Dekadenz – die Wiederkehr eines Phänomens

 In FEATURED, Kultur, Philosophie, Politik

„Spätrömische Dekadenz“ bescheinigte Guido Westerwelle den Empfängern von Transferleistungen. Der Außenminister diagnostizierte richtig, jedoch bei der falschen Zielgruppe. Dekadenz (von lat. „decadere“- fallen, sinken) ist keine Epoche, sondern ein kulturelles Phänomen, das auftaucht, wann immer eine Zivilisation kraftlos wird und in eine Phase des Niedergangs eintritt. Lebensverneinung, übermäßige Verfeinerung der Sinne und Liebe zum Künstlichen können ebenso Symptome sein wie die Prunksucht einer Oberschicht, die jede Bodenhaftung verloren hat. Im 19. und beginnenden 20. Jh. standen Künstler wie Baudelaire, Wagner und Trakl für ästhetisch verbrämte Todessehnsucht. Nietzsche definierte „Décadence“ als „Übergewicht der Unlustgefühle über die Lustgefühle“, das er vor allem in der Religion verortete. Heute ermöglicht die Technik wie nie zuvor eine Flucht in virtuelle Gegenwelten. Die Maßlosigkeit des spekulierenden Kapitals ist ebenso Symptom eines Verfalls wie esoterischer Realitätsverlust und der Flirt einer ganzen Kultur mit der Selbstzerstörung.  Roland Rottenfußer

Jean Floressas Des Esseintes ist ein exzentrischer französischer Adeliger des Fin du Siècle. Der Rentier lebt vereinsamt in seinem gediegen ausgestatteten Haus in der Pariser Vorstadt. Des Esseintes fühlt fast körperlichen Ekel vor der Begegnung mit gewöhnlichen Menschen und widmet sich allein seinen erlesenen ästhetischen Interessen. Er liest die morbiden Werke Baudelaires und Poes, bewundert die schwülstige Malerei Gustave Moreaus, züchtet Orchideen und versucht mit Hilfe von Likören die Wirkung von Orchesterinstrumente auf die Sinne zu imitieren. Mit der Figur Des Esseintes hat der französische Autor Joris Karl Huismans in seinem Roman „Gegen den Strich“ den Prototyp des Décadents geschaffen. „Bewegung erschien ihm überdies unnütz. Er glaubte, dass die Phantasie leicht die vulgäre Wirklichkeit der Dinge ersetzen könne“, lautet das Credo der Romanfigur. „Übrigens schien das Künstliche Des Esseintes das kennzeichnende Merkmal des menschlichen Geistes zu sein. Er pflegte zu sagen, die Natur sei überholt; durch die abstoßende Einförmigkeit ihrer Landschaften und ihres Himmels habe sie endgültig die aufmerksame Geduld des Raffinierten ermüdet.“

Konsequenterweise zieht der feinsinnige Adelige Kunstblumen den natürlichen vor. Die Schönheit der Frauen, findet er, werde durch die der von Menschen geschaffenen Maschinen übertroffen. „Gibt es hienieden ein in den Freuden des Fleisches erzeugtes und aus den Schmerzen der Gebärmutter entstandenes Wesen, dessen Modell, dessen Typ glänzender und blendender ist als jener der beiden Lokomotiven, die auf den Linien der Nordbahn fahren?“ Sein Lebensstil führt jedoch in die nervöse Erschöpfung und zum Zusammenbruch. Huysmans Roman enthält neben vielen skurrilen Details auch eine reizvolle Analyse des „dekadenten“ Charakters. Aus einer fortschreitenden Ermüdung der Lebenskraft erwachsen eine übermäßige Verfeinerung der Sinne, Hypochondrie und Eskapismus (die Neigung, aus der realen Welt in imaginäre und künstliche Traumwelten zu fliehen). Eine besonders verlockende Gegenwelt ist die der Religion, so dass es nicht überrascht, wenn die zunächst freigeistige Hauptfigur aus „Gegen den Strich“ als frommer Katholik endet.

