Verzicht und Zuversicht
Es geht uns gut. Wir leben in Wohlstand und Überfluss. Dennoch jagt eine Schreckensmeldung die andere: Missstände, Verbrechen, Korruption, Machtmissbrauch, Kriege, Klimakatastrophe. Es geht uns schlecht. Doch das Schicksal der Menschheit ist nicht besiegelt. Die Zukunft liegt in der Hand jedes Einzelnen. Peter Fahr
Der westliche Mensch lebt in einer der besten Welten. Er besitzt alles, was sein Dasein angenehmer gestalten kann. Er hat sich organisiert, hat dem Chaos Ordnung und der existentiellen Unsicherheit ein naturwissenschaftliches Vertrauen abgerungen. Die Zivilisation, seine Leistung, verschafft ihm all jene Privilegien, von denen Andere nur träumen können. Er lebt in einer Welt der Lösungen: um die Gesundheit kümmert sich die Medizin, für das Seelenheil sorgt die Kirche, die Politik regelt das Zusammenleben, Konsum- und Produktionsgüter bringt die Industrie auf, den Schutz vor Andersdenkenden gewährt die Armee. Er hat Arbeit, Freizeit, eine Wohnung, ein Auto, einen Fernseher, einen PC und ein Smartphone. Dem westlichen Menschen geht es gut.
Dieses äußere Wohlbefinden fordert aber seinen inneren Preis. Der Mensch verfeinert die Technik und verliert das Handwerk. Er bürokratisiert den Alltag und verliert die Freiheit. Er verwaltet Dinge und verliert den Bezug zum Lebendigen. Er macht Geschäfte und verliert die Menschlichkeit. Er unterwirft die Natur und verliert seine Lebensgrundlage. Die fröhliche Wohlstandsgesellschaft ist die Summe vereinsamter Einzelwesen. Die Gesellschaft wächst auf Kosten des Einzelnen, ihr Gewinn ist sein Verlust. Sie zerstört sich selbst, indem sie den Einzelnen zerstört. Dem westlichen Menschen geht es schlecht.
Der postmoderne Mensch des Westens hat alles im Überfluß und ist der Sklave seiner Schöpfung. Dieser Konflikt betrifft uns alle, seien wir nun wohlhabend oder weniger bemittelt. Wir sind reich an Dingen und zugleich Opfer dieses Reichtums. Der Besitz macht nicht glücklich, wahrscheinlich macht er sogar unglücklich.
Gebot der Stunde
Die Frage nach dem Verzicht scheint mir das Gebot der Stunde zu sein. Wenn wir im Wohlstand leben und dennoch unzufrieden sind, ist es nur folgerichtig, diesen neu zu überdenken. Es geht einerseits darum, den persönlichen Wohlstand in einem größeren Rahmen zu sehen. Wer hat ein finanzielles Interesse an meinem Konsumverhalten? Inwieweit geht mein Lebensstandard auf Kosten der Zweiten und Dritten Welt? Trägt er zur Umweltzerstörung bei?
Anderseits gilt es, neben der theoretischen Standortbestimmung auf gesellschaftspolitischer Ebene die praktische Auseinandersetzung im Alltag nicht zu scheuen. Benütze ich, was ich habe? Brauche ich, was ich benütze? Was ist lebensnotwendig und was überflüssig? Auf was kann verzichtet werden? Wir sollten uns des Wohlstands, seiner Vorzüge und Gefahren voll bewußt werden. Das wird nicht gehen ohne Momente der Verunsicherung, des Zweifelns und der Angst. Doch damit könnte folgende Entwicklung eingeleitet werden.
Verheissungsvolle Entwicklung
Bewußtsein
Die kritische Beschäftigung mit dem Lebensstandard fördert viele Einsichten zu Tage. Zwischen nötigem Bedarf an Gütern und unverhältnismäßigem Konsum kann unterschieden werden. Falsche Bedürfnisse, zum Beispiel die durch die Werbung suggerierten, werden offensichtlich. Mein Überfluß, seine Folgen für mich selbst und die Umwelt, werden mir bewusst.
Freiwillige Wahl
In jeder Lebenssituation ist der Mensch zur freien Wahl gezwungen. Wer lebt, ohne zu wählen, hat aufgehört, ein freier Mensch zu sein. Er überläßt sich äußeren Einflüssen wie Gehorsam, Pflicht, Gewohnheit, die nichts mit seinem Selbst zu tun haben. Eine Seele, die nicht mehr wählt, liegt in den letzten Zügen. Der Zwang zur Wahl ist der Prüfstein menschlicher Freiheit. Nur wer diesen Zwang bejaht, ist frei.
Erkenntnis
Ich begreife: indem ich auf gewisse Dinge verzichte, beeinflusse ich die Situation.
Eine einzige Wirklichkeit wiegt tausend Möglichkeiten auf. Möglich ist alles, wirklich beinahe nichts. In diesem Sinn ist wenig viel und alles nichts. Es kommt einzig und allein auf die Wirkung an. Ein winziger Verzicht bewirkt mehr als tausend Einsichten.
Freiraum
Die freiwillige Wahl des Verzichts auf das Haben schafft einen Freiraum für ungeahntes Sein. Verzicht also nicht erfahren als Verlust oder Mangel, sondern im Gegenteil als menschliche Bereicherung. Ich habe auf einmal mehr Zeit, mehr Raum, mehr Unabhängigkeit zur Verfügung, um mich selbst zu verwirklichen.
Innerer Frieden
Selbstverwirklichung befriedigt meine echten Bedürfnisse. Befriedigt sein, heißt: den Frieden gefunden haben.
