Stilblüten und Scheingefechte
Das neue Jahr beginnt mit dem Wahnsinn des alten. Silvester-Krawalle in Berlin, deutsche Panzerlieferungen für Kiew, Klima-Endkampf in Lützerath, CO2-Budget für jedermann, 15-Minuten-Städte und vorgeblich überraschende Enthüllungen dank der Twitter-Files. Eine Inventur der Polarisierungsdialektik zum Jahresbeginn 2023 lässt tief blicken. Tom-Oliver Regenauer
Das neue Jahr begann, wie das alte endete: mit einem bunten Strauß medialer Stilblüten. Mit Fehlinformation, Framing und Feigenblatt-Journalismus. Vor allem in Bezug auf die Natur der Krawalle in der Berliner Silvesternacht. Denn obwohl nach Angaben der Polizei klar ist, dass die Mehrzahl der aggressiven Böllerwerfer einen Migrationshintergrund aufweist, lässt die dunkelgrüne Polarisierungsdialektik nichts unversucht, diesen Umstand zu kaschieren. Nicht, weil die Bundesregierung in puncto Migrationspolitik versagt hätte, sondern weil sozialer Unfrieden offensichtlich gewollt oder zumindest goutiert wird.
Nicht zuletzt, um jeden Widerspruch gegen die Narrative der woken Deutungselite zu torpedieren. Galt im öffentlichen Diskurs bislang nur die AfD pauschal als rechts, ist es nach kritischen Äußerungen von Ex-BlackRock-Deutschlandchef Friedrich Merz zur Migrationspolitik nun auch die CDU. So agitiert WDR-Moderator Jean-Philippe Kindler via Instagram und ruft bereits öffentlich zur „Radikalisierung“ im Kampf gegen die Partei auf.
Mit dem Demokratieverständnis und Duktus eines George W. Bush, der die Welt nach 9/11 wissen ließ: „Entweder sie sind auf unserer Seite — oder gegen uns.“ Selbstredend ist nach wie vor keine der Parteien im Bundestag wählbar. Aber dass jedwede Opposition, jede kritische Stimme sofort diffamiert wird, ist ein deutlicher Beleg dafür, dass wir es längst mit totalitären Strukturen zu tun haben.
Für eine Spezies, die sich als zivilisiert betrachtet und auf einen humanistischen Wertekatalog beruft, die als Menschheitsfamilie in friedlicher Koexistenz zusammenleben möchte, sind derartige Vorgänge schlicht unwürdig. Und sie zeigen einmal mehr, dass es nicht um links oder rechts geht, um Gemeinwohl, die Lösung von Problemen oder um die Beantwortung von Sachfragen, sondern ausschließlich um Identitätspolitik und verblendeten Kollektivismus. Denn je gespaltener eine Gruppe ist — Divide et impera! — desto leichter ist sie zu kontrollieren.
Der Kolumnist Harald Martenstein schreibt dazu in der WELT vom 15. Januar 2023: „Ich verstehe die Wut der Silvesterrandalierer, dieses Land hat ihnen nichts zu bieten“, und hat damit Recht. Denn unter der neofeudalen Geo-, Wirtschafts- und Migrationspolitik des vergangenen Jahrhunderts leidet vor allem die Normalbevölkerung — sowohl in den Herkunftsländern der Flüchtlinge als auch in jenen Staaten, in denen sie glauben, ein besseres Leben führen zu können.
Freilich hallt ebenfalls die von Logik, Kohärenz und Transparenz weiträumig gemiedene „Doppeldenk“-Farce rund um den vermeintlichen Reichsbürgerputsch noch nach. Oder der schwelende Ukraine-Konflikt, den die Kriegstreiber in Washington, Berlin und Brüssel augenscheinlich gewillt sind zu eskalieren — immerhin liefert nun auch Deutschland offiziell Schützenpanzer vom Typ „Marder“ sowie das Patriot-Raketenabwehrsystem nach Kiew und wird damit zur offen konfrontativen Kriegspartei. Gegen Russland. Diesen Umstand muss man sich erst einmal so richtig bewusst machen.
Darauf hat Robert Habeck vermutlich verzichtet. Denn bereits am 8. Januar 2023 spricht er davon, sich vorstellen zu können, auch Leopard-Panzer zu liefern. So wird dieser Konflikt in absehbarer Zukunft entweder massiv aus dem Ruder laufen — oder sich über Jahre hinziehen und sein destabilisierendes Potenzial weiter entfalten. In jedem Falle wird das Thema noch lange die Gazetten füllen.
