Politischer Sadismus

 In FEATURED, Gesundheit/Psyche, Politik, Roland Rottenfußer

Ein Millionen-Buch-Erfolg sagt etwas über die Gesellschaft aus, die ihn möglich gemacht hat. Das gilt für Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“. Es gilt aber ebenso für „Fifty Shades of Grey“, die dreiteilige SM-Romanze der englischen Autorin E. L. James. 20 Millionen Exemplare davon wurden allein in den ersten Monaten abgesetzt, drei seichte Verfilmungen folgten. Blümchensex müssen Hartgesottene hier nicht befürchten.  Wohl aber blühenden Unsinn – allerdings mit einem ernsten Hintergrund: Autoritäre Strukturen und Gewalt im Schlafzimmer werden durch den Hype „salonfähig“ gemacht, und dies in einem sozialen Umfeld, das zunehmend wieder auf Dominanz und Unterwerfung basiert. Machthaber überall auf der Welt sind ein bisschen wie der Sado-Yuppie Christian Grey – sie sind nur meistens nicht so ehrlich wie er. Was zum Beispiel hat Angela Merkel geritten, als sie sagte, bei steigenden Corona-Infektionszahlen müssten „die Zügel angezogen“ werden? Man mag es als harmlose betrachten, wenn Lust durch Machtspiele verstärkt wird; bedenklich ist die Erkenntnis, dass Machtausübung lustvoll ist. Roland Rottenfußer

 

„Die Sub befolgt sämtliche Anweisungen des Dom, ohne zu zögern, vorbehaltlos und umgehend. Die Sub stimmt allen sexuellen Aktivitäten, die der Dom als angemessen und angenehm erachtet, ausgenommen, die im Abschnitt ‚Hard Limits‘ aufgeführten zu. (…) Ein Verstoß gegen irgendeine der oben aufgeführten Vereinbarungen hat sofortige Bestrafung zur Folge, deren Art durch den Dom festgelegt wird.“ Der vermeintlich aufregendste erotische Roman unserer Zeit, „Fifty Shades of Grey – Geheimes Verlangen“ von E. L. James, liest sich streckenweise wie sprödes Juristendeutsch. Ja der Regelkatalog, den der dominante Christian Grey („Dom“) für seine Liebste Anastasia Steele („Sub“, abgeleitet von Submission) entworfen hat, mutet geradezu wie eine Parodie auf Vertragswerke an, die jede Verhaltensweise der Partner bis in die kleinste Verzweigung festlegt. Man mag es als harmlose betrachten, wenn Lust durch Machtspiele verstärkt wird; bedenklich ist die Erkenntnis, dass Machtausübung lustvoll ist.

Als Anfang 2014 die erste Verfilmung eines der SM-Romane von E.L. James in die Kinos kam, überschlugen sich die Kritiker mit Vorwürfen. Allerdings war nicht Entrüstung über zu „scharfe“ Szenen der Grund, eher im Gegenteil: Den meisten Rezensenten war das ästhetisch und schauspielerisch mäßig gelungene Filmchen zu lasch. Als „handzahm“ bezeichnete die Plattform filmstarts.de die Sexszenen in „Geheimes Verlangen“. „Es mag hier und da ein bisschen verlegenes Gekicher im Kinosaal geben, aber wirklich aufregen braucht sich keiner.“ Fast alle Kritisierenden legten größten Wert darauf, ihre Abgebrühtheit kund zu tun, als sei es in ihrem Bekanntenkreis gang und gäbe, Menschen, die man liebt, zu schlagen und sie einem rigiden Regelkatalog zu unterwerfen. Als seien Sie derart harte Kerle, dass die im Film gezeigten Praktiken in ihrem eigenen Sexleben noch zu harmlosesten gehörten.

Zwar ist nicht sehr wahrscheinlich, dass dem wirklich so ist, die Attitüde des Unangreifbar-Coolen ist jedoch bemerkenswert und symptomatisch für einen immer stärker ercoolenden Zeitgeist. Man lächelt Ekelszenen aus dem Dschungelcamp („Jenny Elvers im Madenbad“) ebenso weg wie zersägte Gliedmaßen in der Kult-Splatter-Serie „Saw“. „Ich bin grundsätzlich von nichts schockiert“, besagt diese Haltung. Nachdem die Peitschenstrafen auf Frauenhintern als Teil der Mainstream-Spaßkultur durch gewinkt wurden, ist vorhersehbar, dass es beim nächsten Medien-Hype noch härter, schärfer und dunkler zugehen wird.

