Zensur im Gewand des Antifaschismus

 In FEATURED, Politik

Schikanöse Antisemitismusvorwürfe werden immer häufiger eingesetzt, um die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Deutschland auszuhebeln. Dabei wird an die besondere Sensibilität Nachkriegsdeutschlands angedockt, die zu Recht existiert. Antisemitismus ist – wie jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – schäbig und gefährlich. Das Holocaust-Gedenken darf aber nicht missbraucht werden, um einen argumentativen Schutzwall um die Verbrechen der israelischen Regierung zu errichten und diese quasi unantastbar zu machen. Siegfried Ullmann fasst in seinem Rundbrief die Ereignisse um die Verleihung des Göttinger Friedenspreises an die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost zu sammen.  Siegfried Ullmann

Betr.: Erfolgreiche einstweilige Verfügung in München; Zusammenfassung der Göttinger Preisverleihung; Die Ursachen von zunehmendem Antisemitismus; Die Erfindung von angeblichem Antisemitismus u. a.

Ein weiteres vielfältiges Informationsangebot für alle, die sich für Recht und Gerechtigkeit  auf der Basis des Völkerrechts und der universellen Menschenrechte im Nahen Osten und gegen die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Deutschland einsetzen.

Diesmal gibt es sogar eine gute Nachricht:
Dr. Rainer Bernstein berichtete am 15. März 2019: Das Kulturreferat der Stadt München hatte am 12. März 2019 versucht, die Vorführung des Dokumentarfilms “Broken” des palästinensischen Regisseurs Mohammed Altar am kommenden Sonntag im städtisch geförderten EineWeltHaus zu verhindern. Am heutigen Nachmittag hat das Landgericht dem Antrag unseres Rechtsanwalts Hildebrecht Braun auf eine Einstweilige Verfügung gegen das Verbot des Münchener Kulturreferats stattgegeben. Hierzu gab es in der digitalen Version der süddeutschen Zeitung diesen Bericht: http://sz.de/1.4369928

Nach der erfolgreichen Einstweiligen Verfügung gegen das Verbot des Münchner Kulturreferats vom 12. März konnte die Vorführung des Dokumentarfilms „Broken“ von Mohammed Alatar am Sonntag, den 17. März, um 18 Uhr im EineWeltHaus, Schwanthaler Str. 80, stattfinden

Dr. Hartmut Wurzbacher, Ministerialdirigent a.D. im Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie Ehrensenator der Universität Erlangen-Nürnberg, hat sich negativ zu dem Veranstaltungsverbot geäußert,  das der Kulturreferent der Stadt München gegen  eine Veranstaltung der Jüdisch-Palästinensischen  Dialoggruppe verhängen wollte. – Langsam regt sich Widerstand gegen  den pauschalen Antisemitismusvorwurf, insbesondere bei jenen, die nicht mehr um ihre Karriere fürchten müssen.https://www.jpdg.de/meldungen/2019/3/22/brief-von-mindirig-ad-dr-hartmut-wurzbacher-an-das-kulturreferat-der-stadt-mnchen

Eine sehr gute Zusammenfassung der Göttinger Preisverleihung finden Sie in BIB Aktuell #56: Göttinger Friedenspreis an Jüdische Stimme unter www.bib-jetzt.de .

Ganz besonders möchte ich Ihnen Iris Hefets Rede empfehlen – außerordentlich informativ. Zum Beispiel wird darin berichtet, wie antisemitische Äußerungen erfunden und verbreitet wurden:

„In Deutschland erleben wir wiederholt einen Ablauf nach folgendem Muster: die Rechte der Palästinenser werden verletzt, es findet ein politischer Protest dagegen statt, die deutsche Presse findet – oder erfindet, wie erst jüngst durch fake news geschehen – einen antisemitischen Vorfall und am Ende wird von Antisemitismus geredet und diesbezüglich agiert, womit der ursprüngliche Protest erstickt ist. Trump entscheidet zum Beispiel, völkerrechtswidrig die amerikanische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, junge Palästinenser protestieren in Berlin, ein Journalist der Berliner Zeitung behauptet, sie hätten “Tod den Juden” auf Arabisch gerufen und sofort wird über Antisemitismus unter Muslimen gesprochen. Dass nach mühseligen Recherchen der Journalistin Emily Dische-Becker sich herausstellt, dass dieser Journalist kein Arabisch versteht und dass eine Prüfung aller Filme und Aufnahmen seine Behauptung nicht belegen kann – das geht unter. Auch weil es vielen im Lande passt.“

Auch im Internet gibt es viele Beiträge zu Iris Hefets und die Jüdische Stimme. Lesenswert ist ebenfalls, was unter Wikipedia zu Andreas Zumach steht, der im Jahre 2009 den Göttinger Friedenspreis erhielt.