Wie auch die evidenzfrei operierenden Klima-Apokalyptiker weiter von sich reden machen werden, weil sie die dringend benötigten Bilder zum vermeintlichen Kampf ums Überleben des Homo sapiens generieren. Ohne diesen staatlich-philanthrop und von reichen Einzelpersonen finanzierten Öko-Aktivismus aus dem wohlstandsverwahrlosten Bildungsbürgertum vergäße so manch einer unter Umständen, dass das Klima uns nach offizieller Lesart in Kürze auslöschen wird. Oder würde die Panikmache einfach nicht mehr ernst nehmen.
Immerhin wird die meteorologische Apokalypse seit Jahrzehnten aufgeschoben und nach hinten datiert. So wurde aus der anfangs postulierten „Klimaerwärmung“ im Verlauf der Zeit die nun gängige Bezeichnung „Klimawandel“. Passt — weil flexibler einsetzbar — besser zu Doppeldenk, konstruierten Bedrohungsszenarien und kognitiven Dissonanzen. Denn man könnte es ja durchaus besser wissen, weil selbst in Mainstream-Medien schon vor Jahren darüber berichtet wurde, dass die CO₂-Theorie nur „geniale Propaganda“ ist, wie ein Artikel der WELT vom 4. Juli 2011 oder der „Climate-Gate-Skandal“ im Jahr 2009 unterstreichen.
Dennoch: Die kameraaffinen Exodus-Influencer machen unbeirrt weiter. Dieser Tage, indem sie Lützerath besetzen, einen verlassenen Miniatur-Weiler in Nordrhein-Westfalen, der einem RWE-Tagebau weichen soll, und für den Wikipedia am 31. Dezember 2022 die Einwohnerzahl „drei“ verzeichnet. Selbst prominent-betuchte Klimawandel-Ikonen wie Luisa Neubauer oder Greta Thunberg geben sich ein Stelldichein auf jenem ruralen Fleck Ödland, der von der medienstrategisch gut geschmierten Marketingmaschine der „Letzten Generation“ kurzerhand zum Nabel der untergehenden Welt erklärt wurde. An diesem lässt sich Neubauer ablichten, während sie inmitten einer Gruppe von scheinbar eingekesselten Demonstranten steht — eigentlich eine Stresssituation — und in aller Seelenruhe ein Buch liest. Perfekt ausgeleuchtet natürlich. Noch surrealer kann die Inszenierung kaum werden.
Lützerath: Da wird nun also — bevor man mit dem Privatflugzeug zum WEF (World Economic Forum) nach Davos jettet — die Schlacht um die Zukunft der Menschheit geschlagen. Unter anderem mit Steinen und „Molotow-Cocktails“. Das ZDF meint am 14. Januar, dass sich vor Ort „Szenen wie bei Herr der Ringe“ abgespielt hätten. Man kann sich allenthalben des Eindrucks nicht erwehren, dass die Demonstrationen der Corona-Maßnahmenkritiker im Vergleich dazu deutlich friedlicher verliefen.
Zudem wäre im Sinne der im Aufwind befindlichen Cancel Culture zu eruieren, ob die vorgeblich pazifistischen Klima-Protestler nicht kulturelle Aneignung beim neuen Erzfeind des Wertewestens betreiben, bezieht sich der Name des beim Aufprall explosiv entflammenden Wurfgeschosses doch auf den Russen Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow.
Bemerkung am Rande: Diejenigen Corona-Maßnahmenkritiker, die jetzt schadenfroh die Polizeigewalt gegen Klima-Protestler beklatschen, sind keinen Deut besser als die COVID-Konformisten, die im Lauf der vermeintlichen Pandemie dazu aufriefen, die unsolidarischen Impfskeptiker niederzuknüppeln. Sie tun genau das, was die Sozialingenieure von ihnen erwarten — sie verschärfen die Spaltung der Gesellschaft.
Parallel zur Berichterstattung um die Proteste am Rande der RWE-Kohlegrube installiert der öffentlich-rechtliche Rundfunk bereits die diskursiven Kommunikationsleitplanken für die nächste Stufe staatlicher Übergriffigkeit — das persönliche CO₂-Budget für jedermann. Die nächste vermeintliche Verschwörungstheorie, die zu bitterer Praxis wird. So berichtet die ARD am 12. Januar 2023 über Vorschläge des Klimaforschers Hans Joachim Schellnhuber vom „Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung“ (PIK), der einen maximalen Pro-Kopf-Verbrauch von drei Tonnen CO₂ pro Jahr und Bürger vorsieht. Ein Wert, von dem Deutschland meilenweit entfernt ist und der sich nur mit drastischen Einschränkungen der Individualmobilität erreichen lässt.
