Die Plakate zeigen den Palästinenserpräsidenten Mahmoud Abbas und den Hamas-Führer Ismail Haniyeh, beide knien auf kriegszerstörtem Schutt, die Augen verbunden, die Körperhaltungen zeugen von Aufgabe; über ihnen fliegen israelische Kampfhubschrauber. In großen Lettern steht darüber:
FRIEDEN MACHT MAN AUSSCHLIESSLICH MIT BESIEGTEN FEINDEN
Screenshots aus haaretz.com und aus i24news.tv
Als Tel Avivs Bürgermeister Ron Huldai vergangenen Freitag, den 14. Februar 2020, anordnete, die Plakate zu entfernen, drohte die Organisation Israel Victory Project (1), die zwar nicht auf den Plakaten firmiert, sich aber für deren Existenz verantwortlich zeigt, sie würde vor Gericht ziehen, wenn dies geschehe.
In Tel Aviv gab es keinen Aufschrei in der Bevölkerung. Im israelischen englischsprachigen Online-Magazin i24news.tv, in dem die Meldung zuerst erschien (2), gab es lediglich zwei Kommentare, beide mit demselben Tenor:
„(…) Ich mag den Satz: ‚Frieden kommt mit der Niederlage des Feindes’. Warum gehen wir also nicht einfach hinaus und besiegen ihn?“
„Anstatt weitere Werbetafeln zu entfernen, hört auf, den Feind durchzufüttern“.
Am 19. Februar 2020, erschien in Haaretz der Kommentar von Neve Dromi, einer jungen Israelin, die das Israel Victory Project leitet. Dieses Projekt ist der israelische Ableger des Middle East Forums (3), eines US-amerikanischen Think-Tanks, der US-Interessen im Nahen Osten vertritt. Dieser Kommentar ist mehr als lesenswert (4).
Zum einen zeigt er, wie liberal die Tageszeitung Haaretz ist, indem sie so einer militanten rechtsradikalen Denkerin ein Forum bietet, einer Frau, die keinen Hehl aus ihrer faschistoiden Haltung macht, die ihre Überzeugung nicht durch heuchlerisches Wir-wollen-doch-alle-Frieden-Geheule zu vertuschen sucht. Zum anderen zeigt der Artikel, dass dieser Orwell-Sprech längst im israelischen Mainstream angekommen ist; man kann sorglos vom „Besiegen“ der Palästinenser sprechen, zuweilen auch von „Vertreiben“ oder „Vernichten“, oder — wie im Kommentar Nummer 6 — eine Meinung lesen, die in Israel weit verbreitet ist und die ganz sachlich, fast wissenschaftlich formuliert ist:
„Tatsächlich gibt es fast keine Beispiele aus der Geschichte, in denen der Frieden zwischen zwei gleichberechtigten Seiten durch Verhandlungen erreicht wurde. Frieden wurde fast immer erreicht, nachdem die eine Seite die andere besiegt hatte, oder wenn beide Seiten zu erschöpft waren, um den Kampf fortzusetzen, und dann bereit waren für einen Fortschritt. Leider haben die Araber nicht die Absicht, aufzugeben und sich weiterzubewegen — ihre rückständige, primitive Kultur konzentriert sich auf Rache und Ehre, und deshalb sind sie in ihrem Hass gefangen. Die Schlussfolgerung ist, dass sie besiegt werden müssen.“
Oft werde ich in Deutschland gefragt, wie es um die israelische Friedensbewegung bestellt ist, und in guter jüdischer Manier antworte ich mit einer Gegenfrage: Welche Friedensbewegung? Weder ist Frieden in Sicht, noch bewegt sich irgendwer in irgendeiner Weise in diese Richtung.
