Zum Feldzug des SPD-Ministers Wolfgang Clement gegen die Hartz-IV-Bezieher, vierter Teil

 In FEATURED, Holdger Platta, Politik (Inland)

Wolfgang Clement. Foto: Sven Mandel, Lizenz Creative Commons

Heute also der vierte und letzte Teil unserer Dokumentation zu den Geschehnissen 2005 um die „Parasiten“-Vorwürfe des damaligen Bundesministers Wolfgang Clement gegenüber den Hartz-IV-BezieherInnen der Bundesrepublik. Was – für einen menschenrechtsorientierten Demokraten jedenfalls – als Trauerspiel begann, endete auch – im vierten Akt sozusagen – als Trauerspiel. Wie ich im nachfolgenden Text schreibe: erfreuliche Lektüre keinesfalls, aber bestürzende Aufklärung über das Verhalten der Berliner Strafverfolgungsbehörden seinerzeit. Ob das alles in die bundesdeutschen Geschichtsbücher gehört, wie der ausgewiesene Wirtschaftswissenschaftler (und Hartz-IV-Kritiker) Lutz Hausstein freundlicherweise in einem Leserbrief bei uns auf HdS schrieb, mögen andere entscheiden. Für wichtig erachten HdS-Mitarbeiter diese Dokumentation aber sehr wohl. Doch entscheidet Ihr selbst, wie das alles zu beurteilen ist. Holdger Platta

Ich nehme in diesem letzten Dokumentationsteil zum Feldzug des SPD-Ministers Wolfgang Clement gegen die Hartz-IV-BezieherInnen den Hinweis auf eine schmerzliche Lücke vorweg:

Trotz größter Mühen ist es mir nicht gelungen, das abschließende Antwortschreiben der Berliner Generalstaatsanwaltschaft in meinen Akten oder in meinen PC-Dateien ausfindig zu machen.

Mithilfe dieses Antwortschreibens hätte ich – im Wortlaut – nachweisen können, dass auch meine nachfolgende Anzeige gegen die Berliner Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft wegen Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB) abgelehnt worden ist. Ich verbürge mich aber, dass ein solcher Ablehnungsbescheid bei mir einging und – meinen damals erfolgten Recherchen zufolge – auch bei anderen MitbürgerInnen.

Aufgrund eines Aufrufes von mir „Vereiteln wir die Strafvereitelung im Amt!“ noch vor Weihnachten 2005, der auch zahlreichen MitstreiterInnen von mir zuging, waren auch weitere Strafanzeigen dieser Art bei der Berliner Generalstaatsanwaltschaft eingegangen.

Sehr wohl aber kann ich mich, was diese Klageabweisung betrifft, noch an folgende „Argumente“ im Ablehnungsbescheid an mich erinnern:

Erstens: Es wurden nochmals vollinhaltlich alle „Argumente“ vorgetragen, die bereits in den Ablehnungsbescheiden der beiden Staatsanwaltschaftsinstanzen gegen meine Strafanzeige und gegen meine Beschwerde dagegen vorgetragen worden waren.

Zweitens: Ich erinnere mich noch sehr genau daran, dass ein „Argument“ von Seiten der Berliner Generalstaatsanwaltschaft hervorgehoben und betont worden ist: die Auffassung, dass im politischen Meinungsstreit – ich füge hinzu: innerhalb der Bundesrepublik Deutschland – Begriffe wie „Parasiten“ hinzunehmen seien und halt als – legitimer/legaler – Bestandteil von politischen Auseinandersetzungen in unserer Demokratie respektiert werden müssten. Eindeutiges Nazivokabular – dieser Nachweis war von mir ja bereits erbracht worden – wurde also ausdrücklich von Seiten der Berliner Generalstaatsanwaltschaft als Begrifflichkeit akzeptiert, die innerhalb unseres demokratischen Rechtsstaates straffrei zu bleiben hätte. Für mich auch heute noch eine Ungeheuerlichkeit, mit der schlimmster Nazi-Jargon zum legitimen/legalen Bestandteil rechtsstaatlich-demokratischer Debatten erklärt worden ist. Unsägliche Verrohung und Entmenschlichung des Diskurses in einer rechtsstaatlich-demokratischen Grundordnung – so der Anspruch unseres Landes – wurde damit von den Berliner Strafverfolgungsbehörden ausdrücklich erlaubt. – Und dieses im Widerspruch sogar zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts – der höchsten Instanz innerhalb der Judikative bei uns. Ich wies in meiner nachfolgenden Strafanzeige wegen Strafvereitelung im Amt unter anderem noch einmal auf dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts hin.

