Links und Rechts – was heißt das? (3/3)

 In Politik (Ausland), Politik (Inland), Roland Rottenfußer
Die palästinensische Befreiungsfront hat keinen erbitterteren Gegner als die Befreiungsfront für Palästina ("Das Leben des Brian").

Die palästinensische Befreiungsfront hat keinen erbitterteren Gegner als die Befreiungsfront für Palästina (“Das Leben des Brian”).

Es ist wichtig, sich eine gewisse Offenheit für kreative Politikentwürfe abseits des „linken Mainstreams“ zu bewahren, solange es sich nicht um unmenschliche Ideologien handelt. Linke Politikrezepte, wie sie derzeit in Deutschland vor allem die gleichnamige Partei vertritt, sind in der neoliberal dominierten Tagespolitik unverzichtbar. Wenn es etwa um den Widerstand gegen die ständige Verwicklung Deutschlands in Kriegshandlungen geht, gegen die Entmachtung der Parlamente zu Gunsten konzerngesteuerter übernationaler Gremien, gegen Sozialabbau und Banken-Übermacht. Dennoch ist es nahe liegend, dass nicht eine Gruppierung allein für alle Zeit das Licht der Wahrheit für sich gepachtet haben kann. Leider gehen einige Linke mit Kapitalisten schonender um als mit anders akzentuierter Kapitalismuskritik. Sie schwimmen ideologisch gern in der eigenen Soße und definieren das „Linke Spektrum“ eher als Meinungs-Monokultur denn als Ideenwerkstatt. (Roland Rottenfußer, 1. Teil dieses Artikels hier, 2. Teil hier)

Ich will ein paar Beispiele anführen von Weltanschauungen, die sich einer klaren Zuordnung „rechts oder links“ entziehen. Ich habe seit langem eine gute Beziehung zu einer politisch-ökologischen Bewegung mit dem Namen „Equilibrismus“. Sie beschäftigt sich mit so unterschiedlichen Themen wie Energie aus Pflanzen oder einer gerechteren Geld- und Bodenordnung. Großen Wert legt der Equilibrismus („Eine Welt im Gleichgewicht“) auf die Abgrenzung von Kapitalismus und Kommunismus. In einer Broschüre der Bewegung heißt es: „Die Endung ‚ismus‘ ist eine Anspielung auf die vermeintlich beschränkte Wahl zwischen ‚Kapitalismus‘ und ‚Kommunismus‘ und deutet an, dass es Alternativen gibt. Denn diese scheinbaren Gegenpole verbindet mehr als sie unterscheidet; beide beruhen im Gegensatz zum Equilibrismus auf einer rein anthropozentrischen Sicht.“

Ohne hier zu stark auf die inhaltliche Debatte einsteigen zu wollen, halte ich die Abgrenzung von beiden Richtungen, Kapitalismus und Kommunismus, für legitim. Beide Systeme haben beträchtliche ökologische Schäden verursacht und betrachten den Menschen als Maß aller Dinge. Beide basieren auf der Macht von Menschen über Menschen. Beide Systeme fokussieren sich auf ökonomische Strukturfragen, verorten Probleme ebenso wie deren Lösungen also fast immer in der wirtschaftlichen Sphäre. Freilich schließt der Equilibrismus jede Naziideologie ohnehin aus – um sie geht es hier nicht. Bezeichnet man jedoch auch die Politik der Union, wie es umgangssprachlich geschieht, als „rechts“, so steht Equilibrismus sicher jenseits von Links und Rechts.

