Schönfärberei aus Wahlkampfgründen – schon jetzt?

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Über diese Seite

136. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ In Griechenland stehen im nächsten Jahr Wahlen an. Das stimuliert natürlich die Täter von heute (die Tsipras-Regierung) dazu, ihr bisheriges Wirken schön zu färben. Und die konservative Opposition versucht darzulegen, warum neoliberale Verarmungspolitik das Heilmittel für eine Krankheit soll, die durch neoliberale Verarmungspolitik verursacht wurde. Wenn man bedenkt, dass die jetzt Regierenden angeblich “Linke” sind, fehlt einem fast die Fantasie dafür, welche Verwüstungen “Konservative” anrichten könnten. Schon jetzt ist die Not unerträglich, wie Holdger Platta in diesem Beitrag seiner Artikelreihe besonders an einem Beispiel darlegt: 60 Prozent (!) der Griechinnen und Griechen haben Steuerschulden beim Finanzamt, was von diesem durch besondere Härte beim Eintreiben der Schulden beantwortet wird. (Holdger Platta)

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

lohnt sich Verlogenheit doch? – Mehrfach in meinen letzten Berichten hatte ich Euch darüber informiert, dass Alexis Tsipras bei seiner “großen” Rede zur Eröffnung der Internationalen Handelsmesse in Thessaloniki seinen Landsleuten das Blaue vom Himmel heruntergeflunkert hat. Im Widerspruch zu allen rational und empirisch überprüfbaren Fakten versprach er am 10. September den Griechinnen und Griechen, dass es zur weiteren Absenkung der Rentenbeträge im Januar 2019 nicht kommen werde, dass es im nächsten Jahr Steuersenkungen geben würde, dass sich Griechenland nunmehr auf den sogenannt-freien Finanzmärkten dringend erforderliche Gelder besorgen könne. Meine Gegenbelege und Gegenargumente wiederhole ich hier nicht.

Aber auf fatale Weise scheinen diese Glücksverheißungen nicht ohne Wirkung geblieben zu sein bei den Wählerinnen und Wählern in Griechenland – Zeichen dafür, dass man um so stärker zu hoffen versucht, je bedrückender es in der eigenen Lebensrealität aussieht, Nachweis für die Tatsache, dass in Stunden der Not wahlkampfbedingter Zweckoptimismus eine besondere Chance bekommt, von manchen geglaubt zu werden. Hier jedenfalls neueste Umfrageergebnisse aus Griechenland, erhoben und veröffentlicht nach der Propagandarede von Tsipras in Nordgriechenland!

Der regierungsnahen Zeitung „Efimerida ton Syntakton“ zufolge würden derzeit für die Konservativen von der Nea Demokratia (ND) nur noch 24,5 Prozent aller griechischen Wählerinnen und Wähler votieren, nicht mehr – wie in den vielen Monaten davor – zwischen 28 bis 30 Prozent. Die SYRIZA verharrte dieser Umfrage zufolge zwar noch bei 19 Prozent, und die „Unabhängigen Griechen“ von der ANEL, Koalitionspartner der SYRIZA, flögen sogar aus dem Parlament, mit gerademal 1 Prozent.

Aber einer weiteren Umfrage zufolge, in Auftrag gegeben von der linksorientierten Wochenzeitung „Documento“, käme die SYRIZA bereits auf 26 Prozent gegenüber vormals 19 Prozent, wobei allerdings, dieser Quelle zufolge, die ND erneut 29,5 Prozent aller Wählerstimmen für sich verbuchen könnte. Zugegeben: ein Zahlendurcheinander, das an der Richtigkeit dieser Umfrageergebnisse doch einigen Zweifel aufkommen lässt, doch Zahlenangaben gleichwohl, die Stimmungsveränderungen zu signalisieren scheinen. Die „Griechenland Zeitung“ (GZ) jedenfalls resümiert: „Der Abstand [von SYRIZA zur ND. HP] ist deutlich geschmolzen“. Was GZ-Herausgeber und Chefredakteur Jan Hübel freilich zu der verbalen Entgleisung bewegt hat, das Los der Griechen mit der Floskel zu umschreiben, viele Griechen „pfeifen (…) auf dem letzten Loch“, das hat sich mir nicht ganz erschlossen. Auch bei Journalisten scheinen Formulierungen manchmal Glücksache zu sein.

