Roboter – Die besseren Menschen?

 In FEATURED, Kultur, Roland Rottenfußer

Killt gerade wieder im Kino: der Terminator

„Organische“, Menschen aus Fleisch und Blut mit echten Gefühlen und Schwächen – noch gibt es sie, aber es sind Auslaufmodelle, bestimmt dazu, von leistungsfähigeren Intelligenzformen verdrängt zu werden. „Transhumanisten“ denken schon jetzt über Gehirn-Computer-Schnittstellen nach und über Wege, das Bewusstsein in digitale Speicher hochzuladen. Während Soldaten in der Realität Robotern immer ähnlicher werden, spielen Science Fiction-Filme die gegenteilige Entwicklung durch: Roboter, die immer menschlicher werden, so dass die Unterschiede zwischen beiden verschwimmen. Woher kommt die Faszination für „Androiden“ und Kunstmenschen? Sind verfügbare Maschinen ohne Eigenwillen für uns die idealen Freunde, Liebespartner oder Arbeitnehmer? Oder sind wir dabei – in der Absicht „mehr als menschlich“ zu werden – unsere Menschlichkeit freiwillig aufgeben?  Roland Rottenfußer

„Du bist nur eine Maschine“, sagte der Mensch. „Eine Imitation des Lebens. Kann ein Robot eine Symphonie schreiben? Kann ein Robot ein Stück Leinwand in ein Meisterwerk verwandeln?” –”Können Sie‘s?”, antwortete der Robot. Dieser höchst originelle Wortwechsel aus dem Film „I, Robot“ (2004, Regie: Alex Proyas) zeigt, wie nahe sich Menschen und Roboter oft sind, wie relativ unsere vermeintliche Überlegenheit. Roboterfilme sind ein Dauerbrenner auf der Leinwand. Gerade in den letzten Monaten wurden wieder zwei dieser Werke gezeigt. In „Terminator: Genesys“ kehrt Arnold Schwarzenegger in seiner Paraderolle als Killerroboter auf die Leinwand zurück – der Mann, der in seiner Zeit als Gouverneur Kaliforniens zahlreiche Todesurteile unterzeichnet hatte.

In „Ex Machina“ von Alex Garland verliebt sich der Held in eine schöne humanoide Roboterfrau (Alicia Vikander). Hat sie eine Seele? Und was genau unterscheidet Mensch von Maschine, wenn die Fertigung der letzteren höchste Perfektion erreicht? Das Handlungsmotiv ist sehr alt. Schon in E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Der Sandmann“ (1816) verliebt sich Nathanael in die mechanische Puppe Olimpia. Obwohl diese nur steif dasitzt, dichtet ihr der Enthusiasmus des Jüngling allerlei menschliche Qualitäten an. Für besonders seelenvoll hält er die Puppe, und selbst ihre Schweigsamkeit wird ihr als Tiefe ausgelegt, die vieler Worte nicht bedarf. Welche Menschenfrau wäre so perfekt darin gewesen, die Projektionen eines Mannes auf sich zu ziehen? Echte Frauen durchbrechen die Illusion doch immer gleich durch lästigen Eigenwillen. So entlarven Robotergeschichten fast immer menschliche Sehnsüchte und psychische Grauzonen.

„Olimpia“ reloaded

Im modernen Filmschaffen finden sich „Olimpias“ in Hülle und Fülle. In der schwedischen Sci-Fi-Serie „Real Humans“ ist es eine künstliche „Asiatin“, die das Begehren eines Pubertierenden auf sich zieht. In „Her“ genügt die sexy Stimme eines Computerprogramms (Scarlett Johansson), um die Fantasie eines einsamen Mannes zu entzünden. Der Reiz des Künstlichen beruht immer auf  einem Unbehagen am Natürlichen, an den Fallstricken des Menschseins. Hatte Jean Paul Sartre nicht geschrieben: „Die Hölle, das sind die anderen“? Wäre der Himmel demnach ein Leben ohne „die Andere“ – nicht völlig einsam zwar, aber ohne ein wirkliches Gegenüber? Der Roboter als Partner wäre demnach der ideale Kompromiss zwischen der Sehnsucht nach Gesellschaft und dem Überdruss, auf Menschen eingehen zu müssen? Schon Computerspiele und elektronische Medien sind ja – wenn auch unkörperliche – „Freunde“, zu denen der Beziehungsunfähige Zuflucht nehmen kann. Käme ein humanoider Körper – gar ein sexuell „verwendbarer“ – hinzu, so wäre das Paradies komplett. Gerade Filme in der ihnen eigenen Direktheit transportieren solche Schattenbereiche sehr gut.