In diese Kerbe schlägt auch das Konzept der 15-Minuten-Stadt, das mittlerweile in nahezu allen Industrienationen auf dem Vormarsch ist. So plant das englische Oxford, sein Verwaltungsgebiet ab dem Jahr 2024 in sechs „15-Minuten-Zonen“ einzuteilen, um die Bewegungsradien der Bürger im Detail regulieren zu können. Auch in Frankreich, den USA oder Neuseeland wird der Vorschlag langsam aber sicher salonfähig diskutiert — und bedeutet nichts anderes, als dass der eigene Wohnort künftig zum Freiluftgefängnis wird.
So wird eine im Widersinn sozialisierte, indoktrinierte Jugend als fremdgesteuerter Akteur der Endzeit-Show jenes Großkapitals instrumentalisiert, das die Aktivisten vermeintlich bekämpfen. Mit Denkschablonen, Affekten und Ressentiments, die auf Kommando abrufbar sind. Für und gegen jeden mobilisierbar.
Zudem: In Lützerath protestiert die grüne Jugend gegen die Beschlüsse der eigenen Parteispitze. Der Stern nennt das am 12. Januar einen „Spagat“. Ich nenne es eine Beleidigung für den Intellekt eines jeden halbwegs sortierten Geistes. Selbst der in Bezug auf sonstige Staatsnarrative „sattelfeste“ Jan Fleischhauer kommentiert am 12. Januar 2023 diesbezüglich treffend bei Twitter:
„Ich kann mir nicht helfen, ich finde es leicht pervers, wie deutsche Bürgerkinder in einem verlassenen Dorf bei Düsseldorf eine Art Endkampf ums Klima inszenieren, (…).“
Am 14. Januar legt Fleischhauer nach und schreibt:
„Mir fehlt das richtige Wort. Wie nennt man Leute, die am Wochenende gegen das demonstrieren, was sie eben selbst noch beschlossen haben? Wendehals trifft’s nicht so richtig, finde ich. Heuchler auch nicht. Das ist etwas ganz Spezielles, das gibt’s so nur bei den Grünen.“
Unter Fleischhauers Text prangen zwei Fotos. Eines zeigt das Abstimmungsverhalten der beiden Grünen-Abgeordneten Emilia Fester und Nyke Slawik in Bezug auf den Weiterbetrieb des Kohletagebaus in Lützerath. Beide haben mit „ja“ gestimmt. Das andere Foto zeigt die beiden Nachwuchsdogmatiker vor Ort bei den Protesten gegen den Abriss des Weilers durch den Energiekonzern RWE. Mehr Doppelmoral ist schwer vorstellbar.
Man vergisst ob dieses mit hoher Taktung ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gepeitschten Kriegs- und Klimawahnsinns allenthalben, dass uns bis vor nicht allzu langer Zeit ein Killer-Virus geißelte. Wäre da nicht Deutschland und sein Gruselkabinett von Pharma-Lobbyisten und Pandemie-Profiteuren, diese Kaste polit-medialer Berufsdrangsaleure, die immer noch über die endgültige Abschaffung der Corona-Maßnahmen diskutiert, während viele Länder schon seit mehr als einem Jahr alle Maßnahmen zurückgenommen haben. Exemplarisch für den Habitus von „Team Geisterfahrt“ steht der Umgang der Deutschen Bahn mit ihren Kunden, wo Zugbegleiter noch immer machttrunken Fahrgäste aus dem Zug werfen lassen, die sich — weil sie gerade einen Kaffee trinken — nicht preußisch-strikt an die Maskenpflicht halten.
