Das Zusammenspiel aller Mittel der Kriegsführung ― vom Cyberkrieg mit Angriffen auf Anlagen aller Art über das Internet und über Satelliten bis zu den he(e)rkömmlichen Waffengattungen des Heeres, der Marine und der Luftwaffe ― haben die NATO-Strategen mit ihrer Hochrüstung und Strategieplanung sowie mit Manövern, wie Defender 2020, Trident Juncture, Steadfast Noon und so weiter, sehr weit vorangetrieben und konkretisiert. Sie gestalten ihr sogenanntes Schlachtfeld-Management des 21. Jahrhunderts mit Multi-Domain Operations (2).
„Game-Changer“: Drohnen und die Kriegsgefahr
Die heute immer wichtiger werdenden unbemannten Flugwaffen ─ sogenannte Drohnen ─ treten dabei als Game-Changer immer mehr in den Vordergrund, so auch im Bundestag.
Mit dem Begriff „Game-Changer“ verbindet sich für die Militärs die Tatsache, dass Drohnen ein Meilenstein auf dem Weg zur Fernsteuerung, Automatisierung und Autonomisierung des Kriegsgeschehens sind (3). Sie machen Krieg wahrscheinlicher, da sie die Schwelle zum Einsatz für Militärs absenken. Auch sind sie einfacher und auf den oberflächlichen ersten Blick hin gefahrloser zu handhaben als Bataillone und Luftgeschwader oder Marineverbände. Drohnenangriffe ohne Kriegserklärung verwischen zudem die Grenzen zwischen Krieg und Frieden, sodass die Weltgemeinsacht seit der Eröffnung des sogenannten „Antiterror-Krieges“ im Dauerzustand eines Nichtfriedens ist (4).
Die Feigenblatt-Debatte
Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) hat im Mai 2020 die Debatte über die Bewaffnung mit Drohnen begonnen, die die damalige „Verteidigungs“-ministerin Ursula von der Leyen bereits vor zwei Jahren im Zusammenhang einer erstmaligen Anschaffung von bewaffnungsfähigen Drohnen des Typs Heron TP als „breite gesellschaftliche Debatte“ (5) angekündigt hatte.
Im aktuellen Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD vereinbart, dass „der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert“ über die Drohnenbewaffnung entscheiden wird (6).
Derzeit führt das BMVg diese sogenannte breite gesellschaftliche Debatte unter Bedingungen der Corona-Eindämmung durch und kann so elegant auf die äußeren Umstände verweisen, wenn diese außerhalb einer breiten gesellschaftlichen Öffentlichkeit stattfindet.
Auf seiner Website zur „Debatte: Bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr?“ formuliert das BMVg Fragen, die schon die Absicht seiner sogenannten Paneldiskussion ausgesuchter und für repräsentativ erklärter „ExpertInnen“ verraten:
„Sind bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr sinnvoll? Wie weit reicht die Verantwortung zum Schutz unserer Streitkräfte im Auslandseinsatz? Oder ist die Gefahr, vorschnell militärische Gewalt einzusetzen zu groß?“ (7).
Bereits die zweite Frage impliziert das Argument, welches immer wieder in den Diskurs gebracht wird:
Ferngesteuerte Kampfgeräte gefährden keine eigenen Soldaten auf dem Schlachtfeld. Insofern schon seien sie sinnvoll. Die Gegenargumente werden kein entscheidendes Gehör finden.
In der Dokumentation eines Live-Chats auf der BMVg-Homepage findet sich die Aussage, der Parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber und der Generalinspektor der Bundeswehr Eberhard Zorn „haben sich für die Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr ausgesprochen. Denn bewaffnete Drohnen dienen vor allem dem Schutz der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im Einsatz“.
Dies ist bereits die alles entscheidende Antwort des Initiators der Debatte, die das Unterfangen als Feigenblatt- oder Alibiveranstaltung vor einem Beschluss, die Drohnen der Bundeswehr zu bewaffnen, entlarvend deutlich klarlegt.
Für die erste öffentliche Diskussion haben die Verantwortlichen überwiegend Menschen aus dem Umfeld der Bundeswehr eingeladen, sodass die Veranstaltung trotz der Möglichkeit, sich über E-Mail, Chat und Twitter zu beteiligen eine ganz offensichtliche Schlagseite zugunsten der Militärstrategen aufweist. Eine „ausführliche Debatte“, entsprechend den Anforderungen des Koalitionsvertrages und der Ankündigungen der damaligen Ministerin sähe anders aus.
