Zum Eisenbahnunglück: die Kämpfe nehmen zu in Griechenland
Siebzehnter Bericht zu „Patenschaft für Panagiota“. Auch heute setze ich meine Berichterstattung über das Eisenbahnunglück und die Folgen in Griechenland fort. Das mindeste, was man wohl sagen kann: das Land kommt nicht zur Ruhe, und erstmalig scheint das Fortbestehen der ultrakonservativen Mitsotakis-Regierung ernsthaft gefährdet. Was man vielleicht als positive Nachricht werten kann. Ganz anders hingegen die Einschätzung, was die Chancen auf Fortbestehen von HdS und GriechInnenhilfe betrifft. Da kann man wohl kaum von einer guten Entwicklung sprechen. Holdger Platta
Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,
es ist, wie es ist: die Lage bleibt schwierig für unsere Hilfsaktion und für HdS. Gab es vor sieben Tagen ein Aufatmen bei uns, sieht es in dieser Woche schon wieder anders aus: keine einzige Neuspende für Panagiota und die anderen Hilfsbedürftigen in Griechenland ging bei uns ein, und lediglich 35,- Euro durften wir an Neuspenden für unsere Website verzeichnen (überwiesen von vier HelferInnen an uns. Umso herzlicher unser Dank an sie!).
Nun gehen zumeist während der letzten Woche eines Monats die Spendenbeträge zurück – der anstehende Monatswechsel dürfte also wieder ein besseres Ergebnis bringen. Und erwähnt werden sollte auch, dass die GriechInnenhilfe mit 1.245,45 Euro auf dem Konto für die nächsten Wochen noch genügend Geldreserven aufweist.
Aber für HdS – mit 1.101,30 Euro derzeit als Spendenstand – sieht das doch weniger gut aus. Weshalb ich an dieser Stelle doch etwas erläutern muss, nicht zuletzt eines Leserbriefs wegen, der nach meinem Eindruck einigen Informationsbedarf signalisierte.
Zum einen ist es einfach so, dass auch der “Normalbetrieb” einer Website – also: ohne Entgelte (für die Mitarbeiter jedenfalls) – monatlich Geld verbraucht, mal mehr, mal weniger (nebenbei: gleiches gilt auch für unsere Hilfsaktionen in Griechenland. Da gibt es ja ohnehin niemanden in unserem Aktionsteam, der für die Arbeit in diesem Bereich irgendeinen Cent bekommt).
Zum anderen ist es so, dass die Halbtagsarbeit für HdS zumindest für einen von uns – für Roland Rottenfußers Tätigkeit – schlicht bezahlt werden muss, wenn HdS aufrechterhalten bleiben soll. Roland Rottenfußer ist Freiberufler, er bestreitet aus der Bezahlung seiner Arbeit bei uns zum Teil seinen Lebensunterhalt. Zu erwarten, dass er das alles für „Luft und Liebe“ tun sollte, käme der Erwartung gleich, dass er zukünftig zum Teil auf Essen und Trinken, auf Heizen und Kostenerstattung vielfacher Art verzichten solle. Wir anderen, Volker Töbel und ich, bekommen als „Aufwandsentschädigungen“ pro Monat lediglich 50,- Euro – was de facto bedeutet, dass es für uns seit rund zwei Jahren keinerlei Kostenerstattungen mehr gegeben hat.
Nur ausnahmsweise erinnere ich daran, dass ich als Armutsrentner bzw. als sogenannter „Grundsicherungsempfänger“ sämtliche Nebenkosten, die im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit für HdS und GriechInnenhilfe entstehen, aus meinem höchstpersönlichen „Regelsatz“ aufzubringen habe. Und hoffentlich glaubt mir auch diese Auskunft jede und jeder von Euch: tatsächlich, die Preiserhöhungen fürs tägliche Leben (letzte mir bekannte Zahl: um 20 Prozent während der letzten Monate) sind auch an mir, auch an meiner Frau, nicht vorübergegangen. Und die Kosten für elektrischen Strom – aus dem „Regelsatz“ zu entrichten – sind bei uns, bei meiner Frau und mir, seit Beginn dieses Jahres um fast dreißig Prozent heraufgesetzt worden. Zumindest partielle Übernahme dieser Mehrkosten durch unser Sozialamt sind – trotz entsprechenden Antrags (und trotz entsprechenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts, bereits aus dem Jahr 2014) – abgelehnt worden.
Vermeintliche Ausbeutung – die fast zur Gänze Selbstausbeutung ist – und vermeintliches Betuchtsein, auf Kosten anderer gar, das sollte also nicht ausgerechnet bei uns bekämpft oder gar „abgeschafft“ werden. Wer das denkt oder das möchte, schaffte also letztlich HdS und unsere Hilfsaktion ab. Und übersähe: die notleidenden Menschen in Griechenland und wir Aktiven im Helferteam und Ihr SpenderInnen sitzen also alle im selben Boot. Und wenn da ein Leck in den Boden geschlagen werden sollte, gehen wir alle gemeinsam unter, nicht nur wir, also irgendwelche OrganisatorInnen.
