Kitsch – Fluchthilfe aus einer herzlosen Welt

 In FEATURED, Kultur, Roland Rottenfußer

Kitsch ist überall – manchmal sogar in uns selbst. Wir können ihn nicht vermeiden, ihm nicht ausweichen. Er klingt aus Lautsprechern, flimmert über den Bildschirm, springt uns in Esoterikläden und religiösen Devotionaliengeschäften an. Manchmal auch von unseren eigenen Fensterbänken und Hausnischen, wie Reinhard Mey trefflich karikierte: „Ein Petersdom als Sparschwein, ein Salzstreuer als Zitrone, ein Engelchen, ein Eselchen, ein Tellerchen – ein Fluch!“ Aber ist Kitsch wirklich so „schlimm“ oder ist er nicht vielmehr eine Kunstform – mehr noch: ein legitimer Protest gegen die als zu kalt und zweckmäßig empfundene ökonomische Realität? (Roland Rottenfußer)

Der Kitschraum unserer Stammsauna in Füssen ist überall an den Wänden mit echten Kristallen ausgeschmückt, die abwechselnd in Pink, Lila, Türkis und Goldgelb aufleuchten. Über den Liegestühlen öffnet sich ein künstlicher Himmel voll blinkender Sterne. Ein dünner Wasserfall plätschert über einen Untergrund aus Amethysten, während auf einer Leinwand Schloss Neuschwanstein aufragt. Über allem schwebt ein Klangteppich seichter „New Age-Musik“. Außerhalb der Kristall-Liegewiesen finden sich weitere Kleinode wie Porzellanschwäne, Edelsteinreliefs in Pfauenform, Gemälde des Königs, der sinnenden Blicks auf einem Nachen die Venusgrotte quert. Meine Frau und ich gehen gern in die „Kristalltherme“ in Schwangau, nahe dem echten Königsschloss des für seinen dekorativen Geschmack berühmten Ludwig II. von Bayern. Diese Sauna weicht in origineller und beinahe kindlicher Weise von der Nüchternheit üblicher Anlagen ab.

Natürlich heißt der Liegebereich nicht offiziell „Kitschraum“. Wir verwenden den Begriff nur privat – ungenau und liebevoll-neckend. Wahrscheinlich stammt „Kitsch“ vom umgangssprachlichen Wort „kitschen“ ab. Gemeint ist ungefähr: Straßenschmutz zusammenkehren, wodurch ein klatschendes Geräusch erzeugt wird. „Kitsch“ ist ein lautmalerisches Wort, und es ist schon in seiner ursprünglichen Verwendung abwertend.

Die Schwierigkeit, Kitsch zu definieren, zeigt sich nicht zuletzt in der Unübersetzbarkeit des deutschen Wortes. Immer ist der Begriff auch eine Frage der Perspektive, und oft liegt eine Diffamierungsabsicht in seiner Verwendung. So nannte es Alice Schwarzer in einer Fernsehdebatte „Kitsch“, Musliminnen selbst bestimmen zu lassen, ob sie ein Kopftuch tragen wollen. Adolf Hitler sprach in „Mein Kampf“ kurzerhand „neun Zehntel alles literarischen Schmutzes, künstlerischen Kitsches und theatralischen Blödsinns“ den Juden zu. Der Schriftsteller Hermann Broch urteilte ebenfalls sehr drastisch. Jemand der Kitsch herstellt, ist für ihn „nicht einer, der minderwertige Kunst erzeugt, er ist kein Nichts- oder Wenigkönner(…) er ist kurzerhand ein schlechter Mensch, er ist ein ethisch Verworfener, ein Verbrecher, der das radikal Böse will.“

Ich habe diese extremen Zitate eigens angeführt, um zu zeigen, dass „Kitsch“ als diffamierender Begriff für alles Mögliche herhalten musste, was der Sprecher nicht mag. Wer generell in der Musik eher dem „Sanften“ und „Weichen“ zuneigt, der Ballade, hat sicher schon erlebt, wie seine Lieblingslieder von harten Kerlen als „Kitsch“ abqualifiziert wurden. In meiner Schulzeit mochte ich ABBA und wurde von Pink-Floyd- oder Hardrock-Enthusiasten als Kitsch-Softie abgekanzelt. Dabei verkörpern z.B. der Popsong und der Blues nur zwei verschieden Formen von volkstümlicher Schlichtheit. Gerade auch in den 70er-Jahren, noch vor dem Hintergrund des politisch-aufklärerischen Kulturideals der 68er und des „sozialistischen Realismus“, war der Kitsch-Vorwurf mit nicht geringer Aggressivität, ja Erbitterung verbunden.

