Mystik
Mystik ist das, was Jesus und Buddha vereint. Es ist die Erfahrung des grenzenlosen Ganzen, die jedem von uns zugänglich ist, wenn auch mehr oder weniger leicht. Manche nennen das, was dem ‚kleinen Ich‘ in der Welterfahrung gegenübersteht, Gott. Ist dieses ‚mir‘ gegenüberstehende Etwas ein Es oder ein Du, und enthält es auch mich, den Betrachter? In der mystischen Erfahrung enthält es auch den Betrachter. Die Welterfahrung ist dann auch eine Selbsterfahrung. Wolf Schneider, connection
Dem wissenschaftlichen Weltbild näher ist es, wenn dieses Ganze, in dem ‚ich‘ geborgen bin, nicht »Gott« genannt wird, sondern »das Transpersonale«, das jenseits der Person erfahrbare »Ich bin das«. Andererseits … wenn das Ich eine Person ist, müsste doch auch das Du eine sein. Und nicht nur du einzigartige Person, die gerade diesen Text liest, sondern auch das Du, das mir als die Welt gegenübersteht. Also das Ganze, das ich nicht bin, das Andere. Bisher habe ich als naturwissenschaftlich gebildeter Mensch dieses Ganze überwiegend als ein Es betrachtet, etwas Dingliches. Dabei bleibt jedoch das Rätsel, wie in diesem großen materiellen Es viele kleine Ichs und Dus entstehen können, die ebenso wie ‚ich‘ die Welt subjektiv erfahren können.
Das Rätsel des Bewusstseins
Die Frage, ob das universelle Ganze nicht doch auch als ein Bewusstsein vorstellbar ist, stellt der Film aware auf sehr schöne, tief berührende und dem Forschergeist von Science nahe Weise. (Er ist auf Amazon bestellbar, für 4 € zu leihen, für 10 € zu kaufen.)
Dass wir Menschen überhaupt etwas erfahren können, Schmerz und Lust, Liebe und Trauer, Sehnsucht und Verzweiflung, wie kann das sein, in einem nur materiellen Universum? Wann wäre denn dann in der Evolution auf dem Weg von den Amöben und Algen über die Fische und Frösche bis hin zu den Primaten dieses Wunder der Subjektivität plötzlich ‚vom Himmel gefallen‘? Auf einmal ist da ein Mensch, der etwas empfinden kann und inmitten von alledem versucht sich selbst zu erkennen? Wie absurd. Das Bewusstsein und die Ich-Perspektive, die mir als unbezweifelbar erscheinen, können nicht einfach ‚emergiert‘, aus dem nur Materiellen heraus entstanden sein. Es muss beides von Anfang an dagewesen sein.
Herausragend in dem Film finde ich u.a. die Pflanzenforscherin Monica Gagliano, von der ich mir gerade »Thus Spoke the Plant« als Hörbuch bestellt habe.
Auch der Philosoph und Bewusstseinsforscher Thomas Metzinger beschäftigt sich mit der Frage nach dem Bewusstsein und dem Sinn von Meditation und Achtsamkeit, hier auf Deutsch im einstündigen Interview der MIT Technologie Review.
Anthropologie
Ist das Menschsein unser wichtigstes Thema? Dann müsste die Anthropologie die für uns Menschen wichtigste Wissenschaft sein. Die ist gerade dabei, ihre kolonialen Wurzeln abzuwerfen. Das ist gar nicht so leicht, nach den Jahrhunderten der rassistischen Dominanz. Die anthropologische Webseite sapiens.org geht dabei voran und versucht, mehr Indigenen- und Frauenstimmen in der Forschung les- und hörbar zu machen. Ich habe deren Newsletter seit einem Jahr abonniert und finde ihn sehr lohnend.
Einer der grausamsten Kolonialherrscher, die unsere Spezies je hervorgebracht hat, war König Leopold II. von Belgien. Im 19. Jahrhundert erschuf er mit eisernem Willen und rassistischer Arroganz den Kongo als Kolonie Belgiens und beutete ihn skrupellos aus. Das Bild zeigt eines der Denkmäler von ihm, von denen viele in ganz Belgien noch immer stehen. Es wurde übergossen mit roter Farbe als Mahnmal und Erinnerung an die circa zehn Millionen der ungezählten Opfer dieser brutalen, rassistischen Kolonialherrschaft.
