„Zwei-Drittel-Gesellschaft“ in Griechenland? – Abschied von einem allzu freundlichen Begriff

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

205. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Erneut ist großer Dank zu sagen den SpenderInnen unter Euch! Wobei mir dieses Mal ganz besonders am Herzen liegt, das auf sehr intensive und differenzierte Weise zu tun. Und zum anderen wichtig: ein weiterer Blick auf Griechenland, der – Dank neuester Zahlen – noch deutlicher als vorher zeigt, wie gespalten dieses Land ist. Und: wie schlecht es um die Verhältnisse in diesem Land bestellt ist, viel schlechter noch, als ich bislang zu formulieren vermochte! Eine Selbstkorrektur also… Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

gerne beginne ich auch meinen heutigen Bericht zu unserer GriechInnenhilfe mit einer positiven Nachricht!

Schon in der letzten Woche durfte ich Euch über ein gutes Spendenergebnis informieren – Zeichen offenbar für einen anhaltend stabilen Trend, was Eure immense Hilfsbereitschaft betrifft. Von 490,- Euro durfte ich Euch da unterrichten, die auf unserem Spendenkonto eingegangen waren, überwiesen von 4 SpenderInnen an uns – und in den sieben Tagen davor hatten uns 9 UnterstützerInnen sogar mit 817,- Euro an Hilfsgeldern bedacht. Sicherlich ging das auch darauf zurück, dass ich in dem Bericht davor von einem besonders alarmierenden Fall zu unterrichten hatte: von Olga S., 80 Jahre alt, die urplötzlich, wegen zweier Operationen, mit Kostenforderungen in der Höhe von sage und schreibe 10.000,- Euro konfrontiert war. Weder die Krebsoperation noch die Operation eines Sehnenrisses konnte in einem staatlichen Krankenhaus vorgenommen werden, weder die Kosten für den einen noch für den anderen Eingriff hatte die Krankenkasse übernommen.

Nun also, während der letzten sieben Tage, ging erneut ein recht hoher Spendenbetrag auf unserem Hilfskonto ein: 705,- Euro, überwiesen von 5 SpenderInnen unter Euch. Darunter, es sei nicht verschwiegen, 500,- Euro allein von einer Renate H., die uns derart großzügig mit einer Spende bedachte.

Es versteht sich von selbst: wir bedanken uns sehr für diese außerordentlichen Zeichen der Solidarität, und uns allen vom Organisationsteam ist sehr bewusst, welches Vertrauen Ihr damit in unserer Arbeit setzt! Wir wissen, dass wir dieses Vertrauen zu rechtfertigen haben durch besonders gewissenhaften Umgang mit den Geldern, die Ihr uns für unsere Arbeit zur Verfügung stellt! Ich hoffe sehr, dass wir auch weiterhin diesem Vertrauen gerecht zu werden vermögen. Und dass Ihr auch weiterhin unseren Hilfsaktionen einschränkungslos werdet zustimmen können. Nicht zuletzt auch aus diesen Gründen heraus versuche ich ja, immer wieder sehr präzise über die Menschen zu berichten, denen wir zu helfen versuchen (und auch zu helfen vermögen!), nicht zuletzt deswegen schildere ich immer wieder auch die qualvollen Bedingungen, unter denen Millionen von Menschen heute in Griechenland zu leben haben. Heute wird, an späterer Stelle, sogar noch von einer Korrektur die Rede sein, von einer Korrektur, die uns die Verhältnisse in diesem drangsalierten Mittelmeerstaat noch dramatischer darstellen wird, als es bislang von meiner Seite aus geschehen ist.

Zuvor aber noch eine andere Bemerkung:

Natürlich, „Großspenden“ sind von besonderer Wichtigkeit für uns, ich bitte das zu verstehen. Wo die Not von immenser Größe ist, da sollte und müsste auch Hilfe von immenser Größe sein – ‚eigentlich‘. Und Hilfe, das ist in diesem Falle einfach so, Hilfe muss eben auch materielle, muss finanzielle Hilfe sein. Wer seine Stromrechnungen nicht mehr bezahlen konnte, der benötigt zuallererst Geld, um weiterhin sicherstellen zu können, dass er auch fortan seinen Haushalt mit Strom versorgen kann. Gleiches gilt für den Haushalt, wo das Wasser abgestellt werden soll, weil der Mieter die Rechnungen dafür nicht mehr bezahlen konnte. Helfen, das hat in diesen Fällen nicht nur mit guten Worten und mit Empathie zu tun, Helfen, das hat in solchen Fällen immer auch mit Geld zu tun, das aushelfen und schlimmster Not vorbeugen soll. Und, jawohl, „großes“ Geld stellt, in dieser Perspektive, auch größere Hilfsmöglichkeit dar. Aus dieser geradezu ordinären Wirklichkeit können wir nicht aussteigen wie aus einem peinlichen Sachverhalt. Aber bitte glaubt uns:

Unser Respekt vor den „kleinen“ Spenden fällt deswegen keinesfalls kleiner aus! Um so weniger, da wir wissen – von manchen jedenfalls –, dass unter diesen Spenderinnen und Spendern nicht wenige sind, die selber zu „knappsen“ haben, Spender und Spenderinnen, die in dieser großartigen Bundesrepublik mit seinem Menschenverelendungswerk Hartz-IV selber mit Geldnot zu kämpfen haben. Unsere Wertschätzung für Eure Hilfen bemisst sich also nicht nach Euro und Cent! Und unser Dank ebenfalls nicht!

