Regierungsbildung – wozu?

 In FEATURED, Politik (Inland)

Vielleicht gleich fusionieren?

“Wir in den Sondierungsgesprächen die Auseinandersetzung zwischen dem Machtanspruch der VUD (Verwaltungs Union Deutschlands), die immer nur “weiter so” regieren will, und den – leider vollkommen konträren – Veränderungsabsichten der beiden ins Auge gefassten Junior-Partner, die, sollten sie am Ende den Vertrag unterschreiben, für die Teilhabe an der Verwaltungsmacht und die Erfüllung kleiner, törichter Wünsche, ihre Seele verkaufen. Das Problem ist offenkundig: Den Parteien, die sich jetzt um die Inhalte der Jamaika-Koalition streiten, fehlt es an einer Zielsetzung, die einer echten Mehrheit des Volkes attraktiv und erstrebenswert erscheint.” (Egon W. Kreutzer, www.egon-w-kreutzer.de)

 

Die Frage soll irritieren und damit den Blick etwas weiter machen, über das Jamaika-Theater hinaus, mit dem die Wählerschaft derzeit bespaßt wird.

Vielleicht sollte man zunächst über den Unterschied zwischen “Verwaltung” einerseits und “Regierung” andererseits nachdenken. Vieles, was “Regierung” tut, ist klassisches “Verwalten”, deshalb ist es auch möglich, über lange Zeiträume mit “geschäftsführenden Regierungen” auszukommen, ohne dass davon das Land untergeht.

Ein Finanzministerium kann genauso verwaltet werden, wie ein Finanzamt, und jeder Minister, der dafür sorgt, dass der mit dem Finanzverwalter ausgehandeltet Etat so ausgegeben wird, dass der Bundesrechnungshof am Ende keine übermäßige Verschwendung von Steuergeldern zu monieren hat, ist eben auch nur ein Verwalter.

Selbst die Außenpolitik lässt sich verwalten.

Verwalten ist die konservativste Art Politik zu betreiben. Da waltet die schwäbische Hausfrau, der Gärtner mäht den Rasen und der Hausvater geht täglich prüfend ums Anwesen und schaut, ob es da etwas gibt, was repariert werden sollte. Das Verwalten umfasst also auch die sinnvolle Reaktion auf Veränderungen zum Zwecke der Bestandserhaltung.

Von einem Regenten, ob er nun Monarch oder demokratisch auf Zeit gewählter Kanzler oder Präsident ist, darf mehr erwartet werden. Und das, was mehr erwartet werden darf, kann nicht “Gestaltungswille” alleine heißen! Es kann auch nicht “Zielvorstellung” alleine heißen.

Beides muss zusammenkommen, eine möglichst klare Zielvorstellung und ein zur Erreichung dieses Zieles ausreichender Gestaltungswille.

Sich nach der Wahl mit seinem Zweitstimmengewicht in der Aktentasche zu Sondierungsgesprächen zu treffen, genügt diesem Anspruch nicht. Denn dabei wird offenkundig, dass sowohl der Gestaltungswille als auch die Zielvorstellungen der präkoaltionären Wettbewerber um die Wählergunst dahinschmelzen wie das Eis in der Sonne.

Stattdessen bekommt ein ganz anderer Aspekt immer größerers Gewicht, nämlich die als Notwendigkeit dargestellte Sehnsucht, eine Regierung zu bilden. Wo aber Ziele und Gestaltungswille um des Regierens willen zurückgestellt werden, bleibt vom Regieren kaum mehr als die Verwaltungstätigkeit übrig, die selbstverständlich auch von nicht gewählten Beamten und Angestellten ausgeübt werden kann.

Sich auf einen Koaltionsvertrag zu einigen, der beinahe zwangsläufig zu einem ungeliebten Flickenteppich nicht besonders gut zusammenpassender Aktivitäten wird, und ihn wie ein Pflichtenheft abzuarbeiten, heißt: Jeder Beteiligte hat einen Teil seiner Zielsetzung aufzugeben. Dass der den einzelnen Parteien verbleibende Rest aufgrund der Frustration, das eigentlich angestrebte Ziel wieder nicht erreichen zu dürfen, auch mit einem verminderten Gestaltungswillen einhergeht, dürfte ein nachvollziehbarer Gedanke sein, und dass das, was die anderen Koalitionspartner an Restzielen durchsetzen konnten, schon gar keinen ausgeprägten Gestaltungswillen bei ihren Mitkoalitionären weckt, ebenfalls.

