Zwei Gedichte – auch zu einer Hausdurchsuchung jetzt

 In FEATURED, Holdger Platta, Poesie, Politik (Inland)

Wir haben Euch schon einigermaßen umfassend informiert darüber, dass es beim Bremer Künstler Rudolph Bauer zu einer Hausdurchsuchung gekommen ist. Frühmorgens klingelten fünf Beamte an der Tür des Ex-Professors und verlangten sofortigen Eintritt. Er habe sich – so der Durchsuchungsbeschluss – der hetzerischen Nutzung von Symbolen des Dritten Reiches strafbar gemacht, außerdem der Volksverhetzung. Absurd und ungeheuerlich waren und sind beide ‚Begründungen‘ (und nebenbei: “Begründungen” für eine Hausdurchsuchung schon gar nicht!). Mich, den Künstler und Lyriker (der ich ja auch bin), hat dieses furchtbare Geschehen gleich an zwei eigene Gedichte erinnert. An mein Gedicht Untergrundfrage aus dem Lyrikband Das Blaue vom Himmel, 1983 erschienen, damals noch im Selbstverlag, sowie an Heute eine Arztpraxis und eine Anwaltskanzlei, veröffentlicht im letzten Jahr beim Pop-Verlag, im Lyrikband Ruhmesblätter mit Linsengericht. Aber lest selbst, mit einigen Erklärungen jeweils vorweg. Holdger Platta

 

Nun, das erste Gedicht, die „Untergrundfrage“, geht auf folgendes Geschehnis zurück: Hans Karl Filbinger, damals, vor seinem Rücktritt 1978, noch Ministerpräsident in Baden-Württemberg, der erst später enttarnt wurde, von Rolf Hochhuth, als „furchtbarer Richter“, der für Todesurteile im Dritten Reich gegen Soldaten verantwortlich war, die sich dem Mordgeschehen des Zweiten Weltkrieg als Deserteure entziehen wollten, eben dieser “rechtskundige” Ex-Marinerichter aus der Nazizeit, glaubte, bei einer Bundestagsrede, damals noch in Bonn, die bundesdeutsche Öffentlichkeit mit der Lüge behelligen zu dürfen, dass Menschen, welche die „Vergesellschaftung von Produktionsmitteln“ forderten, nicht „auf dem Boden des Grundgesetzes“ stünden. Das mit dem „Boden des Grundgesetzes“ war damals eine beliebte Formel, die gegen uns APO-Akteure gerichtet wurde, um uns als „Verfassungsfeinde“ hinstellen zu können, obwohl in Artikel 15 Grundgesetz genau diese Möglichkeit zur „Vergesellschaftung von Produktionsmitteln“ ausdrücklich als Menschenrecht festgehalten worden ist.

Dieser Herr aus Baden-Württemberg, der seine Dienste für den NS-Staat mit dem Satz zu rechtfertigen versuchte „Was damals Recht war, kann heute nicht unrechtens sein“, dieser Lügner am Rednerpult des Bundestages, schien keinerlei Ahnung von unserem Grundgesetz zu haben. Stattdessen schien dieser Herr Filbinger aber angetrieben zu sein von dem Wunsch, uns, die eigentlichen Wahrer und Vertreter unserer Verfassung, fertigmachen und diffamieren zu wollen. Heute nun scheint dem Bremer Künstler Rudolph Bauer, dem um unser Grundgesetz besorgten Staatsbürger, das Gleiche widerfahren zu sollen: Wieder soll ein Wahrer unserer Verfassung an den Pranger gestellt werden, wieder soll ein Warner, der um die Aufrechterhaltung unseres Grundgesetzes besorgt ist, seinerseits der eigentliche Gesetzesbrecher sein, der Kriminelle, der sogar eine völlig illegitime Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen muss. Unfasslich für viele andere, unfasslich auch für mich!

Hier nun das erste Gedicht, in dem ich diese Anmaßung damals einzufangen versuchte, unser Grundgesetz besser begriffen zu haben als wir, diese Doppelzüngigkeit von Menschen, die vorgaben, im Namen unseres Grundgesetzes zu sprechen und zu handeln, in Wahrheit aber den für sich reklamierten „Boden des Grundgesetzes“ selber verlassen hatten oder zu verlassen drohten:

 

 

Untergrundfrage

 

 

Auf dem Boden

des Grundgesetzes

stehn wir

ja gern.

 

Aber was

fangen wir

mit dem doppelten Boden

 

seiner Auslegungen an?