Gemälde von Gustave Moreau (1826-1898)

Hass auf das Natürliche

Damit illustriert die Figur Des Esseintes auch trefflich die klassische Décadence-Definition Friedrich Nietzsches, der sie vor allem aus seiner Religionskritik ableitet:  „Jene ganze Fiktions-Welt hat ihre Wurzel im Hass gegen das Natürliche (die Wirklichkeit), sie ist Ausdruck eines tiefen Missbehagens am Wirklichen.“ Schuld daran ist jedoch nicht die Realität selbst, sondern der Mensch, der sie nicht erträgt. „Wer allein hat Gründe, sich wegzulügen aus der Wirklichkeit? Wer an ihr leidet. Aber an der Wirklichkeit zu leiden heißt eine verunglückte Wirklichkeit sein. Das Übergewicht der Unlustgefühle über die Lustgefühle ist die Ursache jener fiktiven Moral und Religion: ein solches Übergewicht aber gibt die Formel ab für ‚décadence’“. (Aus „Der Antichrist“, 1995) In der Tat, auch der Romanfigur Des Essaintes erzählt eine geheimnisvolle Stimme von einer „fieberhaften Sehnsucht nach dem Unbekannten, ihrem unerreichtem Ideal, ihrem Bedürfnis, der schrecklichen Wirklichkeit des Daseins zu entrinnen.“

Um aber den eher etwas gewagten Bogen von Nietzsche zu Guido Westerwelle zu schlagen, möchte ich auf etwas aufmerksam machen: „Dekadenz“ war in keiner Epoche in den Wohnsilos der Armen und Prekären zuhause. Sie benötigt zu ihrer Entfaltung ein Minimum an Wohlstand und fühlt sich in Kreisen des Adels und der Haute Volé pudelwohl. Ein Des Esseintes brauchte sich um Geld nie Sorgen machen – er hatte es einfach. Die Verfeinerung der Sinne setzt voraus, dass man von den gröberen Notwendigkeit des Broterwerbs befreit ist. Dasselbe gilt für das Urbild jeder Dekadenz, die „spätrömische Dekadenz“. Fettleibige Römer mit geschminkten Damen, die sich an maßlosen Fressorgien (oder „Schlimmerem“) ergötzen – dieses Klischeebild, das wir in den Filmen Fellinis oder den Asterix-Heften wiederfinden – porträtiert immer die Upper Class.

Epochen nachlassender Lebenskraft

Generell bezeichnet der Begriff „Dekadenz“ die Wesensart von Menschen, die in einer Epoche nachlassender Lebenskraft zuhause sind. „Dekadent“ ist dann auch die Kultur (Dichtung, Musik, Architektur usw.), die Ausdruck dieses Zeitgeists ist. Jede Kultur unterliegt nach den Worten von Oswald Spengler einem Zyklus von Aufstieg und Verfall. Nach der vitalen Gründungsphase folgt die Hochblüte, der Gipfelpunkt folgt – und darauf unweigerlich eine Periode das Abstiegs („decadere“ ist das lateinische Wort für „fallen, sinken“). In seinem Hauptwerk „Der Untergang des Abendlands“ behauptete Spengler: „Allzu viel Bewußtheit tötet den echten Willen, den instinktiven Drang zur Tat.“ Mit wachsender Verfeinerung einer Kultur, ihrer Fähigkeit zu größerer Geistesabstraktion, schwindet zugleich die Lebenskraft. Im übertragenen Sinn sitzt in „dekadenten“ Epochen der Gedanken-Wasserkopf eine Zivilisation auf einem viel zu dünnen, anämischen Körper. Dekadenz ist somit keine historische Epoche, der sich bestimmte Jahreszahlen zuordnen ließen, sondern eine Kulturtendenz, die sich in der Spätphase jeder Zivilisation zeigt.

Klassisches Beispiel ist die Spätphase des römischen Reichs. Der Verfall der römischen Weltmacht hing von einigen politischen und ökonomischen Bedingungen ab: Einmal war da die Überdehnung des Weltreichs, Soldaten mussten an allen Enden der bekannten Welt die Kontrolle aufrechterhalten. Dazu kam der Verfall der Gründungsideale, die das Weltreichs einmal konstituierten. Ein Nachlassen der „Spannkraft“, des Selbstbehauptungswillens der führenden Schicht war zu konstatieren. Das Erreichte wurde als selbstverständlich betrachtet. Und – sehr aufschlussreich! – Es kam zu einer sich immer weiter vertiefenden Spaltung in Oberschicht (deren Lebensstil zum Prototyp für „Dekadenz“ wurde) und Unterschicht. Eward Gibbon formulierte schon Ende des 18. Jahrhunderts in seinem Buch „The History of the Decline and Fall of the Roman Empire“ die Theorie, Rom sei nicht durch äußere Angriffe, sondern durch inneren Verfall zugrunde gegangen. Auch dem Christentum, seit Konstantin Staatsreligion im Reich, gab Gibbon eine Mitschuld daran. Neuere Theorien über die spätrömische Epoche haben sich zwar von der „Dekadenztheorie“ (im Sinne eines Sittenverfalls der Oberschicht) abgewandt, betonen jedoch die Finanzierungsprobleme des gealterten Weltreichs. Ein Schelm, wer dabei an heutige Verhältnisse denkt.

