Zum Feldzug des SPD-Ministers Wolfgang Clement gegen die Hartz-IV-Bezieher, zweiter Teil

 In FEATURED, Holdger Platta, Politik (Inland)

Wolfgang Clement. Foto: Sven Mandel, Lizenz Creative Commons

Vor einigen Tagen veröffentlichte ich hier den ersten Teil unserer Dokumentation zu den Angriffen des damaligen SPD-Ministers Wolfgang Clement im Jahr 2005 gegen Hartz-IV-Bezieher, bei einem Teil derselben handele es sich um „Parasiten“. Neben einigen Zusatzinformationen konntet Ihr vor allem den Text unserer Strafanzeige nachlesen, den wir – meine Frau und ich – am 20. Oktober 2005 gegen Clement erstattet hatten – unter anderem wegen Volksverhetzung (§ 130 des Strafgesetzbuches). Doch welche Antwort bekamen wir daraufhin von der Berliner Staatsanwaltschaft? Das könnt Ihr heute nachlesen im zweiten Teil unserer Dokumentation zu diesen Vorgängen. Holdger Platta

Bevor Ihr – unter anderem – den Bescheid der Berliner Staatsanwaltschaft Berlin vom 7. November des Jahres 2005 nachlesen könnt, erneut einige wichtige Zusatzinformationen vorweg:

Erstens: Wichtig zu wissen, ist, dass Staatsanwaltschaften in der Bundesrepublik nicht unabhängig sind! Ich zitiere deswegen zuallererst aus Wikipedia den dazu einschlägigen Absatz:

„Für die Dienstaufsicht und sämtliche Verwaltungsangelegenheiten im Bereich der Staatsanwaltschaften ist der jeweilige Landesjustizminister zuständig. Innerhalb dieser Hierarchie bestehen von unten nach oben Berichtspflichten sowie von oben nach unten Weisungsbefugnisse.[2] Dabei ist der Weisungsgebende nicht an die Schriftform gebunden.“

Weit entfernt davon, die Behauptung aufstellen zu wollen, dass im vorliegenden Streitfall die Berliner Staatsanwaltschaft vom zuständigen Justizsenator aufgefordert worden ist, unsere Strafanzeige abschlägig zu bescheiden, muss an dieser Stelle doch auf die eminent wichtige Tatsache aufmerksam gemacht werden, dass im Falle der Staatsanwaltschaften in der Bundesrepublik das Prinzip der Gewaltenteilung keine Gültigkeit hat. Die Staatsanwaltschaften – als Bestandteil der Judikative (Rechtsprechung) in unserem Land – arbeiten in Abhängigkeit von der Exekutive (verkürzt: der Regierungen). Unmittelbar – spontan-situationsbezogenes – Einwirken der Legislative (= der Parlamente) auf das Entscheidungsverhalten von Staatsanwaltschaften existiert nicht. Doch keinesfalls ist auszuschließen, dass es im vorliegenden Fall eine Weisung des Berliner Senators für Justiz an die ihr unterstellte Staatsanwaltschaft gegeben haben kann. Diverse Verfassungsrechtler und Justizexperten in der Bundesrepublik kritisieren schon seit längerem diesen Sachverhalt.

