Wenn schon, denn schon: nicht nur treten, nach unten, sondern buckeln, nach oben!
266. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Wie hatte der Titel gelautet zu meinem letzten Griechenland-Bericht? – „Man muß es so nennen: Klassenkampf von oben in Griechenland“. Der heutige Titel schließt unmittelbar an diese Überschrift aus der letzten Woche an: „Wenn schon, denn schon: nicht nur treten, nach unten, sondern buckeln, nach oben!“. Nach der Lektüre des heutigen Artikels werdet Ihr wissen, wieso diese Weiterschreibung der Überschrift aus der Vorwoche erforderlich war! – Ansonsten: leichtes Aufatmen wieder, was das neueste Spendenergebnis betrifft. Mit großem Dank an die Helfer. Holdger Platta
Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,
erinnert Ihr Euch an die Überschrift und an die Quintessenz meines letzten Berichtes über die Situation in Griechenland? – Ich schrieb da, dass die griechische Regierung der Ultrakonservativen unter Kyriakos Mitsotakis mittlerweile Klassenkampf begonnen hat gegen die Mehrheit der Bevölkerung im eigenen Land. Beleg dafür sei zum einen, dass man – unter anderem – wieder die Einführung einer Sechstage-Arbeitswoche plane sowie wieder einen Zehn-Stunden-Arbeitstag einführen wolle. Und zum anderen, daß die griechische Regierung weiterhin nichts dagegen unternehmen wolle, die Einkommensverluste für die griechischen Privathaushalte während der letzten 12 Monate auf 70 Prozent rückgängig zu machen. – Erinnern möchte ich in diesem Zusammenhang auch an die Tatsache noch, daß es in Griechenland lediglich 200,- Euro Arbeitslosengeld nach dem Job-Verlust gibt, und dieses nur ein Jahr lang, und dann gar nichts mehr, nicht einmal also irgendeine Variante von Sozialhilfe. Wohnungsverlust und totale Verelendung sind damit vorprogrammiert.
Nun zeigt eine neue Meldung aus Griechenland, daß die Regierung der sogenannten „Neudemokraten“ (= „Nea Dimokratia“) auch vor einer weiteren Maßnahme nicht zurückschreckt – nämlich gleichzeitig die Einkommenssituation für die Reichen im Land deutlich zu verbessern. Konkret:
Der Steuersatz auf die Einkünfte aller Firmen (und juristischer Personen) in Griechenland soll im laufenden Jahr 2021 um zwei Prozentpunkte sinken, auf maximal 22 Prozent Höchstwert beim Steuersatz! Was die Steuereinnahmen um rund 2,5 Milliarden Euro während der beiden Jahre 2021 und 2022 absenken dürfte, so Finanzminister Christos Staikouras. Und das bedeutet: verfügbares Geld für die Verbesserung der sozialen Verhältnisse in Griechenland wird noch weniger als bisher zur Verfügung stehen – und für die Sanierung des völlig maroden Gesundheitssystems in Griechenland ebenfalls nicht. Die inhumane Substanz dieser Art von Politik liegt auf der Hand, die Parteilichkeit dieser Art von Politik zugunsten der Reichen in Griechenland ist ebenso deutlich. Und deutlich ist auch, was die europäischen Gläubiger des nach wie vor hochverschuldeten Griechenlands von dieser Art Politik halten: sie haben diesen Maßnahmen der griechischen Regierung bereits ausnahmslos zugestimmt! – Kapitalisten aller Länder, vereinigt Euch!
