Ansteckende Freiheitsliebe

 In Buchtipp, FEATURED, Politik, Roland Rottenfußer

In seinem neuen Buch „Strategien der Macht“ analysiert Roland Rottenfußer die niederen Motive der Herrschaftseliten und ruft dazu auf, den verbreiteten Untertanengeist zu überwinden. Lenin sagte es ganz direkt und forderte „die Unterordnung des Willens von Tausenden unter den eines einzigen“. Aus der Perspektive eines machtbewussten Staatsführers ist diese Haltung nachvollziehbar; es befremdet aber, dass auch die Mehrheit der Unterworfenen überall auf der Welt derselben Meinung zu sein scheinen. Gerade die Coronazeit hat gezeigt, dass sehr viele in ihre Ketten geradezu verliebt waren und die Freiheit mit einem Achselzucken verabschiedeten. Wie kommt es zu dieser unheiligen Allianz zwischen anmaßenden Herrschenden und angepassten Bürgern? Dahinter steckt das dunkle Geheimnis der Macht, das über Länder- und Epochengrenzen hinweg in der Geschichte wirksam ist. Wir müssen ihm auf die Spur kommen, wollen wir die Chance wahren, ein Leben in Würde und ohne staatliche Bevormundung zu leben. Annette van Gessel rezensierte Roland Rottenfußers Buch „Strategien der Macht. Wie die Eliten uns die Freiheit rauben und wie wir sie zurückgewinnen“, das am 27. März im Rubikon-Verlag erscheint. Annette van Gessel

 

Ein Buch mit 416 Seiten statt kurzer Artikel? Als ich erfuhr, dass Roland Rottenfußer, der für Rubikon fast täglich an Artikeln arbeitet, also die Kurzform beherrscht, sich dazu entschloss, ein Buch zu schreiben, stellte sich mir die Frage: „Wie bewältigt er diese Aufgabe?“ Denn dass es sich dabei um eine gänzlich andere Herausforderung handelte, war mir klar. Doch schon einmal vorab: Er hat diese Aufgabe mit Bravour gemeistert. Ohnehin gut in Einzelbeobachtungen, die er rhetorisch dicht und mitreißend präsentiert, schafft er es auch, den großen Bogen zu spannen.

Roland Rottenfußer ist den Rubikon-Leserinnen und -Lesern sicher als Autor zahlreicher Artikel bekannt. So auch mir, denn diese habe teilweise ich Korrektur gelesen. In der Corona-Zeit schien er „sein“ Thema gefunden zu haben, produzierte er doch fast wöchentlich Texte, in denen er die Einschränkungen der Freiheit und die Duldsamkeit der meisten Menschen scharf kritisierte. Jeder Artikel machte deutlich, wie sehr ihn das Thema aufwühlte und zum Schreiben motivierte wie kein anderes zuvor. Jetzt, nach Lektüre seines Buches „Die Strategien der Macht“, weiß ich, warum. Es hängt mit seinen Erfahrungen beim Militär — dem Prototyp aller Unterdrückungssysteme — zusammen. Wie auch mit seiner Liebe zur Freiheit.

Roland Rottenfußer ist Germanist und gehört zu den Viellesern, wie ich aus etlichen Gesprächen weiß. So kennt er selbstverständlich auch die großen Machtkritiker unter den Schriftstellern wie Friedrich Schiller, Erich Fromm, Michel Foucault, George Orwell. Das folgende Zitat aus seinem Buch bringt sein Verhältnis zur Freiheit beziehungsweise Unfreiheit treffend zum Ausdruck: „Die Unfreiheit hat sich so tief in unsere Seelen gefressen, dass manche sie zwar noch als solche wahrnehmen, aber nicht wissen, wie sie sich gegen die Übermacht und Brutalität der Herrschenden zur Wehr setzen können. In Zeiten, in denen das Gleichgewicht derart zu Ungunsten der Freiheit verschoben ist, halte ich es für dringend geboten, ein Buch über die Freiheit zu schreiben.“

Etwa die erste Hälfte seines Buches widmet Rottenfußer der Macht, den Fragen: „Warum will jemand überhaupt mächtig sein, und warum unterwerfen sich so viele?“ Der zweite Teil ist dann ein großes Loblied auf die Freiheit. „Die Macht nimmt der Bürger des frühen 21. Jahrhunderts als gegeben hin — die Freiheit muss man ihm erst erklären“, schreibt er. Und das tut Rottenfußer in zahlreichen faszinierenden Varianten. Eng verbunden mit der Freiheit sind für ihn Natürlichkeit, Gesundheit, Lebendigkeit, nicht zuletzt das Erwachsenwerden im Sinne der Befreiung aus „selbst verschuldeter Unmündigkeit“. Er porträtiert auch die „Gegner der Freiheit“, die derzeit besonders starken medialen Rückenwind bekommen: Sicherheitsbedürfnis, Pflicht, ökologische Zwänge und ebenfalls die Aversion angeblich „Linker“ gegen die Freiheit. Für viele, die sich eher „links“ verorten, war während der Corona-Jahre so schmerzlich spürbar, wie schnell ihre „Genossen“ bereit waren, alle Freiheiten in einem falschen Verständnis von Solidarität aufzugeben.