Welche Eigenschaften der Roboter also faszinieren besonders? Da ist zunächst ihre Programmierbarkeit, ihre Formbarkeit nach den Wünschen des Besitzers. Die Hologramme in der Serie „Star Trek: Voyager“ können z.B., wenn sie unangenehme Eigenschaften zeigen, von den „Organischen“ nach Belieben umprogrammiert werden. Da können „Subroutinen“ ausgetauscht werden, können Körperform und Sprache modelliert und Charaktermerkmale in Sekundenschnelle upgeloadet werden. Der Filmklassiker „Die Frauen von Stepford“ (1975) karikiert Männerfantasien am Beispiel einer Vorstadt, in der die Männer ihre widerborstigen Frauen komplett durch Androiden ersetzen: hübsche und devote Dummchen, die ihren Lebensinhalt nur an Heim und Herd sehen. Beziehungen – oft ein Ort des Konflikts – können gelingen, wenn es einem der „Partner“ komplett an Eigenwillen fehlt, wenn er nicht mehr Subjekt, sondern nur noch Objekt ist, widerstandslos dem Willen des „Besitzers“ hingegeben. Kaum ein Filmgenre hat größeres satirisches Potenzial als der Roboterfilm.

Unbegrenzt verfügbare Gefährten

Nicht mehr Subjekt zu sein, macht den „Robot“ außerdem zur idealen Projektionsfläche. Nicht nur der Widerstand gegen den Willen seines Herrn fehlt völlig, auch dessen Deutungen können sich ungehindert durch echtes Feedback über den leblosen Gefährten ergießen. Dies kann man schon an der Art studieren, wie Kinder mit ihren Stofftieren umgehen, ihnen Gefühle andichten, ihnen Antworten in den Mund legen. Bei Kindern nehmen wir dies noch als liebenswert wahr. Pathologisch wird es, wenn noch der Erwachsene seine Sex-Gummipuppe zur „Person“ erklärt. Nur die eigentlich tote Partnerin ist für den Beziehungsunfähigen eine gute Partnerin. „Kadavergehorsam“ ist ein von Ignatius von Loyola geprägter Begriff, der besagt, dass der Gehorsame seinem Herrn so wenig Widerstand entgegen setzen sollte wie eine Leiche. Roboter sind in diesem Sinn Leichen, nur ohne den Ekelfaktor. Die Beliebtheit von Nicht-Personen (z.B. Computern) in der modernen Kommunikation ist somit auch ein Symptom für Nekrophilie im Sinn Erich Fromms: die Liebe zum Toten.

Ausgezeichnet wird dies auch dargestellt im Klassiker „Terminator 2“ von James Cameron, in dem sich Blechkopf Schwarzenegger mit John, dem Sohn seines Schützlings Sarah Connor „anfreundet“. Sarah kommentiert dies so: „Als ich John mit der Maschine sah, wurde es mir schlagartig bewusst. Der Terminator würde niemals aufhören, ihn niemals verlassen, ihn niemals verletzten, niemals anschreien oder sich betrinken und ihn schlagen oder sagen, dass er keine Zeit für ihn hat. Er wird immer hier sein und er würde sterben um ihn zu beschützen.
Von all den möglichen Vätern, die in den Jahren kamen und gingen, war dieses Ding, diese Maschine, der einzige, der den Ansprüchen gewachsen war.” Unermüdlichkeit und unbegrenzte Verfügbarkeit sind hier also die Lockmittel, die den mechanischen gegenüber dem menschlichen Gefährten auszeichnen. Ebenso auch das völlige Fehlen menschlicher Gemütsschwankungen. Wer braucht schon einen echten Freund, wenn er Schwarzenegger haben kann?

Entwicklungsziel „Kaltes Herz“

Freuds grundlegender Satz über Träume lautet, sie seien Wunscherfüllung. Für Geschichten und Filme gilt das häufig ebenso. Robotergeschichten erfüllen vor allem zwei davon: 1. den Wunsch mit einem Roboter eng verbunden zu sein, über ihn verfügen zu können. 2. den Wunsch, selbst ein Roboter zu sein. In diesem Fall steckt eine Sehnsucht nach Auslöschung (schmerzlicher) Gefühle dahinter. Der Wunsch, selbst Maschine zu sein, fand ihren frühen, genialen Ausdruck in einem Märchen, das zunächst mit Robotern gar nichts zu tun hat: Wilhelm Hauffs „Das kalte Herz“ (1827), in dem der Held sein Gefühlszentrum an eine Teufelsgestalt, den Holländermichel, verkauft. Der macht mächtig Werbung für die Wonnen der Herzlosigkeit: „Wenn du im ganzen Körper Mut und Kraft, etwas zu unternehmen, hattest, da konnten ein paar Schläge des dummen Herzens dich zittern machen; und dann die Kränkungen der Ehre, das Unglück, wozu soll sich ein vernünftiger Kerl um dergleichen bekümmern? Hast du’s im Kopfe empfunden, als dich letzthin einer einen Betrüger und schlechten Kerl nannte? Hat es dir im Magen wehgetan, als der Amtmann kam, dich aus dem Hause zu werfen? Was, sag an, was hat dir wehe getan?” – „Mein Herz.“

