Zur neuen ND-Politik: innerstaatliche Aufrüstung statt Armutsbekämpfung

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

177. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Erheblich bessere Nachrichten diesmal zu unserer Hilfsaktion. Weitere gute Nachrichten auch, was unsere nächsten Unterstützungsprojekte betrifft. Und: bedrohliche Nachrichten aus Hellas, das auf neue Polizeieinheiten setzt statt auf Beseitigung der Not im eigenen Land.  Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

so ist das halt: bei unserem Spendenzugang gibt es immer wieder ein Auf und Ab. Hatten wir in der Vorwoche für die GriechInnenhilfe leider ein Nullergebnis verzeichnen müssen, sah das in den vergangenen sieben Tagen schon wieder ganz anders aus: in der letzten Woche gingen 420,- Euro auf unserem Spendenkonto für „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ ein, überwiesen von 3 SpenderInnen an uns. In einer Woche unmittelbar vor dem Monatswechsel ein außerordentlich gutes Ergebnis! Und mit dem Dank, den wir OrganisatorInnen den UnterstützerInnen aussprechen, ist auch die Zuversicht gewachsen, dass unsere Hilfsaktion wieder Boden unter den Füßen bekommt.

In diesem Zusammenhang nochmal ein Querverweis auf die gleichzeitig laufende Spendenaktion für HdS. Ich schrieb es ja schon, mehrfach sogar, dass Hilfe für HdS indirekt  auch Absicherung für unsere GriechInnenhilfe ist. Begründung (Ihr erinnert Euch): ohne Gewährleistung des Fortbestandes von HdS – des nahezu einzigen, jedenfalls wichtigsten „Werbeträgers“ für „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ – wäre eben auch unser kleiner, bescheidener Kampf gegen extremste Auswirkungen von Armut und Elend in Griechenland gefährdet. Und deshalb kann ich mir zumindest vorstellen, dass manche unter Euch jetzt erstmal die Weiterexistenz von HdS absichern wollten. Wobei hinzukommt, dass HdS wie GriechInnenhilfe ganz gewiss nicht von den Millionären in unserem Land (wie auch in Österreich und in der Schweiz) unterstützt werden. Konkret also:

Auch Ihr – wir erahnen es, wissen es zum Teil auch! – zählt nicht zu den Begüterten, zu den Superreichen auf diesem Erdball. Um so größere Anerkennung verdient Eure Hilfe, egal, in welchem Topf diese Hilfe zu registrieren ist. Und wenn ich feststellen darf, dass im Zeitraum nach meinem Aufruf zur Spendenhilfe für HdS – sicherlich nicht nur durch diesen veranlasst – mittlerweile fast genau 1.500,- Euro auf dem Hilfskonto für unsere Website eingegangen sind, verstärkt sich dieser Eindruck noch. Ausnahmsweise also: an dieser Stelle Dank auch einmal für die große Unterstützung, die www.hinter-den-schlagzeilen.de zugutekam (und weiterhin zugutekommt)! Ein bisschen stellt es schon eine Besonderheit dar, dass eine Website wie die unsere derart eindrucksvolle Zeichen des Beistands erfahren darf. Nochmal also: Dank auch für diese Signale der Solidarität!

Was nun die von uns betreuten Menschen in Griechenland betrifft, so kann ich heute die Informationen aus meinem letzten Bericht um einige neue ergänzen:

Zunächst, Nikoletta auf der Insel Tinos werden wir vor dem Rauswurf aus ihrer Wohnung bewahren können. Knapp 300,- Euro reichen da bis auf weiteres aus. Aber wir werden Nikolettas Situation auch nach diesem Hilfseinsatz in letzter Minute nicht aus den Augen verlieren.

Für den jungen Mann aus Argalasti, der an einer Asbestlunge erkrankt ist, liegen genauere Bedarfszahlen bis zur Stunde noch nicht vor. Aber auch in seinem Fall wird für uns Beistand möglich sein.

Weiterlaufen wird auf jeden Fall auch unsere monatliche Hilfe in der Höhe von 200,- Euro für Panagiota K. mit ihren drei Töchtern in Megara.

