Christian Biribauer: Unglaublich
Unglaublich wie still alles steht
in dieser angeblich so vitalen virtuellen hektischen Welt
wo Wachstum, Fortschritt und Arbeitsplätze
tagtäglich propagiert –
aber sukzessive immer weniger funktioniert.
Warum wohl der Mensch das alles aushält?
Bald alles und alle in sich gekehrt, intern verschnürt,
geschlossene Gesellschaft, scheinbar jeden einzelnen
dahin verführt.
Unglaublich wie still alles nach außen
Nicht allein nur die Herde oder der einzelne Mensch
Sie sind wohl immer noch da – nur nicht draußen
In Schneckenhäusern bis sie niemand mehr kennt,
zur Schweigepflicht verführt –
und sich bald kaum mehr selbst gespürt.
Eingebettet sind sie – mit sich allein
oder zeitbestohlen in den Maschinen des Wachstums
beraubt der wichtigsten Facetten ihres Seins
Warum nur, warum sie’s nur tun?
Unglaublich wie still um sie alle auch die Natur –
wo sind die Vögel, Bienen und Wunder nur?
Ist das das vielgepriesene Futur?
Ist das Nutopia oder Huxley’s Utopia nur?
Gestresst von geappten Befehlen
Gehetzt von vermeintlich selbstgewählten Terminen
Zu Tode evented
Nur noch Flaches gesendet
Jeden Schiss gepostet
Bis jede Sinnhaftigkeit ist verrostet
Und keiner mehr davon kostet
Brot und Spiele
Trotzdem spürt man die Kühle
Es sind nicht mehr viele
Die haben andre Ziele.
Einseitig gelebt
Plötzlich ist so vieles verweht
Wegen des vermeintlichen Wohlstandes
So viel Menschliches verebbt
Was noch vor kurzem war existent –
Was ist das nur, das alle fängt?
Unglaublich was da eben passiert
muss wohl was andres sein das dirigiert
von wem andren inszeniert –
sonst hätt‘ man sich schon längst dafür geniert.
Unglaublich wie ruhig die Gemüter vorm letzten Tanz
stillgelegt, stillgestellt, selbst verleugnet, hirnbebrettelt –
kaum noch was ist ganz.
Entmenschlichung zugelassen
in die schöne neue Welt verführt
so lange geschwiegen
bis nichts mehr gespürt.
Ob gestresst, vertermint oder unbedient
ob outgeburnt ob outgebored
es wird kommen was verdient
ob’s sich lohnte auf diese Art –
man wird sehen – wird’s eine Befreiung oder noch mehr hart
man sitzt weiter und wart‘ und wart‘.
Unglaublich Du kannst nichts tun
Bist angeblich so frei –
Doch was ist das jetzt um Gottes Willen
denn wirklich nun??
ChriB, Oktober 2019