Ich möchte an dieser Stelle aber noch einen Punkt nachtragen, der in meiner nachfolgenden Strafanzeige nicht aufgeführt worden ist. Aus welchem Grund damals dieser Vorhalt unter den Tisch gefallen ist, weiß ich nicht mehr. Mag sein, dass mir seinerzeit die Ungeheuerlichkeit dieser „Argumentation“ von Seiten der Berliner Strafverfolgungsbehörden noch nicht aufgefallen ist. Mag aber auch sein, daß ich Ende des Jahres 2005 diesen Punkt noch nicht für relevant genug gehalten habe. Meine Auseinandersetzung mit diesem Punkt sei heute also nachgeholt:

Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft teilte mir damals in ihrem Ablehnungsschreiben vom 22.12. 2005 unter anderem mit:

„Eine Tatbestandsmäßigkeit der Äußerungen des Beschuldigten nach den Beleidigungsvorschriften der §§ 185ff des Strafgesetzbuches kommt schließlich ebenfalls nicht in Betracht. Über die vorstehenden Erwägungen hinaus kann die Beleidigung einer Mehrheit einzelner Personen unter einer Kollektivbezeichnung dann nach den genannten Normen (nur) strafbar sein, wenn es sich um eine nach äußeren Kennzeichen abgegrenzte Mehrheit von zahlenmäßiger Überschaubarkeit handelt (Tröndle/Fische aaO, Rdn. 9 vor §§ 185; vgl. auch Bundesgerichtshof Amtliche Entscheidungssammlung für Strafsachen Bd. 36, 85ff). Ist dieser Kreis allerdings groß, etwa nach Hunderttausenden oder Millionen zu messen, dass sich die herabsetzende Äußerung in der Masse verliert und den Einzelnen nicht mehr erreicht, kommt eine „Kollektivbeleidigung“ nicht in Betracht. So liegt es hier.“

Meine heutige Entgegnung dazu:

Folgt man der „Logik“ dieser „Argumentation“, löst sich eine Beleidigung allmählich in Luft auf – aus juristischer Sicht jedenfalls –, je mehr Menschen auf diesem Erdball tatsächlich beleidigt worden sind. Je größer die Anzahl der tatsächlich beleidigten Menschen, desto weniger könne diese Beleidigung noch als Beleidigung gewertet (und strafrechtlich verfolgt) werden. Auch dieses bezeichne ich als Ungeheuerlichkeit und konkretisiere an den beiden folgenden Beispielen meine Kritik:

  • Zur Rhetorik des nationalsozialistischen Demagogen Adolf Hitler gehörten – in der sogenannten „Kampfzeit“ (1920-1933), aber auch nach Etablierung des faschistischen Regimes auf deutschem Boden am 30. Januar 1933 – schlimmste Angriffe auf das sogenannte „Weltjudentum“. Diese Angriffe stellten nach Auffassung heutiger Juristen – zumindest bei den Berliner Strafverfolgungsbehörden – keine Beleidigungen dar, weil sie alle Juden auf diesem Erdball betrafen. Dieser furchtbaren Logik mögen andere folgen, ich vermag dieses nicht.
  • Wir können diese These der Berliner Juristen aber auch auf die Gegenwart übertragen. Man stelle sich einmal vor, ich würde in der Öffentlichkeit mit folgender Kollektivbeleidigung auf Stimmenfang gehen (zu welchen Zwecken auch immer): „Alle Katholiken sind Schweine!“ Der „Argumentation“ der Berliner Generalstaatsanwaltschaft zufolge stellte diese Äußerung keine Beleidigung dar, weil ich ja ausdrücklich alle Katholiken als „Schweine“ bezeichnet hätte. Das mag man in einer obersten Strafverfolgungsbehörde für richtig halten. Ich bin außerstande dazu!

Und damit zu meiner Strafanzeige, die ich am 7. Dezember bei der Berliner Generalstaatsanwaltschaft wegen Strafvereitelung im Amt gegen die betreffenden Berliner Behörden eingereicht hatte.