Die Entwicklung des Drohnenkrieges offenbarten die USA Anfang dieses Jahres mit der illegalen Ermordung des iranischen Generals Qassem Suleimani, der auf einer Friedensmission im Irak weilte. Gerade dieses Beispiel zeigt, wie der Weg der immer weiter gesteigerten Gewalt und Gegengewalt die Spannungen in den Weltkonflikten eskalieren lässt. Selbst der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hatte „erhebliche Zweifel“ daran, dass diese gezielte Tötung mittels US-Kampfdrohnen mit dem Völkerrecht zu vereinbaren ist (8).
Jegliche außergerichtliche Tötung ohne Kriegserklärung ─ also auch die Dohnenangriffe der US-Armee in den meisten Staaten des US-Drohnenkrieges ─ ist ein Völkerrechts-, Kriegsrechts- und Menschenrechtsbruch.
Die Anwendung dieser Waffe untergräbt die internationale Architektur des Rechtes, wie sie in der UN-Charta festgeschrieben ist.
Drohnen schützen weder Nichtkombattanten noch eigene Kräfte
Das Narrativ der Verteidiger der Drohnenbewaffnung, nach dem diese Waffen wegen ihrer Präzision das Leben von Nichtkombattanten schütze, hält einer Überprüfung nicht Stand. Laut dem Bericht auf der Informationsplattform des Vereins Humanrights.ch zum Drohnenkrieg ist bislang eine vierstellige Zahl ziviler Drohnenopfer zu beklagen. Beispielsweise „waren Drohnenangriffe in Afghanistan im Jahr 2013 bereits für 40 Prozent aller durch Luftangriffe getöteten Zivilisten verantwortlich“ (9).
Informationen des Blogs zufolge werden sogar mehr zivile Nichtkombattanten Opfer des Drohnenkrieges als bei Angriffen mit bemannten Bombenflugzeugen (10).
Ebenso lässt sich die Behauptung, der Drohnenkrieg schütze die eigenen Kräfte, bei einem differenzierten und genauen Blick auf die Zusammenhänge nicht aufrecht erhalten:
Viele DrohnenpilotInnen, die per Fernsteuerung im Einsatz operieren, werden Opfer einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) unter anderem deswegen, weil ihnen Daten und Bilder zur „Erfolgskontrolle“ des Kampfeinsatzes vor Augen führen, wie viele Unbeteiligte Opfer ihrer Drohnenangriffen werden.
Bei Licht gesehen verkehrt sich die deklarierte Absicht des Schutzes eigener Kräfte durch diesen langfristigen Effekt des Drohnenkrieges in das Gegenteil, der Schutz der SoldatInnen der Bundeswehr und anderer sogenannter Bündnisarmeen erweist sich als Trugschluss (11).
Quintessenz
Weder Zivilpersonen noch eigenes Militär lassen sich durch die Drohnenbewaffnung schützen — und schon gar nicht der Frieden. Im Gegenteil: Kampfdrohnen sind tödliche Vorboten eines automatisierten und schließlich digital-autonomen Krieges.
Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass die Deutsche Friedensgesellschaft — Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), das Netzwerk Friedenskooperative und die Kampagne „Stopp Air Base Ramstein“ die Aufklärung und den Protest gegen die Drohnenbewaffnung auch und gerade in diesen Tagen forcieren.
Hier kann mensch die Kampagne unterstützen und hier sind Angaben zur Kampagne gegen Kampfdrohnen für alle, die das Anliegen online unterstützen wollen
(1) https://thebulletin.org/doomsday-clock/
(2) https://breakingdefense.com/2019/04/armys-multi-domain-unit-a-game-changer-in-future-war/
(3) https://nationalinterest.org/feature/game-changing-weapons-what-the-us-military-needs-know-137554) https://drohnen-kampagne.de/
(4) https://www.lyrikline.org/de/gedichte/alle-tage-265
(5) Bundeswehr Journal 7, November 2018, Quelle: http://www.bundeswehr-journal.de/2018/weichenstellung-fuer-eine-bewaffnung-der-drohne-heron-tp/
6) Koalitionsvertrag 19. Legislaturperiode, https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf?file=1, Seite 159
(7) https://www.bmvg.de/de/debatte-bewaffnete-drohnen
(8) https://www.linksfraktion.de/fileadmin/user_upload/PDF_Dokumente/2020/WD_2-001-20_Konflikt_Iran_USA.pdf, S. 22
(9) https://www.humanrights.ch/de/internationale-menschenrechte/nachrichten/terrorbekaempfung/tod-drohnen-uno-bericht-arbeit
(10) https://augengeradeaus.net/2013/07/dronewatch-mehr-zivile-opfer-bei-drohnenangriffen-als-bei-bemannten-flugzeugen/
(11) https://www.zeit.de/2012/50/Drohnenpilot-Trauma-PTBS und
http://www.ethikundmilitaer.de/de/full-issues/20141-drones/matthews-stress-among-uav-operators-posttraumatic-stress-disorder-existential-crisis-or-moral-injury/