Leute wie Neve Dromi sind keine Ausnahme. Mag sein, dass die Mehrheit der Israelis so oder ähnlich denkt, meist noch mit einem Schulterzucken und der Entschuldigung „Uns gefällt das auch nicht, aber die Palästinenser kennen leider keine andere Sprache, also haben wir keine Wahl“. Mag sein, dass diese Leute noch eine Weile das Sagen haben in Israel; mag sogar sein, dass sie noch weiter kommen mit der grandiosen Unterstützung des blondbemützten Großmauls aus Washington. Einen Frieden im wahrsten Wortsinn werden sie nicht erzielen. Und bestimmt nicht, weil die Palästinenser angeblich eine „rückständige, primitive Kultur“ haben, sondern weil kein Volk es sich gefallen lässt, jahrzehntelang vertrieben, gedemütigt und seiner Rechte beraubt zu werden. Es sei denn…
Bedingungslose Freundschaft
Tja, es sei denn, dieses Volk findet nirgendwo Verbündete, Unterstützer. Es sei denn, die Entrechtung wird von vielen Staaten nicht nur hingenommen, sondern unterstützt. Und genau das tun die allermeisten Staaten der sogenannten Westlichen Wertegemeinschaft, allen voran die USA, dicht gefolgt von der EU, vor allem aber von Deutschland.
Wissen die Deutschen, was genau sie da unterstützen? Ist es dieses Israel, an dessen Seite Deutschland mit seiner unverbrüchlichen Freundschaft stehen, das es mit seiner vermaledeiten Staatsräson verteidigen will? Die deutsch-israelische Freundschaft ist wichtig, bemerkenswert und geboten nach der deutsch-jüdischen Geschichte, die noch so jung ist, dass sie die wenigen Überlebenden und selbst ihre Nachfahren immer noch in schlaflosen Albtraumnächten wach hält.
Aber muss Freundschaft so unverbrüchlich sein, dass selbst der Bruch von Völkerrecht, die Verletzung von Menschenrecht, die dauerhafte Zuwiderhandlung gegen internationale Vereinbarungen noch nicht einmal zu einem Streit führen dürfen? Dass noch nicht einmal Bedingungen gestellt werden dürfen? Ihr Deutsche wollt Israel Waffen oder U-Boote verkaufen oder sogar schenken?
Na gut, allein dagegen könnte man Bedenken äußern, aber gesetzt den Fall, Israel braucht das Zeug ganz ganz dringend, um sich zu verteidigen: Kann Deutschland da nicht sagen: Bitte sehr, hier bekommt Ihr Militärgut in Milliardenhöhe, wärt Ihr aber bitte so nett und würdet im Gegenzug die völkerrechtswidrige Besatzung beenden?! Zumindest mal keine weiteren Siedlungen bauen? Das Jordantal nicht annektieren? Palästinensische Kinder aus den Gefängnissen entlassen, zumindest keine mehr verhaften? Den Mauerbau stoppen? Checkpoints reduzieren? Gestohlenes Land zurückgeben? Die Liste wäre noch lang.
Ich höre schon das empörte Schnaufen der vermeintlichen ‚Israel-Freunde‘, die die historische Verantwortung bemühen und sich schon überlegen, wie solche Sätze wie die obigen in die Schablone des „sekundären Antisemitismus“, des „als Israel-Kritik verschleierten Judenhasses“ zu stopfen ist.
Sorry, Freunde, weder hasse ich Juden noch Israel, im Gegenteil: Ich wünsche mir nichts sehnlicher als ein friedliches Israel, das in Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit mit all seinen Nachbarn lebt. Meine Vorstellung davon weicht aber von der der anderen ab, die in Israel das Sagen haben. Ich träume, nein, ich wünsche mir und kämpfe für ein Israel UND Palästina, das in welcher Form auch immer so zusammen lebt, dass alle Menschen zwischen Mittelmeer und Jordan in Frieden und gleichberechtigt neben- und miteinander existieren können. Eine Utopie? Vielleicht, ja. Aber auch eine Notwendigkeit. Alles andere lässt mich erschaudern.
Immerhin, Tel Avivs mutiger Bürgermeister Ron Huldai hat sich durchgesetzt: die Faschisten-Plakate wurden abgehängt.
Soeben erschien auf Haaretz ein Kommentar von Gideon Levy (5) zu der Plakat-Affäre, er sieht das ähnlich wie ich. Er endet mit dem Satz, frei übersetzt:
„Lesen Sie Dromi und sehen Sie Israel — ohne die Filter der ‚political correctness‘, ohne die Liberalen mit ihren blutenden Herzen.“
Eine Religion ist nur eine Religion. Früher haben doch auch Muslime, Juden und Christen friedlich nebeneinander existiert. Selbst in Afrika gibt es viele Menschen, deren Glauben jüdischen Ursprungs ist. Warum gehen Muslime und Hindus plötzlich aufeinander los? Oder Buddhisten und Muslime? Manchmal denke ich, die Welt wäre ohne Religionen friedlicher, wenn man mehr Wert auf Ethik legen würde.