Es geht mir hier vor allem darum, klar zu stellen, dass eine rigide Entweder-Oder-Haltung mancher Kritiker der Buntheit des Lebens Gewalt antut. Meinen eigenen Standpunkt sehe ich mit Sicherheit eher links als rechts, wenn man das derzeitige „etablierte“ Spektrum der Politik betrachtet (zwischen Sahra Wagenknecht und Bernhard Lucke). Ich verstehe aber auch die historisch begründete Scheu mancher Menschen vor jeder Weltanschauung, die ihnen extrem erscheint. Bei vielen Menschen sitzt der Schock über die Menschenrechtsverletzungen des Ostblocks und die Fehlleistungen der Planwirtschaft tief. Sie vermögen das nicht einfach vom Tisch zu wischen nach dem Motto „Naja, die Genossen haben sich in der DDR ein bisschen verrannt, aber es sind immer noch Genossen“. Der Zugang zur Partei „Die Linke“ ist für diese Menschen auf lange Sicht versperrt, sie fühlen sich wohler bei Gruppierungen, die angeben, sie seien „weder noch“. Das (empfundene) Versagen des Realsozialismus und des Kapitalismus stellt für einige den Ausgangspunkt für eine Suchbewegung dar. Dies bedaure ich teilweise, weil es blind macht gegen einige klare Stärken der Linken. Für eine Minderheit führte diese Suchbewegung auch tatsächlich nach ganz rechts; für viele erweist sie sich aber als äußerst fruchtbar. Ich selbst möchte jedenfalls politische Denkrichtungen abseits der (von mir ja durchaus geschätzten) Wagenknecht-Linken nicht missen.

Wie schwer klare Links-Rechts-Zuordnungen oft sind, zeigt das Beispiel des umstrittenen Betreuungsgelds, der „Herdprämie“. Sie steht hier stellvertretend für eine Reihe von Diskursen, die mit der Gleichstellung von Frauen zu tun haben. Ist es z.B. eher links oder eher rechts, wenn mehr Frauen als Soldatinnen dienen, töten und sterben „dürfen“? Die Vorstellung, möglichst viele Menschen (egal welchen Geschlechts) sollten im Krieg verheizt werden, ist sicher eher „rechts“; „links“ ist allerdings der Gleichberechtigungsaspekt daran. Der Feminismus ist bei Linken und Grünen eher beheimatet als in der Union. Ein ähnliches Dilemma zeigt sich bei der „Herdprämie“. Diese wird von der Partie „Die Linke“, von Grünen und SPD vehement und teilweise aggressiv abgelehnt. Andererseits steht hinter ihrer Ablehnung die auch in der früheren DDR übliche Praxis, möglichst die gesamte Bevölkerung für den Arbeitsmarkt verwertbar zu machen, also Frauen ebenso wie Männer – eine Parallele zur verstärkten „Frauennutzung“ beim Militär.

In einer Welt, in der Erwerbsarbeit finanziell belohnt, Zuhausebleiben jedoch bestraft wird, besteht die Gefahr, dass Kinder nicht mehr von ihren Eltern, sondern von „Profis“ erzogen werden, die als verlängerter Arm der Staatsideologie fungieren. In einem sozialistischen System werden Kinder auf diesem Weg sozialistisch früherzogen; in einem kapitalistischen System werden Leistungs- und Konkurrenzdenken früh im Unterbewusstsein von Heranwachsenden verankert. Ein Betreuungsgeld (das ja ebenso von Männern in Anspruch genommen werden kann) hat – wie ggf. auch das Grundeinkommen – einen emanzipatorischen Effekt, weil es erbrachte Familienleistungen würdigt und Menschen unabhängiger von der Jobsuche auf dem „Ersten Arbeitsmarkt“ macht. Scheinbar ist das Betreuungsgeld also eher „rechts“ (konservativ); in weniger offensichtlicher Form ist es aber „links“, weil es Lebensbereiche außerhalb der Erwerbsarbeit stärkt, die nicht mit der Unterwerfung unter betriebliche Hierarchien verbunden sind.

Im Folgenden also noch einige m.E. interessante politische Vorschläge im Graubereich zwischen Links und Rechts:

Das Bedingungslose Grundeinkommen
Es stärkt die Verhandlungsposition von Arbeitnehmern, die mit dem Grundeinkommen im Rücken nicht mehr jede schlechte und entwürdigende Arbeit annehmen müssten. Es entschärft außerdem den Popanz „Hartz IV“, mit dessen Hilfe Betroffene der Entwürdigung und Verelendung ausgeliefert werden, während „noch Arbeitende“ in Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes gehalten werden. Also eher links. Andererseits wird das BGE von Unternehmern wie Götz Werner unterstützt, die sich davon erhoffen, einen Teil der Lohnkosten auf den Staat abwälzen zu können und von anderen, schärferen Umverteilungsinstrumenten verschont zu werden (Vermögens- und Unternehmenssteuern). Also eher rechts (im Sinn von neoliberal). Fazit: sowohl links als auch rechts.

