Selbst vor Theodorakis macht das Elend nicht Halt!

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

In Not geraten: Mikis Theodorakis

243. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Für manche unter Euch wird sicherlich die folgende Nachricht die ganz große Überraschung sein: die Politik der Inhumanität macht selbst vor dem weltberühmten Künstler Mikis Theodorakis nicht Halt! Und die Lebensnot der Menschen ganz unten ist für die offizielle Politik im Griechenland ohnehin kein Thema mehr. Und was können wir derzeit tun? Einiges immer noch, das ja, aber auch bei uns reicht es vorne und hinten nicht mehr. Lest dennoch und gerade deswegen diesen Bericht! Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

leider: wir werden unsere Hilfsplanungen ändern müssen. Aber um das verstehen zu können, benötigt Ihr erneut einige Informationen zu unserer Finanzsituation vorweg.

Ich beginne mit dem Spendenergebnis der letzten Woche: von zwei UnterstützerInnen gingen 220,- Euro auf unserem Hilfskonto ein. Damit stehen – nach den sehr hohen Ergebnissen der beiden Vorwochen (1.255,- Euro und 790,- Euro) und nach den Hilfszahlungen, die ich bereits in der letzten Woche erwähnt habe, nunmehr ganz präzise 3.023,91 Euro für weitere Unterstützungsaktionen bereit. Wobei ich daran erinnern möchte, dass “eigentlich” 1.000,- Euro stets auf unserem Hilfskonto verbleiben sollen, um in äußersten urplötzlichen Notfällen unverzüglich helfen zu können. Das entspräche einem disponiblen Auszahlungsbetrag von 2.023,91 Euro.

Doch nunmehr sind wir Entscheider über unsere Hilfszahlungen mit folgender Situation konfrontiert – wobei ich nicht versäumen möchte, auch den beiden SpenderInnen der letzten Woche für ihre Überweisungen sehr herzlich zu danken.

Für Laura, das Mädchen, dem in Syrien durch eine Tretmine beide Beine weggerissen wurden, wäre jetzt eigentlich die Bezahlung ihrer Prothesen erforderlich, in der Höhe von 4.600,- Euro. Doch um es jetzt schon zu sagen: das Orthopädische Institut in Athen, das diese neuen Prothesen hergestellt hat, ist bereit, auf die Bezahlung der Prothesen noch etwas zu warten. Wie lange, ist mir zur Stunde allerdings noch nicht bekannt.

Eleftheria Kotsidou

Doch von Tassos Chatzatoglou, unserem engagierten “Außenhelfer” (mit seiner Frau Evi) und Griechenlandreisenden (derzeit unmöglich, dieses Reisen, Ihr wisst es bereits), ist mir jetzt eine neue Hilfsbitte zugeschickt worden. Sie betrifft die verarmten Familien in und um Korydallos, die wir seit langem – gerade zur Weihnachtszeit – immer ohne jede Einschränkung unterstützt haben bzw. unterstützen konnten. Und die Organisatorin vor Ort, die Augenärztin und Vizebürgermeisterin Eleftheria Kotsidou, hat uns nun um einen Hilfsbetrag für die vielen Menschen dort in der Höhe von 4.000,- Euro bis 5.000,- Euro gebeten. Sie schrieb sogar, über Tassos Chatzatoglou an uns weitergeleitet, den folgenden Brief an uns, einen Brief, der Euch allen zum Schluss auch einen großen Dank für Eure bisherige Unterstützung ausspricht.

Ich zitiere hier ihren Brief an uns im vollen Wortlaut:

„Lieber Tassos Chatzatoglou, liebe Unterstützerinnen und Unterstützer der deutschen IHW-Aktion ‚Helfen wir den Menschen in Griechenland!‘,

basierend auf der hervorragenden Zusammenarbeit und Hilfe, die Sie in den vergangenen Jahren geleistet haben, um die Sozialstrukturen unserer  Gemeinde zu unterstützen, bitten wir Sie erneut  um ihre Hilfe im Hinblick auf die kommende Weihnachtszeit.