Zur bewussten Kunstform erhoben wurde er erst viel später, etwa seit den frühen 80ern durch das Werk von Jeff Koons, der u.a. einen goldenen Michael Jackson nebst Affen sowie ein Schwein mit drei Putten-Figuren schuf. Immer hat Kitsch in diesen späten Anwendungsformen einen ironischen Beigeschmack. Kitsch eroberte die Weihestätten „hoher Kunst“ und wurde hoch gehandelt. In den 90ern wurde Kitsch, nun positiv bewertet, zum Kult und zum Teil einer Spaßkultur, an der sich auch intelligente Menschen beteiligen – dabei bewusst unter ihren geistigen Möglichkeiten bleibend. Guildo Horn mit seinem programmatischen „Guido hat euch lieb“ wurde wegen seiner Teilnahme am Eurovision Song Contest – ohnehin eine Kitschbühne ersten Ranges – viel beachtet. Ironie ermöglicht es dem Kitschkonsumenten, guten Gewissens in den Genuss des Trivialen einzutauchen und sich gleichzeitig gegen Vorwürfe von außen zu wappnen: „Sei doch nicht so verbissen, ich meines es ja nicht ernst.“

Wir kommen dem Phänomen „Kitsch“ am besten nahe, wenn wir versuchen, zunächst nicht zu werten, sondern nur zu beschreiben. Phänomene, die wir als kitschig empfinden, sind

– eher süß als sauer oder herb
– eher bunt als grau oder farblos
– eher gefühlvoll als vernünftig oder gefühlsneutral
– eher kindlich als erwachsen
– eher warm als kalt
– eher leicht konsumierbar als anspruchsvoll
– eher heiter als deprimierend

Aufgrund dieser Liste kann man den Eindruck zu gewinnen, dass der Begriff Kitsch nur die eine Seite von Polaritäten bezeichnet, vergleichbar mit dem „Yin“ im Gegensatz zum “Yang” im Taoismus. Was ist an der Farbe grau besser als an rosa? Warum soll Schwere der Leichtigkeit, das Negative dem Positiven, das sauer Schmeckende dem Süßen überlegen sein? Warum sollte es verwerflich sein, in einem Kunstwerk – etwa einem Roman – keine unnötigen Verständniswiderstände einzubauen und die Sprache einfach zu gestalten? Eine nähere Betrachtung zeigt, dass wir uns mit der Verachtung des Kitsch innerhalb einer Peergroup, die sich selbst als Elite betrachtet, zunächst mühelos auf bestimmte Kriterien einigen können. Marianne Rosenberg ist kitschig, die Stones sind es nicht. Viel schwieriger ist es jedoch, daraus objektive Qualitätskriterien abzuleiten.

Oftmals ist die Objektivität nur ein scheinbare. Es kommt vor, dass Personen, die eher dem rationalen, gefühlsrepressiven Charaktertypus zuneigen, diese ihre Wesensart zum allgemeinen Kulturideal erheben und das Gegenteil durch die Entwertungsvokabel „Kitsch“ stigmatisieren. Gewinnt dieses Kulturideal in einer Gesellschaft an Macht, erzeugt es viel Scheinfrömmigkeit. Marianne Rosenberg wird dann z.B. nur im Untergrund konsumiert, wie jemand heimlich unter der Decke onaniert, während man nach außen hin vorgibt, den raustimmigen Gesänge von Marius Müller-Westernhagen zu lieben. Teilweise verbirgt sich auch kulturelle Überheblichkeit hinter dem Kitsch-Vorwurf. Kunterbunte und kindlich wirkende Darstellungsweisen sind in der japanischen Alltagskultur gang und gäbe. Bollywood-Filme verbinden zuckersüße Romanzen mit Farbkombinationen wie Hellgrün/Orange/Pink, präsentiert von hübschen, jungen Frauen in wallenden Saris. Traditionell ist auch die sakrale Kunst Indiens sehr farbenfroh, etwa die Darstellungen aus dem Leben Krishnas und Ganeshas.