NATO-Versteher und Putin-Versteher
Jetzt wieder näher ans Zeitgeschehen. Nach den zwei Jahren der Besessenheit von der Pandemie sind seit 24. Februar 2022 aller Augen auf den Ukrainekrieg gerichtet. Um sicherzustellen, nicht allzuschnell in die Schublade des Verräters oder Unterstützers des Feindes zu geraten – »Verstehen Sie mich bitte nicht falsch!« – wird in unseren Medien dieser Krieg stereotyp »Putins Angriffskrieg« genannt. Der Autor der jeweiligen Zeilen signalisiert damit, dass er auf der richtigen Seite dieses Konfliktes steht, nennt am besten noch Putin einen skrupellosen Tyrannen, erwähnt die Grausamkeiten der Wagnergruppe und bedauert die leidenden Ukrainer. Auch die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer empfindet diese Stereotypie bedenklich einseitig, wie ich gerade in ihrem Essay Was ich noch sagen wollte in der Berliner Zeitung las.
Wie kann es sein, dass wir uns als »NATO-Versteher« bekennen müssen, um nicht den Vorwurf zu erhalten ein »Putin-Versteher« zu sein? Es sollte doch besser sein, beide Seiten zu verstehen – und mit »verstehen« meine ich hier kein ethisches Gutheißen, sondern ein Verstehen der Zusammenhänge.
Die Willkür politischer Grenzen
Wer Frieden will, muss beide Seiten verstehen, und dabei hilft es, zu verstehen, dass politische Grenzen von Menschen gezogene und meist machtpolitisch bestimmte Grenzen sind. Diese Grenzen entsprechen im Normalfall nicht den dort lebenden Menschen, ihren Sprachen und Kulturen. Das Elsass, Polen, Südtirol, Irland, Katalonien, und insbesondere die Balkanländer wissen ein (Klage)Lied davon zu singen, von den außereuropäischen Ländern in Afrika und dem Nahen Osten ganz zu schweigen.
Manchmal schützt das Völkerrecht vor »völkerrechtswidrigen Angriffen«. Im Falle der Angriffe gegen Vietnam, Irak, Afghanistan und viele andere Länder hat das Völkerrecht diese Länder allerdings nicht geschützt, als sie von der stärksten Militärmacht der Erde angegriffen wurden. Auch das waren völkerrechtswidrige Angriffskriege, typischerweise begonnen mit einer Lüge und im Falle von Afghanistan unterstützt auch von Deutschland, sogar mit aktiver Beteiligung von deutschen Soldaten. Es ist offenbar noch ein weiter Weg bis zu einer Weltordnung, in der unter den Nationen nicht mehr das Recht des Stärkeren gilt. Und noch viel weiter bis dahin, dass die politischen Grenzen so gezogen werden, wie es den dort lebenden Menschen entspricht. In einer solchen Weltordnung hätte die Krim längst zu Russland gehört. Die »völkerrechtswidrige Annexion« der Krim hätte dann nicht so aalglatt in die westliche Propaganda gepasst, die auf beiden Seiten des aktuellen Konflikts in der Ukraine zur Aufrüstung führte, auf russischer Seite ebenso wie auf Seiten von NATO und der Ukraine.
Franz Alt präsentiert sich auf kluge und ‚mainstream-anschlussfähige‘ Weise als Pazifist und – hier ironisch – als ‚Putinversteher‚.
Auch die Bloggerin Claudia Klinger kommentiert das aktuell zu diesem Thema so gespaltene Deutschland auf kluge Weise in die Friedensschwurbler.
Deutschland im August 1914? Heute ist vieles anders, aber es gibt doch Ähnlichkeiten. Ebenso mit der Unfähigkeit der italienischen Regierung und ihres obersten Militärführers in den fatalen Isonzoschlachten 1915/16. Es ist einfach verdammt schwer, Fehler einzugestehen, wenn man schon sehr viel (Ego, Material, Menschen) geopfert hat. Psychologen kennen das Phänomen als »Eskalierende Opferungen«: Je mehr man investiert hat, umso schwerer ist es, einen Rückzieher zu machen. Das Beenden des gegenseitigen Tötens setzt das Eingeständnis eines Irrtums voraus – für politische Führer der Spezies Homo sapiens scheint das schier ‚unmenschlich‘ schwer zu sein.