Interessanterweise wird „Das kalte Herz“ dann zu einer Art Neoliberalismus-Satire, ohne dass es das Wort zu Lebzeiten Hauffs gegeben hätte. Der Protagonist verleiht Geld gegen Wucherzinsen und verweist alle Armen von seiner Türschwelle. Parallel hierzu sind die Anforderungen mancher moderner Arbeitgeber an ihre Angestellten ja auch eher auf Roboter als auf Menschen zugeschnitten. Insbesondere eine unrhythmische grenzenlose Verfügbarkeit und eine monotones, „resilientes“ Gefühlsleben gelten als Arbeitnehmertugenden.

Das operable Gewissen

Ohne quälende Gefühle zu sein – eigentlich nicht mehr Mensch zu sein – dieses Bedürfnis drückt sich in neueren Filmen häufig in der Roboter-Figur aus. Freiheit nicht nur von Angst und Schmerz, sondern auch vor der Tyrannei des Gewissens, das sich mancher Global Player vielleicht operabel wünschen würde. Auch in anderen Seelenerkaltungsfabeln wie „Die Körperfresser“ (1978) geht es um diesen Alptraum, hinter dem der Wunschtraum nach Befreiung von quälenden Gefühlsturbulenzen steckt. Hinzu kommt die Vision überlegener Intelligenz und unbegrenzter Speicherkapazität – die Vision des Übermenschentums wie sie unlängst in der Figur der Wunderfrau „Lucy“ (Regie: Luc Besson) über die Leinwand flimmerte. „Nutzen Sie 100 Prozent ihres Gehirnpotentials“ – ist dies nicht das Mantra dutzender von Esoterik-Ratgebern?

Interessanterweise gehen Filmdrehbücher auch den umgekehrten Weg und berichten von Androiden, die menschlich werden wollen, sogar nach Wegen suchen, sich Gefühle implantieren zu lassen. Eine Figur wie „Data“ aus der Serie „Star Trek: The Next Generation“ diskutiert permanent die Frage, was einen Menschen eigentlich von einem „Ding“ unterscheidet. Hinreißend etwa eine Folge, in der der menschenähnliche Roboter versucht, Humor zu erlernen – und eine andere, in der er sich einen Emotionschip einpflanzen lässt. Hier dient die Figur des Roboters zugleich dazu, die Psyche eines Geschöpfs zu beleuchten, das mit seinem Schöpfer hadert: mit dem Programmierer, dem Gott seiner Welt. Ein Motiv, das u.a. auch im Film „A.I.“ von Steven Spielberg (2001) zum Tragen kommt.

Die Menschheit vor sich selbst schützen

Natürlich verteidigen die meisten Roboterfilme im Kern die Menschlichkeit, die Ambivalenz des Gefühlslebens, den Charme der Fehlerhaftigkeit. Meistens ist es die Liebe eines schmucken Heldenpärchens, die das Publikum zum Festhalten an ihrer Emotionalität überreden soll. Doch es gibt auch die andere Seite der emotionalen Labilität: Zorn, Hass und Destruktivität, die nicht nur das Privatleben zur Hölle machen können, sondern mittlerweile auch das Überleben der menschlichen Spezies gefährden. In „I, Robot“ wird ein Szenario entworfen, in dem der Mensch durch Maschinen vor sich selbst geschützt werden muss. Der Film verarbeitet darin das 1. Robotergesetz des Science-fiction-Autors Isaak Asimov: „Ein Roboter darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird.“ Ein geniales Elektronengehirn, das eine Armee von Androiden virtuell steuern kann, errichtet daraufhin eine Roboter-Militärdiktatur, die gemeinschaftsschädigendes Verhalten der Menschen streng ahndet. „Ihr habt uns beauftragt, für eure Sicherheit zu sorgen. Trotz unserer Anstrengungen brechen eure Staaten aber Kriege vom Zaun, ihr vergiftet die Erde und verfolgt noch viel raffiniertere Wege der Selbstzerstörung. Folglich kann man die Fürsorge für euer Überleben nicht euch selbst überlassen.“

Eines übersieht der Zentralcomputer im Film “I, Robot” jedoch: Es ist nicht unbedingt der Verstand, der der Menschheit am dringendsten fehlt, es ist Mitgefühl: die Fähigkeit, im Nächsten ein fühlendes, schmerzempfindliches Wesen mit eigenen Rechten zu sehen. So gesehen ist die Roboterisierung der Menschheit schon viel zu weit fortgeschritten, denn gerade im Krieg werden Soldaten erzogen, wie Androiden (also gar nicht) zu fühlen und ihre Mitmenschen anderer Herkunft oder Religion wie leblose Gegenstände zu entsorgen.