Es ist richtig, in der Darstellung sexueller Verhaltensweisen Wahrhaftigkeit zuzulassen und auch „besondere“ Vorlieben nicht von vornherein moralisierend abzuwerten. In der Post-Fifty-Shades-Kultur wird Sado-Masochismus jedoch fast unter dem Aspekt der Freiheit und der sexuellen Biodiversität beschrieben, während der Aspekt des Krankhaften verleugnet wird. Es geht um Lust, die sich daraus speist, Grausamkeit auszuüben – oder sie zu erdulden. Während früher moralisierende Warnungen üblich waren, soll uns SM nun geradezu aufgeschwatzt werden: als vitale Abwechslung im Schlafzimmer. Wer möchte nach der Lektüre schon Sexy Christian nachstehen und als „Langeweiler im Bett“ gelten?

Dabei zielt Unterwerfung, um die es beim Sadomasochismus geht, eben nicht auf Lebendigkeit, sondern auf deren Einschränkung. Machtausübung in der Weise wie sie in „Fifty Shades“ gezeigt wird, hat eine Tendenz zum Nekrophilen. Sie degradiert Unterworfene zu toten Objekten. In diesem Sinn prägte der Gründer des Jesuitenordens Ignatius von Loyola den furchtbaren Begriff „Kadavergehorsam“.  So heißt es im „Beziehungsvertrag“ zwischen Christian und Anastasia: “Der Dom akzeptiert die Sub als seine Sklavin, die er während der Vertragsdauer besitzen, kontrollieren, dominieren und disziplinieren darf. Der Dom darf den Körper der Sub während der vereinbarten Zeiten oder während zusätzlich vereinbarter Zeiten so benutzen, wie es ihm angemessen erscheint, sexuell oder anderweitig. (…) Die Sub akzeptiert den Dom als ihren Herrn und Meister und versteht sich als Eigentum des Dom. “

Macht sucht stets die größtmögliche Kontrolle. Wer nach Macht strebt, ist oft zu schwach sich einer Situation zu stellen, die er nicht kontrollieren kann.

All dies zeigt, dass kranke, stark defizitäre Menschen Macht mit größerer Wahrscheinlichkeit anstreben als gesunde, dem Leben zugewandte Personen. Die Tatsache, dass Machtausübung für beide am Unterwerfungsprozess Beteiligte lustvoll sein kann, widerspricht dem nicht. Lust und auch Liebe werden zu Lockmittel, die helfen, natürliche Vorbehalte gegen Unterwerfung und die Verdinglichung des eigenen Körpers beiseite zu schieben. „Der Grat zwischen Lust und Schmerz ist sehr schmal, Anastasia. Es gibt immer zwei Seiten der Medaille, und eine kann ohne die andere nicht existieren. Ich kann dir zeigen, wie lustvoll Schmerz sein kann.“

Der Masochist wird – neben dem Krankheitsgewinn, der durch die Preisgabe von Selbstkontrolle geschieht – für seine Hingabe belohnt, in dem er nach dem Durchbrechen einer gewissen Schmerzgrenze ungeahnte Lustgefühle spürt. Es geht um die „Fähigkeit, Schmerz als erotische Stimulanz zu erleben und zu genießen“, so steht es im „SM-Handbuch“  von Matthias T. J. Grimme, erschienen im Verlag „SchlagZeilen“. Über die Dominanten heißt es im selben Werk: „Viele Aktive beherrschen die Fähigkeit, sich von den Emotionen zu nähren, die sie auslösen. Sie kosten die Macht aus, die es bedeutet, jemanden sexuell immer weiter zu treiben.“

Den Sadismus beschreibt Erich Fromm in seinem Buch „Anatomie der menschlichen Destruktivität“ sehr ausführlich. Fromm führt darin aus, „dass der Kern des Sadismus, der allen seinen Manifestationen gemeinsam ist, die Leidenschaft ist, absolute und uneingeschränkte Herrschaft über ein lebendes Wesen auszuüben, ob es sich nun um ein Tier, ein Kind, einen Mann oder eine Frau handelt. Jemand zu zwingen, Schmerz und Demütigung zu erdulden, ohne sich dagegen wehren zu können, ist eine der Manifestationen absoluter Herrschaft, wenn auch keineswegs die einzige. Wer ein anderes Wesen völlig beherrscht, macht dieses Wesen zu einem Ding, zu seinem Eigentum, während er selbst zum Gott dieses Wesens wird.“ Sadismus nach Fromm ist ein scheinbarer Ausweg aus der Einsamkeit des Menschen, ein irregeleiteter Versuch, die eigene beschränkte Existenz gleichsam um den Unterworfenen zu erweitern – mit der Folge, dass dieser seiner Würde beraubt und zur „Sache“ degradiert wird.

