Ukrainekrieg: Wann und warum begann er?

 In FEATURED, Politik (Ausland)

Meist reden Politiker und Medien beim Ukrainekrieg nur über Waffen, Sanktionen und Wege, wie man den Aggressor Putin besiegen kann. Die Probleme, die 2014 zum Ausbruch des Kriegs führten, sind kein Thema. Aber wenn diese nicht durch Verhandlungen gelöst werden, kann es keinen Frieden geben. Durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sind wir nicht über Nacht in „einer anderen Welt“ aufgewacht. Der Krieg begann im April 2014, nicht erst im Februar 2022. Er begann als Krieg der ukrainischen Regierung gegen vier Millionen Einwohner der „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk im Donbass. Diese strebten Autonomie gegenüber der Kiewer Regierung an, was in einer Volksabstimmung mit rund 90 Prozent bestätigt wurde. Schon Mitte März 2014 stimmten auf der Krim 96 Prozent mit einer Volksabstimmung für den Beitritt zu Russland. KLARtext e.V.

 

Die Ukraine selbst hatte sich Ende 1991 mit einer Volksabstimmung für unabhän gig
erklärt, erkannte aber die Volksabstimmungen im Donbass und der Krim nicht an. Sie
behauptete, Russland habe ukrainisches Territorium illegal „besetzt“ (Donbass) bzw.
„annektiert“ (Krim), sprach von Separatisten und Terroristen und reagierte mit Krieg.
Ausgangspunkt des Kriegs: Der Staatsstreich vom 22.2.2014.

Im Dezember 2013 entstand auf dem Kiewer Maidan eine breite Protestbewegung
gegen Korruption und Verarmung, die den Rücktritt des regulär gewählten
Präsidenten Janukowitsch forderte. Faschisten der Partei Swoboda, die die
Ukraine von allem „Nicht-Ukrainischen“ säubern will,1 setzten sich an die Spitze.
Janukowitsch wurde fälschlicherweise ein Massaker angelastet.2 Vor allem aus
den oberen Etagen des schwer bewachten Hauptquartiers der Maidan-Kräfte
erschossen Scharfschützen 44 Menschen. Sie und ihre Hintermänner wurden nie
gerichtlich verfolgt. Janukowitsch wurde unter Bruch der Verfassung abgesetzt.
Swoboda stellte drei Minister und den Generalstaatsanwalt.

Ziel der neuen Regierung war, „unseren endgültigen Bruch mit dem russischen
Reich des Bösen zu festigen“3, so Präsident Poroschenko wenig später. Die Men
schen in der Ost- und Südukraine haben seit jeher enge Beziehungen zu diesem
„Reich des Bösen“. Sie sahen sich bedroht und wollten von einer solchen Regie
rung nicht regiert werden.

Am Tag nach dem Staatsstreich wurde auf Antrag von Swoboda ein Sprachenge-
setz beschlossen, das Russisch als Amtssprache verbot. Es wurde jedoch zeit
weise ausgesetzt, weil es massive Proteste gab.

Der Ukrainekrieg hätte 2015 beendet werden können.

Die von korrupten Oligarchen beherrschte Ukraine4 akzeptiert den Staatsstreich und
die Straflosigkeit von Massenmord, nicht aber Volksabstimmungen. Ihre Armee bom
bardierte im Donbass Wohnhäuser, Schulen, Verwaltungen und Fabriken. Bis zum
Waffenstillstand Anfang 2015 sollen ihrer „antiterroristischen Operation“ 9.000 Zivilisten der „Volksrepubliken“ zum Opfer gefallen sein. Nationalisten und Faschisten
verfolgten alles Russische. Am 2. Mai 2014 setzten sie in Odessa das Gewerk-
schaftshaus in Brand. Mindestens 48 als „prorussisch“ geltende Menschen verbrann-
ten oder wurden erschlagen. Die Täter blieben straffrei. Der Gouverneur von Odessa
nannte die Brandstiftung „legal“, um „bewaffnete Terroristen zu neutralisieren”.5 Das
war eine Warnung an die „Volksrepubliken“. All das stieß im „Westen“ nicht auf Kritik.