Ein besonderes Augenmerk bitte ich noch zu richten auf die „Trickserei“ mit dem Versendedatum des Einstellungsbescheides von Seiten der Berliner Staatsanwaltschaft an mich: angeblich ging dieser Einstellungsbescheid mit Datum vom 7. November 2005 an mich raus, tatsächlich traf dieser Brief aber erst am 23. November 2005 bei mir ein – nach Ablauf also der mir eingeräumten Beschwerdefrist von 14 Tagen.

Vergnügen kann ich bei der Lektüre des folgenden Briefs nicht wünschen – angesichts der Vergeblichkeit dieses Briefes an die Berliner Generalstaatsanwaltschaft. Sehr wohl jedoch  sehr viel Aufklärung darüber, in welchem Rechtsstaat wir damals, Ende des Jahres 2005, in der Bundesrepublik Deutschland zu leben hatten. Ob es heute besser geworden ist? – Ich gebe zu: Empörung und Bitternis gehören auch heute noch nicht der Vergangenheit an.

 

*   05594/8409  *  Füllegraben 3   *   37176 Sudershausen, den 7.12.05

 

An die

Generalstaatsanwaltschaft Berlin

Elßholzstr. 30-33

 

10781 Berlin

  

Betrifft:          Strafanzeige wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt (§ 258a

                       StGB) durch die Staatsanwaltschaft Berlin, hier vertreten durch Herrn            oder  Frau Staatsanwalt(in) Heitmann, Turmstraße 91, 10559 Berlin

 

Bezug:            1. Strafanzeige von meiner Frau Sybille Marggraf und mir vom 19.10. ds.

           Js.;

  1. Nachtrag zu o.g. Strafanzeige vom 19.10. ds. Js. mit Datum vom

                       20.10. ds. Js.

  1. Einstellungsbescheid der o.g. Staatsanwaltschaft vom 7.11. ds. Js.; Ge-

                       sch.-Nr. 78 Js 1887/05;

  1. Meine Beschwerde bei Ihnen vom 1.12. ds. Js

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit erstatte ich wegen des o.g. Einstellungsbeschlusses der Staatsanwaltschaft Berlin vom 7. November des Jahres gegen diese Behörde

gemäß § 258a StGB Strafanzeige wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt.

Hilfsweise und zusätzlich rechtssichernd mache ich gemäß § 171ff. und insbesondere §172 Abs. 1 der Strafprozessordnung geltend, vom o.g. Einstellungsbeschluss der Staatsanwalt-schaft unmittelbar in meinen Rechten betroffen zu sein. Meine Strafanzeige gegen den Bundesminister  Wolfgang Clement  vom 19.10.  ds. Js.  u.a. wegen Volksverhetzung (§ 130 StGB) und Beleidigung (§ 185 StGB) hatte ich, abgesehen von meiner Eigenschaft als Staatsbürger dieses Landes,  in meiner Eigenschaft als Bezieher des ALG-II gestellt, da dieser, neben anderem, mit seiner Bezeichnung von uns Arbeitslosengeldbeziehern als „Parasiten“ unmittelbar in meine Ehrenrechte eingegriffen hat und zudem –  mit uns Arbeitslosengeldbeziehern als Opfer – sich der Volksverhetzung strafbar gemacht hat.  Ich verweise insofern auf die im Briefkopf angegebenen Schriftsätze von mir vom 19.10. 20.10. und 1.12. des Jahres.

Diese Schreiben mache ich vollinhaltlich in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht auch für diese Strafanzeige hier geltend; detailliertere Wiederholung aus diesem Gesamtvortrag erübrigt sich daher an dieser Stelle.

Damit zur Begründung meiner Strafanzeige gegen die Berliner Staatsanwaltschaft – hier: gegen Herrn oder Frau Staatsanwalt/Staatsanwältin Heitmann:

Nach deutschem Strafrecht wird wegen Strafvereitelung bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Bestrafung eines Täters oder Teilnehmers an einer Straftat vereitelt. Dabei werden sowohl die Vereitelung der Strafverfolgung als auch die Vereitelung der Strafvollstreckung einbezogen.

Im vorliegenden Fall wird Vereitelung der Strafverfolgung im Sinne der §§ 258 und 258a angezeigt.

Notwendig ist eine rechtswidrige Vortat; bei der Strafvereitelung handelt es sich um ein Anschlußdelikt.