Zweitens: Berichten möchte ich des weiteren darüber, dass die Initiative von Sybille Marggraf und mir, gegen Clement unter anderem Strafanzeige wegen Volksverhetzung zu stellen, sehr rasch und in großem Umfang unterstützt wurde von zahlreichen MitbürgerInnen (und Bürgerinitiativen) im Land. Eine damalige Schätzung ergab, dass sich mindestens um die 300 Personen oder Menschenrechtsgruppen unserer Strafanzeigenaktion angeschlossen hatten. Viele übernahmen dabei unseren Text, viele verfassten auch eigene Texte. Und hier schon: nach unseren Feststellungen ging zumindest sehr vielen MitstreiterInnen der gleiche ablehnende Bescheid der Berliner Staatsanwaltschaft zu. Von präziser, von individueller Beantwortung der Strafanzeigen kann insofern keine Rede sein. Einige – nach unserem Eindruck besonders engagierte – MitstreiterInnen aus der damaligen Zeit möchte ich hiermit auch beim Namen nennen – nicht zuletzt als Zeichen der Dankbarkeit jenen gegenüber, die von Hartz-IV selber gar nicht betroffen waren. Mitgemacht haben also unter anderem: Margot Marion Mädel, Sabine Lösing (damals noch WASG, heute Abgeordnete für die Linkspartei im Europa-Parlament), Melanie D. aus Wesel, Leonore Natale, Dagmar H. aus München, Dr. Axel Bergmann, Klaus Jürgen Wolf, Gert Brandes, Martin Pausch, Jens Wernicke (heute Herausgeber von „Rubikon“), Gert Brandes, Harry Herding, Detlef Behring, Detlef Spandau, Professor Dr. Wolfgang Neskovic (Mitglied der Linkspartei und Bundesrichter a. D.), Helmut Beushausen und Hartmut Steinke. Ihnen allen auch von hier aus noch einmal unser herzlichster Dank!

Drittens: Bevor ich nun den Bescheid der Berliner Staatsanwaltschaft vom 7. November des Jahres 2005 vollständig im Wortlaut wiedergebe, noch zwei weitere wichtige Informationen vorweg. Zum einen möchte ich aus dem Buch „Mein Kampf“ von Adolf Hitler zitieren, der in diesem Machwerk immer wieder die Juden als „Schmarotzer“ und „Parasiten“ beschimpft hat – was eindeutig den unseres Erachtens nach faschistischen Charakter dieser menschenentwertenden Bezeichnung belegt. Ich zitiere hier nach der 9. Auflage des Buches „Mein Kampf“ des Münchener Eher Verlages Nachfahren aus dem Jahre 1941. Zum anderen habe ich von einem Ereignis aus Höxter zu berichten, das mir seinerzeit die Organisatorin der dortigen Bürgerbewegung gegen Hartz-IV, Margit Marion Mädel, mitgeteilt hat, nämlich des Bündnisses „3Ländereck für soziale Gerechtigkeit“, und zwar vom selben Tag, als Wolfgang Clements Vorwurf, bei etwa 280.000 Hartz-IV-BezieherInnen handele es sich um „Parasiten“, in der Bildzeitung erschien, und zwar in deren Ausgabe vom Montag, den 17. Oktober des Jahres 20005.

Viertens: Hier zunächst die einschlägigen Zitate aus Adolf Hitlers Hetzschrift „Mein Kampf“ (bei den Zahlen über den Zitaten handelt es sich um die Seitenangaben):

344
„Bei den Juden ist diese [idealistische. HP] Einstellung überhaupt nicht vorhanden; er war deshalb auch kein Nomade, sondern immer ein P a r a s i t [Sperrung im Original. HP] im Körper der Völker (…) Sein Sich-Weiterverbreiten aber ist eine typische Erscheinung für alle Parasiten (…)“

„Er ist und bleibt der ewige Parasit, ein Schmarotzer, der wie ein schädlicher Bazillus sich immer mehr ausbreitet, sowie nur ein günstiger Nährboden dazu einlädt. Die Wirkung seines Daseins aber gleicht ebenfalls der von Schmarotzern: wo er auftritt, stirbt das Wirtsvolk nach kürzerer oder längerer Zeit ab.“

355
„Im Leben des Juden als Parasit im Körper anderer Nationen und Staaten liegt seine Eigenart begründet (…)“

„Er muß, um sein Dasein als Völkerparasit führen zu können, zur Verleugnung seiner inneren Wesensart greifen. Je intelligenter der einzelne Jude ist, um so mehr wird ihm diese Täuschung auch gelingen. Ja, es kann so weit kommen, daß große Teile des Wirtsvolkes endlich ernstlich glauben werden, der Jude sei wirklich ein Franzose oder Engländer, ein Deutscher oder Italiener (…)“