Waffenstillstandsabkommen von Minsk

Die Freiwilligenverbände der „Volksrepubliken“ fügten der ukrainischen Armee
2014/15 schwere Niederlagen zu. Das machte Kiew bereit für Zugeständnisse. Die
Ukraine, Russland und die „Volksrepubliken“ unterschrieben zwei Waffenstill
standsabkommen (zuletzt Minsk II im Februar 2015). Die Ukraine verpflichtete sich,
mit Vertretern der „Volksrepubliken“ ein Gesetz zur „zeitweisen Selbstverwaltung
einiger Bezirke des Donezker und Lugansker Gebiets“ auszuhandeln und es bis Ende
2015 in der Verfassung zu verankern. Die Präsidenten Poroschenko (2014-2019) und
Selenskyj (ab 2019) versprachen, Minsk II umzusetzen und dadurch Frieden zu
schaffen. Sie weigerten sich aber, mit „Terroristen“ zu verhandeln, obwohl die Ukraine
mit eben diesen „Terroristen“ die Minsker Abkommen unterzeichnet hatte.

Ukraine, Russland, Selbstbestimmungsrecht und Nationalismus

Sieben Jahre vergingen, bis auch die „Volksrepubliken“ Minsk II begruben und sich
Anfang 2022 zu unabhängigen Staaten erklärten. Erst dann erkannte Russland sie an
und überfiel die Ukraine mit dem erklärten Ziel, das Land zu „entnazifizieren“ und
„entmilitarisieren.“ Das ist ebenso völkerrechtswidrig wie 1999 der Angriffskrieg der
westlichen „Wertegemeinschaft“ auf Serbien, der die Abspaltung des Kosovo
erzwang.

Russland erkannte 1991 die Volksabstimmung zur Unabhängigkeitserklärung der Uk
raine an, heute nicht mehr. „In der Verfassung der UdSSR von 1924 wurde das Recht
auf freien Austritt der Republiken aus der Union eingeführt. Damit wurde die gefähr
lichste ,Zeitbombe’ im Fundament unserer Staatlichkeit gelegt.“6 So Putin im Februar
2022. Es gebe für ihn keine ukrainische, sondern nur eine „dreieinige russische
Nation“ aus Groß-, Weiß- und Kleinrussen (Ukrainern).7 Putin vertritt den großrussi
schen Nationalismus einer kapitalistischen Großmacht.

Umgekehrt erkennt die Ukraine alle Ethnien als „angestammte Minderheit“ an, außer
der größten, der russischen. Nur ihr verbietet ein nationalistisches Sprachengesetz
seit Februar 2022 den Gebrauch ihrer Sprache im öffentlichen Verkehr.8 Zweck ist,
„das Russische abzuwürgen.“9 Kanzler Scholz: „Es gibt eine ukrainische Nation, und
sie umfasst diejenigen, die die ukrainische Sprache als Muttersprache sprechen und
auch den ein oder anderen von denjenigen, die die russische Sprache sprechen (FAZ
19.3.22). Die „Volksrepubliken“ gehören demnach nicht zur ukrainischen Nation. Nur
3,5 Prozent hatten 2019 dort Ukrainisch als Muttersprache.10

Gegen jeden Nationalismus, ob den der Ukraine oder den Russlands!
Respektierung des Willens der Menschen im Donbass und auf der Krim durch die Ukraine!
Respektierung des Unabhängigkeitswillens des ukrainischen Volkes durch Russland!
Nur das führt zum Frieden! Nationalismus bedeutet Krieg!

 

1) www.n-tv.de/politik/Unterstuetzt-Deutschland-die-Falschen-article12549706.html
2) www.welt.de/print/-die_welt/-politik/article126815616/Wer-waren-die-Scharfschuetzen-auf-dem-Maidan.html
3) www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/ostblogger/assoziierungsabkommen-ukraine-100.html
4) www.sueddeutsche.de/politik/ukraine-korruption-rechnungshof-1.5419576 Europäischer Rechnungshof 23.9.21
5) www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-europarat-kritisiert-ermittlungen-zu-strassenschlachten-a-1060987.html
6) www.welt.de/geschichte/article237074367/Die-Geschichte-der-Ukraine-und-wie-Putin-sie-verzeichnet.html
7) https://de.wikipedia.org/wiki/Zur_historischen_Einheit_von_Russen_und_Ukrainern
8) Kerstin Holm, FAZ 18.01.2022, https://faz.net/-gsf-ak5hp
9) Kerstin Holm, ebd.
10) www.dw.com/de/donezk-und-luhansk-chronik

Kommentare
  • Volker
    Antworten
    Sollte jeder lesen können und sich Fragen dazu stellen, und ++ hust ++, ohne als Staatsfeind auf dem Meinungs-Galgenhügel zu enden.

    Weia. Habe gelesen. Bekomme ich nun nicht angemeldeten Besuch?

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