Auch diese beiden Voraussetzungen treffen auf den vorliegenden Fall zu: Herr Wolfgang Clement  hat  –  noch  in seiner Eigenschaft als Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit – die angezeigten Straftaten  begangen; die benannte Staatsanwaltschaft hat gleichwohl eine Strafverfolgung mit ihrem Einstellungsbeschluss verhindert.

Schließlich trifft zu, daß die Berliner Staatsanwaltschaft als zuständige Strafverfolgungsbehörde im vorliegenden Fall die Garantenstellung für die Strafverfolgung innehat; deshalb reicht für Erfüllung des Tatbestandes der Strafvereitelung gemäß § 258a auch das bloße Unterlassen – in diesem Fall der eigenen Strafermittlungen und weiteren Strafverfolgung – aus. Gemäß § 258a StGB werden aus diesem besonderen Grund Angehörige innerhalb der Strafverfolgungsbehörden auch mit dem erhöhten Strafrahmen konfrontiert.

Auch diese Voraussetzung bzw. dieses Tatbestandsmerkmal liegt beim hier angezeigten Straftatbestand der Strafvereitelung im Amt vor.

Damit zur Begründung dieser Strafanzeige hier im einzelnen:

  1. Die Berliner Staatsanwaltschaft wäre aufgrund unserer Strafanzeige verpflichtet gewesen, allen rechtlichen und tatsächlichen Hinweisen auf eine oder mehrere Straftaten des Herrn Wolfgang Clement nachzugehen, weitere eigene Ermittlungen dazu anzustellen und nach Ermittlung aller entlastenden wie belastenden Momente eine rechtliche Würdigung aller dieser Momente vorzunehmen, zwischen ihnen abzuwägen und einzig und allein aufgrund einer solchen genauen Abwägung und rechtlichen Würdigung ihren Beschluß zu fällen. Dieses ist aber, wie der Einstellungsbeschluss der Berliner Staatsanwaltschaft nachweislich zeigt, schon im rechtlichen Sinne nicht geschehen. Und auch in tatsächlicher Hinsicht ist die Staatsanwaltschaft keinem einzigen Hinweis nachgegangen und hat darüber hinaus noch weitere eigene Ermittlungen angestellt. Die Erfüllung des Tatbestands der Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen scheint mir daher im vollen Umfang und ohne jede Einschränkung gegeben zu sein.
  2. Was die Unterlassung der Berliner Staatsanwaltschaft betrifft, in rechtlicher Hinsicht meinen Hinweisen  aus  der  Strafanzeige  vom  Oktober ds. Js. nicht nachgegangen zu sein, verweise ich hier auf meine ausführliche Auflistung dieser Unterlassungen in meinem Beschwerdeschreiben vom 1.12. ds. Js. gegen den Einstellungsbeschluss – dort insbesondere auf die Seiten 3 und 4.

Was die Unterlassung der Berliner Staatsanwaltschaft angeht, in rechtlicher Hinsicht auch  eigenen Ermittlungen anzustellen in Richtung belastender Momente gegen den Herrn Wolfgang Clement, verweise ich zum Beleg und Beweis vollinhaltlich auf das Schreiben der Berliner Staatsanwaltschaft selbst zur Begründung ihres Einstellungsbeschlusses. An keiner Stelle dieses Schriftsatzes werden derartige eigene Ermittlungen mitgeteilt. Entsprechend enthält der Einstellungsbeschluss der Berliner Staatsanwaltschaft auch keinerlei rechtliche Würdigung solcher eigenen Ermittlungen. Dem Leser dieser Begründung zum Einstellungsbeschluss vermittelt sich im Gegenteil der Eindruck, daß dieser Schriftsatz eher aus der Anwaltskanzlei des Beschuldigten hätte gekommen sein können, die ausschließlich mit der Verteidigung des Beschuldigten beauftragt worden ist.

Wie umfassend es die Berliner Staatsanwaltschaft unterlassen hat, belastenden rechtlichen wie tatsächlichen Hinweisen auf eine Straftat oder mehrere Straftaten des Herrn Wolfgang Clement nachzugehen, soll im Rahmen dieser Strafanzeige nur an den ff. Beispielen noch einmal aufgezeigt werden.

