Peter Fahr: Diktator

 In FEATURED, Peter Fahr, Poesie

Man kann bei diesem Gedicht an bestimmte lebende Politiker denken – im Grunde sind die Aussagen über Tyrannei und den Missbrauch von Macht jedoch universell. Der Diktator ist Gefangener seiner eigenen Psychopathologie und seiner Logik der Gewalt. Er vergiftet sein gesamtes Umfeld durch seinen Wahn und Zwang. Doch die äußeren und inneren Stimmen, die ihn anklagen, wird er nicht ewig zum Schweigen bringen können… Peter Fahr

 

diktator

 

du trägst einen kalten stein in der brust.

um deine ziele zu verwirklichen,

sind dir alle mittel und wege recht.

was für ein traum, ein reich zu erschaffen!

 

du erfüllst eine mission – als retter

von mythen, traditionen und werten.

wer deine vision nicht teilt, ist ein feind,

der sich zu hüten hat vor deinem zorn.

 

wer öffentlich die wahrheit verteidigt,

verschwindet für jahrzehnte im lager

oder wird von agenten vergiftet,

erhängt, erschossen und heimlich verscharrt.

 

deine lakaien belohnst du reichlich

mit ausgesuchten privilegien.

stellen sie deine herrschaft in frage,

beschwichtigst du sie mit ämtern und macht.

 

du kennst die tatsachen und lügst sie um,

die propaganda verpestet das land.

schamlos bestiehlst du das einfache volk,

das sich duckt unter hieben und schlägen.

 

wie musst du dich hassen, diktator,

dass du den andern mit hass begegnest!

wie musst du den eignen wahnsinn fürchten,

dass du alle des wahnsinns bezichtigst!

 

du fühlst dich allseits bedroht und greifst an,

dem fremden angriff zuvorzukommen.

um vor der welt das gesicht zu wahren,

musst du siegen – oder untergehen.

 

noch bist du stark und verhöhnst deine zeit.

du führst krieg und schlachtest zivilisten.

du atmest den gestank ihrer leichen

im kreis deiner grausamen soldaten.

 

trifft du minister und generäle,

hockst du am einen ende des tisches

weit entfernt von deinen verbündeten,

die sich am anderen ende drängen.

 

hast du ihnen noch etwas zu sagen?

lauschen sie den langen monologen

oder fürchten sie deinen wahn so sehr,

dass sie zu allem willenlos schweigen?

 

deine hinterhältigkeit hält sie hin,

deine bosheit macht sie böse und weckt

das wilde, unstillbare verlangen,

das heer der unschuldigen zu rächen.

 

sie werden nicht zögern, diktator,

dich blutrünstigen mörder zu morden.

den hehren heldentod erwarte nicht,

nur einen hundsgemeinen meuchelmord!

 

Kommentare
  • Ernie W.
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    „Denn die einen sind im Dunkeln Und die anderen sind im Licht. Und man sieht nur die im Lichte Die im Dunkeln sieht man nicht.“

    Bertolt Brecht

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