Erinnerung an einen Lehrer
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Zeichnung: Wilhelm Busch
Nicht für die Schule, fürs Leben lernen wir. Vielleicht spuken in den Köpfen aller Menschen sadistische Lehrerinnen und Lehrer aus der Jugend herum. Kranke Pädagogen, die Kinder kränken. Der Essayist und Lyriker Peter Fahr weiß ein Lied davon zu singen. Sein Gedicht über einen solchen Lehrer mag uns ermutigen, den Weg des Eigensinns unbeirrt fortzusetzen.
als ich sechzehn war
als ich sechzehn war und munter,
kam ich im gymnasium unter.
doch die welschen jesuiten
hatten mir kaum was zu bieten.
da ich sport und mathe hasse,
fand ich philosophen klasse.
ich entsinne mich noch heute,
dass ich mich aufs denken freute.
philo heißt so viel wie liebe
und ich hoftte sehr, sie bliebe
wie die sophie mir erhalten,
um die weisheit zu entfalten.
jemand kam mir in die quere,
der schon lang vergessen wäre,
hätte er mich nicht geschunden
und dabei noch lust empfunden.
johann senti war sein name,
lehrkraft ohne anteilnahme.
als beschränkter pädagoge
hielt er endlos monologe.
sein verstand war ungeheuer
scharf auf wilde abenteuer.
er schlug denkerische volten,
die uns schüler bilden sollten.
dachte einer etwas weiter,
war dabei vielleicht gescheiter
als der arrogante lehrer,
wurde der bedeutungsschwerer
und stolzierte wie ein gockel
auf den gymnasialen sockel,
wo er hemmungslos dozierte
und den wissenden markierte.
um uns burschen zu blamieren,
bat er uns zu formulieren
ein gespräch im hehren o-ton
zwischen heraklit und platon.
ich bemühte mich und brachte
telefonisch, was ich dachte.
heraklit sprach in die muschel,
platon mochte das getuschel.
die idee war, zugegeben,
eigensinnig und verwegen:
ferngespräch zwischen zwei weisen,
die sich gegenseitig preisen.
in der nächsten stunde kamen
unsre texte vom examen –
kommentiert von sentis gnaden.
was für üble kanonaden!
unter meiner arbeit prangte
eine rote zwei. ich bangte.
und daneben: si tacuisses, …
du, ein philosoph? vergiss es!
sollte ich von nun an schweigen
und mich unterwürfig zeigen?
ich entschied mich klar dagegen,
denn ich wollte was bewegen.
wenn mich heute menschen kränken,
muss ich gleich an senti denken.
doch ich weiß, ich hab’s gelesen,
dieser senti ist gewesen.
Weiter so!
Gottes Segen!
Roger John
Wunderbar und lustig, Ihr Gedicht, hat mich sehr angesprochen.
Herzlich
Erwin Marti
sich die zeilen regen
looking forward
JC