Riesenüberraschung: Oberverwaltungsgericht bestätigt indirekt unsere Griechenland-Analysen

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

263. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Tatsächlich, auch dieses gibt es noch: gleich zwei überaus gute Nachrichten kann ich Euch heute mitteilen in meinem Bericht. Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg gibt zwei syrischen Asylbewerberinnen Recht, die aus Griechenland zu uns geflüchtet sind. Und begründet dies mit Aussagen zu den Verhältnissen in Griechenland, die einschränkungslos unsere Analysen bestätigen, die wir zur Situation dort wieder und wieder vorgelegt haben. Und zweite gute Nachricht am heutigen Tag: wir dürfen ein Spendenergebnis mitteilen, das es schon lange nicht mehr in dieser Höhe gegeben hat. Heute also ein Bericht voller Dankbarkeit. Holdger Platta

 

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

darf ich heute – scheinbar sehr sachfremd – mit folgender Bemerkung anfangen?

Auf die bundesdeutsche Gerichtsbarkeit scheint, was Wahrung oder Wiederherstellung des Rechtsstaates in der Bundesrepublik betrifft, mehr und mehr Verlass zu sein! Die sogenannte „Dritte Gewalt“ im Staat – die Judikative – korrigiert offenkundig immer häufiger inhumane Fehlentscheidungen, die von der sogenannten „Zweiten Gewalt“ im Staat – von der Exekutive – zu verantworten sind. Das gilt für Maßnahmen, die Behörden in der Bundesrepublik durchzusetzen versuchen zur Bekämpfung der sogenannten Corona-Pandemie – allein aus Weimar und aus Weilheim wurden solche Gerichtsentscheidungen während der letzten Woche bekannt – nebenbei: nahezu ausschließlich dank alternativer Medien im Internet (wozu, selbstverständlich, auch unsere menschenrechtsorientierte Website www.hinter-den-schlagzeilen.de gehört). Das gilt aber auch für Entscheidungen, die Asylbewerber betreffen, für Flüchtlinge, die aus Griechenland zu uns geflohen sind. Aber ich werde konkret:

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte die Asylanträge zweier Klägerinnen, zweier aus Syrien stammender, alleinstehender Schwestern abgelehnt, bei uns in der Bundesrepublik dauerhafte Aufnahme zu finden, und zwar mit der Begründung, den beiden sei ja bereits Asyl und damit Aufenthaltsrecht in Griechenland zuerkannt worden. Folge: den beiden Schwestern wurde Abschiebung nach Griechenland angedroht.

An dieser Stelle gestattet mir bereits eine – ich finde: nicht ganz unwichtige – Nebenbemerkung zu diesem Begriff, zur Vokabel „Abschiebung“, diesem eisigen Wort:

Ich empfinde es schon lange als einen der ordinärsten und verrohtesten Begriffe, den man für das Zurückdeportieren von Menschen in Not und Elend finden kann! Gegenstände kann man „verschieben“, „wegschieben“, „abschieben“, nicht aber Menschen. „Abschiebung“, dieser Begriff, der aus dem „Wörterbuch des Unmenschen“ (Dolf Sternberger) zu stammen scheint, und für mich schlimmstes Nazi-Vokabular ist, dieser Begriff verdinglicht Menschen, macht sie zu Sachen, zu irgendeinem Krempel, den man loswerden will und der „entsorgt“ werden soll wie Atom-Müll, für dessen Beseitigung Politiker einst das Wort „Entsorgung“ erfanden. Der Jurist, der sich diesen gegen Menschen gerichteten Begriff irgendwann einmal hat einfallen lassen, sollte sich heute noch in Grund und Boden schämen! Aber weiter in meinem Bericht:

“Glücklicherweise” erklärten sich die beiden Frauen aus Syrien nicht einverstanden mit diesem „Abschiebe“-Befehl! Sie klagten dagegen vor dem Verwaltungsgericht in Osnabrück, unter anderem mit dem – Ihr wisst: allzu richtigen! – Argument, dass ihnen in Griechenland nichts anderes drohen würde als Obdachlosigkeit, nichts anderes als Erwerbslosigkeit, furchtbarstes Elend. Doch das Verwaltungsgericht in Osnabrück – siehe die Aktenzeichen 5 A 363/18 und 5 A 363/18! – wiesen diese Klage ab. Mit einer Begründung, die nachgerade zynisch anmutet, weil diese Begründung die Klägerinnen offenbar einer Humanitätslotterie aussetzen wollte: Zumindest mithilfe von informellen Netzwerken oder Hilfsorganisationen „könne“ es den Abzuschiebenden gelingen, in Griechenland eine Unterkunft zu finden und die Versorgung mit den nötigsten Dingen des täglichen Bedarfs „sicherzustellen“. Ja, Ihr lest richtig: „sicherzustellen“. Und füge hinzu: Euch muss keiner mehr sagen, wie es mit dieser sogenannten „Sicherheit“ in Griechenland aussieht! Kaum ein Bericht von mir, bis in die letzten Wochen hinein, der nicht das genaue Gegenteil mitzuteilen gehabt hätte. Kurz also: bis zu diesem Zeitpunkt des Geschehens war den beiden Frauen kein Glück beschieden, das „Glück“, in der Bundesrepublik auf humane Behörden und humane Richter zu stoßen und auf Anerkennung der Wirklichkeit in Griechenland! In trauter Gemeinsamkeit erfanden hingegen bundesdeutsche Exekutive und Judikative eine Wirklichkeit, die es in Griechenland nicht gibt. Ich wage es, diese Tatsachenreihe schändlich zu nennen!

Doch damit – endlich! – zum guten Ausgang dieser Angelegenheit. Mit Sicherheit unterstützt von guten Anwälten legten die beiden Frauen auch gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück aus dem Jahre 2018 Berufung bzw. Widerspruch ein – ich bin sicher, auch bundesdeutsche Hilfsorganisationen dürften die Syrerinnen bei diesem Gang unterstützt haben, nicht zuletzt finanziell – und klagten gegen diese Entscheidung beim niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg. Und bekamen – endlich, endlich! – vor diesem Richtergremium Recht! Nach circa 3 Jahren Papierkrieg, nach circa 3 Jahren schlimmster existentieller Angst und Unsicherheit! Mit anderen Worten: sie hatten Erfolg! Und zum Beleg dieser Tatsache zitiere ich nun einfach aus der Pressemitteilung des Lüneburger Oberverwaltungsgerichts vom gestrigen Tage – was zugleich die Richtigkeit unserer Berichte bekräftigt, die Ihr seit langer Zeit auf HdS lesen könnt, die Richtigkeit, nicht zuletzt, unserer Bewertungen auch. Hier aus der Pressemitteilung zu den Urteilen des 10. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. April dieses Jahres (Aktenzeichen 10 LB 244/20 und 10 LB 245/20). Grundtenor: es bestehe für die beiden Klägerinnen in Griechenland die „ernsthafte Gefahr“, dass sie dort „ihre elementarsten Bedürfnisse (‚Bett, Brot, Seife‘) nicht befriedigen“ könnten:

„Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, die Klägerinnen gerieten nach einer Rücküberstellung nach Griechenland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Obdachlosigkeit, erhielten in der Praxis keinen Zugang zu elementaren Leistungen und könnten auch sonst auf keine ausreichende Unterstützung von staatlicher oder nichtstaatlicher Seite hoffen. Deshalb drohe ihnen innerhalb kürzester Zeit Verelendung und ein Leben unter menschenrechtswidrigen Bedingungen. Aktuelle Erkenntnismittel ergäben, dass rücküberstellten Flüchtlingen staatlicherseits keine Unterkunft gestellt werde, sie keine wohnungsbezogenen Sozialleistungen erhielten und sie auch bei nichtstaatlichen Stellen keine nennenswerte Chance auf Vermittlung von Wohnraum hätten. Die Möglichkeit, sich durch eigene Erwerbstätigkeit die finanziellen Mittel zu verschaffen, um sich mit den für ein Überleben notwendigen Gütern zu versorgen, sei mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund von bürokratischen und tatsächlichen Hindernissen ebenfalls nicht gegeben. Auch hinreichende Sozialleistungen stünden ihnen nicht zur Verfügung.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen die Urteile nicht zugelassen.“

Ich denke, spätestens an dieser Stelle könnt Ihr nachvollziehen, wieso ich heute – auf den ersten Blick – ausschließlich bundesdeutsche Vorgänge in den Mittelpunkt meines Berichtes gestellt habe. Einfach deshalb, weil man durch diese – scheinbar nur bundesdeutschen – Vorgänge direkt hindurch zu blicken vermag auf das, was in Griechenland seit längerem bitterste Realität ist – Realität, deren Existenz zumindest in Niedersachsen von höchstrichterlicher Seite aus bestätigt worden ist.

