Zwischen Corona-Bewältigung und ökonomischem Niedergang

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

Leere in Griechenlands Tourismus-Einrichtungen

Griechenland erneut Objekt europäischer Gleichgültigkeit. 216. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Es gibt durchaus Gutes zu berichten aus Griechenland: das Land scheint erfolgreich zu sein bei seinem Kampf gegen die Corona-Epidemie. Aber was widerfährt diesem Land gleichzeitig in sozialer und in ökonomischer Hinsicht? Und die Frage aller Fragen: was unternimmt Europa, um sich einem erneuten Absturz Griechenlands in den Weg zu stellen? Antworten dazu in meinem neuesten Bericht. Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

verhaltenes Fazit beim Spendenertrag für unsere GriechInnenhilfe zu Beginn des Monats Mai: 6 UnterstützerInnen überwiesen 310,- Euro an uns. In der Vorwoche waren das – überraschende – 600,- Euro gewesen, die uns ein einziger Spender zukommen ließ. Gleichwohl:

Auf unserem Hilfskonto haben sich inzwischen wieder knapp 3.000,- Euro angesammelt, Neubedarf an Finanzhilfen für die von uns betreuten Notleidenden in Griechenland besteht derzeit noch nicht, auch fließen die Gelder, die kontinuierlich für unsere Hilfsbedürftigen aufgebracht werden müssen – für Mietzahlungen etwa –, bislang ungehindert nach Griechenland. Fazit also: Notstand bei unserer Nothilfe ist im Augenblick noch nicht zu vermelden. Und ich darf deshalb ungetrübt Dank sagen allen Spenderinnen und Spendern, die uns auch in den vergangenen sieben Tagen unterstützt haben.

Ansonsten zeigte die Situation in Griechenland während der letzten Tage ein doppeltes, ein widersprüchliches Bild. Fangen wir mit den positiven Nachrichten an.

Was die bisherige Bewältigung der Corona-Krise in diesem Mittelmeerstaat betrifft, sind zahlreiche Beobachter des Lobes voll – und falls den Zahlen zu trauen ist, bestätigen auch die Fakten diesen positiven Befund.

Die Anzahl der Neu-Infizierten ist in Griechenland kontinuierlich gesunken. Gab es im März an manchen Tagen noch mehr als 100 neu-festgestellte Corona-Infektionen pro Tag, so ist diese Zahl inzwischen auf weit unter 30 gesunken. Am vergangenen Montag, den 27. April, wurden lediglich noch 17 Neu-Infektionen registriert – das ist die letzte, die neueste Zahl, die mir vorliegt.

Ähnlich positiv hört sich an, was die „Griechenland Zeitung“ (GZ) am 29. April ihren LeserInnen mitzuteilen wusste: bis zu diesem Tag waren in Griechenland “nur”137 Menschen an der Epidemie gestorben – „im Verhältnis zur Bevölkerungszahl knapp sechsmal weniger als etwa in Deutschland“, so die GZ. Als infiziert wurden offiziell 2.534 Menschen gezählt, davon 600 Menschen bereits genesen.

Entsprechend positiv deswegen auch das – zum Teil weltweite – Echo auf diese Befunde aus Griechenland. So teilte die französische Denkfabrik „The Bridge“ der Öffentlichkeit mit – ich folge hier der Darstellung des Journalisten Gerd Höhler in der ZEIT vom 22. April -, dass unter zehn europäischen Ländern Griechenland „mit Abstand“ am besten abgeschnitten habe beim Kampf gegen die Corona-Epidemie. Der israelische Historiker und Philosoph Yuval Noah Harari teilte in den USA den Fernsehzuschauern mit: „Griechenland hat bei der Eindämmung dieser Epidemie einen fantastischen Job gemacht“. Und der italienische Kolumnist Ferdinand Giugliano, der insgesamt den Regierungen der westlichen Welt „politisches Versagen“ vorgeworfen hat, attestierte Griechenland, es stelle „eine erwähnenswerte und vielleicht überraschende Ausnahme“ dar. Freilich: der ZEIT-Autor Gerd Höhler verschweigt auch dieses den Lesern nicht, und ich zitierte vollständig den letzten Absatz aus seinem Bericht vom 22. April:

„Die Regierung hatte gute Gründe, schnell zu reagieren: Die Pandemie traf Griechenland zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Nach acht Krisenjahren, in denen das Land mehr als ein Viertel seiner Wirtschaftskraft verlor, ist das staatliche Gesundheitswesen in einem desolaten Zustand. Überall fehlt es an Personal. Mehr als 20.000 Ärzte sind während der Krise ausgewandert. In den Hospitälern gibt es oft nicht einmal das nötigste Material. Als die erste Infektion gemeldet wurde, verfügten die staatlichen Kliniken gerade mal über 565 Intensivbetten.“

Dies also wäre die eine Seite, von der in diesen Corona-Wochen aus Griechenland zu berichten ist: ein im Gesundheitsbereich marodes Staatswesen hat sich bis dato gut geschlagen beim Kampf gegen die Krankheits-Krise in Griechenland.