Schließlich werden wir auch imstande sein, die weitere Versorgung mit Diät-Lebensmitteln für den Jungen Dionysis sicherzustellen. Ich erinnere daran: Kosten, die von der IKA, der staatlichen Krankenkasse in Griechenland, nicht übernommen werden. Auch hierzu erfahren wir demnächst noch den genaueren Geldbedarf.

Und zum Abschluss für heute, was unsere Hilfsaktionen in Griechenland betrifft: auch zahlreichen verarmten Menschen auf der Insel Andros werden wir weiterhin helfen können. Hier wird der Hilfsbetrag für die zumeist sehr alten Menschen, oft bettlägrig, also erkrankt, aller Voraussicht nach mit rund 500,- Euro zu veranschlagen sein. Oft wird es bei ihnen um die Beschaffung von Hygieneartikeln gehen (die ebenfalls die Krankenkasse in Griechenland nicht übernimmt).

Was erneut bei all diesen Hilfserforderlichkeiten ins Auge fällt: oft, sehr oft geht es um Beistand, der (verarmten) und erkrankten Menschen helfen soll. Was – nicht zum erstenmal – vor Augen führt, dass die Gesundheitsversorgung in Griechenland ganz grundlegend versagt. Ein Trauerspiel, das um keinen Deut besser wird, wenn man sich anschaut, wofür die neue Regierung der „Nea Dimokratia“ (ND) stattdessen und zuallererst Unmengen von Geldern ausgeben wird, Gelder, die vor allem der innenpolitischen Aufrüstung dieses Landes dienen sollen. Ich greife nur einige Beispiele heraus. Sie zeigen allesamt, daß Kyriakos Mitsotakis, der neue Ministerpräsident, vorrangig politische Gegner im eigenen Land bekämpfen will, und zwar bekämpfen will auch mit mehr Polizeigewalt.

Augenfällig ist diese Tatsache seit einigen Tagen schon, zumindest in Athen, der Hauptstadt Griechenlands. Vermehrt sieht man schwerbewaffnete Polizeieinheiten durch die Straßen patrouillieren. Ganz so, als stünde dort unmittelbar ein Aufstand bevor – wovon natürlich nicht die Rede sein kann.

Hinzukommt, dass diese neue Regierung das sogenannte „Universitätsasyl“ in Griechenland abschaffen will, ein Erbe aus dem Widerstand gegen die Militärdiktatur nach 1974. Keine der bisherigen Regierungen hatte es gewagt, diesen Schutz der griechischen Universitäten vor Polizeieinsätzen in Frage zu stellen, seit dem Aufstand am Polytechnio in Athen gegen das Obristen-Regime im Jahre 1973 nicht. Doch damit nicht genug. Auch finanziell – wie bereits angekündigt – ist diese Kehrtwende der Politik den neuen Herrschern in Griechenland einiges wert:

Bis zum Ende dieses Jahres sollen 1.500 neue Polizeistellen geschaffen werden. Ein Land, das vor allem Armutsbekämpfung zu betreiben hätte, setzt stattdessen auf neues Personal, auf neue Uniformen, auf neue Waffen bei der Polizei!

Auch die berüchtigten DELTA-Einheiten – berüchtigt gewesen für ihre Brutalität, abgeschafft worden von der SYRIZA, immerhin das – sollen neu aufgestellt werden. Wofür eigentlich? Und schließlich:

Auf dem Programm der neuen Regierung steht auch der kostspielige Bau neuer Hochsicherheitsknäste. Worauf dies alles zielt? – Nun, auf eines sicherlich nicht: darauf, anzugehen gegen Armut und Elend im Land, anzugehen gegen die marode Verfassung des gesamten griechischen Gesundheitssystems. Statt Bekämpfung der Not scheint Bekämpfung politischer Gegner – auch mit Polizeigewalt – im Mittelpunkt der neuen Regierungsprogrammatik zu stehen.