Sachlicher und klarer hingegen brachte in der letzten Woche GZ-Mitarbeiter Gerd Höhler etwas anderes auf den Punkt, die verzweifelte Suche von Griechenland nämlich nach Geldern auf den „internationalen Finanzmärkten“: griechische Schuldpapiere gelten demnach, etwa den „Bonitätswächtern“ von „Standard & Poor’s“ zufolge, unverändert als „Ramsch“; während Länder wie Spanien, Irland und Portugal lediglich zwischen 1 bis 1,9 Prozent an Zinsen zu berappen haben, wenn sie auf den Geldmärkten auf Kreditsuche sind, hat Griechenland 4,07 Prozent auf den Tisch des Herrn zu legen; und nimmt man die speziell für Griechenland fälligen „Risikozuschläge“ hinzu, landet das in Not befindliche Land ganz schnell bei einem Renditesatz von 4,5 Prozent, die für Kreditaufnahmen, etwa mit Zehnjahresdauer, zu entrichten sind.

Gerd Höhler in wünschenswerter Deutlichkeit: „Damit hat Griechenland derzeit praktisch keinen Marktzugang“ (= gemeint ist: die Möglichkeit, sich irgendwo auf der Welt zu einigermaßen erschwinglichen Kreditbedingungen Geld zu leihen). Womit, beiläufig, an einem bestimmten Punkt, doch noch einmal das große Gerede von Alexis Tsipras in Thessaloniki als bloße Fantasterei entlarvt worden ist. Griechenland leidet nach wie vor Not, und das wird auch nicht besser dadurch, dass man den Menschen im Land blanken Unfug erzählt beziehungsweise das Gegenteil weiszumachen versucht. Unerfindlich also, wie die EU – in trauter Gemeinschaft mit Tsipras – ernsthaft die Erwartung hegen könnte, das kaputtgerettete Griechenland wäre aber sofort in der Lage, pro Jahr einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent zu erzielen (= Mehreinnahmen gegenüber den Staatsausgaben; ohne Bedienung der diversen Schuldverträge), und dieses sogar über viele, viele Jahre hinweg. Wie schon vielfach hier festgestellt: noch keine Volkswirtschaft weltweit hat das jemals zustande gebracht bislang, wie sollte es da dieses von der Austeritätspolitik in den Abgrund verfrachtete Griechenland tun?

Eine Frage, die sich um so verschärfter stellt, wenn man einen Blick auf die Steuer-Rückstände wirft, womit inzwischen die griechische Volkswirtschaft zu kämpfen hat beziehungsweise, präziser gesagt, der griechische Staatshaushalt. Auch dazu, abschließend, einige Zahlen noch, veröffentlicht vor einigen Tagen von „Deutsche Wirtschafts Nachrichten“ (DWN) im Internet – wer’s genau wissen will: am 29. September des Jahres 2018. „Immens“ nennt dieser ökonomische Informationsdienst das Ausmaß der Steuerschulden in Griechenland, und auch diese Steuerschulden sind – „selbstverständlich“ – Resultat dieser europäischen Existenzvernichtungspolitik gegenüber Griechenland, Ergebnis einer Politik, die mit einem Fremdwort wie „Austeritätspolitik“ eher verbale Versteckspielerei betrieben hat. Aber konkret:

• Mitte August dieses Jahres haben sich die Steuerschulden in Griechenland aufgetürmt zu einem Gesamtbetrag von 182,5 Milliarden Euro.

• Dieser Betrag entspricht fast ganz genau der gesamten Wirtschaftsleistung Griechenlands im laufenden Jahr, und zwar – vorausgeschätzt – in der Höhe von 185 Milliarden Euro.

