierung uns was gebracht? Vielleicht war entgegen der typischen Klischees nicht einmal die »Neolithische Revolution«, die von der Wirtschaftsform der Jäger und Sammler zur Landwirtschaft geführt hat, ein Fortschritt. Jäger, Sammler, Freizeitmensch – bei den Agta auf den Philippinen ist es jedenfalls so, dass es den Jägern und Sammlern deutlich besser geht als denen, die die Landwirtschaft gewählt haben.

Männer die »aufbrechen« und das Ende der Kriege

Seit über drei Jahren bin ich Teilnehmer und Co-Leiter im BeFree-Tantra von Regina Heckert. Bei den Pfingstseminaren geht es dort immer um die Versöhnung mit dem Vater, auch den Abschied vom Vater (und beiden Eltern), den Schritt ins eigene Leben. Um eine eigene Richtung im Leben zu finden, muss das Kind an der Mutter vorbei zum Vater gehen können (bitte das auch symbolisch-archetypisch verstehen, nicht immer geht es dabei um die leiblichen Eltern). Die Männer danken dabei dem Vater für das Leben, denn ohne ihn gäbe es sie nicht. Sie können von ihm durch einen kräftigen Schlag auf den Rücken in die Männergesellschaft aufgenommen werden – schluchzend, lachend, erlösend, nur auf der Gefühlsebene gelingt Befreiung, kluges Denken allein genügt nicht. Coming-of-Age-Riten gibt es bei uns leider kaum.

Warum gerate ich bei diesen Ritualen, egal ob es um den Vater oder die Mutter geht, immer wieder in ein tiefes Schluchzen, auch wenn ich eine solche Katharsis schon so oft durchlebt habe? Ich weine dabei nun nicht mehr hauptsächlich wegen meiner eigenen Geschichte, die ist noch spürbar, aber in den Hintergrund getreten. Es rühren mich vor allem die Geschichten der anderen im Raum, die dabei manchmal so tief in Gefühle eintauchen wie noch nie zuvor. Als ich diesmal an Pfingsten, als Stellvertreter in der Vaterrolle, einen Mann nach dem anderen in Dankbarkeit, Liebe und Schmerz »aufbrechen« sah, schoß mir jedes Mal durch den Kopf: »ein Soldat weniger«. Ein Mensch, der das erfahren hat, was wir hier in diesen Gruppen erleben, kann nicht mehr in den Krieg ziehen, niemals mehr. Die Losung »Nie wieder Krieg«, die Revolutionäre und Reformer in Deutschland nach den beiden Weltkriegen ausgegeben hatten, kann sich nur realisieren, wenn wir in unserem menschlichen Miteinander eine seelische Tiefe erreichen, wie sie in solchen Gruppen praktiziert wird, sonst werden die Dämonen des Fremdenhasses immer wieder auftauchen.

Können Männergruppen dabei helfen? Hatte Wilhelm Reich damit Recht, eine sexuelle Revolution zu fordern und eine den Charakterpanzer auflösende therapeutische Körperarbeit? Es war ein Anfang. Reichs Analyse des faschistischen Charakters (von 1933) ist jedenfalls auch heute noch höchst relevant.

Ohne Militär geht es besser

Wo auf der Welt ist es am friedlichsten? In Europa, sagt der der Global Peace Index des australischen Instituts für Wirtschaft und Frieden (IEP). Seit der Wirtschaftskrise von 2008 sei es mit dem Weltfrieden bergab gegangen (Quelle IEP). Das friedlichste Land auf der Welt ist nach diesem Index Island, wo in Folge der Wirtschaftkrise nicht die Banken gerettet wurden, sondern die Bevölkerung. Island ist neben Costa Rica eines der wenigen Länder der Erde, die kein Militär haben.

Es geht also auch ohne Militär, und ohne geht es besser. Komisch, dass v.a., kleine Länder kein Militär haben, eigentlich müssten doch die großen weniger schutzbedürftig sein. Anscheinend halten sich die Länder Militär eher aus wirtschaftlichen und innenpolitischen Gründen, die Verteidigung gegen die Nachbarn ist nur ein Vorwand. Meine Meinung: Polizei genügt. Militär ist in einer globalisierten Welt obsolet. Wir sollten das Geld besser für was anderes verwenden.

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