Wie soziopathisch ist die Menschenwelt. Die muslimisch-arababische Welt macht trotzdem Geschäfte mit China
Bolosonaro mordet indigene Völker und brennt die Lunge der Erde weiter ab. Niemand da, der diesen Größenwahnsinnigen stoppt.
Grauenhafte Zustände an der Grenze Türkei-Griechenland: welche Verlautbarungen hört man von der griechisch-orthodoxen Kirche.
Wären wir grundgesetzkonform christlich, würde Scholz nicht auf den Milliarden Überschüssen sitzen, wie eine Henne auf dem Holzei, nur um sie der NATO in den Rachen zu werfen – rd 1/4 unserer Steuern einfach futsch. Sagen unsere Kirchen etwas dazu? Ja, die kritischen Geister in Publik-Forum, aber mit welcher Reichweite?
Gewaltanwendung zur Durchsetzung seiner Ziele wird zu einer immer stärkeren Gewaltspirale führen. Auch Gewaltandrohungen sind bereits Gewalt.
Der Dalai Lama, über den man nicht hinausgehen sollte, ohne ihn je eingeholt zu haben, hat es so ausgedrückt:
„Ohne innere Abrüstung wird es keine äußere Abrüstung geben. Gewalt ruft ausnahmslos Gewalt hervor.“
Die Menschheit muss ihren ganzen Entwicklungsdrang einmal abbremsen, aufatmen und langsam und bescheiden beginnen zu lernen, dass es nicht nötig ist, die Früchte aus Nachbars Garten zu pflücken, sondern, wenn man es möchte, von diesem zu lernen, wie das Feld bestellt wird und dann eigene anzubauen.
UND NOCH ETWAS: Manche Menschen lassen sich nicht erpressen …
und wenn ihr mir alles nehmt, was mir lieb und teuer ist. Euer begrenztes Instrumentarium zur Reglementierung ist genau das, was diese derzeitigen Zustände hervorruft. Menschen lassen sich nicht wie Hunde dressieren. (Die Adressaten des letzten Abschnittes wissen ganz sich
Und ein Dank an alle, die Menschen zu eigenständigem Denken und Handeln ermutigen!
Venceremos ! (ohne Gewalt!)
„Ich glaube, Terrorakte werden von keiner Religion gutgeheißen. Alle großen Religionen wollen im Grunde dasselbe: Mitgefühl, Vergebung, Selbstbeherrschung, Mitmenschlichkeit und tätige Nächstenliebe. Alle Religionen sind prinzipiell in der Lage, menschlichen Werten Gewicht zu geben und echte Harmonie entstehen zu lassen.“
Es sei heute dringender denn je, die ungebärdige Seite unseres Geistes einzudämmen. Was unser Gehirn an Waffen der unglaublichsten Art ersonnen hat, kann nach seiner Ansicht nur bedeuten, „dass menschliche Intelligenz katastrophal in die Irre geht, wenn sie von negativen Emotionen wie Hass geleitet und beherrscht ist“.
Sehen Sie sich die Probleme in der Welt an, sagte der Dalai Lama im Hinblick auf die damals akuten Konfliktherde. „All das sind vom Menschen heraufbeschworene Schwierigkeiten, hinter denen unbeherrschte Emotionen stehen“ – Eigennutz, Gegnerschaft, Hass. Er glaubt auch nicht, dass sich die am Austausch von Gewalttätigkeiten Beteiligten über die flüchtige Genugtuung des Tötens hinaus wirklich gut dabei fühlen.
Entwaffnung muss innen beginnen. Unsere Friedfertigkeit dient nicht nur uns selbst, sondern allen.“
(Daniel Goleman)
Und genau das werde ich jetzt auch tun. Das ist mein persönlicher Beitrag zum Frieden auf diesem Planeten.