Voller Dankbarkeit zitiere ich deshalb an dieser Stelle aus dem Gedicht, das ein Leser unter Euch unter anderem zu unserer GriechInnenhilfe geschrieben hat – gestern veröffentlicht auf HdS in der Lyrikreihe Auf Seiten der Menschlichkeit –, aus einem Gedicht, das uns einen „Luxus-Träumer“ vorstellt, dessen Wunscherfüllungsfantasien im Traum nichts anderes sind als die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums: „Er lebt im Schlaf wie ein Mensch,/ der sogar im Wachen noch ein Mensch ist“. Unter Euch sind viele solcher Träumer, denen es nur im Schlaf so einigermaßen gut geht, nicht aber im wirklichen Leben, und dennoch befähigt bleiben, mitmenschlich zu handeln auch im Wachzustand! Allen also unser Dank: den Groß- und Kleinspendern, den Spendern, die im Großen groß sind, und den Spendern, die auch im Kleinen groß sind!

Sprach ich vorhin von einer Korrektur, die erforderlich ist? Von einer Korrektur an meinen bisherigen Berichten, die das Elend in Griechenland eher noch beschönigt als wahrheitsgetreu auf den Punkt gebracht haben? Hier nun diese Richtigstellung, mit kurzem Rückblick vorweg:

Des öfteren sprach ich in den letzten Monaten von einer „Zwei-Drittel-Gesellschaft“, die sich in Griechenland zu etablieren beginnt (seit dem Regierungsantritt von Kyriakos Mitsotakis im Sommer des letzten Jahres stärker denn je!). Ihr wisst, was damit gemeint war, und Basis dieser Einschätzung waren ja auch zahlreiche Berichte, die mir aus Griechenland zugegangen sind: dem oberen Drittel der Menschen in Griechenland geht es verdammt gut, einem mittleren Drittel kann man immerhin noch ein Leben in Sicherheit und Wohlstand bescheinigen, lediglich das untere Drittel – etwa 3,5 Millionen Menschen in Griechenland – hat bereits ein Leben in Not zu leben, ein Leben, das mit Fug und Recht als ein Leben – mindestens das – in Armut bezeichnet werden muss. Hier nun die Korrektur, und ich beziehe mich dabei auf eine Veröffentlichung der „Griechenland Zeitung“ (GZ) vom vergangenen Mittwoch, vom 12. Februar, auf einen Kurzbericht, der den Leserinnen und Lesern folgende Zahlen aus einer Statistik der OECD – der überstaatlichen „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ – mitzuteilen hatte (Zahlen, nebenbei, die vom „Griechischen Industrieverband“ SEV in Griechenland veröffentlich worden sind – von einer Organisation mithin, die keinesfalls als irgendwie „links“ zu bezeichnen wäre):

Nun, dieser Meldung aus der GZ zufolge leben mehr als zwei von drei Griechen, nämlich 68,3 Prozent, inzwischen „unterhalb oder knapp oberhalb der Armutsgrenze“. Das bedeutet: „meine“ Zwei-Drittel-Gesellschaft zeigt in Griechenland längst schon ein ganz anderes Gesicht. Es ist nicht ein Drittel der Bevölkerung, dem es in Griechenland schlecht geht, es ist lediglich ein Drittel noch, dem es in Griechenland gut geht! Heißt, mit anderen Worten gesagt: was in der bürgerlichen Sozialwissenschaft als „Mittelstand“ oder „Mittelschicht“ bezeichnet wird, das gibt es in Griechenland kaum noch! Viel zutreffender scheint also zu sein, was der GZ-Redakteur Dimos Chatzichristou vor einiger Zeit als „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ in Griechenland registriert hat (ohne freilich an dieser Stelle bereits Prozentanteile genannt zu haben): ganz überwiegend gibt es in diesem Mittelmeerstaat nur noch die Armen oder Armutsgefährdeten, fast 70 Prozent aller Bewohner in Griechenland zählen zu dieser Kategorie. Und das bedeutet:

Für die meisten Griechinnen und Griechen ist nur noch ein Leben im Sinne von Überleben angesagt. Und maximal ein Drittel der Bevölkerung darf noch ein Leben führen in Griechenland, das zutreffend mit Vokabeln wie „Reichtum“ oder „Wohlstand“ belegt werden kann. Bemerkenswert freilich dabei: es gibt im wesentlichen nur noch zwei Klassen in Griechenland – einen Klassenkampf in Griechenland gibt es aber nicht. Woran dieses jedoch liegt, darüber vielleicht in einem meiner nächsten Berichte mehr! Ich glaube, einiges ist zu sagen dazu!

Und damit erneut zu meinem Aufruf zu Spenden für unsere Hilfsaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“. Also:

Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ auf das Konto:

Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Und wer, wie gesagt, noch etwas mehr tun will: auch unser gemeinnütziger Verein, die „Initiative für eine humane Welt (IHW) e.V.“, ist immer wieder erneut auf neue Hilfsgelder angewiesen, zur finanziellen Absicherung unserer Arbeit ganz generell. Diese Spenden bitte dann an dasselbe Konto, wie oben angegeben, jedoch mit dem Stichwort „GR-IHW“ versehen. Es sei wiederholt: wir würden uns riesig auch über diese Unterstützung freuen.

Mit herzlichen Grüßen wie stets
Euer Holdger Platta

Kommentare
  • Gast
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    Das Geschehen, die zunehmende Verarmung der Massen, jetzt auch in den Staaten, die zu den “entwickelten” Staaten zählen, der sogenannten ersten Welt, erinnert sehr an das, was Robert Kurz 1991 in seinem Buch “Der Kollaps der Modernisierung” prophezeit hat: Er beschrieb dort, wie sich, von der Peripherie ausgehend, die Verelendung immer weiter bis schließlich in die wohlhabenden Zentren der kapitalistischen Welt (USA, Deutschland, Großbritannien, etc.) vordringen werde.

    Offensichtlich hat er leider Recht. 

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