Doch andere – zum Teil äußerst bedrohliche – Fakten stehen dieser Diagnose entgegen, und diese müssen zumindest mit erwähnt werden, um ein einigermaßen vollständiges Bild von der Situation in Griechenland zeichnen zu können. Und diese Fakten betreffen vor allem die ökonomische und soziale Lage in diesem Mittelmeerstaat.

Beginnen wir – ein weiteres Mal – mit dem wichtigsten Wirtschaftszweig, mit dem Tourismus, in Griechenland. Da ist dann Folgendes zu registrieren und festzustellen (und ich erinnere daran, was ich schon in meinem letzten Bericht schrieb: ich spreche gleichsam von oben herab über die Verhältnisse im Tourismusbereich und lasse beiseite – zunächst jedenfalls -, dass es selbst zu Bestzeiten des Fremdenverkehrs in Griechenland den griechischen Arbeitskräften in Griechenland keinesfalls gut ging!):

Es wird damit gerechnet, dass im griechischen Tourismus maximal noch um die 30 Prozent des Vorjahresertrags erzielt werden können. 65 Prozent der Hoteliers befürchten, der GZ vom 29. April zufolge, eine Insolvenz. Die Jahreseinnahme aus dem Fremdenverkehr soll 2020 um 4,4 Milliarden Euro zurückgehen, und 45.000 aller Arbeitsplätze sollen in diesem Bereich „direkt“ gefährdet sein. Und da der Tourismus in Griechenland die wichtigste Wirtschaftsbranche überhaupt ist – die Zahlenangaben schwanken zwischen 21 bis 30 Prozent Anteil am griechischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) insgesamt –, kommt etwas GZ-Kommentator Dimos Chatzichristou zu dem Schluss: da der Schuldenstand in Griechenland sich immer noch auf 320 Milliarden Euro beläuft – fast 177 Prozent seines BIPs –, drohe diesem troika-traktierten Land eine neue „Schuldenfalle“. Und Journalistenkollege Gerd Höhler ergänzt in einem Artikel für die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ (HAZ) am 30. April:

Der griechische Notenbankgouverneur Yannis Stoumaras erwarte für Griechenland einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 4 Prozent, der Internationale Währungsfonds (IWF) gehe sogar von einem „Minuswachstum“ von 10 Prozent aus, und die „Analysten“ der Investmentbank Morgan Stanley befürchten sogar einen Einbruch in der Größenordnung zwischen 13,3 bis 21,3 Prozent. Was, so Höhler, für den Arbeitsmarkt „verheerende Folgen“ haben dürfte. Der HAZ-Korrespondent wörtlich: „Bereits im vergangenen Jahr hatte Griechenland mit 17,3 Prozent die höchste Arbeitslosenquote in der EU. Der IWF erwartet für dieses Jahr einen Anstieg auf 22,3 Prozent“. Und Höhler beschließt seinen Bericht: „Nach einer aktuellen Umfrage haben sechs von zehn Griechinnen und Griechen jetzt Angst um ihren Arbeitsplatz“. Ich erinnere an dieser Stelle daran, was ich Euch bereits vor einer Woche mitgeteilt hatte: dass eine Mehrzahl der arbeitenden Menschen in Griechenland nicht mal mehr weiß, wie sie die nächsten Wochen finanziell überstehen sollen: 68 Prozent aller Befragten gaben an, dass sie über kein Geld für den Lebensunterhalt mehr verfügten oder lediglich noch für zwei bis drei Wochen (von denen jetzt bereits eine Woche verstrichen ist).

Nach wie vor äußert sich die „Wertegemeinschaft“ Europa zu dieser drohenden, zu dieser neuerlichen Krise in Griechenland nicht – geschweige denn, dass es irgendwelche Beschlüsse gefasst hätte, dieses angebliche Edel-Europa, dieser Katastrophe in Griechenland Einhalt zu gebieten. Ein weiteres Mal ist totales Versagen zu registrieren, wo Hilfe aufs dringendste geboten wäre. Was bedeutet:

Mag ja sein, dass Griechenland die Corona-Krise prima bewältigen wird. Den neuen sozialen Katastrophen scheint Griechenland wieder einmal gänzlich ohne Beistand ausgeliefert zu sein. Es ist deshalb Ausdruck der Hilflosigkeit und der Hilfsbereitschaft zugleich, dass wenigstens wir, die LeserInnengemeinschaft von HdS, nicht mitmachen bei der Politik der globalisierten Gleichgültigkeit!

Nicht zuletzt in diesem Sinne rufe ich also erneut zu weiteren Spenden für unsere Hilfsaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ auf. Also:

Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“  auf das Konto:

 

Inhaber: IHW

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49

BIC: NOLADE21GOE

 

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Mit herzlichen Grüßen und allen meinen guten Wünschen

Euer Holdger Platta

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