Fünftens: Und hier die Wiedergabe unseres Zusatzschreibens über die Höxteraner Geschehnisse – damals noch an die Göttinger Staatsanwaltschaft gerichtet – vom 20. Oktober des Jahres 2005:

„Sybille Marggraf/Holdger Platta * Füllegraben 3 * 37176 Sudershausen, den 20.10.05

An die
Staatsanwaltschaft
Berliner Str. 8

37073 Göttingen

Betrifft: Unsere gestrige Strafanzeige gegen den Bundesminister für Wirtschaft
und Arbeit, Herrn Wolfgang Clement, u.a. wegen Volksverhetzung
(§ 130 StGB)

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Nachgang zu unserer o.g. Strafanzeige teilen wir Ihnen heute noch ergänzend mit:

Es i s t mittlerweile bereits zu den „bedrohlichen aggressiven Entgleisungen“ aufgrund der Äußerungen des Ministers gegen die Arbeitslosen gekommen (siehe in unserer Strafanzeige S. 6, letzter Satz im ersten Absatz!). Diese Entgleisungen nahmen übers bloße Beleidigen und Beschimpfen von Arbeitslosen hinaus offenbar sogar bedrohliche Ausmaße an.

Wir verweisen hier zum Beleg auf die gestrige Pressemitteilung des Bündnisses „3Ländereck für soziale Gerechtigkeit“, die uns nach Erstattung unserer Anzeige bei Ihnen zuging, siehe beigefügte Kopie (Mail vom 19. Okt. 2005, 16:07). Darin heißt es u.a., daß die VertreterInnen des Bündnisses am Montag, den 17.10. ds. Js. – dem Tag also, an dem in der „Bildzeitung“ die „Parasiten“-Äußerung des Herrn Wolfgang Clement veröffentlicht worden ist (siehe unsere Strafanzeige S. 4, Punkt 11, sowie S. 10, 1. Absatz!) –, gegen 17 Uhr „von Bürgern (…) beleidigt, beschimpft und bedroht“ worden sind. Und weiter: „Als ich am Abend den Artikel der Bildzeitung las, war mir schlagartig klar, warum dies geschehen konnte. Herr Clement hat es geschafft, Bürger aufeinander zu hetzen“.

Name und Adresse der Zeugin für diese Vorfälle in Höxter können Sie beiliegender Kopie entnehmen.

Wir bitten Sie daher über unsere gestrige Strafanzeige hinaus, die offenkundig eingetretene Eilbedürftigkeit dieser Sache bei Ihren Ermittlungen mitzuberücksichtigen!

Mit freundlichen Grüßen

S y b i l l e M a r g g r a f H o l d g e r P l a t t a“

Und damit – endlich – zum Bescheid der Berliner Staatsanwaltschaft vom 7. November des Jahres 2005:

„Staatsanwaltschaft Berlin Berlin, den 7.11.2005
10548 Berlin

Frau/Herrn
Sybille Marggraf/Holdger Platta
Füllegraben 3

37176 Göttingen

Sehr geehrte Frau Marggraf, sehr geehrter Herr Platta,

zu Ihrer Strafanzeige vom 20. Oktober 2005 gegen Wolfgang Clement wegen Volksverhetzung u.a. teile ich Ihnen mit, dass der von Ihnen vorgetragene Sachverhalt keine Veranlassung bietet, in strafrechtliche Ermittlungen einzutreten.

Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Volksverhetzung (§ 130 des Strafgesetzbuches) liegen nicht vor.