• Hinzugerechnet werden muss zu diesem Schuldenbetrag von 182,5 Milliarden Euro der Schuldenbetrag, mit dem Griechenland selber, als Staat, bei den europäischen Kreditgebern in der Kreide steht (zu fast ausschließlich horrenden Zinsbedingungen!).

• 80 Milliarden Euro dieses Schuldenbetrages von 182,5 Milliarden Euro stellen dabei „Strafzinsen“ dar, die wegen „Säumigkeit“ der Schuldner von den griechischen Finanzämtern verhängt worden sind.

• „Tausende Firmen“ – so DWN –, die mit diesen Geldforderungen von Staatsseite aus konfrontiert worden sind, haben inzwischen den Betrieb eingestellt.

• Insgesamt sind rund 3,7 Millionen aller steuerpflichtigen Griechinnen und Griechen mit ihren Abgabezahlungen an den Staat in Verzug geraten – das entspricht bei einer Steuerpflichtigenzahl von insgesamt rund 6,2 Millionen Griechinnen und Griechen einem Anteil von rund 60 Prozent!

Die Mehrzahl der Menschen in Griechenland ist verschuldet, der Staat ist verschuldet, Kredite auf den Geldmärkten gibt es nicht, Tausende von Betrieben machen dicht (nebenbei: meist Klein- und Kleinstbetriebe), da ist kein Wunder, dass so mancher nur noch an Wunder zu glauben vermag. Da ist es kein Wunder, dass es Leute wie Tsipras gibt, die Wunder zu versprechen beginnen!

Mit Realitäten, mit Realismus hat diese Gesundbeterei allerdings nichts zu tun – eher wohl mit den drei Wahlentscheidungen, die im nächsten Jahr in Griechenland anstehen: mit den Komunalwahlen und Europawahlen im Mai sowie mit den Neuwahlen zum Parlament im kommenden Herbst. Kurz also: nach wie vor ist Griechenland ein Land, das Hilfe benötigt, echte Hilfe natürlich, und vor allem sind es die Menschen in Griechenland, die der Hilfe bedürfen, und für diese gilt noch stärker: nach wie vor!

Womit ich, abschließend für heute, bei unserem kleinen Beitrag bin, der diesem Elend etwas entgegenzusetzen versucht, bei unserer Spendenaktion, die etwas Hilfe zu realisieren vermag, Hilfe wenigstens für einige Menschen in Griechenland! Wie sah’s also damit während der letzten Woche aus?

Nun, den Erwartungen entsprechend, ging der Spendenanstieg tatsächlich zum Monatswechsel sehr deutlich nach oben, der DauerspenderInnen wegen, und er lag deutlich über dem Spendenergebnis in der Woche davor: überwiesen in der Vorwoche 3 UnterstützerInnen Neuspenden an uns, in der Höhe von 230,- Euro, so konnten wir während der letzten sieben Tage 760,- Euro auf unserem Hilfskonto verbuchen, überwiesen von insgesamt 15 SpenderInnen an uns. Erneut sei Euch HelferInnen Dank gesagt für Eure Hilfe, erneut im Namen des gesamten Organisationsteams! Beim nächsten Mal werde ich wieder informieren über einige Hilfsaktionen, die dank Eurer Hilfe möglich geworden sind!

Und damit, wie immer an dieser Stelle, meine abschließende Bitte an Euch um weitere Unterstützung unserer Spendenaktion.

Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ auf das Konto:
Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 200,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren neuen Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Und wer noch etwas mehr tun will: auch unser gemeinnütziger Verein, die „Initiative für eine humane Welt (IHW) e.V“, ist immer wieder erneut auf neue Hilfsgelder angewiesen, zur finanziellen Absicherung unserer Arbeit ganz generell. Diese Spenden bitte dann an dasselbe Konto, wie oben angegeben, jedoch mit dem Stichwort „IHW“ versehen. Wir würden uns riesig auch über diese Unterstützung freuen.

Mit herzlichen Grüßen wie stets
Euer Holdger Platta

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