Warum bin ich ein Antisemit?
Eine Stellungnahme von Abi Melzer zum Streit um den Göttinger Friedenspreis 2019
Wir greifen heute nochmal die Streitigkeiten auf um die Verleihung des diesjährigen Göttinger Friedenspreises an die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ und veröffentlichen den bemerkenswerten Beitrag von Abi Melzer zu diesem Streit. Melzer – manche unter Euch wissen es sicherlich – ist nicht irgendwer (obwohl es auf ‚Prominenz‘ bei der folgenden Stellungnahme wahrlich nicht ankommt!). Abi Melzer – genauer: Abraham Melzer – ist selber Jude. Er wurde 1945 in Samarkand/Usbekistan als Sohn holocaust-verfolgter Eltern geboren, wuchs in Israel auf, leistete dort 1968 – damals noch überzeugter Zionist – seinen Wehrdienst ab und kehrte danach wieder nach Deutschland zurück. Einen Namen machte er sich in der Folgezeit vor allem als Journalist, Verleger und Herausgeber der Schriften von Martin Buber – erschienen 2010 beim Frankfurter Zweitausendeins-Verlag – sowie, in wachsendem Maße, als Kritiker der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern, als Kritiker des aggressiven Zionismus, wie er von Israel bereits vor seiner Staatsgründung im Jahre 1948 praktiziert wurde, und als Kritiker der wahnhaften Propagandathese, daß die völker- und menschenrechtsorientierten Gegner der furchtbaren israelischen Politik gegenüber den Palästinensern „Antisemiten“ seien. Breite Beachtung fand dabei vor allem sein Buch „Die Antisemitenmacher. Wie die neue Rechte Kritik an der Politik Israels verhindert“, 2017 erschienen im Frankfurter Westend-Verlag.
Unverkennbar ist Melzers nachfolgender Beitrag von großem Zorn auf diese „Antisemitenmacherei“ geprägt. Aber überhören und überlesen wir nicht: mindestens so stark ist das Entsetzen zu spüren, das seinen fulminanten Artikel veranlaßt hat, sowie das Übermaß an Verletzungen und bösartigen Unterstellungen, denen Melzer als Kritiker der israelischen Aggressionspolitik gegenüber den Palästinensern seit Jahren ausgesetzt ist – bis weit in politische und persönliche Diffamierungen und Verfolgungsmaßnahmen hinein (mehrfach wurden Abi Melzer Vortragsmöglichkeiten in Deutschland verwehrt, oftmals auf das Betreiben der jüdischen ‚community‘ hin, etwa von Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München). Gleiches widerfuhr in den letzten Jahren auch anderen Kritikern der israelischen Aggressionspolitik gegenüber den Palästinensern – den jüdischen wie israelischen wie deutschen Kritikern. Wenn es in einem berühmten Lied von Konstantin Wecker heißt „Zwischen Zärtlichkeit und Wut / tut das Leben richtig gut“, muß es bei Betroffenen wie Abi Melzer wohl eher heißen „Zwischen Zärtlichkeit und Wut / lebt’s sich nicht immer wirklich gut“!
Hier also seine Stellungnahme voller Empörung und „Wut“, im Hintergrund aber auch voller „Zärtlichkeit“ für die Opfer der israelischen Aggressionspolitik und voller Bestürzung, was den Opfern angetan wird und ihren Verteidigern. Holdger Platta
Seitdem ich mich für die Rechte der Palästinenser einsetze und die israelische völkerrechtsverletzende, aggressive und rassistische Politik kritisiere, werde ich immer wieder von jüdischer Seite, von Gemeindevorsitzenden wie Charlotte Knobloch und Richard Bermann (Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Saarbrücken) oder Publizisten wie Henryk M. Broder, als Antisemit bezeichnet, mit der Absicht mich zu verletzen und zu diskreditieren. Broder verglich mich sogar mit keinem geringeren als Adolf Hitler. Wie viel Hass und Häme gehören dazu, solche Vergleiche zu machen?
Mein Vater und mein Großvater müssen in ihren Gräbern entsetzt sein bei solchen perfiden Beleidigungen, auch wenn es sich nur um selbstgerechte und gehässige Verleumdungen politischer Gegner handelt. Für niemanden ist es heute angenehm, als Antisemit bezeichnet zu werden, und für einen Juden erst recht nicht.