Kitsch als abwertender Begriff umfasst jedoch noch zwei weitere Seiten von Polaritäten, bei denen es nun einfacher ist, zu werten:

– eher nachahmend als originär

Sehr wichtig ist beim Kitsch das Phrasenhafte, das Recyceln von Ideen, Melodien, Bildelementen und Satzbruchstücken. Ein Kitsch-Schlager ist eher die Neumontage des allseits Bekannten als eine eigenständige kreative Leistung. So etwa im Lied „Er gehört zu mir“ von Marianne Rosenberg, das sich eines sorglos geklauten Zitats aus der Unterhaltungsliteratur bedient:

„Ist es wahre Liebe, die nie mehr vergeht? Oder wird die Liebe vom Winde verweht?“

Roy Black sang den Kitsch-Klassiker schlechthin. Seine Texter montierte mit wenigen visuellen Elementen (weißer Brautschleier, Blumenstrauß) und mit einigen der meistverwendeten Schlager-Vokabeln (Träume, verliebt, strahlend, trennen) das perfekte Szenario einer heilen Welt.

Ganz in weiß mit einem Blumenstrauß,
So siehst du in meinen schönsten Träumen aus.
Ganz verliebt schaust du mich strahlend an.
Es gibt nichts mehr was uns beide trennen kann.

Auch Kitsch in Romanen hat viel mit der Wiederverwertung altbekannter Versatzstücke zu tun. Ich kam auf diese Spur als ich – damals schon in der Absicht, Kitsch-Studien zu betreiben – kurz hintereinander die Filme „Jane Eyre“ (Vorlage von Charlotte Brontë), „Rebecca“ (Daphne du Maurier), „Griseldis“ (Hedwig Courts-Mahler) sowie „Im Zweifel für die Liebe“ (Rosamunde Pilcher) ansah. Alle vier Filme verarbeiteten dieses Handlungsschema: „Eine junge Frau reinen Herzens verliebt sich in einen attraktiven älteren Mann, der ein Geheimnis verbirgt.“ Der Klassiker „Jane Eyre“ (1847) führte den Plot ein, verarbeitete ihn aber in literarisch hochwertiger Form. Im Laufe mehrerer Verarbeitungen wurde das Thema dann „nach unten durchgereicht“. Die Kraft des ursprünglichen Handlungsentwurfs verblasste zum Klischee wie bei einem mehrfach kopiertes Tonband. Die literarischen Mittel wurden seichter, die gesellschaftskritischen Elemente der Vorlage verschwanden völlig, der Stil wurde „zuckriger.“ Aus Weltliteratur wurde Sonntagabend-Schmonzettenstoff.

– eher falsch als wahrhaftig

„Kitsch ist eigentlich leicht zu erkennen, denn er hat immer etwas mit Verlogenheit zu tun“, schrieb der politische Journalist Michael Stanzer. Kitsch ist eine Kategorie der Darstellung, nicht des Dargestellten. So kann ein Sonnenuntergang in der Natur niemals kitschig sein, so wenig wie ein Rosenstrauch. Die künstlerische Darstellung dieser Elemente kann es sein. Vorsichtig bin ich mit dem Begriff „Kitsch“ auch bei Schöpfungen des „Naiven“ und Kindlichen, die offensichtlich aufrichtigem Glauben entsprungen sind. Ein Kind würde ich für seine gemalten Blumen oder Engel nicht von einem intellektuell hohen Ross herab maßregeln. Ebenso besitzen Andachtsbilder der Marienfrömmigkeit an Wallfahrtsorten oft einen besonderen Zauber des Ehrlichgemeinten. Kritik setzt nur ein, wo jemand bewusst unter seinen Möglichkeiten bleibt, um sich einem erwarteten seichten Publikumsgeschmack anzupassen. Es liegt Zynismus darin, wie er sich in der Verlagsbranche etwa in folgendem Motto ausdrückt: „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“. Kitsch-Vorwürfe richten sich insofern zunächst eher an den „Angler“.