Zunächst zur Unterlassung der Berliner Staatsanwaltschaft, in rechtlicher Hinsicht den belastenden Hinweisen auf eine Straftat oder mehrere Straftaten des Herrn Wolfgang Clement nicht nachgegangen zu sein:

  1. Ich verwies in meiner Strafanzeige gegen Herrn Wolfgang Clement auf zwei Gerichtsurteile: auf das letztinstanzliche Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit dem Aktenzeichen 2 Ss 147/00 sowie auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit dem Aktenzeichen 90/241. Doch nirgendwo in ihrem Einstellungsbeschluß nimmt die Berliner Staatsanwaltschaft auf diese höchstinstanzlichen Gerichtsurteile Bezug, hat sie einer rechtlichen Würdigung unterzogen, geschweige denn: zur Grundlage der eigenen Beschlußfassung gemacht. Im Gegenteil: sie setzt sich über das dort gesprochene Recht hinweg – im direkten Widerspruch zu diesen Gerichtsurteilen! Ich konkretisiere:

Das Frankfurter Oberlandesgericht hat im August des Jahres 2000 innerhalb seines letztinstanzlichen rechtskräftigen Urteils, dem Bericht der „Frankfurter Rundschau“ vom 16. August 2000 zufolge, den Begriff des „Parasiten“ bei dessen Anwendung auf Menschen eindeutig und ohne jede Einschränkung als Volksverhetzung gewertet und entsprechend dieser Wertung den Angeklagten, einen 33jährigen Angehörigen der Jungen Nationaldemokraten und Beigeordneten eines Gemeindevorstands im hessischen Lahn-Dill-Kreis, der diesen Ausdruck benutzt hatte, rechtskräftig verurteilt. Ich zitiere:

„Der Begriff ‚Parasiten’ bezeichne Schädlinge. Auf Menschen angewendet, stelle er ein krasses ‚Unwerturteil’ dar, was den so bezeichneten die Qualität menschlicher Wesen abspreche. Bei dieser Beurteilung sei auch zu berücksichtigen, dass der Begriff ‚Parasit’ in der Vergangenheit etwa gegen Juden ‚in böswillig verächtlich machender Weise’ verwendet worden sei.“

Im direkten Widerspruch zu diesem letztinstanzlichen Urteil und ohne jeden Bezug darauf schreibt hingegen die Berliner Staatsanwaltschaft in ihrem Einstellungsbeschluss:

„Für die insoweit allein in Betracht kommende Tatbestandsalternative des § 130 Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches fehlt es bereits an einem Angriff auf die Menschenwürde des von den Äußerungen des Beschuldigten betroffenen Personenkreises.“

Und weiter: ein solcher Angriffe läge nur vor, „wenn den angegriffenen Personen ihr ungeschmälertes Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft bestritten und sie als unwertige Wesen behandelt werden…“

Sowie schließlich:

„Das ‚Menschentum’ der Angegriffenen muß bestritten, in Frage gestellt oder relativiert, der Betroffene im Kernbereich seiner Persönlichkeit getroffen werden sollen…“

Genau darauf hat das Frankfurter Oberlandesgericht letztinstanzlich und rechtskräftig erkannt: dass der Begriff des „Parasiten“, auf Menschen angewendet, ein krassen Unwerturteil darstelle,  „das dem so bezeichneten die Qualität menschlicher Wesen abspreche“.

  1. Doch auch in tatsächlicher Hinsicht ist die Berliner Staatsanwaltschaft keinem meiner belastenden Hinweise nachgegangen – geschweige denn, daß sie in dieser Richtung zusätzlich noch eigene Ermittlungen angestellt hätte. Dazu die folgenden Beispiele:

3.1. Ich hatte darauf hingewiesen, daß der menschenfeindliche Begriff des „Parasiten“ aus dem Nazivokabular stammt; ich verweise hier nur auf die Äußerungen Adolf Hitlers in seinem Buch „Mein Kampf“ – hier zitiert nach der Ausgabe des Franz Eher Verlags Nachfahren, München 9. Auflage 1941, S. 334 -, wo Hitler gleich mehrfach die Juden als „Parasiten“ bezeichnet hat: „…er (= der Jude. HP) war … immer ein  P a r a s i t (Sperrung im Original. HP). Diesen Hinweis hat die Berliner Staatsanwaltschaft nicht aufgegriffen!