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch das Milieu, in dem sich „Fifty Shades of Grey“ vollzieht: Christian Grey ist ein Yuppie-Milliardär im Maßanzug, er empfängt Anastasia bei deren erster Begegnung in einen großen Business-Büro, eingebettet in eine kalte Glas-, Stahl- und Beton-Architektur. Er ist der Prototyp des glatten Karrieristen im neoliberalen Kapitalismus. Große Teile unserer Gesellschaft haben sich in den letzten Jahrzehnten tatsächlich genau diesem Menschentyp willig unterworfen und sind darin Anastasia Steel und ihrer ergriffenen Millionenleserschaft gefolgt. Christians Auftreten ist von Anfang an unerschütterlich selbstbewusst und etwas arrogant. Allerdings mischt er seinen unangenehm dominanten Eigenschaften Elemente von Fürsorge bei. Der Yuppie-Chef ist jemand, bei dem frau sich anlehnen und Verantwortung abgegeben kann – dies wird von der ersten Szene an deutlich.

Es ist in dieser Hinsicht auch nicht egal, dass es der Mann ist, der unterwirft und die Frau, die sich unterwerfen lässt. Die Emanzipation hat den Frauen offenbar zu viel Eigenständigkeit aufgeladen, so dass sie sich nach Unterordnung und der Preisgabe jeden Eigenwillens sehnen. So jedenfalls die Suggestion der Buch- und Filmreihe, nicht meine. Die Freiheitsbestrebungen der Frauen (und der Gesellschaft?) sind an einem Punkt angelangt, an dem sie in ihr Gegenteil umschlagen. „Furcht vor der Freiheit“ hat Erich Fromm diesen psychologischen Mechanismus genannt.

Aus Unbehagen an der Isolation, in die ihn die Auflösung traditioneller Bindungen an Familie, Staat und Kirche getrieben hat, versucht der moderne Mensch, die Last der Freiheit abzuwerfen und flieht „freiwillig“ in neue Abhängigkeiten. Man erkennt es auch am derzeit herrschenden Sicherheitswahn, der von den staatlichen Institutionen und den Medien eifrig geschürt wird.

Er gipfelt unter dem Corona-Regiment in der Vorstellung, durch bedingungslose Unterwerfung unter immer detailliertere, jede Verzweigung des Lebensvollzugs kontrollierende Regelkataloge, absolute Sicherheit für Leben und Gesundheit Aller zu erzwingen. Zu einem Opfer der Freiheit für das Gefühl des Behütetseins werden wir vielfach, wo nicht gezwungen, so doch verlockt.

Während man Sadismus in vieler Hinsicht als sexuellen Autoritarismus bezeichnen kann, ist die devote Haltung vieler Bürger gegenüber den Freiheitseinschränkungen der Security-Gesellschaft politischer Masochismus.

Fifty Shades of Grey“ transportiert ein sehr traditionelles Rollenverständnis. Von Anfang an fordert der Mann in diesem „Spiel“ die Führungsrolle und setzt sie konsequent durch. Der Mann beschützt die Frau und sorgt auch finanziell für sie. Der Mann verbietet der Frau Kontakte zu anderen Männern. Der Mann stellt Regeln auf und verhängt Strafen bei Regelverletzungen. Der Mann schlägt sogar zu und wendet Gewalt an.

Obwohl es zwischen den Protagonisten eine „Beziehungspause“ am Ende des ersten und am Anfang des zweiten Buches gibt, kann Christian sich dies letztlich erlauben, ohne die Liebe seiner Gespielin zu verlieren. Es ist eine Rollenverteilung, die üblicherweise archaischen Gesellschaften zugeschrieben wird. Das „christliche“ Abendland verortet derartige Anachronismen mit Vorliebe in der islamischen Welt, „50 Shades“ allerdings hat seinen Nährboden in der westlichen „Wertegemeinschaft“.

Zentral für den politischen Subtext der Buch- und Filmreihe ist Christians Forderung an Anastasia in der Anbahnungsphase, als er ihr erstmals seine SM-Vorlieben gesteht: „Ich habe Regeln, die du befolgen musst. Sie sind zu deinem Nutzen und zu meinem Vergnügen gedacht. Wenn du diese Regeln zu meiner Zufriedenheit befolgst, belohne ich dich. Wenn nicht, bestrafe ich dich, und du lernst daraus.“ Es ist die Essenz der Haltung des Mächtigen gegenüber dem Unterworfenen – nicht erst im Zusammenhang mit Corona, aber eben auch dort. Der sadistische „Dom“ (Dominante) ist ein Abbild des autoritären Staates, eben in dem angesprochen Dreischritt der Machtausübung: 1. Beanspruche von Anfang an die überlegene Position. 2. Stelle Regeln auf. 3. Verhänge bei Zuwiderhandlung Strafen und exekutiere sie notfalls mit Härte.

Man könnte auch noch ein Viertes hinzufügen: 4. Erwecke den Eindruck, dass deine Dominanz und Härte Ausdruck von Liebe und Fürsorge sind. Die Doppelbotschaft („Ich schlage dich als Ausdruck von Liebe“) ist buchstäblich von schlechten Eltern, das heißt sie ist ein Ausdruck krankhafter und traumatisierender Vater- bzw. Mutterschaft und auch als „Doublebind“-Effekt bekannt. Es richtet furchtbare psychische Verwirrung an, wenn man seinen Peiniger für einen guten Menschen halten oder gar lieben „muss“. Dessen Grausamkeit wird dann nicht mehr angesehen als das, was es ist (also als Ausdruck von Macht-Lust), sondern als Folge eigenen Fehlverhaltens. („Hätte ich die Regeln nicht gebrochen, hätte er mich nicht züchtigen müssen. Der Akt der Misshandlung dokumentiert also nicht seine, sondern meine eigene Nichtswürdigkeit“.)

Auch „unter Corona“ erleben wir verstärkt die Figur des „fürsorglichen Peinigers“, der es nur gut meint. Die Bürger als Unterworfene werden zudem Opfer einer Schuldverschiebung, derart, dass nur leichtsinnige Regelverstöße die Regierung angelblich zu immer rigideren Regeln „zwingen“. Dabei ist die Ursache eines Regelverstoßes zunächst die Regel selbst. Zerren Angebundene hektisch und fast verzweifelt an ihrer Leine, so kann es sein, dass diese schlicht zu kurz bemessen ist.

Das Interessente am sexuellen Sado-Masochismus ist genau dieses: Die Lust des Sadisten als Ursache für den Züchtigungsvorgang ist dort offensichtlich und wird nicht beschönigt. Im Gegensatz zum versteckten Sadismus von Staaten, Erziehungsheimen, Militäranstalten, Gefängnissen und auch mancher Familienstrukturen. Man könnte auch sagen:

Macht ist immer und überall ein bisschen so wie Christian Grey, sie ist nur meistens nicht so ehrlich wie er, weil sie ihren eigentlichen Existenzgrund, die Lust am Zufügen von Grausamkeiten, leugnet.

„Deine Unterwerfung wird mir Freude bereiten. Je mehr du dich unterwirfst, desto größer mein Vergnügen“, gibt Grey unverblümt zu. Macht-Institutionen anderswo masikieren ihren Egoismus oft noch durch Schein-Altruismus („Es ist jetzt wichtig für deine Entwicklung, dass ich dir Grenzen zu setzen.“)

Die „Shades“-Bücher wurden vielfach dafür kritisiert, SM-Beziehungen nicht wahrheitsgemäß darzustellen. Die britische Psychologin Susan Qulliam behauptete, Christian Grey würde jede szeneübliche Regel brechen, die Werke würden daher von realen SM-Aktiven überwiegend abgelehnt. Ist die Wahrheit also tatsächlich harmloser als der ohnehin „handzahme“ erste Fifty-Shades-Film? Zu vermuten ist: Es gibt harmlosere, aber auch schlimmere SM-Beziehungen. Alles, wozu Menschen Menschen überreden, verführen oder zwingen können, ist schon geschehen und geschieht weiterhin. Das „SM-Handbuch“,  geschrieben wohl gemerkt als Pro-SM-Ratgeber aus der Perspektive der Szene, lässt eher den Schluss zu, dass E.M. James nur die harmloseren Vorstufen beschrieben hat. Das was bei Christian Grey noch „Hard Limits“ sind (verbotene, weil zu harte sadistische Handlungen wie Würgen, das  Ritzen der Haut und Anwendung von Urin), wird im Handbuch als selbstverständlicher Teil des Repertoires präsentiert.