Wie Sie bereits wissen, ist  das Ziel unserer Sozialstation die Unterstützung unserer Mitmenschen, die aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht in der Lage sind, ihre Grundbedürfnisse zu stillen (tägliche Nahrung, Medikamente, Behindertenbetreuung, Personen ohne Versicherung).

Unsere Sozialküche bedient täglich mehr als 200 Haushalte, eine Zahl, die auf Grund der Pandemie stetig ansteigt, und sichert das grundlegende Bedürfnis nach Nahrung. Des weiteren betreuen wir zusätzlich noch 170 Familien durch den Betrieb unseres Sozial-Ladens (Hygieneartikel, Reinigungsmittel, Kindernahrung, Kinderkleidung).

Dieses Projekt ist anspruchsvoll und schwierig und seine Durchführung erfordert die aktive Beteiligung einer wachsenden Zahl von Freiwilligen. In dem stetigen Bemühen, unsere armen Mitmenschen zu unterstützen, wenden wir uns an Sie, um die grundlegenden Güter, deren Kosten leider von der Gemeinde Korydallos nicht gedeckt werden können, zu gewährleisten. Genauer gesagt benötigen wir

200 kg Schweinefleisch

200 kg Hühnerfleisch

100 kg Gouda

200 Liter Olivenöl

300 Dosen Tomatenmark

Kondensmilch

Wir hoffen auf Eure freundliche Unterstützung, damit wir diese soziale Tätigkeit weiter fortsetzen können.

Wir bedanken uns für Ihre unschätzbar wertvolle Unterstützung. Taten wie die Ihre und Ihrer Spenderinnen und Spender geben uns Kraft, zuversichtlich in dieser Richtung weiter zu machen.

Mit Hochachtung,

die Vizebürgermeisterin Kotsidou Eleftheria“

Was nun tun? Was können wir tun?

Nun, abweichend von oben genannter Regel betreffs Notfall-Reservebetrag haben wir uns entschieden, den verarmten – oft sogar: verelendeten – Menschen in und um Korydallos 3.000,- Euro zukommen zu lassen. In der Hoffnung, dass dieses auch mit Eurem Einverständnis geschieht. Und mit der inständigen Hoffnung, dass so manche und mancher unter Euch sehr bald unser damit fast leergeräumtes Hilfskonto wieder auffüllen hilft.

Ihr seht: wir arbeiten damit an unserer Leistungsgrenze entlang. Wir sind damit gezwungen, schmerzliche Entweder-Oder-Entscheidungen zu treffen. Und: wir sind derzeit nicht mehr in der Lage – trotz der guten Spendenergebnisse während der letzten drei Wochen – allen zu helfen, denen wir bisher immer helfen konnten. Wobei ich – ausnahmsweise – an dieser Stelle einmal hinzufügen möchte:

Keiner aus unserem HelferInnenteam – das war von Anfang an so und wird auch so bleiben! – hat jemals für seine ehrenamtliche Tätigkeit bei der GriechInnenhilfe irgendwelche Entgelte bekommen! Kostenerstattungen, die unvermeidlich sind, waren hin und wieder erforderlich, aber sie haben sich, im Blick auf die Gesamtzeit unserer Hilfsaktion, sehr, sehr weit unterhalb der Fünf-Prozent-Grenze bewegt (gemeinnützige Organisationen dürfen nach geltender Rechtsprechung bis zu 35 Prozent der Spendengelder für solche Organisationskosten aufwenden!). Und Ihr wisst ja, dass sich in unserem Helferteam auch Selbständige befinden, die gerade mal so hinkommen, um sich über Wasser halten zu können, und sogar Armutsrentner (die sogar selber oft für unsere Hilfsaktion gespendet haben).

Es ist wie es ist: mehr als 3.000,- Euro können wir nicht für die diesjährige Weihnachtshilfe nach Korydallos überweisen, und diese Weihnachtshilfe ist nichts anderes als Überlebenshilfe mit Nahrungsmitteln und Medikamenten. Um Geschenke geht es hier nicht, um die Befriedigung irgendwelcher Luxus-Bedürfnisse schon gar nicht. Wenn also Spendenhilfe Lebensunterhalt absichern soll, dann hier, in und um Korydallos. Ihr versteht, dass ich Euch heute also noch dringlicher als sonst um Fortsetzung Eurer Unterstützungen bitte.