Distanzierungen sind mitleidlos
Die Worte der sterbenden Antje Vollmar, Mitbegründerin der Grünen und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, berühren mich noch viel mehr als manch anderer Kommentar zu diesem Krieg. Ich muss dabei wieder an Tucholskys Verstummen ab 1929 denken, an seinen Rückzug nach Schweden und seine Aussage »Gegen einen Ozean pfeift man nicht an«. Das schreibe ich, obwohl ich weiß, dass man in Deutschland keine solchen Vergleiche ziehen darf, dass Antje keine Verhaftung droht und mir ’natürlich‘ auch nicht. Antje Vollmer darf in Deutschland gelesen werden. Die vielen Stimmen gegen die Aufrüstung der Ukraine dürfen gehört werden, auch wenn sie ‚die große Politik‘ kaum beeinflussen werden.
Würde Antje Vollmer weiterleben und sich weiter gegen die Aufrüstung äußern, dann würde vermutlich auch sie persönlich so seziert werden wie jetzt Sahra Wagenknecht. Hat nicht auch Antje Vollmar in der Vergangenheit mal die aus heutiger Sicht falschen Leute unterstützt, so wie Sahra Wagenknecht? Hat sie sich nicht genug von diesen falschen Leuten »distanziert«? Möge man mir die Forderung nach solchen Distanzierungen ersparen! Ich, dem »nichts Menschliches fremd« ist, möchte nicht vor dem Mainstream buckeln müssen, indem ich mich von Menschen distanziere, mit denen ich nichts zu tun habe und die mir aus Motiven applaudieren, die mir zutiefst zuwider sind.
Utopien
Sollten wir uns doch lieber mehr von Utopien als von Dystopien leiten lassen? Ja, finde ich. Charles Eisenstein ist einer von denen, der uns überzeugend dazu anregt, faszinierende Utopien zu entwickeln und sie sprachlich zu formulieren. Dank der Übersetzungsarbeit von Bobby Langer und Christoph Peterseil kann man ihn jetzt auch auf Deutsch lesen. Zum Beispiel in diesem wunderbar einfühlsamen Text über das Einfach nicht abgebrüht sein.
Franz Alt bei „maybritt illner“
https://www.zdf.de/politik/maybrit-illner/franz-alt-es-wird-zu-wenig-ueber-frieden-gesprochen-maybrit-illner-26-januar-2023-100.html
Was für eine Heuchelei.
Und die Idee , dass Mystik angeblich „Jesus und Buddha vereint“ ist m. E. ebenfalls ein Irrglaube, wenn nicht sogar etwas anderes.- Wie traurig, so etwas hier zu lesen. Gemischt mit vielen vernünftigen Gedanken, wie dem des friedensstiftenden Dialogs (ja, richtig, der ist wichtig!). Aber das macht den Artikel in der Summe leider nicht weniger fragwürdig. Nur meine persönliche Meinung dazu.-
>> Matthäus 7:15
Auf der einen Seite stehen Panzer-Versteher, auf der anderen Bären-Versteher, dazwischen stehen Wildwest-Cowboys und üben beidhändig den finalen Weltcrash, den im Nachhinein eh niemand verstehen würde, höchstens Allesversteher, Experten sozusagen, die zum Frühstück Handgranaten essen und sich darüber noch wundern, wie schnell Rundum-Versteher sich in hirnlose Blutwürste verwandeln können, wenn Metzger zur Schlachtbank bitten.
Dies alles versteht der alte Mann da Oben eh nicht mehr, weshalb er auch kein Hirn mehr regnen lässt, und schon befinden wir uns am Anfang einer pandemischen Hirnkrise, die selbst Karl Lauterbach nie und nimmer voraussehen hätte können, seinen selbstgebastelten Prof-Hut an den Nagel hängt und als Zirkus-Clown durch die Lande springt.
++ glucks++