Wie kann man sich aber gegen Gehässigkeit und primitive Beleidigungen wehren? Indem man sie ignoriert und stolz darauf ist, im Lager derjenigen zu sein, die für Recht und Gerechtigkeit im Nahen Osten eintreten. Inzwischen gehört fast die gesamte geistige Elite der jüdischen Welt dazu. Und es ist auch keine Schande dazuzugehören. Es ist fast schon eine Auszeichnung, wie diejenige, die Israel den sogenannten „Gerechten der Völker“ verleiht, jenen mutigen Menschen, die im Zweiten Weltkrieg Juden gerettet haben. Sollte eines fernen Tages auch eine Liste derjenigen Juden erstellt werden, die sich für die Rettung der jüdischen Würde und Ehre eingesetzt haben, dann wird unser aller Name auf dieser Liste stehen. Falls aber nicht, dann können wir immer noch in den Spiegel schauen, ohne zu erröten, und unseren Enkelkindern stolz berichten, dass wir versucht haben, unsere Menschenwürde auch in den dunkelsten Tagen der zionistischen Hetze und Verleumdung zu bewahren.
Und weil ich es versuche und mich für Menschenwürde und Gerechtigkeit einsetze, bin ich für manche rechtsradikale und nationalistische Juden ein Antisemit. Kurz, ich bin ein Antisemit, weil heute nicht diejenigen Antisemiten sind, die Juden hassen, sondern diejenigen, die von bestimmten Juden gehasst werden. Und da ich von den Broders, Knoblochs und ähnlichen Juden gehasst werde, weil ich ihnen täglich den Spiegel vorhalte, in dem sie sehen, wie hässlich sie sind, hassen sie mich. Das beruht allerdings auf Gegenseitigkeit. Ich verachte sie auch. Ich bin aber bereit, mich mit ihnen auseinandersetzen, sie dagegen wollen mich zum Schweigen bringen.
Wenn heute viele gute, interessante und kluge Juden Antisemiten sind, was sind dann die echten Antisemiten, die Juden tatsächlich hassen, nur weil sie Juden sind? Für die Broders, Knoblochs und Co. sind sie „die“ Partner im Kampf gegen Juden, die für Gleichberechtigung kämpfen, und gegen Moslems, die keine Juden sind. Sie sitzen in ihren Löchern und entkorken die Sektflaschen, wenn sie zuschauen, wie dumme Juden und noch dümmere Nichtjuden sich von jüdischen Offiziellen wie Josef Schuster manipulieren lassen. Man ignoriert die echten Antisemiten, weil die echten Juden für die Zionisten die größere Gefahr sind. Sie verteidigen die jüdische bzw. israelische Schande, und statt sich zu schämen, werden diese „Judeonazis“, wie sie Jeschajahu Leibowitz einst nannte, selbstgerecht und aggressiv. Man muss nur das Buch des jüdischen Theologen Prof. Jakov Rabkin lesen, „Die jüdische Opposition gegen den Zionismus“, um zu erkennen, wie konträr der Zionismus zur jüdischen Lehre war und immer noch ist. Das Judentum sagt „liebe deinen Nächsten, weil er so ist wie du“ und lehrt „tue deinen Nächsten nicht das an, was du nicht willst, dass man es dir antut.“
Shlomo Sand der bekannte Historiker an der Universität Tel Aviv, sagt: „Diejenigen, die glauben, dass der Zionismus eine Erweiterung des Judentums ist, täten gut daran, Jakov Rabkins Buch zu lesen. Aber für die, die Israel tatsächlich für einen jüdischen Staat halten, ist es Pflichtlektüre.“
Die Beziehungen rechter, nationaler und antisemitischer Parteien zu solchen rechtsradikalen Juden begannen schon mit den Nazis, die den zionistischen Revisionisten lockende Zusammenarbeit angeboten haben, dafür, dass diese den Nazis Persilscheine ausstellten, um sie vor Boykott in den USA und Europa zu retten. Die in Großbritannien erscheinende „Jewish Chronicle“ hat bereits zum Boykott Nazi-Deutschlands aufgerufen.
Deutsche Juden, die bereit waren, nach Palästina auszuwandern, erlaubte man, ihr Vermögen mitzunehmen, was auch den Briten gut gefallen hat, da mit diesem Vermögen eine jüdische Infrastruktur aufgebaut wurde. Juden, die nicht bereit waren, nach Palästina auszuwandern, durften Deutschland nicht verlassen, und erst recht durften sie nicht ihr Vermögen mitnehmen. Dieses Privileg genossen nur die Zionisten.
Ich bin für solche zionistischen Juden und sogar für meine eigene Familie deshalb ein Antisemit, weil ich diese anti-antisemitische Hetzjagd nicht mitmachen will und weil für mich nicht jeder gleich ein Antisemit ist, der Israels Politik kritisiert, wobei Kritik nötig und meistens auch berechtigt ist. Aber grundsätzlich muss man kein Antisemit sein, um Israels Politik zu kritisieren. Israels Politik verdient es, kritisiert und verurteilt zu werden.
Benjamin Netanjahus schrieb: „Liebe Rotem, eine wichtige Korrektur: Israel ist nicht der Staat all seiner Bürger. Nach dem von uns verabschiedeten Nationalstaatsgesetz ist Israel der Staat der Juden – und von niemandem sonst.“ Das kommt mir bekannt vor. Auch die Nazis haben 1933 ein „Nationalgesetz“ verabschiedet, wonach Deutschland der Staat der Deutschen ist – und von niemanden sonst. Schon gar nicht von den Juden. Was sagen Sie dazu, Herr Schuster und Frau Knobloch und Henryk M. Broder?
Charlotte Knobloch, die ewige Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, verstieg sich sogar zu einer Diffamierung und nannte mich einen „berüchtigten Antisemiten“. Warum „berüchtigt“? Weil ich nicht müde werde, sie und andere Knechte der israelischen Propaganda bloßzustellen. Ihr Herz liegt in Israel, sagt sie. Man möchte fragen, wo ihr Verstand liegt. Wieso merkt sie nicht, dass sie mit solchen banalen und kontraproduktiven Äußerungen Antisemitismus produziert? Sie produziert die Gründe, Juden als Fremde abzulehnen. Ihr Vorgänger im Zentralrat der Juden in Deutschland hat sogar verfügt, in Israel begraben zu werden, weil er nicht wollte, dass sein Grab von Nazis geschändet würde. Und es war Ironie des Schicksals, dass sein Grab unmittelbar nach der Beerdigung in Tel Aviv geschändet wurde. Von wem? Von jüdischen „Judeonazis“.
Heutzutage kann jeder Antisemit sein. Er muss nicht einmal Juden hassen. Es genügt, wenn er Benjamin Netanjahus Politik nicht mag. Da immer mehr Juden sich von dieser nationalistischen Politik distanzieren, kann es heute jeden Juden treffen. Demzufolge auch mich.
Die hasserfüllten Zionisten haben noch andere diffamierende Diskriminierungen in ihrem Wortschatz bzw. in ihrem „Wörterbuch des Unmenschen“. Sie lieben es, Juden als „Nestbeschmutzer“ zu bezeichnen, auch wenn diese gar nicht in Israel leben, und besonders populär ist die Bezeichnung „Jüdischer Selbsthass“. Sie schmeißen mit solchen Bezeichnungen um sich herum, ohne zu wissen, was sie bedeuten. Arnold Zweig schrieb 1927, dass der jüdische Selbsthass eine Form der Ich-Entwertung und Verneinung des eigenen Wesens sei. Der Kulturphilosoph Theodor Lessing verfasste das Buch „Der jüdische Selbsthass“, den er als psychopathologisches Problem definierte. Es waren Juden wie Arthur Trebitsch und Maximilian Harden, Paul Rée, Max Steiner, Walter Calé und Otto Weininger. Sie hielten diese Spannung nicht aus und begingen Selbstmord. Antisemiten waren sie jedenfalls nicht.
Arno Lustiger, der als Ehrenzionist auf Lebzeiten geehrt wurde, sah jüdischen Selbsthass schon bei jüdischen Konvertiten wie Pablo Christiani, Nicholas Donin und Johannes Pfefferkorn, die sich für die Judenverfolgungen der Kirche einsetzten. Außerdem benannte er exemplarisch Karl Kraus, Hugo von Hofmannsthal, Egon Friedell, Noam Chomsky, Moshe Menuhin, Alfred Grosser, Abraham Melzer und Erich Fried als „selbsthassende Juden“. Welch eine Ehre, in eine solche Liste mit solchen bedeutenden Persönlichkeiten aufgenommen zu werden. Lustiger ging dabei davon aus, dass Antizionismus auf Antisemitismus hinauslaufe. Davon gehen freilich fast alle sogenannten Anti-Antizionisten aus. Dabei ist Antisemitismus nicht mehr und nicht weniger als Rassismus, der sich gegen Menschen wendet, während Antizionismus eine Ideologie ist, die sich gegen eine andere Ideologie richtet – nicht gegen Menschen.
Albert Einstein sagte: „Das Universum und die menschliche Dummheit sind unendlich. Beim Universum bin ich mir aber nicht sicher.“ Wenn man an diese zionistischen Hetzer denkt, dann fragt man sich, wieso Antisemiten glauben, dass Juden klug sind. Wenn selbst der Präsident des Zentralrats der Juden meint, dass Juden und sogar Israelis, die Israels Politik kritisieren, Antisemiten seien, was sollen dann echte Antisemiten dazu sagen? Ihre Vorurteile werden doch vom Präsidenten nur bestätigt, wenn dumme Juden andere Juden, die sich für Frieden und Freiheit einsetzen, als Antisemiten bezeichnen.
Leider maßen sich Israels Regierung, Josef Schuster vom Zentralrat der Juden in Deutschland und Charlotte Knobloch als Vertreter der deutschen Juden an zu bestimmen, wer ein guter und wer ein schlechter Jude und „Nestbeschmutzer“ ist. Es reicht eine andere Meinung zum Nahost-Konflikt zu haben und schon ist man ein Antisemit. Und da ich permanent eine andere Meinung habe, versteht sich das von selbst, dass ich und andere Juden, die so denken wie ich, leichtfertig und unverantwortlich als Antisemiten diskriminiert werden. Wie Hunderte und Tausende von Mitgliedern der „Jüdischen Stimme“, die vereint sind in der Organisation „European Jews for a Just Peace“ aus Schweden, Dänemark, den Niederlanden, Frankreich, Belgien, Großbritannien, Italien, Österreich und der Schweiz. Josef Schuster hinderte das nicht, sie alle und viele mehr als Antisemiten zu diskriminieren.
Dabei ist unser aller Ziel, Juden wie ihn zu ermahnen, dass sie später, wenn sich herausstellt, dass ihr Weg in die Irre führte, nicht sagen sollen, sie hätten es nicht gewusst. Sie wissen sehr gut, was in Israel passiert, und schweigen. Der militärisch glorreiche Sieg von 1967 brachte Israel das ganze Land, das es haben wollte, aber auch eine Bevölkerung, die es nicht haben wollte – und die es bis heute vor eine scheinbar unlösbare Aufgabe stellt. Israel ist zu einer Besatzungsmacht geworden und herrscht über Menschen, über ein ganzes Volk, das die Herrschaft nicht haben will und sich dagegen wehrt. Zu Recht! Warum sind jüdische Freiheitskämpfer „Helden“ und palästinensische „Terroristen“?
Die Jüdische Stimme sagt im Gegensatz zum Zentralrat der Juden: „Nicht in unserem Namen“, wenn Josef Schuster jede Ungerechtigkeit und jedes Kriegsverbrechen der israelischen Armee entschuldigt oder im besten Fall verschweigt oder gar ignoriert.
Da frage ich mich, ob Josef Schuster noch ein Jude ist. Rabbi Hillel sagte über das Judentum, als ein Nichtjude von ihm aufgeklärt werden wollte: „Was Du nicht willst, dass man es dir antut, das tue auch Deinem Nächsten nicht an. Das ist die ganze Tora.“ Hat Schuster je davon gehört? Wo hat er sein Judentum gelernt? Bei König David, dem ewigen Krieger, oder vielleicht gar bei Goliat, dem Berufssöldner?
In Ihrer Laudatio zum Göttinger Friedenspreis an die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden“ sagte Nirit Sommerfeld: „Die israelischen Jüdinnen und Juden, die sich ausgerechnet Deutschland als ihren neuen Lebensmittelpunkt ausgesucht haben, besitzen möglicherweise eine höhere Betriebstemperatur bei diesem Thema. Verständlich, denn sie haben auch einen höheren, weil konkret vor Ort erfahrenen Leidensdruck hierher importiert – will sagen: Sie wissen, wovon sie sprechen.“ Ob Josef Schuster weiß, wovon er spricht? Was weiß er über den tagtäglichen Rassismus in Israel? Nichts als das, was die israelische Propaganda verbreitet.