Iris Hefets schrieb am 17. 3. 2019 für den Vorstand der Jüdischen Stimme.

„Eine Woche nach der Preisverleihung wird darüber noch berichtet, jetzt auf Englisch in US-Medien. Hier ist ein Interview auf English mit Dr. Shir Hever, unserem Vorstandsmitglied, der auch diesen Text zu Raumverboten verfasste.

Meine Rede erschien auch auf Englisch und es wurde darüber auch in Mondoweiss berichtet.

Unser Mitglied, Ruth Orli Moskovittz, die mittlerweile in Wien lebt, war an dieser Aktion bei einer Tagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung beteiligt (Text auf Englisch und Film auf Deutsch mit englischen Untertiteln).

Jetzt hat sich die Israel-Lobby ein neues Ziel gesetzt. Auf Twitter unterstellt RIAS, eine staatlich-finanzierte Organisation, dem Kulturfestival Ruhrtriennale antisemitisch zu agieren, weil dort die renommierte israelische Theaterregisseurin Ofira Henig auftreten sollte. Weil Henig eine bekannte Kritikerin der israelischen Besatzungspolitik ist, wird ihre Einladung zum Festival als antisemitisch diffamiert.“ (Siehe insbesondere den lesenswerten Artikel von Shir Hever:  https://www.juedische-stimme.de/2019/03/15/illiberale-zensur-wird-uns-nicht-besiegen/)

Es wird ständig eine Zunahme von Antisemitismus beklagt, aber nicht nach den verschiedenen Ursachen gefragt. Zum Beispiel: Welchen Einfluß

  • hat die völkerrechtswidrige israelische Politik gegenüber den Palästinensern?
  • hat die bedingungslose Solidarisierung des Zentralrats der Juden in Deutschland mit der israelischen Politik, insbesondere mit den Vorgehensweisen des israelischen Militärs gegen die Menschen im Gasastreifen?
  • haben die Versuche, alle Informationen oder Diskussionen über die israelische Vorgehens in Palästina mit der „Antisemitismuskeule“ zu verhindern, obwohl dies gegen das Recht auf Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 des Grundgesetzes verstößt.?
  • haben die Aufrufe israelischer Fanatiker zur Ausrottung der Palästinenser, wie zum Beispiel „Death to the Arabs“, Arabs to the Gas Chambers“ oder ein Bild auf T-Shirts israelischer Soldaten mit einer schwangeren Palästinenserin im Fadenkreuz und dem Schriftzug „Ein Schuß – Zwei Tote“, insbesondere auf hier lebende Araber.? (Darum sollte sich einmal Herr Weinthal kümmern.)

Ein kurzes Interview mit Interview mit dem Antisemitismusforscher Wolfgang Benz ist zu lesen unter:
https://www.swp.de/politik/inland/interview-mit-antisemitismusforscher-wolfgang-benz-30241771.html?fbclid=IwAR3CxEcMuVkMenKUHm8gr0SCVWGMduxQ-SoenPpRakYE8MrkKbJHYfMIXLg

Netanjahu hat bekräftigt: Israel ist NICHT ein Staat aller Bürger. Es ist der jüdische Staat. –  http://www.israelheute.com/Nachrichten/Artikel/tabid/179/nid/35138/Default.aspx

Zeit Online berichtete unter “Eine Reise mit vielen Botschaften“.vom Besuch unseres Außenministers Heiko Maaß in Israel. Lesenswert, einschließlich der Kommentare. Maaß betonte sogar seine persönlich Freundschaft mit Ayelet Shaket, der ultrarechten und für ihre rassistischen Äußerungen bekannte israelische Ministerin. Einen unfähigeren und  amoralischeren Außenminister hatten wir wohl noch nie.