Augenfällig bis schizophren zudem die mentalen Verrenkungen der Leit- und Konzernmedien, die sich im Tagesrhythmus darin überbieten, die massive Übersterblichkeit in der mit mRNA-Produkten behandelten Bevölkerungsgruppe kleinzuschreiben. Dabei kann wohl zwischenzeitlich jeder im eigenen Umfeld beobachten, dass primär „geimpfte“ Personen von fiesen Erkältungen oder noch schlimmeren Krankheiten heimgesucht werden. Doch offizielle Stellen und Leitmedien marginalisieren das Leid einer ungeheuer großen Anzahl von Menschen mit Impfschaden programmatisch, um das Versagen — oder die niederträchtigen Absichten — der Verursacher und Verantwortlichen zu vertuschen. Dabei schreit mittlerweile selbst der dahingehend bisher eher zurückhaltend kommunizierende Kabarettist Serdar Somuncu die Wahrheit von der Bühne und stellt klar, dass ein „Indizienprozess gegen die Verantwortlichen geführt werden muss“, um dem Wunsch nach Aufarbeitung einigermaßen gerecht zu werden.
Bedauerlicherweise ist jedoch davon auszugehen, dass weder Angela Merkel, Jens Spahn, Christian Drosten, Karl Lauterbach noch Lothar Wieler oder Olaf Scholz jemals für ihre Taten zur Verantwortung gezogen werden. Die obrigkeitshörige, weisungsgebundene und daher dysfunktionale deutsche Justiz wird sich hüten, noch einmal gegen ihre Dienstherren vorzugehen.
Denn an jener Handvoll Staatsanwälte und Richter, die dieses Wagnis in jüngerer Vergangenheit auf sich nahmen, statuierte das System abschreckende Exempel. Und wäre Justitia nicht bereits auf beiden Augen blind, säße im Speziellen Olaf Scholz — von Ulrich Thiele bei Cicero unlängst trefflich Pinocchio-Kanzler getauft — längst hinter Gittern.
Der Staat agiert, wie er in Kriegs-, Krisen- und Umbruchszeiten immer agiert: Er säubert die eigenen Reihen von Zweiflern, Kritikern und Häretikern. Gleichzeitig versucht er, seine direkten Untergebenen, die Beamten, durch Zugeständnisse, Belohnungen, Sonderzahlungen und Prämien zu beschwichtigen, will sie mit Geschenken bei der Stange halten. So erhöht das Land Nordrhein-Westfalen die Besoldung vieler Beamten signifikant, wie die Rheinische Post am 2. Dezember 2022 zu berichten wusste. Nachzahlungen für rückwirkend erhöhte Mietzuschüsse können je nach Beamtenhaushalt gut und gerne 5.000 bis 10.000 Euro betragen.
Und auch die Familienzulagen nach Landesbesoldungsgesetz wurden zum 1. Dezember 2022 angehoben. Für einen mir persönlich bekannten Lehrer bedeutete dies den Erhalt einer Sonderzahlung von mehr als 5.000 Euro im vergangenen Dezember. Der Staat verteilt sein Bestechungsgeld mit vollen Händen, obwohl seit Jahren bekannt ist, dass gerade die Beamtenbezüge und deren Pensionslast die „öffentlichen Haushalte sprengen“, wie die WirtschaftsWoche schon am 13. September 2019 titelte.
Auch ein Blick über den großen Teich macht wenig Hoffnung auf eine ernsthafte Aufarbeitung der Corona-Verbrechen, so Marcus Klöckner, 2022. Obgleich die sogenannten Twitter-Files allen Anlass dazu böten. Denn es zeigte sich im Rahmen der entsprechenden Enthüllungen rasch, dass alle Verschwörungstheorien, die in Bezug auf Twitter in den vergangenen Jahren ventiliert wurden, wahr sind — so Elon Musk in einem Interview kurz nach Weihnachten.
Ob „Shadowbanning“, „Blacklisting“, Zensur kritischer Inhalte direkt durch die Pharma-Branche, Sperrung oder Löschung von spezifischen Accounts durch FBI, CIA und NIH, oder gezielte Beeinflussung der amerikanischen Öffentlichkeit bezüglich des „Hunter Biden-Laptop-Skandals“ sowie seiner potenziell negativen Auswirkungen für die US-Demokraten hinsichtlich der Präsidentschaftswahlen 2020/2021 — die woke Twitter-Chefetage tat willfährig exakt das, was staatliche Stellen ihr befahlen.
Dezidierte Zensur-Teams unterdrückten jede Meldung in Bezug auf Hunter Biden, den drogen-affinen Präsidentensohn, sowie jegliche Links zum Inhalt des Corpus Delicti, des Laptops, der bei „Marco Polo“ online abrufbar ist. Cancel Culture und Propaganda in voller Blüte. Bis Elon Musk die wichtigste Social Media Plattform der Welt übernahm und begann, die Meinungsfreiheit zu retten. So zumindest die landläufige Annahme.