Je größer die Gegensätze unter den Koalitionären sind, desto unerfreulicher das Ergebnis, weshalb die Frage: Regierungsbildung – warum?, schon einmal eine nicht ganz der Fragestellung entsprechende Teilantwort gefunden hat, die da lautet: Keinesfalls um jeden Preis!

Die Not von Union, Grünen und FDP, sich zu einer Koalition zusammenzuraufen, von der alle schon jetzt wissen, dass es “furchtbar” werden wird, ist meines Erachtens jedoch eine direkte Folge eines Wahlkampfes, der – was die großen und wichigen Themen betrifft – gar nicht stattgefunden hat und von daher sehr viel weniger darauf abzielte, die Wähler für “Projekte” zu begeistern, als sich mit den Methoden der Waschmittelwerbung und Kaffeefahrtenveranstalter ihre Stimmen zu erschleichen.

Wo Parteien keinen Markenkern mehr aufweisen und sich alle vier Jahre einmal wie die Pfingstochsen mit Wahlprogrammen schmücken, die nach der Wahl sowieso in die Tonne getreten werden, entartet auch die Wahlentscheidung immer mehr zum Spontankauf am übervollen Krabbelkorb im Schlussverkauf oder am Stand des Markschreiers, der mit seinen mit Superlativen getränkten Sprüchen den Totalen Fleckentferner oder die handbetriebene Markenküchenmaschine anpreist.

Wer wundert sich dann noch, wenn sich mit der Zeit die Wahlergebnisse der Parteien mehr und mehr angleichen? Mit diesem “Stil” werden die Großen weiter verlieren und die Kleinen werden weiter gewinnen, bis der Begriff “Volkspartei” engültig ausgedient haben wird und zehn Parteien mit Stimmenanteilen zwischen fünf und zehn Prozent die Sitze des Bundestages füllen.

Wer sich die SPD betrachtet, wird unschwer feststellen, dass es diese Partei nur noch gibt, weil es sie noch gibt. Vor allem, weil es die Struktur mit ihren Funktionsträgern noch gibt, für die ein Leben ohne ihre Funktion in dieser Partei nicht mehr vorstellbar ist.

Einer der letzten markanten Köpfe dieser SPD war der Auffassung: “Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.” Es sieht so aus, als hätten sich alle visionären Figuren der SPD inzwischen folgsam zum Arzt begeben.

Wer sich die Union betrachtet, wird unschwer feststellen, dass es diese beiden Parteien nur noch gibt, weil sie – trotz aller ebenso grandiosen wie planlosen Fehlleistungen – einen Großteil des Verwaltungspersonals dieser Republik in ihren Reihen haben.

Alleine die vollkommen fantasielose Festlegung auf eine Schuldenbremse, von der auch in Zeiten billigsten Geldes nicht abgewichen wurde und auch weiterhin nicht abgewichen werden soll, ist kein Kennzeichen visionärer Gestalter sondern eher das Kennzeichen subalterner Verwalter.

Bei der FDP und den Grünen sieht es so aus, als hätten sie zumindest Zielvorstellungen und als könnten sie sogar einen Gestaltungswillen aufbringen – hätten sie denn nur eine Mehrheit. Da ihnen diese Mehrheiten fehlen, gilt das oben über Koalitionsverträge gesagte: Der Gestaltungswille weicht in dem Maße dem Frust, wie die Zielvorstellungen in Kompromissen zur Unwirksamkeit verkommen.

So erleben wir in den Sondierungsgesprächen die Auseinandersetzung zwischen dem Machtanspruch der VUD (Verwaltungs Union Deutschlands), die immer nur “weiter so” regieren will, und den – leider vollkommen konträren – Veränderungsabsichten der beiden ins Auge gefassten Junior-Partner, die, sollten sie am Ende den Vertrag unterschreiben, für die Teilhabe an der Verwaltungsmacht und die Erfüllung kleiner, törichter Wünsche, ihre Seele verkaufen.