Die Zinskritik nach Silvio Gesell
Sie stellt zunächst die schärfste Kritik der schleichenden Umverteilung von Fleißig zu Reich dar, ist ein flammender Protest gegen den Raub an Energie und Lebenszeit, gegen Schuldknechtschaft, gegen die fortdauernde Bereicherung der Reichen bzw. Verarmung der Armen. Also eigentlich klassisch linker Stoff. Der Zinskritik wird oft „verkürzte Kapitalismuskritik“ vorgeworfen, weil sie sich in ihren Analysen auf die „Zirkulationssphäre“ (den Geldumlauf) beschränkt. Außerdem werden sozialdarwinistische Äußerungen des Vordenkers Silvio Gesell (1861-1930) von Gegnern ins Feld geführt. Schließlich werden Begriffe der Nazis wie „Zinsknechtschaft“ oder „schaffendes und raffendes Kapital“ zitiert, womit versucht wird, die Zinskritik als rechtslastig zu diffamieren. Dabei handelt es sich m.E. eher um unfaire Argumente im Stil von „Hitler war auch Vegetarier“. Die Gesell-Schule positioniert sich gern in gleichem Abstand zu Kapitalismus und Kommunismus, zeigt sich verschlossen gegenüber linken Rückverteilungsrezepten und setzt sehr einseitig alles auf „eine Karte“: den Zins. Damit blieben Großvermögen unangetastet, lediglich dem weiteren Öffnen der Schere zwischen Arm und Reich wäre ein Riegel vorgeschoben. Fazit: dem Wesen nach eher links, von „Linken“ also zu Unrecht zurückgewiesen. In einigen Punkten kompatibel mit dem Neoliberalismus, in anderen sehr radikal sozialistisch (Bodenreform). Der Vorwurf, rechts im Sinn von rechtsradikal zu sein, ist jedoch als schikanös und ehrabschneidend zurückzuweisen.

Direkte Demokratie
Ihre Befürworter, etwa der Verein „Mehr Demokratie e.V.“ vermeiden meist die Festlegung auf eine bestimmte politische Richtung (links oder rechts), um sich breite Unterstützung zu holen. Befürworter von mehr direkter Demokratie gibt es in allen Lagern, ebenso wie es Gegner gibt. Rechte (z.B. Unionspolitiker) fürchten, bei Volksabstimmungen Kriege nicht mehr gegen die Bevölkerungsmehrheit erzwingen zu können; Linke fürchten Neonazis im Parlament, Minarett-Verbote und die Einführung der Todesstrafe. Linke wie Rechte sind teilweise nicht an mehr Demokratie, sondern eher an einer Dominanz der eigenen politischen Richtung via „repräsentativer Demokratie“ interessiert. Fazit: weder klar links noch klar rechts

Anarchismus
Vielfach (so von Horst Stowasser) wird eine natürliche Affinität des Anarchismus zu linken Positionen behauptet, was auch historisch zu untermauern ist (Anarchosyndikalismus). Es gab aber sehr unfreie Gesellschaften, die sich auf eine sozialistische Wirtschaftsideologie beriefen (der ehemalige Ostblock), wie es andererseits einen staatsfeindlichen Extremliberalismus von rechts gibt (Beispiel: Tea Party Bewegung). Generell agiert „Links“ häufig regulierend und baut auf Interventionen des Staates, während „Rechts“ (Neoliberal) das freie Spiel des Marktes betont. Diese Art von „Freiheit“ kann jedoch einen Verlust von Handlungsfreiheit für abhängig Beschäftigte bedeuten. In der Regel feiert sich in allen Systemen eine übergriffige Staatsmacht selbst als „notwendige“ ordnende Kraft und steht damit im Gegensatz zum Anarchismus. Fazit: Links oder auch rechts, je nachdem. Meist „gegen alle“.