Freilich heizt auch die Nachfrage das Angebot an. Und ein verstohlener Kitsch-Konsument steckt in den meisten von uns. Das schlechte Gewissen, mit dem „anspruchsvolle“ Menschen Kitsch im stillen Kämmerlein konsumieren, hängt zum großen Teil mit empfundener Falschheit zusammen. Intelligente Konsumenten spüren das Kalkulierte in sentimentaler und trivialer Kunst und schämen sich dafür, ihm aufgesessen zu sein. Die Scham holt teilweise sogar die Produzenten von Kitsch ein. Roy Black zerbrach menschlich, weil er seine eigene Kunst schon seit Beginn seiner Karriere als falsch empfand. Er klagte gegen Ende seines Lebens darüber, wie weh es tue, schon von Kindern auf der Straße als „Schnulzenheini“ beschimpft zu werden. Roy Black, eigentlich Gerhard Höllerich, wäre eigentlich lieber Rocksänger geworden und starb mit nur 48 Jahren, auch an seinem hohen Alkoholkonsum.

Freilich ist nicht alles, was „wir“ nicht mögen, Verlogenheit. Udo Jürgens stand quasi bis zu seinem letzten Atemzug zu seinem Werk – ob es sich nun um sozialkritische Chansons („Die grenzenlose Gier“) oder eher um schlagerhafte Lieder („Liebe ohne Leiden“) handelte. Dagegen gab der große, anspruchsvolle Chansonnier Jacques Brel im Jahr 1968 seine Karriere vorübergehend auf, weil er nicht mehr zu seinen Liedern stehen konnte. Nach mediokren Werken wie „La bièrre“, warf sich der Sänger vor, sich zu wiederholen und nur noch „auf Brel zu machen“. Er befürchtete, sein Publikum zu betrügen. Die zeitgenössische Schlagerpopsängerin Ella Endlich nannte ihr jüngstes Album „Die süße Wahrheit“. Gemeint ist: Es ist nicht immer so, dass nur das Hässliche wahrhaftig, das Schöne und Süße dagegen verlogen ist

Ein wichtiges Betätigungsfeld von Kitsch ist ohne Zweifel die Esoterik. Jeder kennt die Schrecknisse der Sauna- oder Entspannungsmusik: flache Melodien, harmoniearmes Hintergrundsäuseln, durch das man sich nicht nur gelangweilt, sondern gleichsam „verklebt“ fühlt. Jeder kennt auch Engelpostkarten in den Geschenk- und Esoterikshops, die mit Pastellfarben, Lichtstrahlen und süßlichen Gestalten in Werbeästhetik für Menschen „von Geschmack“ eher abschreckend wirken. Esoterischer Kitsch ist vor allem der Versuch, mit inadäquaten Mitteln Unsichtbares ins Sichtbare zu transportieren. „Feinstoffliche Welten“ – naturgemäß dem ungeschulten Auge nicht zugänglich – werden mit groben Ausdrucksmitteln (Farbe und Pinsel) zugänglich gemacht: die menschliche Aura, Energiezentren (Chakras), das Jenseits, Engel oder Gottheiten. Damit ist esoterischer Kitsch der zum Scheitern verurteilte Versuch, eine gegebene Kluft zwischen „dieser“ und „jener“ Welt zu überbrücken. Ihr Konsument bekommt „geistige Welten“ frei Haus geliefert, ohne sich darum bemühen oder sie selbst in seinem Inneren suchen zu müssen. Damit gleicht der Kitsch-Konsument in seinem Konsumverhalten und seiner Charakterstruktur dem „Süchtigen“: Er legt es auf schnelle, mühelose, reproduzierbare Befriedigung von Neugier und Schaulust an.

Einer der interessantesten Aspekte am Kitsch ist jedoch gerade das, was ihm am heftigsten vorgeworfen wird: der Eskapismus (vergl. das englische Wort „to escape“, entkommen). Gerade in Krisenzeiten ist eine generelle Neigung zur Flucht in Traum- und Gegenwelten als Reaktion auf eine erlebte Misere der Realität festzustellen. Die Sehnsucht, von starken Gefühlen „aufgeweicht“ und „fortgeschwemmt“ zu werden, ist nicht zuletzt auch ein Protest gegen die „Kälte“ der Realität. Eben in ihrer Protestfunktion ist Kitsch auch gleichsam eine Warnblinklampe oder ein Barometer gesellschaftlicher Verwerfungen. Ein klassisches Beispiel ist hierfür die deutsche Filmkunst der unmittelbaren Nachkriegszeit, für die u.a. die „Sissi“-Trilogie mit Romy Schneider sowie die Filme „Schwarzwaldmädel“ und „Grün ist die Heide“ mit Sonja Ziemann charakteristisch sind.

