Schande für die Menschlichkeit

 In Daniela Böhm, Umwelt/Natur

DanielaTiertransporte1Wer das Leid der Tiere näher anschaut und sein Herz nicht davor verschließt, wird mitunter nicht nur traurig, sondern wütend. So auch die Tierrechtsaktivistin Daniela Böhm, die seit einiger Zeit vor Schlachthöfen Mahnwachen organisiert. Schlachttiertransporte gehören zu den ganz dunklen Kapiteln unserer “Zivilisation”. Vergleiche mit Menschentransporten der Nazis drängen sich da auf. Man sollte solche Vergleiche nicht vorschnell als unangemessen zurückweisen. Damit wird ja nicht das Grauen während des “Dritten Reichs” bagatellisiert; es soll nur das Grauen der Schachthöfe endlich ent-bagatellisiert werden. Wenn wir Unmenschlichkeit als “unvergleichlich” in ferner Vergangenheit verorten, geht sie uns heutige nichts mehr an und ruft uns nicht zum Handeln auf. Genau dieses Handeln – und Verzichten – bräuchte es aber dringend, um das Leid der Tiere zu beenden. Redebeitrag von Daniela Böhm am 5.12.2015 bei der Weihnachtsmahnwache am Odeonsplatz in München. (Fotos: Daniela Böhm und Silke Huber)

„Das habe ich nicht gewusst“, kann heute kaum noch jemand sagen, wenn es um das Milliardenfache Leiden der Tiere geht. Ob es die Massentierhaltung ist, die Überfischschung der Meere, ob es Tierversuche sind, das Töten von Tieren für die Pelzindustrie und vieles, vieles mehr – in allen Medien wird über die Qualen der Tiere berichtet. Fast jeder findet es furchtbar, aber im Verhältnis zu ihrem immensen Leid, entschließen sich wenige Menschen, entscheidende Schritte zu tun und zu handeln.

Was der Mensch heutzutage den Tieren antut, kann mit keinerlei Argumenten mehr gerechtfertigt werden. Es gibt keine Rechtfertigung für Qual, Leid, Missbrauch und gewaltsamen Tod. Und es gibt keine Wiedergutmachung. Wiedergutmachung gibt es nur an den Lebenden.

Der Holocaust Vergleich ist umstritten, auch in der Tierrechtsbewegung. Das hat seinen guten Grund, denn die Gräueltaten der Nationalsozialisten sind unvergleichbar in ihrer abgrundtiefen und grausamen Verachtung gegenüber anderen Ethnien. Und ich schäme mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich höre, dass es in diesem Land nach wie vor Menschen gibt, die aus der Vergangenheit nichts gelernt haben.

Aber, und ich sage das mit allem gebührenden Respekt und tiefstem Mitgefühl gegenüber den Opfern des Holocaust: Ich komme nicht umhin an KZs zu denken, wenn ich die Lastwagen mit den Schweinen und Rindern bei den Mahnwachen am Münchner Schlachthof einfahren sehe. Der Vergleich ist da – ob ich es will, oder nicht. Ihre Augen, wenn sie durch die Spalten der Transporter blicken, drücken Empfindungen aus, die genauso von uns Menschen Besitz ergreifen würden: Verzweiflung, Unverständnis, Panik, Verwirrung, furchtbare Angst vor diesem Grauen, das sie erwartet. Sie spüren es. Der Nobelpreisträger Isaac Bashevis Singer, selbst ein Jude und Überlebender des Nationalsozialismus sagte einmal: „Für die Tiere ist jeder Mensch ein Nazi – für die Tiere ist jeden Tag Treblinka.“

Allein in Deutschland werden schätzungsweise jedes Jahr 50 Millionen Küken vergast oder geschreddert, weil sie männlich und dadurch für die Eierindustrie wertlos sind. (Quelle PETA.e.V. Stand Feb. 2015) Eines der vielen Verbrechen, das mit dem gnadenlosen Kapitalismus des Menschen und seinem vermeintlich unvermeidbarem Verzicht auf Fleisch gerechtfertigt wird. Ein Verbrechen bleibt aber ein Verbrechen, auch wenn die Schreie der Opfer nicht gehört werden und sie noch nicht als solche anerkannt sind.

DanielaTiertransporte3Das Wort Mord an den Tieren nehmen all jene, die ihn billigen, natürlich nicht in den Mund. Das haben wir hierzulande der katholischen Kirche zu verdanken, die das fünfte Gebot ausschließlich auf den Menschen bezieht, und einem sogenannten Tierschutzgesetz, dem die wichtigste Grundlage fehlt: Das Recht auf Leben.