Tierschutz und vegetarische Bewegung
Fleisch essende rechtgläubige Linke sind ein ebenso gewohntes Bild wie der beim Schweinebraten im Wirtshaus gegen Ausländer schwadronierende linkische Rechte. Die Tierliebe (oder Tier-Gleichgültigkeit) zieht sich durch alle Lager. Es gibt in den Bewegungen für gesunde, biologische Ernährung einen Trend zum Regionalen, zur Wiederentdeckung des näheren Heimatraums, zu kleinen Wirtschaftskreisläufen – damit verbunden auch einen starken Anti-Globalisierungs-Trend. Wenn Links „internationalistisch“ und Rechts „nationalistisch“ ist, dann ist der Bio-Landbau eher (konservativ) rechts. Andererseits findet man Bewusstsein für Ökologie und gesunde Ernährung eher im „rot-grünen“ Milieu („Lifestyle of Health and Sustainability“). Auch das Programm der Partei „Die Linke“ ist diesbezüglich „weiter“ als das der Union, geht jedoch aus meiner Sicht längst nicht weit genug. Fazit: Im Prinzip jenseits von rechts und links, teilweise auch (im sympathischen Sinn konservativ). Ein stärkere Verankerung unter Linken – programmatisch wie im konkreten Verhalten – wäre wünschenswert.

Medienkritik
Das Schlagwort „Lügenpresse“ erregte als Nazispruch eine Presselandschaft, die es – nun ja – mit der Wahrheit nicht immer so genau nimmt. Linke wie Rechtsextreme teilen manchmal das Pathos des Nonkonformismus, sehen sich als ausgegrenzte Minderheiten, deren Absichten vom „Mainstream“ nicht korrekt dargestellt werden. Der Unterschied ist: Neonazis versuchen diesen Nonkonformismus zu beweisen, indem sie die politische „Mitte“ an Unmenschlichkeit noch überbieten – z.B. durch Hetze gegen Flüchtlinge. Ohne Zweifel versuchen von wohlhabenden Medienbesitzern gesteuerte Zeitschriften und Fernsehsender linke Parteien systematisch und kampagnenartig von der Macht fernzuhalten. Wenn sie überdies auch Neonazis von der Machtübernahme fernhalten, kann ich das nicht bedauern. Fazit: Medienkritik ist zunächst einmal nicht spezifisch links oder rechts, sie ist unvermeidlich und kann mal gerecht, mal ungerecht sein.

Verschwörungstheorien
Sie stehen ein wenig im Geruch, „rechts“ zu sein und werden häufig als Wortkombination mit „rechts“ oder „antisemitisch“ genannt. Dabei sind linke Diskurse voll von Verschwörungstheorien. Sie handeln von Absprachen hinter den Kulissen zu Lasten der Arbeitnehmer, von Politikern, die Vasallen „des Großkapitals“ sind, von verräterischen Gewerkschaften und von Medien, die dem Kapital willfährig dienen. Bertolt Brecht hat solche Theorien in seinem Stück „Arturo Ui“ gesponnen, und auch das Kabarett des Duos Claus von Wagner und Max Uthoff ist voller Verschwörungstheorien. Berühmt wurde etwa jene über die Verstrickung von Medienschaffenden in transatlantischen Netzwerken. Mich interessiert an Verschwörungstheorien zunächst, ob sie wahr sind, und als zweites, ob sie bestimmte Bevölkerungsgruppen (etwa die Juden) pauschal diffamieren. Das kann man sicher nicht verallgemeinern. „Antisemitische Verschwörungstheorien“ sind eine kleine Teilmenge des Gesamtkomplexes „Verschwörungstheorien“ – so wie die rechtsradikale Liedermacherszene eine Teilmenge der Liedermacherszene ist. Es ist nahe liegend, dass es im Interesse von „Strippenziehern“ liegt, die lieber unerkannt bleiben wollen, in der Bevölkerung ein grundsätzliches Misstrauen gegen Verschwörungstheorien zu schüren. Diebe sind ja auch überzeugte Gegner von „Haltet den Dieb“-Rufen. Fazit: Weder grundsätzlich links noch grundsätzlich rechts. Ebenso: Weder immer wahr noch immer falsch. Es kommt ganz darauf an.

Spirituell motivierte Politik
Wer von der atheistischen, marxistischen Religionskritik her kommt, analysiert alles Spirituelle gern ausschließlich in den Kategorien einer Verschwörung zwischen Kapital und Vertröstungstheologie. Die Nähe des Klerus zum politischem Establishment ist auch in vielen Fällen allzu offensichtlich. Ebenso tendieren einige hierarchisch orientierte oder sogar rassistische esoterische Strömungen klar nach rechts. Übersehen werden dabei aber leicht die Gegenströmungen: sozial engagierte Theologie auf der Grundlage des Lukas-Evangeliums, Befreiungstheologie, Kirche von unten, Pax Christi, Engagierter Buddhismus, Tiefenökologie und andere sehr „linkslastige“ Ansätze. Übersehen wird auch leicht, dass die Verankerung eines Menschen in der (von Gott hergeleiteten) Mitte seines Wesens stärkend sein kann. Wahrhaftig empfundene Religion kann Menschen gegen die Abrichtungsbemühungen der herrschenden Politik und Wirtschaft immunisieren. („Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“, Apostelgeschichte). Auch kann die mystische Erfahrung der Einheit alles Lebendigen zu sozialem Handlen führen. Fazit: Eine Zuordnung zu Links oder Rechts ist nur bei einzelnen spirituellen Richtungen möglich, nicht aber pauschal für „die Religion“ oder „die Spiritualität“.

Zu allen genannten politischen Fragen mögen Leser eine andere Position einnehmen als ich. Wichtig war mir aber, zunächst eine gesunde Verunsicherung gegenüber den Begriffen „Links“ und „Rechts“ zu erzeugen. Wie im zweiten Teil meines Artikels ausgeführt, bleiben Kernzuordnungen („Rassisten sind Rechtsextreme“) davon unberührt. Es zeigt sich aber durch genauere Analyse ein kreatives Feld von Ideen, die nicht ohne weiteres zuordenbar sind. In einigen Fragen (z.B. Direkte Demokratie) ist dies naturgemäß überhaupt nicht möglich, in anderen müssen wir selbst die humanere Variante einer Denkrichtung wählen, die inhumane verwerfen. Dies gilt z.B. für den Anarchismus. In einigen Fällen wird der Vorwurf, die betreffende Richtung sei „rechts“, schlicht zu Unrecht und in diffamierender Weise erhoben (Zinskritik). In anderen wäre es sehr zu wünschen, dass sich Linke endlich Positionen zueigen machen würden, die eigentlich dem humanen Anspruch ihrer Denkrichtung entsprächen (vegetarische Ernährung). Jedenfalls verbietet es sich aus meiner Sicht, die von mir beschriebenen politischen Vorschläge zu tabuisieren, nur weil sie bislang nicht im „linken Mainstream“ angekommen sind.

Im „Kleinen“ (im linken Milieu) bildet sich zuweilen eine ähnliche Meinungstyrannei heraus wie im „Großen“ (im politischen Mainstream). Ausgrenzung, Konkurrenzdenken, die Spaltung zwischen Rechtgläubigen und Ketzern, ja ein ausgeprägter geistiger Vernichtungswille zeigen sich hier wie dort. Wie Linke in ihrer Gesamtheit die Parias der herrschenden neoliberalen Ideologie sind, so behandeln manche Linke ihrerseits die Vertreter konkurrierender, schwer klassifizierbarer Politik-Konzepte wie Unberührbare. Zu oft wird nach dem Grundsatz verfahren: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Und wer nicht (oder nicht genau auf die von mir vorgegebene Art) links ist, ist rechts. Ratsam ist in jedem Fall, genau hinzuschauen. Vor allem wäre es hilfreich für die verschiedenen „Lager“, voneinander zu lernen. Etwa nach dem Motto: „Mal sehen, was der andere vorschlägt: Vielleicht sind wir zusammen klüger als einer von uns allein.“

Der Menschlichkeit dient das Gezänk zwischen Gruppen, die auf verschiedenen Wegen versuchen, eine menschlichere Welt zu bauen, jedenfalls nicht. Eher fühlt man sich dadurch an eine frühe Erzählung Konstantin Weckers erinnert, genannt „Lösungslotterie“. Darin beschreibt Wecker einen reaktionären Onkel, der mit „Kopf ab“-Parolen um sich wirft. Ihm gegenüber steht eine in Grabenkämpfen zwischen verschiedensten „Ismen“ verstrickte Linke. Weckers Fazit: „Und mein Onkel lacht sich eins, denn das weiß auch er: Gegen diese Linke hat er es nicht schwer.“

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