3.2. Ich hatte darauf hingewiesen, dass entsprechend dieser Tatsachen unter den Wissenschaftlern, die sich mit der Geschichte – hier: insbesondere der Sprache – des Nationalsozialismus beschäftigt haben, Konsens darüber existiert, daß der Begriff des „Parasiten“, auf Menschen angewendet, zum Nazivokabular zählt. Auch diesem tatsächlichen Hinweis ist die Berliner Staatsanwaltschaft nicht nachgegangen!

3.3. Ich hatte darauf hingewiesen, dass dieser schlimme – mehrfach sich wiederholende – Gebrauch von Nazivokabular durch  Herrn Wolfgang Clement die Gefahr der Störung der „öffentlichen  Ordnung“  und  des  „sozialen  Friedens“  heraufbeschwören  würde  –  unter anderem dadurch, dass sich schnell Nachahmer finden würden, die ihrerseits diesen volksverhetzenden Begriff oder entsprechend einzuschätzende Synonyma verwenden würden. Auch diesem Hinweis ist die Berliner Staatsanwaltschaft nicht nachgegangen, obwohl sich die Fälle in der öffentlichen Berichterstattung – von „Bild“ über „Spiegel“ bis hin zu Fernsehanstalten – häuften, wo bereitwillig dieses inhumane Vokabular aufgenommen wurde. Hier nur als Beispiel nachgetragen (was – bei entsprechender pflichtgemäßer (!) Tätigkeit – auch die Berliner Staatsanwaltschaft hätte ermitteln können und müssen!), dass zum Beispiel SAT.1 am 20.10.2005 zu seiner Sendung „Akte 05/42“ öffentlich einen Beitrag unter dem Titel ankündigen ließ: „Die fiesesten Tricks der Hartz-IV-Schmarotzer“. Durch Unterlassen entsprechender Ermittlungen, zu denen sie verpflichtet gewesen wäre (und selbstverständlich immer noch ist!), scheint der Berliner Staatsanwaltschaft diese menschenfeindliche Verwahrlosung und Verrohung der deutschen Sprache im verbalen Umgang mit verarmten Menschen vollkommen entgangen zu sein. Auch in diesem Punkt ist die Berliner Staatsanwaltschaft also ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen.

3.4. Die womöglich schwerste Unterlassung im Blick auf die ihr gesetzlich auferlegte Ermittlungspflicht gegenüber tatsächlichen Sachhinweisen ist der Berliner Staatsanwaltschaft aber hinsichtlich der von mir mit Zusatzschreiben vom 20. Oktober mitgeteilten Vorfälle in Höxter am 17. Oktober ds. Js. vorzuwerfen (siehe dazu mein Beschwerdeschreiben vom 1.12. ds. Js. auf Seite 7!). Wie mir die Betroffenen dort, die im Gefolge der Clement-Äußerungen als TeilnehmerInnen einer Kundgebung gegen Hartz-IV sogar tätlich bedroht worden sind, in der Zwischenzeit mitgeteilt haben, sind bei ihnen von Seiten der Berliner Staatsanwaltschaft aus keinerlei eigene Ermittlungen angestellt worden. Dies wiegt um so schwerer, als in dem von mir benannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit dem Aktenzeichen 90/241 ausdrücklich bei der rechtlichen Bestimmung von Volksverhetzung zusätzlich auch auf die tatsächliche oder mögliche Folgewirkung der „Störung der öffentlichen Ordnung“ und des „sozialen Friedens“ abgehoben worden ist. Die OrganisatorInnen dieser wöchentlichen Montagskundgebung gegen Hartz-IV waren von diesen Angriffen derart  verängstigt,  daß  sie zwei Wochen lang von ihrem grundgesetzlich garantierten Demonstrationsrecht keinen Gebrauch mehr zu machen wagten. Auch dieses hätte die Berliner Staatsanwaltschaft aufgrund der ihr obliegenden Amtspflichten ermitteln müssen, auch insofern ist sie also ihren Ermittlungspflichten nachweisbar nicht nachgekommen.

Sowohl bei Würdigung eines jeden einzelnen Punkts hier sowie bei Würdigung aller bisher vorgetragenen Punkte – alternativ also ebenso wie kumulativ berücksichtigt – lässt das Zwischenfazit an dieser Stelle keinen anderen Schluss zu, als daß die Berliner Staatsanwaltschaft im Sinne des Paragraphen 258a StGB zumindest durch Unterlassen absichtlich oder wissentlich eine Strafverfolgung des beschuldigten Herrn Wolfgang Clement vereitelt hat. Dies gilt sowohl – wie vorgetragen – in rechtlicher wie auch in tatsächlicher Hinsicht. Doch ein letzter Punkt, der hier zu nennen und zu würdigen ist, gibt Anlass zu der Vermutung, daß die Berliner Staatsanwalt sogar durch eigenes aktives Handeln eine weitere Strafverfolgung zu verhindern versucht hat, zumindest aber dieses objektiv zu verantworten hat.