Abschließend dazu (obwohl ich auch darüber schon einige Male berichtet habe): Tassos Chatzatoglou – unser unverzichtbarer “Außenmitarbeiter”. weil derjenige, der zu einem Gutteil für den anders nicht möglichen Transfer der Hilfsgelder nach Griechenland sorgt, durch seine Reisen dorthin –, Tassos Chatzatoglou bezahlte und bezahlt von Anfang an den größten Teil seiner Reisekosten nach Griechenland aus eigener Tasche. Und mehr noch: er war sogar vor einiger Zeit mit Geldern aus eigener Tasche eingesprungen, als es für die GriechInnenhilfe allzu eng geworden war. Was wir anderen aus dem Team ihm noch immer aufs herzlichste danken – wie sollte es auch anders sein!
Doch damit zurück zu dem Hauptthema, das Griechenland derzeit besonders umtreibt und worüber ich in meinem Bericht aus der letzten Woche schon ausführlicher zu berichten versuchte. Jawohl, es geht nach wie vor um das Eisenbahnunglück, um ein Geschehen, das sehr, sehr viele Griechinnen und Griechen, völlig zu Recht, immer noch mit Aktionen der verschiedensten Art auf die Straße treibt. Selbst ein (zweiter!) Generalstreik gegen die gewissenlose Politik der ultrakonservativen Mitsotakis-Regierung findet in diesen Tagen in Griechenland statt.
Information Nummer eins: Tatsächlich, der Vorsprung der talmi-christlichen „Nea Dimokratia“ (ND), der Partei des Kyriakos Mitsotakis, ist bei den Umfragen gegenüber der SYRIZA deutlich geschrumpft. Lediglich mit drei bis vier liegt diese ND noch vor der Partei des Alexis Tsipras.
Information Nummer zwei: Tatsächlich, Kyriakos Mitsotakis hat deshalb den Termin für die Parlamentswahlen in Griechenland, die ursprünglich am 9. April stattfinden sollten, um einen Monat verschoben – in der Erwartung, dann wieder besser dastehen zu können als derzeit.
Information Nummer drei: Tatsächlich, das Thema „Eisenbahnunglück“ dominiert immer noch die Berichterstattung in allen Medien Griechenlands, und selbst die „Griechenland Zeitung“ spricht in ihrer Ausgabe vom 15. März von einem Griechenland „der Misere, der Korruption, des Versickerns öffentlicher Finanzmittel“.
Information Nummer vier: Tatsächlich, die Kritik ist noch deutlicher geworden, was die technischen Sicherungsversäumnisse betrifft. So hat der Generalsekretär der Dachgewerkschaften der Privatangestellten (GSEE) Nikos Kioutsoukis öffentlich bekanntgegeben, dass „ein dringend erforderliches Sicherheitssystem für das Schienennetz seit mehr als zwei Jahrzehnten“ nicht installiert worden sei, und sein Gewerkschaftskollege Kostas Genidounio, Vorsitzender der Lokomotivführer in Griechenland, ergänzt: „nichts in unserem Bereich funktioniert“. – Die Antwort des griechischen Premierministers Kyriakos Mitsotakis darauf: auf jeder Eisenbahnstation in Griechenland sollen zukünftig zwei statt bisher nur ein Bahnhofsvorsteher ihren Dienst tun.
Mein heutiges Zwischenfazit fällt also nicht anders als beim letzten Mal aus: Die ultrakonservative ND-Regierung lässt nach wie vor die Menschen in Griechenland im Stich. Und zweitens: nach wie vor bleiben uns die Massenmedien in der Bundesrepublik Aufklärung über diese Verhältnisse und Geschehnisse in Griechenland schuldig. Das Verbrechen, das in Griechenland begangen worden ist – das sträfliche Vernachlässigen der Sorge um die menschliche Sicherheit – , dieser durch und durch vermeidbare Unglücksfall darf in Deutschland, was Medien (und auch Politik) betrifft, auch weiterhin auf Unterstützung setzen – auf das, was unter Juristen als „Begünstigung“ bezeichnet wird: als Verschweigen einer Straftat.
Darf ich deshalb auch die folgende Feststellung aus meinem letzten Bericht wiederholen? Gäbe es HdS nicht, gäbe es unsere Hilfsaktion für notleidende GriechInnen nicht, gäbe es nicht diese Berichte hier: auch die meisten unter Euch wüßten von all dem mit einiger Wahrscheinlichkeit nichts oder nur allzuwenig.
Was ein weiteres Mal zeigt (ich hoffe es jedenfalls): unsere Öffentlichkeit benötigt www.hinter-den-schlagzeilen.de. Und wir benötigen weiterhin Eure Hilfe dabei, HdS und unsere Hilfsaktionen finanzieren zu können. In diesem Sinne also wie stets:
Wer von Euch uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „Panagiota“ auf das Konto:
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21 GOE
Inhaber: IHW
Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an Volker Töbel, entweder unter der Postanschrift Tewaagstraße 12, 44141 Dortmund, oder unter der Mailadresse vtoebel@web.de.
Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta