Peter Fahr auf eigene Gefahr!
Ein prosaischer Essayist als lyrischer Humorist. Die Zeiten sind ätzend. Und humorlos. Ganz besonders für Poeten, jenen Menschenschlag, der die täglichen Herausforderungen nur mit Schalk und Heiterkeit besteht. Peter Fahr hat das Lachen nicht verlernt, auch wenn es ihm manchmal im Hals stecken bleibt.
dichter
das erste wort muss waffe sein,
das zweite leckt die wunde.
dem dritten applaudiert kein schwein,
das vierte hetzen hunde.
das fünfte gönnt sich ein glas wein,
das sechste schmeißt ne runde.
das siebte will die welt befrein,
das achte geht zugrunde.
das neunte darf sich selbst verzeihn,
dem zehnten schlägt die stunde.
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lustige moral
was möcht ich mit den musen schmusen,
die mein gedicht zum klingen bringen!
was würd ich für ein leben geben
umschwirrt von fetten amoretten!
doch gibt’s in kontroversen versen
beileibe keine blutten putten.
und aus pikanten reimen keimen
auch nur die zahmen damen. amen
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vom dichten
steigert sich der überdruss,
schwing ich mich auf pegasus
und entschwebe in den reim,
denn da fühl ich mich daheim.
gute reime sind wie tassen,
die das ungereimte fassen.
und dann schlürfe ich genüsslich,
was mich störte, und bin glücklich.
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gleichgewicht
verschüchtert bete ich und bitte
den lieben gott um eine mitte,
denn oben sprüht ein kluges köpfchen
und unten springt ein geiles böckchen.
doch da, wo andere verdauen,
verschlingt mich namenloses grauen.
da wünschte ich mir eine mitte,
das dauernd kräftigende dritte:
ich nenn es schlicht das seelenlicht,
mein lang ersehntes gleichgewicht.
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mein bauch
mein bauch hat seine gründe,
warum er fett ist oder flach.
als ob er es verstünde,
dass ich mal kräftig bin, mal schwach.
mein bauch will nicht vergessen,
was seinen träger glücklich macht.
ob fasten oder essen,
er hat sich was dabei gedacht.
die fetten und die flachen
behaupten, bäuche denken nicht.
mein bauch muss leise lachen:
gedanken haben ihr gewicht.
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poet
sehnst du dich nach prominenz,
sing ein loblied auf die kuh!
damit schaffst du dir präsenz
und das kleingeld gleich dazu.
denn das liebste auf der erde
ist dem schweizer seine kuh:
wiederkäuend in der herde
macht sie hornlos glotzend muh.
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hin und wieder
ich mute mir so manches zu,
was delikat ist und tabu.
nur bin ich derzeit nicht mehr jung,
mein mut ist eine zumutung.
doch hin und wieder stimmt der ton –
und damit hat es sich auch schon.
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postskriptum
speichelt nur auf meine werke,
klebt sie voll mit etiketten:
dass die dissidenz mich stärke!
schändet meine schüttelreime
in den rezensentenbetten:
dass aus hass die wahrheit keime!
denunziert getrost mein schreiben,
hängt mich auf in den gazetten:
dass die verse zeitlos bleiben!
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abgesang
sehr geehrte redaktion,
schreiben ist mir einerlei.
vielleicht merken Sie auch schon,
dass ich heiter bin und frei.
lange hielt ich sie auf trab,
da ich einfach dichten muss.
alles, was ich Ihnen gab,
kam zurück. doch nun ist schluss!
nehmen Sie es mir nicht krumm,
dass ich nichts mehr schicken mag.
heute bringe ich mich um.
schöne grüße, guten tag!
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grabspruch
hier lieg ich und fühl mich
pudelwohl. ohne kohl:
hab die ruh, seh nur zu,
streck den zeh, nichts tut weh.
was ihr tut, kenn ich gut:
bist du wer, hast du’s schwer,
denkst du weit, wächst der neid.
als ich noch menschen roch,
ging’s mir schlecht. nur gerecht,
dass ich hin glücklich bin.