  1. Wie schon in meiner Beschwerde vom 1. Dezember ds. Js. nachgewiesen, ging mir der Einstellungsbeschluss der Berliner Staatsanwaltschaft vom 7. November ds. Js. erst am 23. November ds. Js. zu (Poststempel: 21. November ds. Js.). Das bedeutet: erst nach Ablauf der mir eingeräumten Beschwerdefrist von 14 Tagen. Wenn ich entgegen meiner sonstigen Gewohnheit in diesem Falle nicht gleich auf das angebliche Absendedatum – im Kleindruck übrigens – geblickt und – ebenfalls entgegen meiner sonstigen Gewohnheit – den Briefumschlag mit dem Datumsstempel 21.11.05 aufbewahrt hätte, wäre es mir unmöglich gewesen, durch Nachweis dieser Umstände auch die  fristgemäße Versendung meiner Beschwerde nachweisen zu können. Ich wäre also objektiv meines Rechts beraubt gewesen, überhaupt noch gegen den Einstellungsbeschluss Beschwerde einlegen zu können. Und dies trifft, wie ich inzwischen von zahlreichen anderen Bürgerinnen und Bürgern erfahren habe, die gegen Herrn Wolfgang Clement Strafanzeige wegen Volksverhetzung und der anderen Delikte erstattet haben, auch bei ihnen ohne Ausnahme zu. Es liegt also offenkundig kein einmaliges  Versehen  vor,  dass  ich  den  Einstellungsbeschluss der Berliner Staatsanwaltsschaft mit dieser enormen Verspätung erhalten habe, sondern es handelt sich offenkundig um ein systematisches Vorgehen, für das ausschließlich die Berliner Staatsanwaltschaft die Verantwortung trägt.  Außer Zweifel steht daher, dass zumindest objektive Wirkung dieser Zeitdifferenz zwischen – angeblichem – Absendedatum und Eingangsdatum des Einstellungsbeschlusses im Normalfall gewesen wäre, durch Verhinderung einer rechtmäßigen Beschwerde innerhalb des eingeräumten Beschwerdezeitraums auch eine weitere Strafverfolgung dieser Sache aufgrund einer Beschwerde zu verhindern!

Da es vollkommen ausgeschlossen ist, dass in allen mir bekanntgewordenen Fällen die Post schuld ist an der – scheinbar – langen Laufzeit dieser Briefe mit dem Einstellungsbeschluss, bleiben nur die beiden folgenden Alternativen zur Erklärung dieser Zeitdifferenz zwischen angegebenem Absendedatum dieser Briefe und deren tatsächlichem Eingangsdatum beim Empfänger übrig:

Entweder sind in meinem Falle – wie in allen anderen mir bekanntgewordenen Fällen – die Einstellungsbeschlüsse der Berliner Staatsanwaltschaft zurückdatiert worden – und zwar in meinem Falle zumindest so, dass bereits am tatsächlichen Versendetag dieses Einstellungsbeschlusses durch die Poststelle der Berliner Staatsanwaltschaft die Beschwerdefrist  abgelaufen war;

oder in meinem Falle – wie in allen anderen mir bekanntgewordenen Fällen – sind die Einstellungsbeschlüsse der Berliner Staatsanwaltschaft von dieser Behörde zurückgehalten worden – mit objektiv der gleichen negativen Auswirkung auf meine/unsere Möglichkeit, dagegen noch fristgemäß Beschwerde einzulegen.

Beide einzig denkbaren Alternativen aber – Zurückdatieren oder Zurückhalten der Briefe – laufen objektiv auf Strafvereitelung im Amt durch aktives Handeln hinaus – nämlich durch objektiv von der Staatsanwaltschaft zu verantwortende Erschwerung oder Verhinderung  einer weiteren Strafverfolgung  durch Erschwerung oder Verhinderung der Mögichkeit, noch nachweisbar innerhalb der vorgegebenen Frist – rechtzeitig und damit rechtswirksam – Beschwerde gegen diesen Einstellungsbeschluß einlegen zu können.

