Ökonomie – von Menschen für Menschen gemacht

 In FEATURED, Politik, Wirtschaft

Wie setzen wir die Gemeinwohlökonomie als neue Wirtschaftsordnung politisch durch? Ökonomie ist von Menschen für Menschen gemacht. Und doch herrscht im Wirtschaftsleben das glatte Gegenteil der Werte, die wir bräuchten, um ein glückliches Leben zu führen. Unsere Ökonomie, so Christian Felber, basiert auf Konkurrenz und Profit. So ist es kein Wunder, dass Ängste und Burnout zunehmen, während das Vertrauen in die Zwischenmenschlichkeit abnimmt. An der menschlichen Natur liegt’s nicht, behauptet er. Die birgt Potenziale in beide Richtungen: Konkurrenz wie Kooperation. Wir müssen also ein Anreizsystem schaffen, das eher die humanen Verhaltensweisen belohnt. 4. Teil der Serie „Gemeinwohlökonomie“ von Franz Mühlbauer.

Eigentlich sollte es gar nicht so schwer sein, die Gemeinwohlökonomie (GWÖ) als neue Wirtschaftsordnung zu installieren. Die Anfänge sind schon gemacht; ca. 400 Unternehmen und Organisationen in vielen Ländern haben bereits eine Gemeinwohlbilanz erstellt (s. ecogood.org). Schaut man bei den Unternehmen aber genauer hin, so finden wir ausschließlich Klein- und Kleinstunternehmen, z.B. Fahrradhändler. Sucht man umsatzstarke Handels- und Industrie-Unternehmen – Fehlanzeige! Eine grobe Schätzung der Umsatzbedeutung der GWÖ-Unternehmen beläuft sich global auf 1,5 %; der Anteil der Beschäftigten liegt mit rund 1 % noch niedriger. Die Zahlen zeigen auf der einen Seite, dass das Konzept der GWÖ in der ökonomischen Realität funktioniert,  auf der anderen Seite ist diese alternative Wirtschaftsordnung  vom ökonomischen Mainstream  noch Lichtjahre entfernt.

Wenn sich ein neues System durchsetzen soll, bedarf es nach der Systemtheorie einer sog. „kritischen Masse“, die bei mindestens 50 % liegen muss; der Rest würde sich dann gezwungenermaßen dem neuen System anschließen. Konkret hieße das, in Deutschland müsste mindestens die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts von GWÖ- Unternehmen erwirtschaftet werden. Woher Christian Felber, der Begründer der GWÖ, seinen Optimismus hernimmt, dass sich die GWÖ von dieser extrem niedrigen Basis aus langsam und stetig im Markt durchsetzen wird, bleibt mir völlig schleierhaft.

Da auch hierzulande der aktuelle Anteil des GWÖ-Inlandsprodukts sicher nur um die 1 % liegt, muss ein anderer, ein politischer Weg beschritten werden, wie man in einer überschaubaren Zeit die GWÖ als neue Wirtschaftsordnung zum Laufen bringt. Als Zeithorizont setze ich maximal 5 Jahre an – hält sich die alte Ordnung deutlich länger, haben die gierigen Konzernbosse und ihre Lobbyisten, in trauter Harmonie mit den ihnen hörigen Politikern, unsere Wirtschaft und Gesellschaft völlig ruiniert. Dann ist zu befürchten, dass es auch bei uns zu blutigen Aufständen wie in Lateinamerika kommt. Die Unzufriedenheit der Verlierer des jetzigen Systems im Land wächst rasant, was ich auch in meinem sozialen Umfeld beobachte.

Deshalb rufe ich hier und jetzt alle gesellschaftskritischen Organisationen wie Fridays for Future, Greenpeace, Foodwatch, alle Natur- und Tierschutzverbände und sonstigen NGO´s (Nicht-Regierungs-Organisationen) auf, nicht nur ihre unmittelbaren Ziele wie z.B. Klima- und Naturschutz etc. in den Mittelpunkt ihrer Proteste und Aktionen zu stellen, sondern – und das ist entscheidend – gleichrangig die Forderung nach einer neuen gemeinwohlorientierten Wirtschaftsordnung. Denn alle unsere aktuellen Megaprobleme haben, wie im 1. Beitrag gezeigt, eine gemeinsame Wurzel, nämlich die Profitgier der Konzerne, der alles in Wirtschaft und Gesellschaft untergeordnet wird. Dieses Grundübel gilt es an der Wurzel zu packen. Noch so viele Demonstrationen und noch so tolle Aktionen der NGO´s ändern nichts oder nur ganz wenig an den Verhältnissen, solange den raffgierigen Bossen und willfährigen Politikern  mit der Forderung nach der neuen gemeinwohlorientierten Wirtschaftsordnung  nicht Dampf unter dem Hintern gemacht wird. Auch gesellschaftskritische Privatpersonen, also wir alle, sind gefordert, in unserem Freundes- und Bekanntenkreis mit aktiver Überzeugungsarbeit für die neue Wirtschaftsordnung  zu kämpfen.

Auf diese Weise kann ein Protestdruck wie anno 1968 entstehen, der damals für ein Aufbrechen der verkrusteten Strukturen in unserer Gesellschaft gesorgt hat. Durch die gemeinsame Forderung  nach der neuen Ordnung bildet sich eine breite Protestbewegung heraus, aus der spätestens bis zur übernächsten Bundestagswahl eine neue Partei entstehen muss, die dann auch die Wahl gewinnen sollte. Dass dies keine Utopie ist, hat Macron in Frankreich gezeigt – auch wenn  seine Politik  alles andere als gemeinwohlorientiert ist. Ich halte so etwas auch in Deutschland für möglich, wenn die Protestbewegung groß und aggressiv genug ist,  um die derzeit regierenden Parteien von einer Legislaturperiode zur nächsten zu bedeutungslosen Splitterparteien zu degradieren. Eine neue Politikergeneration wird dann das Ruder in die Hand nehmen und die neue Wirtschaftsordnung durch entsprechende  neue Gesetze  einzuführen.

Wie einst Martin Luther King, so habe auch ich einen Traum: Alle gesellschaftskritischen Gruppen und Privatpersonen finden sich in ihrer Forderung nach einer neuen Wirtschaftsordnung zusammen, leisten wie Gandhi gewaltlosen Widerstand, um eine friedliche Wirtschaftsrevolution zu einem  guten Ende zu führen, zum Wohle aller in unserem Land.

Die weiteren Teile der Serie „Gemeinwohlökonomie“ von Franz Mühlbauer:

Teil 1: https://hinter-den-schlagzeilen.de/der-profitgier-der-konzerne-paroli-bieten

Teil 2: https://hinter-den-schlagzeilen.de/welche-zuegel-legt-die-gemeinwohloekonomie-den-grosskonzernen-an

Teil 3: https://hinter-den-schlagzeilen.de/zum-mindestlohn-braucht-es-einen-hoechstlohn

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