Für die insoweit allein in Betracht kommende Tatbestandsalternative des § 130 Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches fehlt es bereits an einem Angriff auf die Menschenwürde des von den Äußerungen der Beschuldigten betroffenen Personenkreises. Für die Beurteilung, ob ein Angriff auf die Menschenwürde vorliegt, ist auf die gesamten Umstände in Form einer Gesamtschau abzustellen (vgl. BGHSt 40, 97, 101; BGH NStZ 1984, 310). Dabei ist zu berücksichtigen, dass in dem Merkmal des Angriffs auf die Menschenwürde eine maßgebliche tatbestandliche Einschränkung liegt, die sicherstellt, dass nur besonders massive Diskriminierung und Diffamierung als strafbar angesehen werden und § 130 des Strafgesetzbuches nicht die Funktion eines erweiterten Ehrenschutzes zukommt. Ein solcher Angriff liegt vor, wenn den angegriffenen Personen ihr ungeschmälertes Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft bestritten und sie als unwertige Wesen behandelt werden (KG NJW 2003, 685ff. m. w. N.; Trondle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 130 Rdn. 12 m. w. N.). Das „Menschentum“ der Angegriffenen muss bestritten, in Frage gestellt oder relativiert, der Betroffene im Kernbereich seiner Persönlichkeit getroffen werden sollen (BGHSt 36, 82, 90).

Eine derartige Bewertung lassen die inkriminierten Äußerungen des Beschuldigten nicht zu, zumal bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung auch die äußeren Umstände – kontroverse öffentliche Diskussion über die in den vergangenen Jahren in der Bundesrepublik Deutschland bekannt gewordenen Missbrauchsfälle durch Empfänger von Sozialleistungen – zu berücksichtigen sind. Überdies ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Gewicht des Grundrechts der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes) schon auf der Ebene der Auslegung von Äußerungen Rechung zu tragen, also bei der Prüfung der Frage, ob diese eine Angriff auf die Menschenwürde enthalten (vgl. BVerfG NstZ 2003, 655, 656; BVerfG NStZ 2001, 26, 27; Tröndle Fischer a.a.O., § 139 Rdn. Nr. 12 a m.w.N.). Gerade in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse und im politischen Meinungskampf gilt eine Vermutung zugunsten der Meinungsäußerungsfreiheit, welche nur dann eine Einschränkung erfährt, wenn bei einer herabsetzenden Äußerung nicht die Sache, sondern die Diffamierung einer Person oder eines Personenkreises im Vordergrund steht (vgl. Tröndl Fischer a. a. O., § 193 Rdn. 17f. m. w. N.). Davon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden.

Aus denselben Gründen ist auch der Tatbestand eines Ehrverletzungsdelikts (§§ 185ff. des Strafgesetzbuches nicht erfüllt.

Das Verfahren ist daher gemäß §§ 152 Abs. 2, 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellt.

Auf die beiliegende Rechtsmittelbelehrung weise ich hin.

Ihre etwaigen zivilrechtlichen Ansprüche werden hierdurch nicht berührt.

Hochachtungsvoll
Heitmann
Staatsanwalt

Beglaubigt
Schneider
Justizangestellte“

Haben wir – Sybille und ich – nach diesem Schreiben der Berliner Staatsanwaltschaft resigniert? Nein! Aber dazu im dritten Teil unserer Dokumentation, die demnächst auf HdS erscheinen wird!

Kommentare
  • UND BIST DU NICHT WILLIG...
    Antworten
    Was im Geiste eines GEMEINEN antisemitisch, ist im Geiste der VOLKSVERWERTER doch nur zum Wohle des Volkes. Erklärt vielleicht, warum es immer die GEMEINEN sind, die an der WAFFENFRONT DER VOLKSVERWERTER ihr Leben lassen.

    .

    „UNSER ALLER „FÜHRER“ LÄSST  DOCH IMMER WIEDER DIE GANZE WELT GRÜSSEN!“

    .

    Waren es nicht die der PARASITÄREN DEKADENZ besonders nahen SCHEINchristen aus CDU/CSU und die magendaGELBEN der FDP, die mit FADENSCHEINLICHEN Gründen gegen ein „NPD Verbot“ waren? Und wie HEUCHLERISCH doch die SCHEINsozialen der SPD mit ihren Plan eines NPD-Verbots.
    Wurden in nicht allzu ferner Vergangenheit SCHEINchristen immer wieder auf gewisse Veranstaltung gesichtet?

    .

    IHR GEIST SCHEINT WILLIG, DOCH IHR VERDORBENES FLEISCH IST EINFACH ZU SCHWACH…

    .

    .

    .

    oder so ähnlich!

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