Nirit Sommerfeld sagte weiter: „Vor diesem Hintergrund ist es unbegreiflich und unverantwortlich vom Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, der Jüdischen Stimme … Antisemitismus vorzuwerfen – ganz gleich in welcher Form und in welchem Wortlaut er dies getan hat. Er hat nicht darüber zu bestimmen, wer Jude und noch dazu ein guter Jude ist und wer nicht. Das haben schon vor ihm andere getan.“ Oder will er Hermann Göring nacheifern, der gesagt hat: „Wer Jude ist, bestimme ich.“
Kann sich Josef Schuster überhaupt vorstellen, wie es sich anfühlt, als Nestbeschmutzer, als selbsthassender Jude, als Verräter, als Antisemit oder, wie es Henryk M. Broder mir vorgeworfen hat, als jemand, der „den Adolf“ macht? Nein, sicher nicht, denn sonst würde er es nicht machen. Er ist wie alle diese Zionisten und selbstgerechte Juden, überzeugt davon, dass er das tut, was getan werden muss, weil Netanjahu und andere gehirngewaschene Juden es ihm vormachen.
Als Jude müsste man sich für solche Juden schämen. Sie dienen als Alibi für Antisemiten. Sie wollen allerdings nicht wahrhaben, dass sie mit ihrer Hetze gegen andersdenkende Juden in das Feuer des Antisemitismus nur noch mehr Benzin gießen und neue Antisemiten produzieren, wie in Israel, wo durch die rassistische Politik neue palästinensische Widerstandkämpfer gezüchtet werden.
Da aber der Skandal um den Göttinger Friedenspreis für die Preisträger gut ausgegangen ist, müssen wir uns bei Josef Schuster bedanken. Ich hätte niemals gedacht, dass ich das einmal schreiben würde. Der Skandal hat der Jüdischen Stimme den Rücken gestärkt und ihr eine enorme Medienaufmerksamkeit beschert und uns allen zusätzlich Finanzmittel durch großzügige Spenden von hunderten Menschen eingebracht. Am Tag der Verleihungsfeier waren es laut Aussage von Andreas Zumach 28.000,– €. Da die Feier und das Preisgeld nur 8.000,– € ausmachten, blieb ein Überschuss von 20.000,– €, die an 4 Organisationen in Israel und in Palästina verteilt werden, die Netanjahu und Schuster sicher ein Dorn im Auge sind. Auch dafür, Herr Schuster, meinen herzlichen Dank!
Schlecht, sehr schlecht ist der Skandal für „die Juden“ ausgegangen. Eines der übelsten Vorurteile der Antisemiten ist, dass die Juden zu viel Macht haben und alles bestimmen wollen. Obwohl es schon seit Jahren so ist, hat dieser Fall vielen Menschen vor Augen geführt, wie viel Macht heute Juden, beziehungsweise der Zentralrat der Juden, in Deutschland haben und wie sie diese Macht missbrauchen, wenn sie Uni-Direktoren, Bürgermeister und Sparkassendirektoren unter Druck setzen, man kann fast sagen erpressen, um von Israels Untaten abzulenken. Da muss ich mich als Jude schämen und weil ich nicht schweige und solche Skandale thematisiere, bin ich für diese Juden ein Antisemit. Dabei stehen sie in der Gefahr, selber zu Antisemiten zu werden, denn sie schaden der jüdischen Gemeinschaft mehr, als echte Antisemiten je könnten.
Natürlich ist noch lange nichts zu Ende, und der Kampf um Meinungsfreiheit und Überlassung von Räumen auch an Menschen und Organisationen, die anders denken als manche Bürgermeister, Oberbürgermeister und Uni-Direktoren und vor allem anders als der Jude Josef Schuster, geht weiter. Wenn er aber weiter seinen Einfluss und seine Macht verwenden wird, Veranstaltungen, Vorträge und Ausstellungen zu verhindern, und dem deutschen Volk vorschreiben will, wer einen Saal zur Verfügung gestellt bekommt und wer nicht und was die Bürger hören und diskutieren dürfen und was nicht, dann soll er sich nicht wundern, wenn der Antisemitismus wachsen wird. Die selbstgerechten Monologe eines Josef Schuster schaffen Antisemitismus. Wir brauchen Dialoge, Aufklärung, harte, aber sachliche Debatten. Wenn wir alle es wollen, wird es kein Traum bleiben.