Für die Psycholanalyse von Dom und Sub ist das Buch wegen seiner Offenherzigkeit sehr aufschlussreich. „Dieses Kribbeln… diese Macht… unvergleichlich… göttlich!“ heißt es da in einem von vielen emphatischen Erfahrungsberichten. Ein anderer schreibt ergriffen: „Da war jeder Schrei dieser gequälten, gefolterten Frau ein Ansporn zu noch mehr Härte und Unnachgiebigkeit. Ich schlug, ich peitschte, ich demütigte in einem sadistischen, orgiastischen Rausch.“ Grimme bezeichnet Schläge als „demütigende Bestrafung, als Ausdruck von Macht und Ohnmacht oder als Möglichkeit, in einen Trance-ähnlichen Zustand zu kommen.“  Ja selbst ein quasi spirituelles Bedürfnis nach Einheitserfahrungen, wie es von Erich Fromm beschrieben wird, wird vom „Handbuch“ beschrieben. „Manche Menschen streben eine Erfahrung des Aus-dem-eigenen-Körper-Seins an, Grenzerfahrungen, die aus ihnen einen veränderten Menschen machen, der mehr von sich kennt und versteht.“

Politisch aufschlussreich ist dann folgende Aufzählung von SM-Rollenspielen: Dom und Sub erscheinen demnach als „der serbische Soldat und die moslemische Frau, die SS-Ärztin und das jüdische Versuchsobjekt, Daddy und die ungehorsame Tochter.“ Auch Vergewaltigungen gibt es als von beiden Seiten gewünschtes Rollenspiel. Tieferer Sinn solcher „Spiele“: „Jemand reduziert eine Person auf etwas kleineres, niedrigeres, schmutziges, zu einem Sklaven, einem Körperteil, einem Ding oder zu einem Tier.“ Auch diese wird aber vom Buchautor durchweg positiv gewertet. „Doch gerade weil Demütigung, Verachtung, Erniedrigung und Entwürdigung so tief gehen können, kann der hierdurch ausgelöste sexuelle Kick besonders intensiv sein.“

Aber ist nicht alles legitim, worüber zwei Menschen freiwillig überein gekommen sind? Christian hat Anastasia zuerst in sich verliebt, dann psychisch und sexuell abhängig gemacht. „Das ist die einzige Art von Beziehung, die mich interessiert“, droht er ihr. Im Klartext: Du verlierst mich, wenn Du nicht mitspielst. Auf verliebte Menschen wird so ein starker Druck ausgeübt, die eigenen Geschmacks- und Schmerzgrenzen zu überschreiten. Christian bleibt höflich und Anastasia verhält sich ihm gegenüber teilweise frech und aufmüpfig – die „Sklavin auf Augenhöhe“. Dies erleichtert Leserinnen die Identifikation mit Ana und  lindert möglicherweise aufkommende Schamgefühle.

Harmlos ist ein solcher „literarischer“ Stoff aber mitnichten, spiegelt er doch einen zunehmend wieder autoritären Zeitgeist, der Machtausübung und Strenge positiv bewertet und Unterworfene zur lächelnden Einwilligung in ihre Unterwerfung verführt.

 

Anzeigen von 3 Kommentaren
  • Volker
    Antworten
    Das einzige was mir dazu einfällt, ist Stimulation, ausgelöst durch Hartz 4-Dominanz, auf anderer Ebene nur. Also nix Libido, die darf ein Existenzmini sich an den Hut stecken und keine Ansprüche geltend machen, obwohl auch Menschenrecht (großes ?).

    Wer fordert, spürt die Peitsche, auf aufmüpfen folgt Strafe – knie dankend nieder.

    Klar, erscheint übertrieben. Einige Sados behaupten allerdings, ich hätte mir Fesseln selbst angelegt, mit dem Ziel lustvoller Verhätschelei, wahrscheinlich denken die, dass der Schmied sein Glück verhunzte, sich hingebungsvoll in Tagträume verstrickt, in einer Hängematte aus Dornen sogar, selbstverliebt berauscht und faul dazu. Grundgesicherte Höhepunkte…

    ++glucks++

    • Ulrike Spurgat
      Antworten
      Gut, dass du den Kakao nicht trinkst durch den man uns zieht.

      Frei nach Kästner.

      Beste Grüße, Ulrike

  • Piranha
    Antworten
    Gehirnverschmutzung

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