Der Reiz des Morbiden

Um zu verdeutlichen, was „Dekadenz“ bedeuten kann, will ich noch einmal kurz die Phase porträtieren, in der „Gegen den Strich“ entstanden ist: Dichter wie Baudelaire, Mallarmée, Verlaine, George oder später Trakl trieben in der Lyrik die Verfeinerung der künstlerischen Mittel auf die Spitze. Inhaltlich wurde dies begleitet durch Tendenzen der Todessehnsucht, der „Lust am Untergang“, der Bejahung des Verfalls. Nur ein typisches Beispiel von vielen: „Ob die Wollust des Todes. O ihr Kinder eines dunklen Geschlechts. Silbern schimmern die bösen Blumen des Bluts an jenes Schläfe, der kalte Mond in seinen zerbrochenen Augen.“ (Georg Trakl: „Traum und Umnachtung.“) Den Décadent umweht die „wissende Wehmut der Sterbensreife“ (Thomas Mann). Oft hatte die von der Romantik ererbte Todessehnsucht auch ein spirituell-mystisches Aroma – am deutlichsten erkennbar in Musik und Text von Wagners „Tristan und Isolde“: „In des Welt-Atems wehendem All ertrinken, versinken. Unbewusst – höchste Lust!“  Wie der Wagner-Kritiker Nietzsche anmerkte, lag gerade dem spirituellen Impuls ein Widerstand gegen das Wirkliche zugrunde – aus Schwäche an Lebenskraft. Nietzsche rügte an Wagner das Zerfließende, das „Schwimmen und Schweben“, die Verweigerung klarer Melodien oder vitaler, „tänzerischer“ Impulse.

Charakteristisch war aber auch, dass sich die Kunst von klassischer Harmonie und Ästhetik abwandte und den Verfall, den Tod, ja das Abscheuliche und Ekel Erregende zum künstlerischen Gegenstand erhob. Charles Baudelaire verursachte u.a. deshalb mit seinem berühmten Gedichtband „Die Blumen des Bösen“ (1857) einen Skandal. Sein Gedicht „Ein Aas“ schildert die Gedanken eines Mannes bei der Betrachtung eines Tierkadavers. Er reflektiert dabei über die Vergänglichkeit, die auch den schönen Körper seiner Geliebten einmal dem Verfall anheim geben wird: „Ja! Derart wirst du sein, o Königin an Reiz und Anmut, wenn, nach den Sterbesakramenten, du unter Gras und fette Blumen dich betten wirst, zu schimmeln zwischen dem Gebein. Dann, o meine Schönste! sage dem Gewürm, das küssend dich verspeisen wird, dass ich die Form, den göttlichen Gehalt bewahrte meiner Liebe, die in dir zerfällt.“

“Entartete Kunst”?

Es soll nicht verschwiegen werden, dass die Diagnose „Dekadenz“ auch problematische Aspekte hat. Die Nazis sprachen von „Entartung“ – ein in seiner abwertenden Bedeutung verwandter Begriff. Die von den Nazis als „gesund“ klassifizierten Werke erscheinen allerdings im Rückblick als lächerliche Kraftmeierei. „Entartete“ Künstler wurden dagegen zu modernen Klassikern, teils liebenswert-märchenhaft wie Chagall, teils schonungslose Spiegel menschlicher Deformation unter widrigen gesellschaftlichen Bedingungen (siehe z.B. die Werke von Eugen Schiele und Otto Dix). Wenn sich Kunst der menschlichen Hinfälligkeit aus einem Gefühl des Mitgefühls heraus annimmt – oder des Düsteren, Grotesken aus dem Bedürfnis heraus, eine tiefere Wahrheit aufzuspüren –, verdient sie unsere Achtung. Es geht mir bei dieser Betrachtung auch nicht darum, bestimmte Künstler als „dekadent“ abzuwerten – schon gar nicht, wenn es sich um die Qualitätsstufe eines Wagner oder Baudelaire handelt. „Dekadenz“ ist zunächst der Versuch einer Beschreibung, kein Vorwurf.

