Himmel auf Erden durch eine neue Weiblichkeit?

 In Spiritualität
Naja, Himmel auf Erden ...!?

Naja, Himmel auf Erden …!?

Wenn wir uns hier dem Thema der »Weiblichen Spiritualität« stellen, trägt uns die Hoffnung, dass Frauen durch das, worin sie wesentlich anders sind als Männer, der Welt ein anderes Gesicht geben können, eine neue, andere Prägung. Und dass wir, Männer wie Frauen, auf diese Weise gemeinsam eine andere, bessere Zivilisation begründen können – besser, als wir es in den vergangenen Jahrtausenden getan haben. Nicht mehr eine Welt voller Kriege, Naturzerstörung, Ausbeutung, Entmenschlichung, sondern eine wahrhaft humane Zivilisation. Ein soziales Miteinander, das von Liebe und Mitgefühl getragen ist mit allem, was Fell, Haut und Haare hat, was atmet, begehrt und genießen will. (Wolf Schneider, www.connection.de)

Das Pendel schwingt

Lange genug hat das Patriarchat die Frauen als Menschen zweiter Klasse behandelt. Im weitaus größten Teil der Menschheit ist das auch heute noch so. In den postmodernen Subkulturen des Westens aber gibt es einen Trend, teils nur in Andeutungen, teils mächtig anwachsend, bei dem das Pendel nun in die andere Richtung auszuschlagen scheint. Den Mädchen fällt das Lernen auf der Schule leichter, und sie heimsen bessere Uni-Abschlüsse ein. Man erwartet generell mehr Sozialkompetenz von den Frauen und mehr Teamgeist, und in den spirituellen Szenen sieht der Zeitgeist sie zudem als die natürlichen Inhaber von Herz, Intuition und Bauchgefühl, was die Männer erst noch zu lernen hätten, weil sie ja »noch« im linearen, logischen Denken gefangen seien und folglich zu sehr »im Kopf«. Erleuchtung? Während wir Männer noch darüber nachdenken und versuchen, das verlixte Koan mit dem vermaledeiten Ego zu lösen, seid ihr Frauen schon ganz ins Hier-und-Jetzt eingetaucht, Himmel und Erde vereinend, glückselig aufgelöst in der Ekstase der ewigen Gegenwart …

Stockholm-Syndrom

Doch das ist nur der Trailer zu dem Film, die Werbeshow. Der eigentliche Film ist das Drama, in dem sich die Geburt der neuen Zivilisation entfaltet, und die steckt noch in den Wehen. Tatsache ist, dass Frauen in den Machtpositionen unserer heutigen Weltordnung sich als die schlimmeren Männer erweisen können. Tatsache ist, dass Frauen millionenfach die Genitalverstümmelung ihrer eigenen Töchter unterstützen und dass sie, ähnlich wie die Geiseln der Bankräuber 1973 in Stockholm – daher der Begriff »Stockholm-Syndrom« –, oft mehr Sympathie mit ihren Unterdrückern empfinden als mit ihren potenziellen Befreiern. So verteidigen viele Frauen das, was sie demütigt und gefangen hält, und das Befreiungspotenzial der spirituellen Lehren verkommt in täglich wiederholten Phrasen zu einem Filz aus Einengung, Rechthaberei und Dogmatik.

Wir sind auf einer Baustelle

Offensichtlich befinden wir uns auf einer Baustelle. Die neue Welt, die wir uns ersehnen, ist noch nicht da. Eine Welt jenseits des Geschlechterkampfes, in der für Männer das Weibliche nicht mehr als hysterisch und überdreht gilt und Frauen nicht mehr versuchen, die besseren Männer zu sein. Mehr Margaret Thatchers und Hillary Clintons an den Schaltstellen der Macht, das wird es nicht bringen. Die Grundlage der neuen Zivilisation muss eine innere, geistige Restrukturierung sein, die weibliche wie männliche Qualitäten in ihrem Wert anerkennt, ohne die einen zu romantisieren und die anderen zu verteufeln. Eine Neuausrichtung, die weiß, dass Männer höchst empathisch und fürsorglich sein können und Frauen eminent zielstrebig und durchsetzungsfähig.

Lasst uns bereit sein

In der Mai/Juni-Ausgabe der connection äußern sich Frauen wie Männer zu diesem Thema, kritisch und hoffnungsvoll, im Bewusstsein, dass dabei noch vieles zu erforschen und praktisch zu erproben ist. Jetzt ist eine gute Zeit, damit anzufangen! Die alte Welt des Patriarchats wird vermutlich nicht so schnell zerfallen, wie der Ostblock in den Jahren nach 1989, aber das Tempo der Auflösung könnte uns doch überraschen. Besser, wir bereiten uns gedanklich und gefühlsmäßig darauf vor, haben Lösungen für die Zeit danach parat und haben bis dahin in alternativen Subkulturen schon das eine oder andere neue Lebensmodell auf Herz und Nieren geprüft!

Wolf Schneider, Jg. 1952. Autor, Redakteur, Kursleiter. Studium der Naturwissenschaften und Philosophie (1971–75) in München. 1975-77 in Asien. 1985 Gründung der Zetischrift connection. Seit 2007 Theaterspiel und Kabarett. Kontakt: schneider@connection.de

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