Ohne Humor bleibst du ein Tor
Eine Handvoll Vierzeiler in humorloser Zeit. Wie bist du heute aufgewacht? Was hast du bisher gemacht? Hast du etwas vollbracht? Wurde dir etwas beigebracht? Warst du zufrieden oder aufgebracht? Hast du nachgedacht? Hast du schon gelacht? – Der Essayist und Lyriker Peter Fahr antwortet mit humoristischen Vierzeilern.
gedanken am morgen
das glück, nach dem ich greife,
ist eine nasse seife –
und dass ich darauf pfeife,
wohl ein zeichen der reife.
eins, zwei, drei
müßig, sich zu überlegen:
gibt es sonne oder regen?
eins von beiden wird es geben –
geh hinaus und leb dein leben!
jetzt oder nie
wenn du sagst, so sei es eben,
hast du dich schon aufgegeben,
denn allein die möglichkeiten
werden deine seele weiten.
vom augenblick
glück gibt’s nur im konjunktiv,
denn es ist so relativ.
ob’s dir gut geht oder schlecht,
das präsens hat immer recht.
aufs neue
das neue verändert das alte,
damit die freude sich erhalte.
und dann verblasst das alte neue,
damit man sich aufs neue freue.
modische maßnahme
ich hab mir einen hut gekauft,
er macht mich cooler, als ich bin.
einst hab ich mir das haar gerauft,
mit einem hut liegt das nicht drin.
mysterium
gänzlich dem sein ergeben,
werden leiden zu freuden:
ich verschwende mein leben,
um es nicht zu vergeuden.
trugschluss
kleine geister machen faxen,
denn sie möchten weiterwachsen.
dumm nur, dass das eitle treiben
nichts bewirkt, als klein zu bleiben.
dialektik
die einen meinen, es sei wahr.
den andern ist das gar nicht klar.
tatsächlich stimmt es und auch nicht:
der schatten wechselt mit dem licht.
von schwarz und weiß
so viele wissen ein für alle mal,
es gibt nur schwarz und weiß – wie ideal!
du aber, schärfe deinen blick und schau:
die meisten dinge sind tatsächlich grau.
mensch
sprosse, sprosse und so weiter
steigt er höher auf der leiter,
bis das holz auf einmal splittert
und er in die tiefe schlittert.
mut
widerwillig hin und wieder
knien wir am abgrund nieder.
nur wenn wir hinuntersehen,
werden wir den grund verstehen.
prognose
wenn sich nebelschwaden ballen,
fühlen wir uns fern von allen.
ist der nebel nicht mehr da,
sind wir uns erstaunlich nah.
rezept
wesentlich an unterhaltung
ist nicht unter, sondern haltung.
nur aus echter überzeugung
wird aus über echte zeugung.
prinzip
gewiss ist nichts total
gleichgültig und egal:
zeit und raum sind flüchtig,
alles ist gleich gültig.
vom scheitern
greife täglich nach den sternen,
wenn du auch ins leere greifst.
erst allmählich wirst du lernen,
dass du mit dem scheitern reifst.
vom netten umgang
fragen nach dem sinn des lebens
sind seit sokrates vergebens.
ich leb mein leben und bin nett –
das macht den ganzen unsinn wett.
kunstgriff
wenn ich mich wehmütig wähne,
strecke ich den leib und gähne.
danach bin ich wieder heiter
und der lebenslauf geht weiter.