Lasst mich abschließend noch ein anderes Geschehnis in Griechenland ansprechen (ich war selber fassungslos, als ich davon erfuhr)! Viele weitere Berichte zur Gesamtlage in Griechenland werde ich heute also erneut aufschieben müssen.

Selbst ein Mikis Theodorakis und dessen Tochter Margarita haben sich – in eigener Sache! – mit Nothilfe-Appellen an die Öffentlichkeit gewandt!

Der 95jährige Mikis Theodorakis, seit längerem an den Rollstuhl gefesselt, hat vor einigen Jahren auf sämtliche Tantiemen-Zahlungen an ihn verzichtet und seine Werke der Welt als Kulturerbe kostenfrei zur Verfügung gestellt. Er tat dies in der Erwartung, dass seine Tochter Margarita, die mit einem eigenen Ensemble in Griechenland seine Kompositionen aufführt, ergänzend zu seiner kleinen Rente für seinen Lebensabend sorgen könnte. Doch dieser Hoffnung hat der mittlerweile totale Lockdown in Griechenland einen Strich durch die Rechnung gemacht. Theodorakis hat Bittbriefe an den Ministerpräsidenten geschrieben, an den „Neudemokraten“ Kyriakos Mitsotakis. Die Briefe erhielten nicht mal eine Eingangsbestätigung.

Und Tochter Margarita Theodorakis trat vor einigen Tagen an die griechische Öffentlichkeit, mit einem Interview, in dem sie mitteilen musste, dass sie sogar über keinerlei eigene Einkünfte mehr verfügte (wie unendlich viele andere KünstlerInnen in Griechenland auch; Margarita betonte das ausdrücklich). Ihr drohe das Verhungern – „buchstäblich“, so fügte sie hinzu –, und sie wisse bald keinen anderen Ausweg mehr – auch dieses sei erwähnt – als die Flucht in den Suizid.

Nun, zum Glück hat dieses Interview sehr viel Aufsehen erregt in der griechischen Bevölkerung, und die Not der beiden Theodorakis‘ scheint mittlerweile aus der Welt geschafft. Aber was mit den anderen KünstlerInnen in Griechenland ist, denen es offenbar noch schlechter ergeht als so vielen so genannten „Soloselbständigen“ bei uns, darüber in der griechischen Öffentlichkeit kaum ein Wort. Und die Regierung, wie gesagt, schweigt und spart das Briefporto selbst bei einem der ganz großen Komponisten unserer Zeit.

Die Schändlichkeit der griechischen Regierungspolitik, sie macht offenbar vor niemandem Halt: vor den verarmten und verelendeten Menschen in und um Korydallos schon gar nicht. Aber nicht einmal vor einem Theodorakis, dessen Musik unsere Welt so unendlich bereichert hat, und dessen Familienmitglieder. Die geraten gleich mit in Sippenhaft, wie die KünstlerInnen in Griechenland insgesamt! Auf der Abschussliste dieser Regierungspolitik stehen damit nicht nur Millionen Menschen, auf der Abschussliste steht die Humanität selbst. Und erneut frage ich mich: Wieso hört man davon so wenig bis gar nichts in einem Europa, das sich selber den Titel „Wertegemeinschaft“ verliehen hat? Und wo bleibt der Aufschrei der großen Künstlerinnen und Künstler – der Großverdiener unter ihnen, wohlgemerkt! – bei uns, in unserem Land?

Bei manchen von ihnen, ich gebe es zu, tut selbst deren Schweigen weh und dröhnt in den Ohren!

Erneut bitte ich um Spenden für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland, und erneut weise ich auf unser Spendenkonto hin. Also: Weihnachtsbeihilfen und Gelder für Laura und andere bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“  auf das folgende Konto:

Inhaber: IHW

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49

BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Mit herzlichen Grüßen und allen meinen guten Wünschen

Euer Holdger Platta

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