Keinesfalls konnte und durfte die Berliner Staatsanwaltschaft darauf bauen, dass sämtliche Empfänger rechtzeitig auf das – angebliche – Absendedatum im Briefkopf achten, um den Briefumschlag mit dem korrigierenden Poststempel zur Beweissicherung aufbewahren zu können. Im Gegenteil: Bürgerinnen und Bürger müssen darauf vertrauen dürfen, dass ihnen Post von Behörden auf korrekte Weise zugesandt wird – insbesondere dann, wenn es um Ermöglichung oder Verhinderung von Fristwahrung geht wie im vorliegenden Fall und in der unmittelbaren Folge davon um die Frage, ob Strafermittlungen eingestellt werden oder im Beschwerdefall ggf. weiterzubetreiben sind. Daß ein Einstellungsbeschluss wie in meinem Fall erst nach Ablauf der Beschwerdefrist von der betreffenden Behörde postalisch auf den Weg gebracht wird, stellt also eine grobe Amtspflichtsverletzung mit der bezeichneten objektiven Wirkung dar, eine weitere Strafverfolgung zu verhindern. Dieser von der Berliner Staatsanwaltschaft zu verantwortende Vorgang legt im Zusammenhang mit der Tatsache, dass meiner bisherigen Kenntnis nach allen Empfängern dieser Einstellungsbeschlüsse gegenüber so verfahren worden ist, den dringenden Tatverdacht nahe, dass wir es hier mit einem aktiven Versuch zu tun haben, weitere  Strafermittlungen und damit Strafverfolgung in der angezeigten Sache auf diesem Wege zu verhindern.

Ich beantrage aus all diesen Gründen – unter Einschluss der bereits in den vorangegangen Schreiben mitgeteilten Fakten und Argumente –, dass Sie die Strafermittlungssache gegen Herrn Wolfgang Clement wiederaufnehmen und daß Sie gleichzeitig Strafermittlungen einleiten gegen die Berliner Staatsanwaltschaft wegen Strafvereitelung im Amt.

Mit freundlichen Grüßen

Holdger Platta

 

Anzeigen von 2 Kommentaren
  • Freiherr von Anarch
    Antworten
    …ergo, nach geltender deutscher Rechtsprechung garantiert – könnte ich alle Mitglieder dieses Bundestages als Politikverbrecher bezeichnen – beschuldige oder beleidige ich doch nicht einen Einzelnen, sondern die gesamte Masse dieser Politikverbrecher und würde straffrei bleiben.

    Ein Trugschluss mit fatalen Auswirkungen für mich wärs dann –

    der Staat BRD würde mich höchstselbst als solcher verklagen und ich würde im Knast landen.

    Genau dieses Bollwerk des Messens mit zweierlei Maß in angeblich geltendem Recht für Alle ( Verfassung ) und das daraus folgende Nicht-Zugestehen von Recht für mich als einem aus der Zivilgesellschaft, kenne ich zur Genüge. Da wird dir deutlich vor Augen geführt und genau das sollst du auch spüren, dass das ‚Recht‘ immer dehnbar im Sinne des Schutzes der Politikvertreter ist.

    Und wenn es dann eben sein muss, wird auch das Verfassungsgericht immer die Politik schützen, allenfalls mal mit einem Augenzwinkern ermahnen.

    Ein Rechtsstaat ist die BRD nicht !

    Aber Bravo trotzdem und erst recht für diese unnachgiebige Entschlossenheit für Gerechtigkeit, auch wenn eine solche ausbleibt wenn man die Macht mit Bezugnahme auf eigentlich verbrieftes Recht angreift.

     

     

     

     

     

  • Hartz_tötet
    Antworten
    Diese Hartz-Pest hat mich viele Jahre meines Lebens gekostet.
    Offener Vollzug mit entsprechender Isolation.

    Kein Weg, keine Chance da rauszukommen, Terror durch das Amt.

    Das nach jahrzehntelangem Arbeitsleben mit hoher Qualifikation, die erarbeiteten Rücklagen wurden durch das JC ausgeplündert.

    Besonderer Dank gilt Gaz-Gerd, Clement, Müntefering, Fluschi, Merkel und vielen anderen.
    Schön für euch, dass ihr noch frei rumlauft.

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