Die entscheidende Frage ist aber hat: Gibt es auch heute Hinweise darauf, dass wir in einer „dekadenten“ Epoche leben? Vielleicht müssen wir, um hierauf eine Antwort zu geben, nicht Gedichte lesen, sondern uns zunächst viel allgemeineren Tendenzen und Phänomenen zuwenden. Schon die galoppierende Umweltzerstörung auf unserem Planeten hat dazu geführt, dass unsere Epoche vielfach als Endzeit und Ära des Verfalls beschrieben wurde. Auch der Untergang des amerikanischen Imperiums mit seinen Satellitenstaaten (darunter Deutschland) ist mehr als einmal beschworen worden: durchaus mit Bezügen zur Spätphase des römischen Reiches. Ökonomisch-sozial betrachtet haben wir es gewiss mit einer „Überdehnung des Weltreichs“ wie auch mit einem Abfall von jenen Werten zu tun, die den Gründungsmythos der angloamerikanisch dominierten Kultur konstituierten. Zu schaffen macht uns außerdem eine eskalierende Unterfinanzierung der Gemeinschaftsaufgaben, die zur Aufrechterhaltung der kulturellen Errungenschaften nötig wären; eine zunehmende soziale Spaltung, die das „Reich“ (und die Reichen) von innen bedroht, während von außen quasi ökonomische „Vandalenstürme“ drohen. Es hat den Anschein dass weniger satte, weniger müde Völker aus der islamischen Welt, aus China, Indien und Südamerika „uns“ die globale Führungsstellung streitig machen.

Ein Phänomen der Oberschicht

Dies aber ist ein Deutungsmuster, das mit Vorsicht zu genießen ist, da dahinter zugleich ein Manipulations- und Disziplinierungsversuch des neoliberalen Menschenverwertungsprojekts zu wittern ist. Der Vorwurf, „die Deutschen“ seien zu weich, zu satt, hätten zu viel Freizeit usw. zielt darauf, weitere Leistungsreserven im Dienste der globalen Zwingherren zu mobilisieren. Nur so könne die in „spätrömischer Dekadenz“ versumpfende Unterschicht im Wettbewerb aller gegen alle mit den leistungswilligen und unbegrenzt belastbaren Völkern des Ostens konkurrieren. Der Missbrauch des Dekadenzvorwurfs hat weder mit Westerwelle begonnen noch wird er mit ihm enden. Wir müssen ihn durchschauen und entschieden zurückweisen und gleichzeitig darauf hinweisen, wo die wahren „Des Esseintes“ unserer Zeit zu finden sind: in der Oberschicht, bei denen, die sich ihren überzüchteten Genüssen und kulturellen Interessen nach Belieben widmen können, weil sie „Geld“ (sprich: missbrauchte und machtlose Menschen) „für sich arbeiten lassen“. Ein Blick in die „Society-Magazine“ der Privatsender wie „Schickeria de Luxe“ (RTL II) mag einen Eindruck davon vermitteln, wie moderne Dekadenz aussehen kann.

Es gibt aber neben diesem obszönen Tanz auf der Titanic noch ein andere „Des Esseintes“-Syndrom, eine Form von Dekadenz, von der fast alle von uns bedroht sind (außer vielleicht denen, die sehr hart um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen müssen). Nicht nur der Reichtum hat durch die Dynamik von Zins und Zinseszins historisch unvergleichliche Höhen und somit „Dekadent-Anreize“ hervorgebracht; auch die technische Entwicklung erleichtert heute, was Nietzsche das „Sich-Weglügen aus der Wirklichkeit“ nannte. Ganz im Sinne eines Des Esseintes zeigen virtuelle Welten, Filme und online-Spiele, „dass die Phantasie leicht die vulgäre Wirklichkeit der Dinge ersetzen könne“. Dies gipfelt buchstäblich darin, dass vor allem junge Internetsüchtige mehr Zeit im Internet verbringen als in der guten alten „Offline“-Welt – von gesunder Naturliebe ganz zu schweigen.