Verschweigen will ich nicht: „Beschwerde“ gegen dieses Urteil ist immer noch möglich. Dann wird das Bundesverwaltungsgericht das allerletzte Wort haben in dieser Angelegenheit. Aber: weil inzwischen auch der „Sachverständigenrat für Integration und Migration“, der SVR, mit Sitz in Berlin, eindeutig und uneingeschränkt die verheerende Menschenrechtssituation in Griechenland bestätigt hat, in einer aktuellen Analyse, die Anfang April dieses Jahres bei uns veröffentlicht worden ist, darf man wohl optimistisch sein. Dieses Expertenteam, unabhängig und interdisziplinär zusammengesetzt, hat die Begründung des Lüneburgers Oberverwaltungsgerichts in allen Sachpunkten bestätigt – siehe auch den Bericht dazu in der „Griechenland Zeitung“ vom 7. April dieses Jahres!

Dieser Analyse zufolge gibt es keine Chancen für anerkannte Asylbewerber in Griechenland, Aussicht zu haben auf menschenwürdige Unterbringung und Integration in Griechenland. Und schlimmer noch fällt die Analyse des SVR aus, was die Verhältnisse in den griechischen Flüchtlingslagern betrifft, zum Beispiel auf Chios, Leros, Lesbos, Samos und Kos. Anfang 2020 seien rund 40.000 Menschen in Lagern untergebracht gewesen, deren Kapazität gerademal für 6.000 bis 7.000 Menschen ausgereicht hätte. Zumindest für „vulnerable“ bzw. verletzbare Personen sei die Unterbringung in diesen Lagern lebensgefährlich. Mit einem Wort:

Es gibt also noch Gerichte und Gremien in Deutschland, die zu erkennen und anzuerkennen vermögen, wie bösartig die Gesamtsituation in Griechenland ist. Aber erneut stelle ich eine entscheidende Frage hier: kümmert das die Politik in Deutschland? Berichten die Massen-Medien darüber, an der Spitze „ZDF-heute“ und „Tagesschau“? – Ihr könnt Euch selber die Antwort darauf geben.

Nicht minder erfreulich als das Lüneburger Gerichtsurteil ist das, was ich Euch heute zum Spendenergebnis für unsere GriechInnenhilfe während der letzten Woche mitteilen darf. Ihr erinnert Euch ja: nach längerem Abstieg ging es bereits in der Vorwoche deutlich nach oben, was das Spendenvolumen betrifft (von vorher 25,- Euro und 60,- Euro pro Woche auf 450,- Euro). Nunmehr machte die Spendensumme einen weiteren Sprung: 1.350,- Euro dachtet Ihr unserer Hilfsinitiative während der letzten sieben Tage zu. Der Etat, der uns für neue Hilfsaktionen zur Verfügung steht, ist damit wieder angewachsen auf 2.141,01 Euro insgesamt. Wir freuen uns riesig darüber und danken Euch aufs herzlichste dafür. Wobei ich – mit der Bitte um Verständnis – schon hervorheben möchte: erneut war es Renate H., die mit 600,- Euro ganz erheblich zu diesem guten Ergebnis beitrug und – fast in gleicher Höhe, nämlich mit 500,- Euro – Frank T. – bei einer Anzahl von 6 SpenderInnen insgesamt. Versprochen bereits jetzt:

In der nächsten Woche berichte ich Euch, für welche Hilfsbedürftigen in Griechenland wir einen Großteil dieser Gelder zuallererst ausgeben werden. Dank also, großen Dank, ich schreibe es gerne nochmal, aber füge hinzu: bitte, bitte nicht denken, damit könne es erstmal auch gut sein mit Spenden für die notleidenden Menschen in Griechenland! Eine gewisse Beständigkeit bleibt nach wie vor unverzichtbar wichtig beim Spendeneingang. Sehr herzlich bitte ich Euch, auch das zu verstehen.

Und deswegen auch heute zum Schluss dieses Berichtes mein Spendenaufruf:

Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ auf das Konto:

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE
Inhaber: IHW

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta

Kommentare
  • Volker
    Antworten
    Um überleben zu können, oder zu dürfen,  müssen Betroffene dazu noch jahrelang Entscheidungen einklagen, unter Hoffnungen sowie Ängste,  dass ihre Würde nicht abgewiesen wird. Am Anfang gab es Teddybären für Flüchtlinge, man zeigte sich verständlich, am Ende geheuchelter Nächstenliebe allerdings, verkümmerte Würde als Zuteilung mit Lagerhaft.

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