Die USA bezeichnen den Golan, die Westbank und den Gasastreifen nicht mehr als besetztes Gebiet – http://www.tachles.ch/product/259028

Interessante Neuigkeiten aus den USA: Fünf Demokratischen Präsidentschaftskandidaten haben bestätigt, daß sie nicht an der diesjährigen AIPAC-Konferenz teilnehmen werden:https://splinternews.com/2020-democrats-are-staying-far-away-from-aipacs-big-con-1833470362

Die Vertreter amerikanischer und südafrikanischer christlicher Kirchen mit über 50 Millionen Mitgliedern fordern, wirtschaftlichen Druck auf Israel auszuüben: 18 March 2019 | https://bit.ly/2Hs12mE

Rainer Kruse schrieb vor 48 Jahren den unter Scan 180… beigefügten Artikel über „23. Jahre Leid … „ der Menschen in einem Flüchtlingslager östlich des Jordans. Sein Bericht wurde von Brot für die Welt veröffentlicht und ist in vieler Hinsicht noch aktuell und lesenswert.

Die Presse berichtete am 16. 3. 2019 über die Ermordung von betenden Muslimen in Neuseeland durch einen australischen Fanatiker. Ein ähnliches Massaker gab es schon einmal.

Vor rd. 25 Jahren erschoß der israelische Arzt Dr. Baruch Goldstein in einer Moschee in Hebron 29 betende muslimische Palästinenser  mit einer Maschinenpistole. Danach  wurden nicht die von der israelischen Armee bewachten Siedlungen jüdischer Fanatiker, zu denen auch Goldstein gehörte, geschlossen, sondern die palästinensische Bevölkerung mit einer langen Ausgangssperre belegt. Außerdem wurde der Mörder mit einem Denkmal geehrt, zu dem Schulkinder auf Kosten der Regierung pilgern (Quelle: Rupert Neudeck: “Ich will nicht mehr schweigen

Beigefügt ist der aktuelle Bericht von Amnesty Internatonal zu den Menschenrechten in Israel und Palästina.

Siehe auch den beigefügten, sehr interessanten Newsletter der Gesellschaft Schweiz-Palästina vom 23. 3. 2019

Abi Melzer schrieb „Warum ich ein Antisemit bin“ siehe unter Der Semit.

Ein neues Buch von Jürgen Todenhöfer: „Die große Heuchelei – Wie Politik und Medien unsere Werte verraten“

… u.a. zu Palästina – Gaza, Kolonisierung der muslimischen Welt, Islamfeindlichkeit, das Versagen der Medien (Fankurven-Journalismus; Die Mächtigen der Medien zieht es zu den Mächtigen der Macht; Das Fehlen innerer Pressefreiheit; Unfreiheit in einem freiem Land).  Erschienen 15. März 2019:  19,99 €

Resumee auf Buch-Rückseite: …”Der Westen muß die Menschenrechte  vorleben, anstatt sie nur vorzuheucheln. Er wird sonst alle Katastrophen der Vergangenheit erneut erleben.”

Der israelische Pianist Shai Maestro zu dem nach seiner Ansicht nicht enden wollendem Kreislauf von Gewalt und  Rassismus: „Wenn wir etwas verändern wollen, sollten wir erst andere Menschen als Menschen sehen.“

Es ist immer wieder erschütternd, wenn man vom Schicksal jüdischer Mitmenschen unter den Nationalsozialisten erfährt, zum Beispiel durch die von ZDF-History gezeigte Dokumentation „Die Geschichte der Lilli Jahn“. Diese Biographie gibt es auch in Buchform: Martin Doerry: „Mein verwundetes Herz – Das Leben der Lilli Jahn 1900 – 1944“ . Darin wird ebenfalls beschrieben, wie die Kinder die Bombardierungen der Städte in den letzten Kriegsjahren erlebten. – Sebastian Haffner schrieb in seiner“ Geschichte eines Deutschen“: Wer etwas über den epochalen Einschnitt des Jahres 1933 wissen wolle, der müsse Biographien lesen und zwar nicht die Biographien von Staatsmännern, sondern die raren Biografien der unbekannten Privatleute.“

Nirit Sommerfeld in ihrer Laudatio zur Verleihungen des Göttinger Friedenspreises an die Jüdische Stimme: „Jeder und jede von uns hat immer und überall die Wahl, sich auf die Seite der Ja-Sager und Mitläufer oder auf die Seite der Kämpferinnen und Kämpfer für Gerechtigkeit, Freiheit und Humanismus zu stellen.“

Mit solidarischen Grüßen

Siegfried Ullmann

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