Jens Fischer Rodrian: Auf der Suche nach dem ungelebten Leben
Was macht den Menschen zum Menschen? In diesem Gesicht im Stil von „Slam Poetry“ stellt sich Jens Fischer Rodrian tiefe und grundsätzliche Fragen. Er wehrt sich gegen das Konzept allein selig machender Wahrheiten und beschreibt menschliches Leben als radikal ungesichert, ergebnisoffen, frei nach allen Richtungen. Mit dem Potenzial zum Guten wie zum Bösen, zur Lust wie zum Schmerz. Nur eines darf man auf keinen Fall geschehen lassen: dass das Herz erblindet. „Frei vom vorgelebten Leben, auf der Suche nach dem ungelebten Leben“.
Eine Wahrheit für alle ist immer eine Lüge
Wann werden wir zum Heiligen?
Wann zum Arschloch?
Wer sind wir?
Alphatier, Herdentier oder Eremit?
Was verbindet die Menschen, das Sammeln, das Jagen?
Die Suche nach dem Glück, das Überstehen, das Fragen?
Das gemeinsame Mahl, das Wilde, die Lust?
Der Wunsch nach Anerkennung, der tägliche Frust?
Das Denken, das Fühlen, das Trauern, der Schmerz?
Das für so kurze Zeit wild pochende Herz?
Überleben können wir nur gemeinsam
Erleben kann man nur allein
Leben kann man nur, wenn man frei ist
Frei vom vorgelebten Leben, auf der Suche nach dem ungelebten Leben
Frei von all dem Wissen – all dem Unwissen
Frei – nichts denken müssen
Mit den einfachsten Mitteln phantasievoll gestalten
sich selbst genügen, sich nicht mehr selbst betrügen
damit könnte man anfangen, sich dem Leben fügen
Jeder auf seine Weise, jeder auf seiner Reise
Nicht überrumpeln und einverleiben
an Menschlichkeit nicht sparen – übertreiben
Zum Teufel mit den Normen, den Christen und den Heiden
sich den Kummer von der Seele schreiben
wenn es sein muss leiden, Erwartungen vertreiben
alles Vorbestimmte meiden und dann in tiefere Gewässer treiben
Und das wichtigste – emphatisch bleiben
Wenn dieses kostbare Gut verschwindet
wenn das Herz erblindet
wird Himmel und Meer verblassen
dann wird blau zu grau
Denn zu allerletzt, wenn alle schon gegangen sind
sitzen wir allein auf dem Karussell und drehen uns nur noch um uns selbst
Der Kartenabreißer?
Er ist längst weg, keiner stoppt für uns den Apparat
Gefangen sind wir auf unserem Schleudersitz
Uns wird Angst und Bange
Wir straucheln, fallen, stehen wieder auf
Los geht’s! Die Haare aus dem Gesicht geschoben
das überhebliche Grinsen aufgesetzt
stolpern wir vermeintlich nach vorn und kippen doch wieder um
Egal, uns kann keiner, denken wir noch, wir drehen auf, machen laut, irgendwas, irgendwie
Alte Gewohnheiten helfen beim Verdrängen – oder eben nicht
Jetzt, wo es wirklich darauf ankommt, Farbe zu bekennen
Heißt es mutig sein, die Weichen neu stellen
das Ruder rum reißen, den Mond anbellen
Unbeugsam bleiben, sich dem Sturm entgegenstellen
Neue Türen öffnen, alte nie ganz verschließen
Freundschaften und Treue nicht für selbstverständlich nehmen
Es sind keine Dinge, die einfach aus dem Boden sprießen
Man muss um sie kämpfen, sie hüten so lange man kann
Und wenn es vorbei sein sollte, gehen lassen, ganz ohne Gram
Nicht immer leicht, bei Zeiten unmöglich
Aber um mit Liebe zu enden so bitter nötig
Zorns ist ok, wenn man Dinge erkennt
Zartheit geboten, wenn man sie löst
Auch wenn es Angst macht
weil Dämonen aus vergangen Tagen Dich besuchen
wir könnten scheitern, stimmt
aber – wir sollten es versuchen
Jeder Morgen beginnt unverbraucht und rein
wie ein ungespritzter Baum mit prallen Früchten
Die Entscheidung, triffst Du ganz allein
Festplatte neu formatiert, schreib Deine eigene Geschichte
in germany musst du kleine Nischen suchen
wo du noch etwas Freiheit leben kannst,
freiheitliche Rückzugsorte
vor der Unfreiheit.
Nun erkennen es ein paar mehr, wie sehr unfrei sie schon sehr lange waren, das ganze Leben lang. Der Mehrheit aber fehlt die Freiheit weiterhin nicht, wissen nichts von Freiheit, können keine vermissen –
die Erziehung zum Funktionieren unter Fremdbestimmung, schon im Kleinkindalter, ist eine brutale Verformung des frei geborenen Menschen, verstümmelt ihn, macht seelisch krank – er kann sich nicht entfalten.
Wer in diesem Land wirklich frei sein will landet im Gefängnis, war vor diesem lockdown-Verbrechen schon so.
Aber – wenigstens dämmert es einigen mehr nun, “ da muss es noch ein anderes Leben geben als dieses in völliger Unfreiheit… “
und nicht mal in Freiheit sterben darf er hier.
Wir Alten erinnern uns noch an ziemlich viel Bewegungsfreiheit, Entfaltungsfreiheit, bis ca. 1972 – dann begann diese fürsorgliche Belagerung durch einen immer übergriffiger werdenden Staat samt Gesellschaft, zunehmendes Erziehungsmanagement, eine geistige und seelische Uniformierung, der Rückfall in Zucht und Ordnung, Fremdbestimmung, Aussortierung, in anderem Gewande zwar, modern.
Die Anderen hier, verstehen nicht wovon ich rede wenn ich von Freiheit rede…
Wer prima funktioniert bekommt eine größere Zelle, kann sich mehr Bewegungsfreiheit leisten, ist aber noch unfreier als die weniger funktionierenden in Wirklichkeit.
Wer frei sein will sollte zuerst die Uhr wegwerfen, die ihn das ganze Leben durchs Leben gehetzt hat, wenn die Vögel mit dem Gezwitscher beginnen ist es kurz vor der Morgendämmerung, wenns langsam finster wird kommt die Nacht…
dazwischen bestimmt die spontane Lebenslust was und wann du was machen willst oder nicht –
das ist Freiheit !