Dubai

Sterile Cyber-Welten

Ja selbst die Realität nimmt in Zeiten wuchernder Großstand-Moloche, wo sterile Architektur und technische Apparaturen das Bild beherrschen, immer mehr den Charakter des Künstlichen an. Das von Menschen gemachte verdrängt das Natürliche, wodurch selbst der Körper als Relikt unserer Tierhaftigkeit „verdächtig“ wird. Schon mahnen „Transhumanisten“ eine zunehmende Verschmelzung des Organischen mit dem Technischen an. Die Zukunft, so scheint es, gehört dem Cyborg. Aber sind wir das nicht längst, auch wenn unsere Körper (noch) nicht verdrahtet und von Implantaten entstellt sind? Haben wir nicht den Maschinen und den von ihnen erzeugten synthetischen Träumen die Kontrolle über unser Leben in einem Ausmaß überlassen, das schon auf Dystopien wie „The Matrix“ verweist? Die Flucht in Scheinwelten aus Unbehagen am Wirklichen – in dieser Dekadenz-Definition (nach Nietzsche) treffen sich Esoterikwelle und Cyberspace auf ebenso groteske wie beängstigende Weise.

Auch die Lust am Grausamen, Ekelhaften und Grotesken, die bei den Dichtern des 19. Jahrhunderts noch in ästhetisch hochwertiger und durchdachter Form auftrat, kehrt heute wieder: in Gestalt seichter Horrorfilme, in denen der Zuschauer durch Abtrainieren des Mitgefühls für seine Rolle als Rädchen im Produktionsgetriebe zugerichtet wird. Dekadenz – ist es nicht auch das Absterben der natürlichen Instinkte dafür, was der Seele noch gut tut? Wir müssen zusehen, dass aus dem Flirt mit dem Dunklen, aus Lust am Denaturierten und hochgezüchtetem Realitäts-Drückebergertum nicht ein Sog in den Abgrund wird – letztlich ein Einverstandensein mit dem eigenen Untergang. Xavier Naidoo, Exponent der Unterhaltungskultur, hat es prophetisch vorweggenommen: „Diese Welt liegt im Sterben und ich lass sie sterben, denn ich weiß, so muss es sein.“

 

Anzeigen von 3 Kommentaren
  • Volker
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    Der Rentier lebt vereinsamt in seinem gediegen ausgestatteten Haus in der Pariser Vorstadt. Des Esseintes fühlt fast körperlichen Ekel vor der Begegnung mit gewöhnlichen Menschen (…)

    Echt jetzt. Wegen zwei Sätzen mußte ich erst einmal nach Rentier und Esseintes googlen, und das schon am Anfang des Beitrags – wird bestimmt noch lustig werden.
    Wieso? Ei, weil ich nicht studierte; das Arbeiterkind flog nach zwei Jahren vom Gimnasium (lacht), weil angeblich zu blöde für Elitequatsch, und ein Familienwappen hing bei uns auch nicht an der Wand herum, Mama ging putzen, Papa war wk2geschädigt. Hab’s halt nicht so locker auf der Pfanne, dachte zuerst, Du, Roland,  hättest dich verschrieben meintest Rentner, da ein Rentier wohl kaum ein Haus besitzen oder besetzen würde. 🙂

    Nachtrag; fünfzehn Minuten später: Keine weiteren Google-Kenntnisse erforderlich (Arbeiterkind ist stolz darauf), nur bei Nietzsche haperts noch. ++glucks++

  • ert_ertrus
    Antworten

    Des Esseintes als Rentier – Volker, you made my day! In meinem Kopf geht ein ganzer Comic ab – ein Rentier mit Monokel beim Betrachten seiner Kunstsammlung und bibliophilen Drucke usw. usw. 😀

    Die Verunglimpfung von Genies wie Baudelaire, Trakl und Moreau verbitte ich mir allerdings! Sollte es mir jemals wieder vergönnt sein, nach Paris zu kommen –lasse ich den Louvre links liegen und besuche das Musée Moreau …

    Das Verhältnis Nietzsches zu Wagner war ein äußerst verzwicktes: aus dem glühenden Wagner-Bewunderer wurde ein Wagner-Hasser – zugegeben, weil Wagner Nietzsche ziemlich schnöde behandelt hatte .

    Überhaupt ist große Kunst nie klassenspezifisch. Was Morbidität und Todessehnsucht angeht: demnach wäre auch die Barockepoche eine durch und durch Dekadente gewesen – vom Expressionismus ganz zu schweigen!

  • ert_ertrus
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    Nachtrag: ich verweise auf Georg Heyms Gedicht Die Morgue (zu finden in Kurt Pinthus´ Menschheitsdämmerung) und auf die Morgue-Gedichte Gottfried Benn´(in denen er seine Erfahrungen als junger Arzt in der Pathologie verarbeitet) …

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