Gleiches gilt für einen anderen Bereich der griechischen Politik, nämlich für die Flüchtlingspolitik dort. Auch hier wieder konkret:
Ich habe Euch berichtet, dass es mittlerweile einige Flüchtlinge in Deutschland gibt, die – als sogenannte „Sekundärflüchtlinge“ – vor bundesdeutschen Oberverwaltungsgerichten (in Münster und Lüneburg) durchsetzen konnten, nicht wieder abgeschoben zu werden nach Griechenland, wo man sie – immerhin das – als Asylbewerber anerkannt hatte. Begründung unserer Gerichte: dort, in Griechenland, sei nicht mal im Ansatz ein menschenwürdiges Existierenkönnen garantiert. Völlige Mittellosigkeit drohe den anerkannten Asylbewerbern dort – siehe Anfang meines Berichtes: Griechenland kennt bis dato keinerlei Sozialhilfe! –, auch totale Erwerbslosigkeit sei für die Zurückgeschobenen mit höchster Wahrscheinlichkeit garantiert, und schließlich müßten sich diese Rückkehrer ins Elend erneut darauf gefaßt machen, auf der Straße oder in irgendwelchen Parks leben zu müssen. Mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit erwartet sie dort also auch Obdachlosigkeit.
An dieser Stelle eine Nebenbemerkung, die nicht ganz unwichtig ist:
Selbst das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das BAMF, hatte deshalb im vergangenen Jahr ein Verbot weiterer Abschiebungen von Flüchtlingen aus Griechenland verhängt, gültig für alle Entscheidergremien in Deutschland, und dieses Verbot gewährte seither 11.000 Flüchtlingen aus Griechenland einschränkungslosen Schutz bei uns.
Tja, aber was ist nun der deutschen Bundesregierung eingefallen zu diesem Sachverhalt?
Nun, höchst irritiert von diesen Entscheidungen deutscher Ämter und Gerichte, hat Berlin der Athener Regierung inzwischen ein Angebot gemacht, nämlich das Angebot, bis auf weiteres alle Kosten für die Unterbringung jener Flüchtlinge zu übernehmen, die wieder aus der
Bundesrepublik nach Griechenland abgeschoben werden. Zu diesem Zweck sollen Mitsotakis & Co. Hotels anmieten, und die bundesdeutsche Regierung hofft dadurch, das BAMF zu einer Revision seines Abschiebestopps überreden zu können und sehr, sehr viel Geld sparen zu können bei der Versorgung dieser Flüchtlinge bei uns, im eigenen Land. Darf ich wiederholen: nicht nur um fehlende Unterbringung für Flüchtlinge geht es in Griechenland, nicht nur um Obdachlosigkeit. Es geht um Erwerbslosigkeit, es geht um völlige Mittellosigkeit! Doch das scheint unsere christliche und sozialdemokratische Regierung wenig zu kümmern, die genannten Urteile der Oberverwaltungsgerichte scheinen für diese Christen und Sozialdemokraten nur einen Dreck wert zu sein! Sehr zu Recht – wenn auch zugleich recht zurückhaltend formuliert – hat das demzufolge der Flüchtlingsrat aus Niedersachsen auf diese Weise auf den Nenner gebracht, in einer Erklärung, die mir vor wenigen Tagen zuging:
„Dass eine Unterbringung von Schutzberechtigten in griechischen Hotels keine Lösung darstellt und die Versorgung und Unterstützung in Griechenland dennoch weiter ungeklärt bliebe, liegt auf der Hand.
Klar ist auch hier: Die Bundesregierung muss ihrer Verantwortung gerecht werden und darf die Frage der Unterstützung von Schutzsuchenden nicht länger auf Staaten an den EU-Außengrenzen wie Griechenland auslagern. Die Menschen benötigen eine Perspektive in Deutschland und müssen hier in Sicherheit und Würde leben können.“
Auch hierzu noch eine ergänzende Information: auch die Arbeiterwohlfahrt, die AWO, außerdem Caritas (katholische Kirche), Diakonie (protestantische Kirche) und der Paritätische Wohlfahrtsverband unterstützen diese Position des niedersächsischen Flüchtlingsrates. Und ganz unbescheiden füge ich hinzu: auch wir mit unserer Hilfsorganisation schließen uns diesen Menschlichkeitsforderungen ohne jede Einschränkung an! Ich werde bemüht bleiben, Euch über diese Entscheidungsprozesse in der Bundesrepublik auf dem Laufenden zu halten.