Warum ich den WEF-Young Global Leader Musk nicht für den Messias des Libertarismus halte, sondern für eine Art Trojanisches Pferd, das eine gewiefte PR-Kampagne fährt, habe ich bereits im Oktober 2022 im Rahmen eines ausführlichen Artikels über den neuen Twitter-Chef dargelegt. Warum ich auch die vermeintlich revolutionären Enthüllungen der Twitter-Files oder Musks Absage an das WEF 2023 als PR-Coup betrachte, will ich im Folgenden erläutern.
Zunächst einmal wirft die Darreichungsform der Twitter-Files Fragen auf. Warum werden primär Screenshots veröffentlicht, anstatt tatsächliche Dokumente, Protokolle oder E-Mails? Wer stellt diese Screenshots zusammen, entscheidet, was veröffentlicht wird und was nicht? Und welche Informationen gibt es in den betreffenden Datenbanken, Mailboxen oder Dokumenten noch? Wenn wir uns an die Veröffentlichungen von WikiLeaks, die Panama-Papers, die Pandora-Papers oder jene Teile des Edward Snowden-Archivs erinnern, die publik gemacht wurden, handelte es sich dabei stets um originäre, vollständige Dokumente, deren Inhalt sich im Rahmen von Eigenrecherche falsifizieren ließ. Bei den Twitter-Files gilt es, sich auf unbekannte Kuratoren zu verlassen. Auf Schnipsel und Fetzen der Originaldokumente.
Ja, es ist als positiv zu bewerten, nochmals in Schriftform bestätigt zu sehen, was jeder, der sich ein wenig mit der Geschichte, der Arbeitsweise und der Staatsnähe von Big-Tech oder Social-Media-Unternehmen beschäftigt hat, ohnehin schon wusste — dass diese Firmen unter der Fuchtel von US-Regierung und US-Geheimdiensten stehen. Wenn sie nicht gar indirekt von diesen finanziert oder gegründet wurden — so wie Facebook, dasam am 4. Februar 2004, nur einen Tag nach dem Abschalten des in der Öffentlichkeit verpönten DARPA-Projektes „Life Log“ am 3. Februar 2004 online ging und exakt die gleichen Funktionen erfüllt. Nur geben die Nutzer ihre Daten nun freiwillig ein, anstatt dass das Militär sie sammelt.
So dürfte es ebenfalls kaum dem Zufall zuzurechnen sein, dass ehemalige FBI- und CIA-Mitarbeiter zuhauf bei amerikanischen TV-Sendern und Tech-Unternehmen arbeiten, wo sie zumeist für die „Identifikation und Bekämpfung von Fake News“ zuständig sind. Ob CNBC, CNN, MSNBC, Facebook (META) oder Twitter — die Geheimdienste haben die Medienlandschaft der Vereinigten Staaten großflächig infiltriert.
Mark Zuckerberg bestätigte bereits im Sommer 2022 während eines dreistündigen Interviews mit dem weltbekannten Podcaster Joe Rogan, dass das FBI ihn explizit aufforderte, „polarisierende Inhalte“ im Vorfeld der US-Wahlen 2020 zu überwachen und deren Reichweite zu reduzieren. Und auch während der COVID-Krise zensierte, kuratierte und blockierte Facebook im Sinne der Regierung — während Zuckerberg engen Mitarbeitern im Rahmen eines Video-Calls persönlich empfahl, die mRNA-Injektion zu meiden. Dass Twitter, Instagram und andere Plattformen das gleichfalls taten, ist also wenig überraschend.
Eine weitere Frage in Bezug auf die Twitter-Files stellt sich in Bezug auf die von Elon Musk persönlich selektierten Journalisten, die nach Unterschreiben einer Geheimhaltungserklärungen nun federführend die entsprechenden Enthüllungen zusammenstellen, moderieren und bei Twitter veröffentlichen dürfen — Matt Taibbi und Bari Weiss.
Taibbi scheint zunächst einmal ein recht ungehaltener, cholerischer und pietätsloser Zeitgenosse zu sein, wie diverse Medienberichte über ihn nahelegen. Er bejubelte öffentlich Todesfälle politisch Andersdenkender, bewarf Personen in Bars mit Trinkgefäßen und eckte mit seinem niveaulosen bis asozialen Humor, den er selbst als „satirisch und sarkastisch“ bezeichnet, immer wieder an.