Und was ist das für ein Tierschutzgesetz, das zu oft nicht eingehalten wird, wie es die vielen Schlachthausskandale beweisen? Schlachthöfe sind nicht nur Orte des Todes, sondern auch des grauenvollsten Missbrauchs. Aus reiner Gier einer subventionierten und gnadenlosen Fleischindustrie, die mafiöse Strukturen und Verstrickungen aufweist, werden im Akkord Tiere geschlachtet, oft genug mangelnd oder fehlbetäubt und schon vorher misshandelt. Es werden mehr Tiere geschlachtet, als Nachfrage vorhanden ist, und ihre Leichenteile deshalb in alle Welt verschickt oder in riesigen Kühlhallen gelagert, um eines Tages zum Dumpingpreis auf den Markt geworfen zu werden. Es ist ein durch und durch krankes und perverses System.

Die Dunkelziffer der trächtig geschlachteten Kühe ist enorm hoch. Um mehr Geld zu bekommen, denn der Preis rechnet sich nach Gewicht, oder um sich die Untersuchung zu sparen, schicken Betriebe sehr oft ihre trächtigen, manchmal sogar hochträchtigen Kühe in den Tod. Das ungeborene Wesen muss die Todesangst und Verzweiflung und schließlich den Tod seiner Mutter miterleben, bevor es in ihrem Leib qualvoll erstickt. Eine halbe Stunde dauert dieses Ersticken. Es gibt ein Grauen, für das es keine Worte gibt – ein Grauen, das unbeschreibbar ist, fast möchte ich sagen, unvorstellbar. Aber es passiert hier, auch am Münchner Schlachthof, inmitten dieser Stadt, die sich Weltstadt mit Herz nennt.

Für viele Menschen ist ein Tier weit weniger wert als eine Sache. Das neue Smartphone wird gehegt und gepflegt, wehe es fällt herunter und geht kaputt. Aber ein Tier? Das ist ja nur ein Tier – ein Nutztier. Dieser vom Mensch erfundene Begriff soll das Töten rechtfertigen und degradiert ein Lebewesen zu einem Gegenstand, den er gebrauchen kann. Nur dass Gegenstände oft genug besser behandelt werden als Tiere. Das ist eine Schande für die Menschlichkeit.

DanielaTiertransporte2Die Fleischindustrie tötet nicht nur Abermilliarden von Tieren, sondern unseren Planeten gleich mit dazu. Ein Kollateralschaden halt – wie im Krieg. Und wie im Krieg wird er wissentlich in Kauf genommen – von der Fleischindustrie und der Politik. Der Ruf nach artgerechter Tierhaltung ist nichts weiter als ein erbärmlicher Versuch, das Gewissen zu beruhigen – kein Bauer oder Fleischkonsument streichelt ein Tier zu Tode. Die sogenannte artgerechte Tierhaltung ist nichts anderes als eine artgerechte Gefangenschaft bis zum gewaltsamen Tod durch Menschenhand.

Es grenzt nicht nur an Irrsinn, sondern es ist Irrsinn: Auf der einen Seite gibt es unzählige Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind – womit wiederum Zoos die Gefangenschaft von Tieren rechtfertigen – und andererseits werden bestimmte Tiere vom Menschen wie am Fließband produziert und durch die damit verbundene Futtermittelindustrie Lebensraum bedrohter Arten zerstört.
Kein Tierleid ist ethisch vertretbar. Es gibt gibt genügend Möglichkeiten, sich tierleidfrei warm zu halten und ausreichend tierleidfreie Nahrungsmittel. Diese Aufzählung lässt sich weiter fortsetzen, wenn es darum geht, Tiere nicht für den Menschen leiden zu lassen.
Denn das Leid der Tiere ist ein Fakt und jeder von uns hat die Macht und mittlerweile auch die Pflicht, etwas zu verändern. Das Sterben dieses Planeten, der unser aller Grundlage ist, ist ebenso ein Fakt – die Massentierhaltung, welche die Natur zerstört, unvorstellbare Ressourcen verbraucht und auch für den Hunger in den ärmeren Ländern verantwortlich ist, ist keine Einbildung von ein paar verrückten Veganern, sondern mittlerweile eine anerkannte Tatsache.

Jeder Einzelne von uns kann ein Licht für die Tiere sein, das die Dunkelheit erhellt. Jeder Einzelne trägt selbst die Verantwortung, nicht Politiker oder Konzerne. Und jeder Einzelne von uns entscheidet über Leben und Tod jener Mitbewohner dieses Planeten, die schon lange vor uns da waren und das gleiche naturgegebene Recht auf Leben haben wie wir Menschen.

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