Beschämend ist auch die Berichterstattung über die Preisverleihung in der „Jüdischen Allgemeine“, was allerdings nicht verwundert, denn diese Zeitung ist nicht mehr und nicht weniger als ein Propagandablatt des aggressiven israelischen Zionismus. So schreibt das jüdische Blatt: „Die Auszeichnung einer Initiative, die eine gegen Juden gerichtete Boykott‐Initiative unterstützt, ist nicht nur des Göttinger Friedenspreises unwürdig, es ist darüber hinaus ein Schlag ins Gesicht der gesamten jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und Israel«, so Schuster. Die Boykott-Initiative richtet sich aber mitnichten gegen Juden. Das ist eine Lüge oder falsche Tatsachenbehauptung. Viele Juden in Israel und überall auf der Welt, darunter auch in Deutschland, unterstützen oder sympathisieren mit der Bewegung, die nicht Israel vernichten, sondern Palästina befreien möchte.
BDS richtet sich nicht einmal gegen den Staat Israel und dessen Existenzrecht, sondern gegen seine menschenrechts- und völkerrechtswidrige Politik. Das sollte endlich auch ein Josef Schuster zur Kenntnis nehmen, auch wenn es ihm schwerfällt. Falsche Behauptungen und Lügen helfen hier nicht. Vielleicht übernimmt er die Initiative der Katholischen Kirche, die unter dem Motto „mal ehrlich“ läuft und für sieben Wochen ohne Lügen wirbt.
Und so wundert es nicht und ist sozusagen konsequent, wenn Schuster, Knobloch, Broder und der bedauernswerte Herr Felix Klein, der jetzt entscheiden muss, ob die Mitglieder der Jüdischen Stimme „Antisemiten“ sind, mantramäßig wiederholen, dass wir, Hunderttausende von Juden, Antisemiten sind. Ja, bei solchen Gesellen könnte man es schon werden, aber da wir Antisemitismus verabscheuen und ablehnen, werden wir es nie werden.
So bringt man Kritik zum Schweigen. Man verhindert, dass Kritiker Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt bekommen. Mit Blick auf die Zukunft lässt das aber nichts Gutes erwarten. Wenn die klare Grenzlinie zwischen legitimer Israelkritik und unzulässigem Antisemitismus verwischt wird, wächst die Gefahr, dass antijüdische Ressentiments wie etwa „Die Juden haben zu viel Macht“ bedient werden und zu „neuem Antisemitismus“ führen. An diesem aber sind dann die Juden selbst schuld. Man kann und darf leider vermuten, dass dieser Ungeist sich bald epidemisch in ganz Deutschland verbreiten wird, obwohl fast in allen Gemeindeordnungen aller Bundesländer ausdrücklich analog zum Grundgesetz festgehalten wird, dass „alle Gemeindemitglieder berechtigt sind, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinden zu benutzen.“ Schließlich zahlen wir alle Steuern, mit denen solche Einrichtungen finanziert werden, und sie sind folglich kein Eigentum der Bürgermeister, der Uni-Direktoren oder gar des Zentralrats der Juden.
In einem Interview vom 9. März 2019, das im Rubikon erschienen ist, sagt der pensionierte Richter Peter Vonnahme: „Ich bin aber nach meinen Erfahrungen aus einem Vierteljahrhundert Richtertätigkeit an einem höheren bayerischen Gericht zuversichtlich, dass die verfassungsmäßig verbürgte Freiheit am Ende siegen wird. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass das Bundesverfassungsgericht als Gralshüter der Verfassung hinter die Kriterien des Lüth-Urteils zurückfallen wird.“ Das Bundesverfassungsgericht hat im bekannten „Lüth-Urteil“ vom 15.1.1958 ausdrücklich anerkannt, dass dieses Grundrecht konstituierend für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist und dass eine Grundrechtsverletzung vorliegt, wenn eine Gemeinde unter Hinweis auf zu erwartende missliebige Meinungsäußerungen die Vermietung eines Veranstaltungssaals verweigert.
Man sollte deshalb einen Streit bis zum Bundesverfassungsgericht führen, auch wenn das Jahre dauern kann. Ich vermisse allerdings die Unterstützung der Medien bei dieser Problematik, die seit Jahren dazu schweigen und nicht darüber berichten und wenn doch, wie in meinem Fall gegen Charlotte Knobloch, dann voller Häme und Schadenfreude.