Und was geschah oder geschieht in Griechenland sonst noch? Hält die Bevölkerung dort immer noch so beunruhigend still?
Nun, es ist tatsächlich so: abgesehen von den Streiks, über die ich in meinem letzten Artikel berichtete und zu denen ich bis heute keine weitere Informationen bekommen habe, kann ich nur von einer – vergleichsweise – Mini-Aktion berichten. In Thessaloniki haben vor gut drei Wochen Mitglieder mehrerer Studentenfraktionen das Gebäude ihrer Hochschule, der Aristoteles-Universität (APTH), besetzt – als Zeichen ihres Widerstandes gegen die Abschaffung des Universitätsasyls, das es seit den Obristenzeiten (1967 bis 1974) in Griechenland gab, als Schutz der Studenten vor Übergriffen des Staates, gegen die Tatsache auch, dass zur Durchsetzung dieses Mitsotakis-Gesetzes 1.000 Polizisten neu eingestellt werden sollen. Auch zu diesem Thema hoffe ich Euch bald weiteres mitteilen zu können. An dieser Stelle nur: nach dem ganz großen Aufstand gegen eine zutiefst menschenfeindliche, gegen eine durch und durch asoziale Politik in Griechenland sieht das alles nicht aus. Und schon gar nicht nach Beseitigung der vielfachen Nöte in Griechenland! Die Herrschenden schaffen lieber Freiheitsrechte ab als das Elend in Griechenland, so ist das! In Griechenland wird, mit Unterstützung der Deutschen und der Europäer, Politik gegen die Menschen gemacht, nicht für die Menschen!
Womit ich, heute mal wieder zum Abschluss meines Berichtes, bei den neuesten Spendenzahlen bin. Vorher aber noch: die 1.700,- Euro, die ich letzte Woche erwähnte, haben inzwischen die von uns betreuten Hilfsbedürftigen erreicht – Panagiota, Dionysis und Alexander.
Nun, in der Vorwoche waren ja nur 85,- Euro an Spendengeldern auf unserem Hilfskonto eingegangen, überwiesen von 4 UnterstützerInnen an uns. In den letzten sieben Tagen ist es etwas mehr geworden: von erneut 4 SpenderInnen wurden 180,- Euro für unsere Hilfsaktivitäten überwiesen. Dank an die HelferInnen! Und vielleicht ja auch Anlass, wieder mit etwas mehr Zuversicht in die Zukunft zu blicken, was unsere Spendenhilfe betrifft. Stimmt schon: diese oft furchtbare ‚große‘ Welt ändern können wir nicht. Sehr wohl aber die Welt für einige Menschen in Not. Und vielleicht tragen auf Dauer ja auch diese Berichte dazu bei, dass Ihr, die Leserinnen und Leser von HdS, etwas informierter durch die Welt geht als andere, die ebenfalls in dieser Welt zu leben haben und unter dieser Welt zu leiden haben!
In diesem Sinne erneut:
Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ auf das Konto:
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE
Inhaber: IHW
Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.
Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta
danke für diesen teils erschütternden Einblick in den “griechischen Alltag” unserer Mit Menschen.
Fest hatte ich meine kleine Unterstützung für euch zugesagt. Und selbstverständlich halte ich meine Zusagen auch ein.
So ist ein kleinerer Beitrag über dessen Einsetzen ihr bitte selber entscheidet in Kürze auf dem Weg zu euch.
Wie immer wünsche ich euch weiterhin viel Herzblut und kräftige Mitstreiter die mutig und entschlossen den Menschen in Griechenland zur Seite stehen.
Nur ist aber auch richtig, dass “ohne Moos nix los” ist.
Allerbeste Grüße, Ulrike