Das Problem ist offenkundig:

Den Parteien, die sich jetzt um die Inhalte der Jamaika-Koalition streiten, fehlt es an einer Zielsetzung, die einer echten Mehrheit des Volkes attraktiv und erstrebenswert erscheint.

Dabei hätten die Umfrageinstitute durchaus eine Reihe von Zielsetzungen parat, die nach den Ergebnissen ihrer Studien mehrheitsfähig wären. Doch gerade jene Parteien, die nach alter Tradition nun annehmen, den Regierungsauftrag erhalten zu haben, bilden diese mehrheitsfähigen Zielsetzungen in ihren Programmen nicht oder nur als Minderheitenvotum ab.

Natürlich könnte man, nachdem das Problem sichtbar geworden ist, damit beginnen, nach den Schuldigen zu suchen. Ein weitgehend sinnloses Unterfangen, weil der schwarze Peter schneller zwischen den Parteien untereinander und zwischen den Parteien und den Wählern weitergeschoben wird als es dem Beobachter möglich ist, die jeweiligen Argumente zu würdigen.

Fragen wir also nicht nach der Schuld, sondern nach der notwendigen Veränderung!

Hieß es früher, Politik sei die Kunst des Machbaren, also der Versuch mit den verfügbaren Ressourcen das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, was voraussetzt, dass ein allegemein akzeptiertes Ziel, ein Sollzustand Schritt für Schritt angestrebt wird, leben wir heute in einer Zeit, in der es heißt, Politik sei die Kunst, sich in das Unvermeidliche zu fügen.

Das Stichwort für diese Geisteshaltung lautet: Alternativlosigkeit.

Dabei ist “Alternativlosigkeit” nur ein Synonym für “Fremdbestimmtheit” und “Getriebensein”.

Die Kunst, sich in das Unvermeidliche zu fügen, wird als eine Politik gelobt, der es gelungen ist, Schlimmeres zu verhüten. Ein “Gütesiegel”, das wertlos ist, weil Schlimmeres immer vorstellbar ist.

Diese Entwicklung ist meines Erachtens der Tatsache geschuldet, dass praktisch zeitgleich mit der Wiedervereinigung die bis dahin noch vorhandenen nationalen Interessen der DDR und der BRD nicht nur aufgegeben, sondern von da an sogar Schritt für Schritt mehr verteufelt wurden.

Von daher ist der vergangene Wahlkampf, der “ohne wirkliche nationale Zielsetzung” geführt wurde, mitschuldig an der Orientierungslosigkeit der Wähler, die nach den vereinenden Zielen gesucht haben, denen sie gerne ihre Stimme gegeben hätten, sie aber nicht finden konnten.

Wir wählen doch den Bundestag nicht, damit er von der EU ausgehandelte Freihandelsabkommen absegnet, nicht, damit er von der NATO erarbeitete Aufrüstungs- und Kriegsziele übernimmt, nicht, damit er französischen Träumen von einer Vergemeinschaftung der Schulden applaudiert. Wir wählen den deutschen Bundestag nicht dafür, dass er regungslos zusieht, wie die Staatlichkeit als solche verloren geht, sondern wir wählen ihn, damit er unsere ureigensten Interessen bestmöglich vertritt.

Solange er das nicht zu tun wagt, und nicht einmal erklärt, warum er es nicht tut, muss er sich den Vergleich mit dem katalonischen Regionalparlament gefallen lassen. Dort tritt man auch in scheinbar aussichtsloser Lage standhaft für die eigenen Interessen ein. Da gibt es an der großen, nationalen Zielsetzung keinen Zweifel – und diejenigen, die sie vertreten, sind auch bereit, die Verantwortung dafür zu übernehmen.

Puidgedemont ist soeben offiziell abgesetzt worden. Ihm drohen bis zu 30 Jahren Gefängnis wegen Rebellion.

Wilhelm Tell wird ihm von seiner Wolke aus Mut zusprechen.

Ob es da oben auch jemanden gibt, der Merkel, Seehofer, Özdemir und Lindner im gleichen Maße und mit gleicher Berechtigung Mut zuspricht, wage ich zu bezweifeln.

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