Seine Karriere nahm ab 2004 beim Musikmagazin Rolling Stone so richtig Fahrt auf, für das er mehrere Jahre als freier Autor schrieb. Unter anderem über politische Themen. Noch im Juli 2019 publizierte er für das Magazin einen Artikel über Verschwörungstheorien und die Frage, warum sich diese im öffentlichen Bewusstsein so hartnäckig halten — von der Mondlandung und dem Mord an John F. Kennedy über 9/11 bis hin zu Donald Trump. Alles, was nicht dem offiziellen Narrativ der US-Regierung folgt, stempelte Taibbi bisher rigoros als Blödsinn ab. Dass knapp 70 Prozent der Amerikaner glauben, dass die CIA in das Attentat auf JFK verwickelt war, was durch bis anhin klassifizierte Geheimdokumente, die im Dezember 2022 veröffentlicht wurden, bestätigt wird, führt Taibbi auf mangelnde Bildung zurück. Gleiches gilt laut Taibbi für den Umstand, dass etwa die Hälfte der US-Bevölkerung davon überzeugt ist, dass die eigene Regierung in die Anschläge von 9/11 verwickelt war.
Dennoch haftet ihm hartnäckig der Ruf des subversiven und regierungskritischen Investigativ-Journalisten an, der den „Sumpf in Washington“ nun mit den Enthüllungen der Twitter-Files bloßstellt. Dieses Image dürfte vor allem auf seiner Arbeit für First Look Media fußen, einem im Oktober 2013 von eBay-Gründer und Ex-PayPal-Besitzer Pierre Omidyar mit 250 Millionen US-Dollar grundfinanzierten Medien-Outlet. Nach initialen Angaben von Omidyar sollte First Look Media als Dachgesellschaft für mehrere Magazine mit investigativem Charakter fungieren. Für Magazine, die ihre Autoren nicht zensieren.
Das erste war The Intercept — das 2014 öffentlichkeitswirksam gegründet wurde, um exklusiv über die Enthüllungen von Edward Snowden zu berichten. Als zweite Publikation war ein politisches Magazin namens Racket vorgesehen, dessen Chef Matt Taibbi werden sollte. Der Hype um die Enthüllungen von Edward Snowden machte unter anderem The Guardian-Schreiberling Glen Greenwald als Intercept-Mann der ersten Stunde zum Star-Journalisten. Und auch Matt Taibbis Karriere profitierte von der Arbeit bei First Look Media beziehungsweise The Intercept.
Trotz massiven öffentlichen Interesses und entgegen der hehren Versprechungen zu Beginn des Projektes stellte The Intercept das Snowden-Projekt jedoch bald ein. Angeblich wegen zu hoher Kosten. Es wurden kaum mehr als 20 Prozent der hochbrisanten Informationen, die die US-Regierung mutmaßlich schwer belasten, veröffentlicht. Sie befinden sich bis dato unter Verschluss im Besitz der privaten Medienorganisation. Und Matt Taibbi verließ First Look Media nach sieben Monaten, weil er sich scheinbar mit Hauptfinancier Omidyar überwarf. Dennoch gelten alle Beteiligten am Snowden-Projekt bis heute als Star-Journalisten und Investigativ-Reporter par excellence. Man könnte die ganze Intercept-Story demnach auch als geschickte Image-Design- und Marketing-Kampagne betrachten.
Der Vorgang weist Parallelen zur aktuellen Situation von Bari Weiss auf, der ehemaligen New York Times-Autorin, die das woke Blatt unlängst mit viel Tamtam verließ, und nun vielbeachtete Co-Journalistin von Matt Taibbi in Bezug auf die ominösen Twitter-Files ist. Denn genau zu dem Zeitpunkt, zu dem ihre Karriere durch die Enthüllungen rund um die Social Media Plattform enormen Aufwind erfährt, wird bekannt, dass Weiss jüngst ein neues Medien-Start-up ins Leben rief. Mit zehn Vollzeitbeschäftigten und einem Dutzend Freiberufler.