Roland Rottenfußer befasst sich ernsthaft mit den Argumenten des Für und Wider einer solchen Haltung und votiert dann trotzdem „im Zweifel für die Freiheit“. Zwar führt Freiheit nicht immer zu den für die Gemeinschaft „richtigen“ Ergebnissen, sie ist aber die Grundlage dafür, dass wir in der Gesellschaft überhaupt ergebnisoffen über „richtig“ und „falsch“ diskutieren können. Macht ist für ihn ein Phänomen, das vor allem den Bedürfnissen der Mächtigen entspringt, „über Unterworfene zu verfügen“. Aus einem inneren Defizit heraus dränge es sie dazu, die eigene Person um die von ihnen dominierten Menschen zu erweitern, so seine These. Macht hat Suchtcharakter, sie will sich stets ausbreiten und vertiefen auf Kosten der verbleibenden Freiheiten vor allem der übrigen Gesellschaft. Als „Strategien der Macht“ nennt der Autor die Methoden, mit denen die Mächtigen ihre eigene Bedürfnisbefriedigung den Machtlosen „verkaufen“ beziehungsweise aufzwingen. Gelingt ihnen das perfekt, sind die Menschen auch noch „verliebt“ in ihre eigenen Ketten, wie man in den Corona-Jahren vielerorts gut beobachten konnte.

Die vielen Zitate sind ein Zeichen dafür, wie intensiv Roland Rottenfußer die Literatur gewälzt hat, als er sein Buch erstellte. Ich finde sie höchst inspirierend, denn mit ihrer Hilfe vermittelt er seine eigenen Gedanken verständlich und kraftvoll. Er scheint den Lesern zurufen zu wollen: Warum glaubt ihr denn diesen bedeutenden Geistern nicht? Warum hört ihr stattdessen auf einen Lauterbach, Drosten oder Precht? Im Buch richtet er folgende Fragen an die Leser: „Wie oft muss die Freiheit eigentlich noch in den Staub getreten werden, bevor wir nicht nur defensiv und halbherzig, sondern leidenschaftlich ihre Partei ergreifen? Wie viele Färbungen ideologischer Art, wie viele Gesichter und Masken muss Unfreiheit noch annehmen, bevor wir begreifen, dass Despotismus verachtenswert ist und dass Staatlichkeit — ja jegliche Art von Macht und Autorität — unserer wachsamen Kontrolle bedarf?“

Immer wieder findet er rhetorisch dichte Formulierungen, die sich — nach meiner Einschätzung — vielen Lesern einprägen werden. Hier schreibt niemand, der die Freiheit nur als „Sahnehäubchen“ auf dem Kuchen der Gesellschaft ansieht, wie er es seinen politischen Gegnern vorwirft. Hier schreibt ein leidenschaftlicher Freund der Freiheit. Und diese Liebe wirkt ansteckend.

Auf meine Frage, welche Absicht er mit diesem Buch verfolgt, antwortet er: „Ich wünsche mir, dass sich das Buch als Zündfunken einer neuen Freiheitsbewegung erweist.“ Viele Menschen hätten unter dem Entzug ihrer Rechte sehr gelitten. Und fährt fort: „Die Mächtigen arbeiten bereits an neuen Ideen, wie sie die Freiheit einschränken können.“

Ich wünsche Roland Rottenfußer, dass sein Buch viele Menschen erreicht, berührt und zum Handeln motiviert. Dann kann auch die „Wiedereroberung der Freiheit“ gelingen, die er in seinem Schlusskapitel skizziert.

Kommentare
  • Freiherr
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    …auf allen noch regime-kritischen und einigermaßen ( wenigstens ) noch rebellischen Medien springt mich nun Rottenfußers Hymne an die Freiheit an –

    mir solls recht sein, sehr recht sogar, denn – wer sonst vefasst derzeit ein so überaus wichtiges Werk, zu diesem wichtigsten Thema überhaupt !?

    Soll es also ein BESTSELLER werden, soll dieser Funke überspringen und soll es ein weltweiter Weckruf werden –

    zur Besinnung auf und wieder-Verinnerlichung dieses Urmenschenrechts ohne welches rein gar nichts geht, alles steht und fällt mit der Freiheit.

    Soll dieses Werk WENIGSTENS doch den Versklavten dieses Planeten moralische Unterstützungshilfe sein, den Freiheitswillen der ja immer schlummert wieder ausgraben helfen.

    Jaja – ich bin immer leicht zu euphorisieren wenn es um die FREIHEIT geht, erst recht wenn dieses Thema doch eher selten wirklich angepackt wird.

    REBELLION gegen Macht – auch in dieser „noch“ gedämpften Form ( radikaler kann es werden ), essenziell wichtig –

    also – bringt es auch in english, en francaise, auf türkisch und italienisch, mongolisch und hawaiitianisch…

    ABER – erfolgreich kann es letztlich nur sein wenn ich ein handsigniertes Exemplar bekomme ! –

    es muss durch mich, den obersten Freiheitsverteidiger quasi verifiziert werden dadurch, diese Opfer muss vollbracht werden…

    auch oder vor allem die Freiheit gibt es nicht umsonst !

    Ich wünsche Erfolg damit, zweite und dritte Auflagen – gerade jetzt wo sie uns die Freiheit endgültig ja nehmen wollen.

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

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