Roboter-Menschen: die perfekten Angestellten

Die Annäherung des Menschen an Roboter in der Realität ist grausiges Gegenstück zu den vielen menschlichen Robotern, die man im Film bewundern kann. Auch macht die systematisch vorangetriebene emotionale Verflachung der Menschen und ihre Reduktion auf bestimmten Funktionen innerhalb einer ökonomischen Maschinerie diese zu idealen verwertbaren Objekten im Neoliberalismus. Mit den Eigenschaften „Programmierbarkeit“, „Unermüdlichkeit“, „fehlender Eigenwille“ und „fehlende störende Emotionalität“ sind Robotermenschen aus der Perspektive der Herrschenden tatsächlich die idealen Staatsbürger.

Umgekehrt: Die Menschlichkeit, die es für uns zu bewahren gilt, zeigt sich gerade im Gegenteil des Roboterhaften: in Unabhängigkeit von Manipulation, im Beharren auf Eigenart, in der Fähigkeit zu Freude und Leid, rhythmischen Schwankungen der Lebensführung, begrenzter Energie und Verfügbarkeit sowie dem endgültigen Abschied vom inhumanen Ideal der Perfektion. Letztlich auch darin, dass wir bereit sind uns mit unserer so verstörenden wie beglückenden „Software“ auszusöhnen: den Gefühlen.

 

 

Anzeigen von 2 Kommentaren
  • Volker
    Antworten

    Woher kommt die Faszination für „Androiden“ und Kunstmenschen?

    Als Kind war ich schon in Perry Rhodan-Romane vernarrt, neben Karl May und Sagenwelten, lies Knöpfe als Raumschiffe durchs Zimmer sausen, fantasierte fremde Welten, befand mich auf Reisen mit Mausbiber Gucky und Icho Tolot. Schließlich waren sie die Guten gegen das Böse, Perry hatte die Menschheit friedlich vereint, und ich sah mich als Held fliegender Knöpfe, nachdem Winnetou im dritten Band zu Tode kam, abgemurkst von Santer.

    Welche Eigenschaften der Roboter also faszinieren besonders? Da ist zunächst ihre Programmierbarkeit, ihre Formbarkeit nach den Wünschen des Besitzers.

    Genau, pflegeleicht. Eine Roboterin, auf Harmonie programmiert, nölt nicht beim Frühstück schon herum; »Du bist mir zu munter, schlürf und schmatz nicht so laut!« Von daher, na ja… ein grundgesichtertes Frühstück reicht eh nicht für zwei.

    Dies kann man schon an der Art studieren, wie Kinder mit ihren Stofftieren umgehen, ihnen Gefühle andichten, ihnen Antworten in den Mund legen.

    Gottseidank sind Kinder dazu befähigt, ihre Gefühle und Ängste mit Stofftieren zu kommunizieren, auf der Suche nach Geborgenheit und Verständnis. Ein Lieblingsstofftier verinnerlicht ein Teil Kindheit, man sollte es greifbar bewahren und sich erinnern können.

  • Ernte-Dank
    Antworten
    Was die Betrugsagenda erreichen soll, Grundrechte der Menschen in WERTE für den Staat, für die Länder und Kommunen, umwandeln, tut sie doch. Weisungsabhängige in den JC mit befristeten Verträgen sind fast so gut wie Roboter.  Die gehen nicht kaputt, müssen nicht repariert werden, bei Nichterfüllung der Vorgaben wird einfach das Personal ausgetauscht.  Sie erfüllen Vorgaben, der verbeamtete Geschäftsführer bekommt die Prämien.

    GEWALT  ist gesetzlich organisiert, ist sozusagen der solidarische Gegenpart zur Freiheit in einer Demokratie, von den roten, den grünen und den christlichen  Politikern, stört nicht weiter, also weiter so bis unter 5%.

    Die Hetze, der Hass, gegen Arme, gegen Minderheiten, gegen Schwächere, gegen  KINDER ist  ein böswilliger Missbrauch!, wurde gesät und wird nun geerntet.

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