 

 

Ihr werdet verstehen, dass aber auch ein zweites für mich unausweichlich war: Als ich von der Hausdurchsuchung bei Rudolph Bauer zum ersten Mal hörte, fiel mir sofort mein eigenes Gedicht zu einer Hausdurchsuchung ein, die vor vielen Jahrzehnten in Deutschland stattfand, in einem Haus, das mir heute noch vor Augen steht, jedes Mal, wenn ich von einer Hausdurchsuchung hören muss. Selbstverständlich: was den Juden damals drohte, Deportation und Tod, das droht den heutigen Opfern einer Hausdurchsuchung nicht. Aber Bruch mit den Menschenrechten stellt beides dar: die Aktion der Nazi-Schergen damals ohnehin, aber auch die Aktion der ehrenwerten Justizbeamten von heute. Im Sinne von Sorge und Warnung, im Sinne von Angst und Erinnerung, im Sinne von entschiedenster Parteinahme für unser Grundgesetz auch dieses zweite Gedichtbeispiel noch. Es wäre gut, überaus gut, wenn auch dieses Gedicht so manchen erreichen würde, der vielleicht bislang von solcher Lyrik nicht erreichbar war. Und im konkreten Falle jetzt wäre natürlich besonders gut, wenn sogar die Behördenvertreter im Bremer Stadtstaat (wo nach wie vor Sozialdemokraten und Grüne das Sagen haben) ihrem Treiben unverzüglich ein Ende setzen würden. Rudolph Bauer, auf dessen Seite wir uns hiermit stellen, möge es als unser kleines und überaus bescheidenes Zeichen der Solidarität und Mitmenschlichkeit empfinden und sehen:

 

 

Heute eine Arztpraxis und eine Anwaltskanzlei

 

 

Das Haus hinter der düsteren Mauer und den Büschen

ist so alt, als wolle es eine Geschichte erzählen.

Von einem Mann, der bleich in einer Küche auf und ab geht,

vom Donnern der Kanonen beim Hafen hinter dem Horizont,

vom Fenster, hinter dem sich die Nacht des Winters 1943 verbirgt.

 

Dann das schwarze Auto, das vor dem Haus hält,

ohne Beleuchtung, die Männer, die aussteigen in langen

ledernen Mänteln. Schritte, am Haus vorbei, zum Hintereingang.

Die Teppichstange, kaum zu erkennen, der Himmel mit

den Scheinwerfern unter den Wolken, irgendein Rascheln im Gebüsch.

 

Plötzlich Säuglingsgeschrei vom ersten Stock her und das Scheppern

eines Kübelwagens von der Straße oben zwischen Mülheim und Duisburg.

Die Männer hören Stimmen im Haus, Schritte, dann einen weiteren Schrei.

Drei gezogene Pistolen hinter dem Haus, und im Wohnzimmer

der alten Villa zwei zerbissene Kapseln.

 

Einen Tag später montiert man das Namensschild

vom Pfeiler vor dem Hausgrundstück ab. Bernstein. Heute

ist dort eine Arztpraxis untergebracht, außerdem eine Anwaltskanzlei.

 

 

 

 

Kommentare
  • Freiherr
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    ..” Staatsschutz ” ! – mit SS wäre der WIEDER abzukürzen, nun da die “Regierungs”- Neo-Neofaschisten wie einst die SA nach Belieben in private Räume eindringen und dabei Angst und Schrecken verbreiten, was ja die Absicht ist, einer rechtlichen Grundlage bedfarf es nicht in einem Gewalteneinheitsregime welches das RECHT mal ganz einfach so ausser Kraft gesetzt hat.

    Sehr passend Deine Dedichte. lieber Holdger, auch eine Breitseite gegen diesen Unrechtsstaat.

    An diesem ” Fall ” Rudolph Bauer, der ja kein Fall wäre wenn das Grundgesetz noch Geltung hätte, offenbart sich das Unrecht schlechthin und wie viel Angst müssen diese Regierungsfaschisten haben wenn sie einen besorgten Bürger derart entrechten.

    Aber – an so einem ” Fall ” offenbart sich der Faschismus auch, deutlicher dann kaum mehr zu erkennen.

    Wäre dieses Land der Deutschen nicht auch ein Land der obrigkeitshörigen Hasenfüße, wäre diesem neuerlichen Terrorspuk schnell ein Ende bereitet, aber….

     

     

     

     

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