Partnerschaft mit dem Mammon?

 In FEATURED, Philosophie

„Bis dass der Tod uns scheidet …“ – es war einmal … Partnerschaften wie Yin und Yang, bei denen erst beide ein Ganzes ergeben und jeder ein wenig im anderen angelegt ist, sind nicht mehr gefragt. Doch noch mehr als das: Der alte Spruch „Beim Geld hört die Freundschaft auf“ lässt sich mittlerweile erweitern auf „Beim Geld hört die Partnerschaft auf“. Ist das nun eine Klage oder eine Feststellung? Eher wohl eine Hypothese, die jede Leserin in ihrem eigenen Umfeld anzweifeln oder erhärten mag. Bobby Langer

 

Aus dem Nähkästchen

Wie komme ich dazu? Dazu muss ich ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern (das es ja auch nur noch in großmütterlichen Stuben gibt und damit eine passende Metapher ist): Meine Partnerschaft währt dieses Jahr 49 Jahre, seit 44 Jahren sind wir ein verheiratetes Paar. In so langer Zeit ging natürlich einiges schief, aber eben auch eine Menge gut. Und einen Aspekt des Letzteren möchte ich hier aufgreifen.

Gemeinsam führen wir drei Konten: Jeder von uns hat ein Privatkonto, zusätzlich gibt es mein Geschäftskonto. Jeder hat auf das Konto (die Konten) des anderen vollen Zugriff – bei Bedarf versteht sich. Geht eins der Konten ins Minus, wird von einem anderen Konto ausgeglichen. Überschüsse werden für schlechte Zeiten, mit denen immer zu rechnen ist, zurückgelegt. Möglich ist das, weil unsere Partnerschaft eben nicht vor dem Konto haltmacht. Was sich auf den Konten befindet, ist ganz einfach „unser Geld“, denn wir führen ja auch „unser Leben“, aber das tut jeder individuell und eigenständig. Daraus ergibt sich ein eher „leichtes Lebensgefühl“. Jeder gibt über den Grundbedarf hinaus so viel aus, wie ihr oder ihm gut dünkt. Und jede vertraut der anderen, dies angemessen zu tun, egal ob es sich um kleine Genüsse des Alltags oder größere in Form einer Reise handelt. Gehen alle Konten ins Minus, muss der Gürtel enger geschnallt werden. Tatsächlich gab es Zeiten, in denen wir nicht wussten, wovon wir im nächsten Monat unseren Lebensunterhalt bezahlen sollen. Auch das haben wir gemeinsam bewältigt.

Betuchte Emanzipation

Sich so auf die Partnerin einzulassen, dass man mit ihr auch freiwillig und ohne gegenseitige Kontrolle sein Geld teilt, setzt zweierlei voraus: den Wunsch, sein Leben gemeinsam zu verbringen, und das Vertrauen, dass die jeweils andere Person Verantwortung fürs Gemeinsame übernimmt. Das aber scheint mir ein Auslaufmodell. In meiner Umgebung kenne ich kein – jüngeres – Paar, das es so handhabt. Die Vorstellung, sein Einkommen in einen gemeinsamen Topf zu legen, erscheint den meisten, einmal darauf angesprochen, geradezu undenkbar. Und niemand sieht auch nur einen Grund darin, dies zu tun.

So weit die Beschreibung der mich befremdenden Umstände. Nun könnte man argumentieren, die Zeiten hätten sich eben geändert und Frauen bräuchten heute fürs Überleben keinen Mann mehr. Das mag sein, zumindest in betuchten Mittelstands- und Oberschichtverhältnissen. Vielleicht sogar nur in diesen, denn in vielen, weniger privilegierten Partnerschaften wird so wenig verdient, dass man nur gemeinsam halbwegs gut durchkommt. Vermutlich stimmt auch, dass ein partnerschaftliches Wirtschaften eine sehr junge Errungenschaft ist. Unsere Väter und Großväter verwalteten ihre Konten in der Regel patriarchal und gewährten ihrer Frau meist ein knapp bemessenes Haushaltsgeld. Von Partnerschaft keine Spur. Hat sich das heute gebessert? Haben wir jetzt das alte System nicht glatt verdoppelt: ein Patriarch und eine Patriarchin pro Haushalt statt zweier gleichberechtigter Partnerinnen? Kaum wurde die Partnerschaft in den 1970ern als neue Idee in den Blick genommen, scheint sie fünfzig Jahre später schon wieder aufgegeben.

Dem Partner statt der Zukunft misstrauen

Oder hat sich das Haben-Prinzip inzwischen bis ins Herz menschlicher Beziehungen vorgebohrt? Partnerschaft mit dem Mammon statt Partnerschaft mit der Partnerin: „Was ich hab, das hab ich. Und das geht dich gar nichts an. Eventuell, wenn ich großzügig bin, bekommst du ein paar Krümel, die von meinem Tisch fallen.“ Finanzautarkie statt Vertrauen? Finanzautarkie als Inbegriff von Freiheit? Und Freiheit reduziert auf Konsumfähigkeit? Und Misstrauen als neuer Standard: „Wer weiß, wie lange wir zusammen sind, sicher ist sicher.“ Eine Gesellschaft von Lebensabschnittgefährtinnen, in der die Kinder eben schauen müssen, wo sie bleiben – sofern man sich diesen Ballast ans Bein bindet.

Die Logik erscheint mir eigenartig, ja verblüffend, denn heute sind die Zeiten – ökonomisch, ökologisch und sozial – weit unsicherer als in den sechzig Jahren davor. Statt sich zusammenzutun nun also Vereinzelung als Lebensstil?

Kommentare
  • Volker
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    Jeder gibt über den Grundbedarf hinaus so viel aus, wie ihr oder ihm gut dünkt.

    Dabei gibt es sicherlich einen besonderen Trick, das Existenzminimum darüber hinaus zu strecken, wie es gerade dünkt.
    Fragezeichen.

    Volker, also ich, der Dünkter vor den Herren, übt seit Einführung staatlich gedünkter Grundbedürfnisse das trickreiche Bedürfniss, Bedürfnisse als solche nicht anzusehen oder gar zu fordern. Nein, Bedürfniskorb hin oder her.

    Was zählt ist die Einsicht jeglichen Verzichts auf dekadente Verhältnisse, sprich: einen aufgeblasenen Sozialstaat, dessen Wohltaten unser aller geliebtes Klima schädigen, Gates &Co. somit zum Betteln bei Tafeln nötigen würden, einschließlich aller Blutsauger mit Zähnen aus reinem Gold, sowie Edelschwänze aus dem Horrorlager der Rüstungsindustrie sowie aller notgeilen Kriegszombies in politschen Ehrenämtern ++glucks++ mit Aufwandsentschädigungen für angemessenen Ruhestand als Sesselfurzer für gewisse Beratungstätigkeiten.

    Unsere Väter und Großväter verwalteten ihre Konten in der Regel patriarchal und gewährten ihrer Frau meist ein knapp bemessenes Haushaltsgeld.

    Ne, sie guckten als Kapitalsklaven blöd in ihre Lohntüten, wunderten sich dazu noch Steuern abzudrücken – quasi als Aufwandsentschädigung anfallenden Menschenschrotts kapitalistischer Prügelorgien aus zwei Weltkriegen.

    Psst… man hört gewisse Forderungen über die Handhabung zukünftiger Kriegswitwen schon …

     

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