Peter Braukmann: Das Gestern und das Jetzt

 In CD-Tipp, FEATURED

Peter Braukmann, Bildquelle: https://peterbraukmann.com

Der Liedermacher-Veteran legt mit „Am Ende der Nacht“ einen Querschnitt seines fünf Jahrzehnte überwölbenden Schaffens vor. Die CD gibt es in Kombination mit einem Taschenbuch, das mehr ist als nur ein „Booklet“. Zwischen 68er-Revolte und neuen Umwelt-Herausforderungen, zwischen politischem Scharfblick und Einblicken ins Private präsentiert Braukmann solides Folk-Songwriting –traditionell im guten Sinn. Ein sensibler Aufrührer, der sich treu geblieben ist.  Roland Rottenfußer

 

„Wir sind groß geworden mit den Beatles,

mit Bob Dylan und Bert Brecht.

Wir haben Karl Marx und Engels gelesen,

auch Hermann Hesse war nicht schlecht.

Wir waren die Ersten mit ungeschorenen Haaren,

die Revolte kam für uns grade erst in Gang.

Wir hatten Che Guevara im Herzen

Und wir riefen: „Links geht’s lang!“

Wo sind wir heut geblieben?

Waren wir früher nicht mal mehr?

Wenn das so weitergeht, werden unsre Kinder fragen:

‚Angela Davis? Wer war das denn?‘“

 

Auf den ersten Blick ist „Am Ende der Nacht“ das CD-Vermächtnis eines „typischen“ 68er-Liedermachers. Wie im oben zitierten Lied „Desperados“ schwebt über der Aufnahme die Melancholie eines gescheiterten Aufbruchs – verbunden jedoch mit der Entschlossenheit, angesichts eines widrigen Zeitgeists nicht klein bei zu geben. Konstantin Weckers „Was passierte in den Jahren?“ lässt grüßen. Oder sein „Willy“, der allerdings mit dem Aufruf endet: „Wir müssen weiter kämpfen“. Dies würde Peter Braukmann sicher unterstreichen.

So schlägt sein Lied „Jetzt“ den Bogen von den Kämpfen um Brokdorf in den frühen 80ern bis zur Plastik-Vermüllung in der Gegenwart. Das Lied ist voller Aktivismus-Nostalgie und übt unüberhörbar Kritik an all denen, die sich abgefunden haben: „fett und alt, gut situiert…“. Braukmann lässt sein Lamento jedoch in eine Aufforderung zum Handeln münden:

 

„Es bleibt keine Zeit, um unsre Welt zu retten

Sie taumelt schon und da hilft kein Geschwätz

Wacht endlich auf, sprengt eures Geistes Ketten

Und handelt schnell

Nicht morgen – sondern jetzt!“

 

Peter Braukmann, als Musiker unterwegs seit 1977, wagt mit seinem Buch/CD-Set „Am Ende der Nacht“ ein Experiment. Er veröffentlicht die 12 Lieder zusammen mit einem „Riesen-Booklet“, einem separaten Taschenbuch, das neben den Texten und einigen persönlichen Anmerkungen zu den Liedern auch 18 Kurzgeschichten enthält, autobiografische Skizzen zumeist. Man kann den Künstler so auf verschiedenen Ebenen bestens kennenlernen, ideal zum Reinschnuppern in „Braukmann‘s World“.

Mit der Festlegung auf den „typischen 68er“ und Protestsänger würde man dem vielseitigen Künstler jedoch Unrecht tun. Peter Braukmann ist u.a. Krimi-Autor und Produzent von Kabarett-CDs sowie Radiosendungen. Er arbeitete redaktionell bei „Monty Python’s Flying Circus“, bei „RTL Samstag Nacht“ und bei der „Sat1-Wochenshow“ mit.

Dies sieht er im Rückblick sogar selbstkritisch: „Ich hab einen auf Unterhaltungsjunkie gemacht und bei SAT1 die Comedywelle mit angerührt. Dabei habe ich gut Geld verdient, bin dicke Autos gefahren und habe mich um die Umwelt einen Scheiß geschert. Ich habe also meinen Anteil an der Situation, die wir heute haben.“ Als Liedermacher war er mit dem Duo „Schnappsack“ sowie später mit der eigenen „Peter-Braukmann-Band“ unterwegs. In jüngerer Zeit trat er u.a. mit dem auch Lesern dieser Seite wohl bekannten jüngeren Songwriter Roger Stein auf.

Natürlich wechseln sich die politischen Lieder auf „Am Ende der Nacht“ mit ganz privaten ab, die ein bestimmtes „feeling“ transportieren: Freiheitsliebe, Lebensgenuss, aber auch eine gewisse Melancholie, alles vorgetragen mit der für Braukmann charakteristischen kernig-rauen Stimme. So erzählt das Titellied von Liebesglück unter Alkoholeinfluss – „Carpe diem“, bedroht von der immer gegenwärtigen Vergänglichkeit. „Noch ein Gläschen Tequila, dann bin ich zum Aufbruch bereit.“ Und: „Ich will dich wärmen, dich lieben, bevor wir verglühen“.

„Ihr seid alles, was ich hab‘“ ist eine berührende Liebeserklärung an Braukmanns Kinder – ein Sohn und eine Tochter –, in der Tradition vergleichbarer Lieder von Reinhard Mey. Da wird das Herz des politischen Kämpfers und Anklägers ganz weich. Denn im Grunde gehört beides zusammen: der Widerstand gegen die Zumutungen derer, die unsere Welt in einen immer unmenschlicheren Ort verwandeln – und die Besinnung auf das, was wir lieben und was wir mit aller Macht versuchen müssen zu schützen.

Peter Braukmanns melodiöse Kompositionen sind so entspannt wie innig und stehen in der Tradition des Folk-Songwritings, wie es in Deutschland auch von Hannes Wader und anderen aufgegriffen wurde. Wie bei Wader wechseln sich bei Braukmann eigene Titel ab mit traditionellen, neu betexteten Kompositionen wie dem „Bürgerlied“ (19. Jh., nicht auf der CD enthalten) und Coverversionen von Liedern englischsprachiger Vorbilder wie Ralph McTell.

Das „Rabenlied“, seinen Klassiker aus dem Jahr 1976, singt Braukmann sogar zweimal – zum Abschluss der CD noch in einer neuen 2019er-Version:

 

Jetzt gilt es, zu beweisen

Dass es auch anders geht

Denn unsre Erde ist gewiss

Kein Wegwerfplanet

Das hab ich jetzt verstanden

Doch Macht und Kapital

Entziehen sich der Verantwortung

Als wär das ganz normal

Es wird sich gar nichts ändern

Wo nur Profit regiert

Ist es den Mächtigen egal

Wer wann und wo krepiert.

 

So schlängt Braukmann einen Bogen von den Anfängen seiner Karriere bis in die Gegenwart, und auch die gesellschaftlichen Probleme, die sich in diesen Jahrzehnten zeigten, spiegeln sich in den Liedern des Künstlers wider. Werk und Persönlichkeit des Liedermachers wirken wie aus einem Guss, trotz dunkler Comedy-Vergangenheit und einer erfreulichen Bandbreite an Themen. Es tut gut, jemanden nach Jahrzehnten politischer Aktivität so ungebrochen zu erleben.

 

CD und Buch können direkt auf der Webseite von Peter Braukmann bestellt werden:

https://peterbraukmann.com/Die-neue-CD-Am-Ende-der-Nacht

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