In weniger als einer Woche hatte ihre neue Firma über 100.000 Follower auf Twitter und circa 25.000 neue Abonnenten. Viele von ihnen bezahlen für das Angebot. Weiss’ Start-up schaltete schon kurz darauf kostspielige Werbung in New York, San Francisco und anderen Großstädten. Auf ihrem persönlichen Twitter-Account verdoppelte sich die Follower-Zahl von 500.000 auf knapp eine Million. Trotz dieses kometenhaften Erfolgs hat The Free Press — wie sich das neue Unternehmen nennt — nach Aussagen von Weiss „bisher keinen Cent ausgegeben“. Die Zusammenarbeit mit Musk lohnt sich demnach nicht nur in puncto Reputations- und Image-Design, sondern auch finanziell.
Und auch für Elon Musk selbst, der bis vor etwa zwölf Monaten noch das „Darling“ der US-Demokraten und Linken war, läuft die Twitter-PR-Kampagne ausgezeichnet. Jetzt ist er Liebling der US-Republikaner, Rechten, Liberalen und Konservativen und plant, den freien „Volksjournalismus“ auf Twitter zu etablieren. Auf einer zentralisierten Plattform, die immer noch nach Gutdünken Accounts sperrt, auch wenn deren Inhaber sich nichts Justiziables zu Schulden kommen ließen, und die bis 2017 nur 140 und jetzt 280 Zeichen pro Mitteilung erlaubt. Ein Unding. Ja — für Echtzeitinformation, Links, Meinungsbilder oder die Mitteilungen offizieller Stellen, Behörden, Ministerien, Leitmedien, Independent-Medien und Kulturschaffenden ist die Plattform durchaus wertvoll. Aber nicht für echten Journalismus, der auf mehr basieren muss als auf ein paar Screenshots und drei Sätzen.
Wer also nachvollziehen möchte, was in puncto Twitter wirklich gespielt wird, muss die derzeitigen Vorgänge nicht nur im Lichte von Elon Musks Werdegang, Geschäftsbeziehungen und finanziellen Abhängigkeiten betrachten, sondern auch hinsichtlich der langfristig profitierenden Beteiligten. Und das sind neben Musk selbst und Individuen wie Taibbi oder Weiss eben auch das US-Establishment und der supranationale Korporatismus, der ein vertieftes Interesse an Musks Polarisierungsdialektik haben dürfte. In diesem Zusammenhang sollte nicht vergessen werden, dass sich das elitäre WEF-Meeting im Jahr 2022 das Motto „Rebuilding Societal Trust“ (gesellschaftliches Vertrauen wieder aufbauen) auf die Fahnen schrieb. Wer könnte das in jenen Kreisen, die sich von ihrer Regierung belogen und betrogen fühlen, besser als eine neue Galionsfigur des Libertären?
Zudem sei jedem, der Elon Musk für einen Freiheitskämpfer im Dienste des einfachen Bürgers hält, nahegelegt, das heimlich aufgezeichnete Protokoll des ersten Meetings von Musk mit dem ehemaligen Twitter-Vorstand zu lesen. Im Zuge der Unterredung drückt der neue Twitter-Eigner klipp und klar sein Interesse daran aus, Twitter zur westlichen Version der chinesischen „WeChat“-Applikation zu machen, einer sogenannten Alles-App des chinesischen Konzernriesen „Tencent“. Das bedeutet schlussendlich, dass Twitter zu einem omnipotenten Werkzeug für digitale Identifikation, Überwachung und erweiterte Manipulation des Einzelnen ausgebaut werden soll. Wie Facebook es in großem Maße schon jetzt ist.
Wer die angeführten Widersprüche nicht analysiert und sich vom medialen Hype oder der Ikonisierung einer Einzelperson blenden lässt, macht nichts besser als die Corona-Konformisten, die einem Christian Drosten als Helden huldigten.
Es muss doch zumindest stutzig machen, wenn Elon Musk stets öffentlich betont, die Bedrohung durch künstliche Intelligenz sei real und ernst, während er auf der anderen Seite mit „Neuralink“ ein transhumanistisches Projekt vorantreibt, das Menschen mittels Gehirnimplantaten zerebral aufpeppen und upgraden soll — um so die zivilisatorische Kapitulation vor künstlicher Intelligenz und Transhumanismus abzuwenden.
Sprich: Musk, der Mann, der mit einer „New World Order“-Jacke bei Promi-Galas aufläuft, rettet uns mittels Transhumanismus vor künstlicher Intelligenz und Transhumanisten. Allzu lange nachdenken darf man über dergleich obszöne Kontradiktionen vermutlich nicht, will man den Schutzpatron der eigenen Passivität nicht vom überhöhten Podest der Ehrerbietung stürzen.
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