Wozu auch die Äußerung des neuen Ministers für die öffentliche Ordnung, Michaelis Chrisoxoides, passt, nämlich, Exarchia, das linke Stadtviertel in Athen, mit dessen spezifischen politisch-kulturellen Infrastruktur beseitigen zu wollen. Nicht auszuschließen ist: zumindest dort, in den oft auch anarchistisch geprägten Wohnvierteln der Stadt, steht eine Phase massivster Polizeieinsätze bevor. Hatten das wirklich die ND-WählerInnen am Tag der Parlamentswahlen, am 7. Juli des Jahres, so gewollt?

Selbst die brave „Griechenland Zeitung“ (GZ) kommentierte in ihrer letzten Ausgabe von 24. Juli 2019 die Ernennung dieses neuen Ministers für öffentliche Ordnung Michaelis Chryssochoidis (so die Rechtschreibung seines Namens dort) mit den folgenden Worten:

„Dieser Schachzug ist kaum als Öffnung zum Spektrum Mitte-Links zu interpretieren. Eher dürfte Mitsotakis damit ein Law-and-Order-Signal an die von ihm zum Staatsfeind hochstilisierte autonome und linksextremistische Szene senden wollen.“

Und vielleicht passt ja auch diese Äußerung ins Bild, das sich in zunehmendem Maße in Griechenland abzuzeichnen beginnt. Der ebenfalls neue Minister Adonis Georgides, zuständig für „Wachstum und Investitionen“, gab in einem Interview mit dem paneuropäischen Fernsehsender „Euronews“ bekannt, Griechenland wolle sich zum „unternehmerfreundlichsten Land der EU“ entwickeln. Eine Prognose, die Bundeskanzlerin Angela Merkel, auf ihrer letzten Pressekonferenz vor der Sommerpause am 19. Juli, mit dem Satz kommentierte: sie erwarte, dass die neue Regierung „noch mehr Wachstum und Entfesselung der Wachstumskräfte in Griechenland mit sich bringt“.

Man gewinnt den Eindruck: diese neue griechische Politik ist durchaus gut „embedded“ – gut eingebettet – in die europäische Griechenland-Politik. Hüben wie drüben also: Hilfe für die Menschen ganz unten kommt in keiner dieser Planungen vor. Was interessiert der drohende Wohnungsrauswurf einer Nikoletta auf Tinos? Hauptsache, man räuchert irgendwelche Szenekneipen in Exarchia aus! Was interessiert die Not des Jungen Dionysis? Hauptsache, man betreibt wieder unternehmerfreundliche Politik! Was interessieren die armen und alten und kranken Menschen auf Andros? Hauptsache, durch Athen marschieren wieder Polizeikolonnen!

Es sage am Ende keiner, er hätte das alles nicht von Anfang an wissen können…

Erneut also zum Abschluss mein Aufruf zu Spenden für unsere Hilfsaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“:

Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ auf das Konto:

Inhaber: IHW

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49

BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Und wer, wie gesagt, noch etwas mehr tun will: auch unser gemeinnütziger Verein, die „Initiative für eine humane Welt (IHW) e.V.“, ist immer wieder erneut auf neue Hilfsgelder angewiesen, zur finanziellen Absicherung unserer Arbeit ganz generell. Diese Spenden bitte dann an dasselbe Konto, wie oben angegeben, jedoch mit dem Stichwort „GR-IHW“ versehen. Es sei wiederholt: wir würden uns riesig auch über diese Unterstützung freuen.

Mit herzlichen Grüßen wie stets

Euer Holdger Platta

Kommentare
  • Volker
    Antworten

    Sie zeigen allesamt, daß Kyriakos Mitsotakis, der neue Ministerpräsident, vorrangig politische Gegner im eigenen Land bekämpfen will, und zwar bekämpfen will auch mit mehr Polizeigewalt.

    Das war abzusehen und betrifft nicht nur Griechenland, um Widerstand zu brechen. Und: wie bricht man Widerstand? Durch Gewalt! Dass sich dabei Mittäter rekrutieren lassen – kleine Fische im System – , die sich anpassend an das System anschmiegen, um diesem System zu dienen, mit der Waffe in der Hand, oder aus politischer Legitimation heraus, diese Bereitschaft dazu lässt sich verständlich nicht mehr erklären.

    Oder doch, nur wie und weshalb?

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