Diese Filme trafen ins Herzr eine großenteils traumatisierten, von schweren Erlebnissen, Schuld, Trauer und Angst gebeutelten Nation. Gerechtfertigt wäre aus heutiger Sicht eine „harte“ Aufarbeitung der Nazivergangenheit gewesen, getragen von einem schonungslosen Realismus der Mittel, einem künstlerischen Schwarzweiß, wie er sich weit später (und nicht in Deutschland) in Spielbergs Film „Schindlers Liste“ zeigte. Stattdessen wurde vor bonbonfarbener Kulisse und unter blühenden Kirschbäumen gesungen, getanzt, geliebt und verdrängt. Man wollte nicht die Aufarbeitung von Realität, sondern die Erlösung von ihr in künstlichen Gegenwelten. Die auffällige Gefühlswärme, die Filmhelden wie Paul Hörbiger verströmten, diente auch der Katharsis. Da floss so manche Träne und schwemmte weg, was das Nachkriegsherz bedrückt hatte. Dabei sind gerade in „Grün ist die Heide“ mit seiner Vertriebenenthematik noch Realitätsspuren erkennbar. Problematische Ansätze lösen sich allerdings im Verbrüderungsszenario eines großen Volksfestes in Wohlgefallen auf, bei dem Niedersachsen und schlesische Flüchtinge gemeinschaftlich das Volkslied „Riesengebirge, deutsches Gebirge!“ anstimmen.

Bevor wir Nachgeborenen aber ein zu harsches Urteil fällen, sollten wir uns ein interessantes Zitat von Karl Marx zur Religionskritik vor Augen führen. Darin wird nicht nur (wie allgemein bekannt) die Religion als „Opium des Volkes“ abgekanzelt, sie wird auch in gewisser Weise als Kraft des Protestes gewürdigt. „Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüth einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist.“ Statt Religion könnte man hier auch „Kitschkunst“ einsetzen – und oft, etwa in esoterischem Kitsch, fließt beides zusammen. In unserer Zeit drücken nicht nur Pilcher & Co. mächtig auf die Tränendrüse der älteren Generation; die Jüngeren schufen ihren eigenen Stil des „Emo“-Kitsches – man denke etwa an die „Twilight-Filme“, in den die Heldenbrust eines Vampirschönlings im Sonnenlicht blinkt.

Wir mögen über den Kitsch lästern oder uns entsetzt in der Attitüde geschmacklicher Überlegenheit von ihm abwenden – tot zu kriegen ist er nicht. Wer ihn eindämmen will, tut dies am besten nicht durch Herumdoktern an den Symptomen, sondern indem er mithilft, das Bunte, Süße und Fantasievolle auch in der sozialen Realität wieder stärker zu verankern. Der Kitsch lebt, solange eine die Seele überfordernde Härte und Kälte in unserer Gesellschaft nicht stirbt.

 

Kommentare
  • Volker
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    Kitsch-Katze aus Blech, made in China – ja, mußte haben.
    Ein winkendes Blechkätzchen in Gold mit roten Ohren, batteriebetrieben, und ohne Frage eine Meisterleistung löblicher Dosenverwertungsindustrie.
    China winkt mir zu, ich winke zurück, Völkerverständigung pur ++schnurr++

    Sah Mietzi zum ersten Mal in Schaufenster eines auf fernöstlich getrimmten Massagesalons ++kicher++ winken, unterhalb der katholischen Kirche in BC, dachte, dass sündiges Verlangen und Sündenvergebung eng miteinander verwoben sind, zwangsläufig, schließlich gibt’s sündhaft-teure Kirchensteuer.

    Nicht, dass ich aus Warenkorbfreuden heraus … niemals! … Begegnete Mietzis Blechklon*in vor Schaufenster von coronabedrohten Kitschladen in Altstadt BC, tauschte konspirativen 5 Euro-Handschlag gegen Mietzi ein, nun ist sie mein.

    Grundgesichterte Freuden aus Wohlstandsmüllverwertung. Zwanzig Pfanddosen am Tag –gib dem Hunger keine Chance.

    Sozialkitsch.

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