Eins mit sich selbst
Dieser innere Frieden ist der Gegenpol zum äußeren Wohlbefinden. Jetzt erst fühle ich mich als ganzheitliche Persönlichkeit. Und als solche bin ich voller Zuversicht.
Der Mensch ist wandelbar
Der Mensch unterscheidet sich vom Tier unter anderem durch seine Fähigkeit, sich zu verändern. Wer dies leugnet, stellt sich auf die Stufe eines willenlosen Wesens. Er resigniert vor sich selbst. Ein Blick auf die Geschichte entlarvt diese subtile Art von Feigheit als Irrtum: der Mensch ist wandelbar.
Die Geschichte offenbart ein sonderbares Wechselspiel von Anpassung und Veränderung. Indem der Mensch seine Umwelt gestaltet, also verändert, und sich ihr fortwährend anpaßt, verändert er sich selbst. Die eher fortschrittsfeindliche Neigung zur Anpassung steht sozusagen im Dienst des Fortschritts.
Realismus ist die Voraussetzung für Optimismus. Fehlt die realistische Einschätzung der Gegenwart, verlieren wir uns in Utopien. Die Erkenntnis vom grundlegenden Zusammenhang zwischen Veränderung und Anpassung schenkt unerschütterliches Vertrauen in die Zukunft. Haben wir die Angst vor den Folgen eines Verzichts erst einmal überwunden und uns dazu entschlossen, vermehrt im Einklang mit der Natur zu leben, werden wir uns der neuen Situation schon anpassen.
Es ist möglich, die heute anstehenden ökologischen Probleme durch unsere Bereitschaft, die Umwelt und somit uns selbst zu verändern, zu bewältigen. Das Schicksal dieses Planeten liegt in unserer Hand.
Das ist ist ja mal eine steile These, die ich nicht teile und mich auch ärgert!
Wer hier aufmerksam liest, der kennt doch die Nöte und Verzweiflung der Kommentatoren! Wer am Monatsende nichts mehr im Kühlschrank hat – wenn vorhanden – der hätte gern eine Scheibe Brot – wie abgebildet!
Sie und ich, Herr Fahr, wir leben privilegiert und Sie lassen mich kopfschüttelnd und enttäuscht zurück; denken Sie doch bitte an den Beitrag: Hartz IV Empfänger, Ufuk K., Jobcenter Mannheim, Prügel und Rauswurf!
Überdenken Sie Ihre Meinung, bitte!
Fassungslos!
Ich möchte aber doch darauf aufmerksam machen, dass es nicht immer und ausschließlich um Hartz IV gehen kann. Diese Themengruppe ist für HdS wichtig – wahrscheinlich wichtiger als für die meisten vergleichbaren Magazine. Aber wir müssen ein Angebot für eine gemischte Leserschaft machen, also auch für Menschen, die durchaus noch wählen können, ob sie freiwillig etwas Konsumverzicht üben wollen oder es lieber krachen lassen. Ich selbst habe auch schon über freiwillige Einfachheit geschrieben, obwohl ich wahrlich kein Krösus bin.
Genau genommen könnte man als Kommentar über einen Hartz IV-Artikel schreiben, dieser ginge an der Lebensrealität von Millionen Menschen der arbeitenden Mittelschicht völlig vorbei. Das ist in beiden Fällen kein sinnvolles Argumentationsmuster, denn es geht schlicht um zwei verschiedene Zielgruppen bzw. Denkansätze. Ich bitte doch um ein wenig Toleranz. Ich selbst sehe mich in meiner sozialen Situation als freiberuflicher, prekärer Journalist in keiner Weise widergespiegelt. Das ist aber nicht schlimm, es geht eben nicht nur um mich.
Ich finde es ja verständlich und sogar oft erhellend, wenn Volker bei jedem Artikel, in dem etwas erwähnt wird, das ein bisschen was kostet, in der Kommentarspalte schreibt: „Ich könnte mir das nicht leisten“. Das macht auf blinde Flecken aufmerksam, die viele von uns sonst haben. Aber es sollte nicht so weit gehen, zu unterstellen, der Autor habe etwas ganz Fürchterliches getan, wenn er schreibt: „Uns“ (also den deutschen im Durchschnitt und im weltweiten Vergleich) „geht es gut“.
Worin Ruth, andere und ich mit unserer (Andeutung von) Kritik das Gebot der „Toleranz“ verletzt hätten, verstehe ich ebenfalls nicht. Im Wesentlichen haben wir erstmal Ich-Botschaften gegeben und zwei, drei Argumente angedeutet. Wir sollten aufpassen, den großen und wichtigen Wert der „Toleranz“ nicht als Zustimmungsbefehl mißzuverstehen. Eher drohte von diesem Mißverständnis her die Abschaffung von Toleranz.
Auch Rolands Hinweis auf unsere Artikel über Hartz-IV-Betroffene halte ich für falsch. Diese Artikel tun an keiner Stelle so, als sei über alle Menschen in Deutschland die Rede (ganz im Gegenteil). Sie weisen also den gewichtigen Pauschalisierungsfehler der Aussagen von Peter Fahr gerade nicht auf.
Zu der äußerst problematischen Verzichts-Moral, der z. T. im Artikel von Peter Fahr das Wort geredet wird, vielleicht später noch was.
Armut ist mittlerweile Standard in Deutschland und anderswo, lässt sich bei näherer Betrachtung mit einigen Themen sogar locker verbinden, und sei es um zwei Ecken herum.
Nebenbei: Ich kann mich nicht erinnern „Ich könnte mir das nicht leisten“ geschrieben zu haben, würde sich anhören wie jammern, und das ist wirklich nicht mein Ding. Ich weise gelegentlich auf die Lebensverhältnisse vieler Menschen hin, die wie ich von vielen Dingen völlig ausgeschlossen werden, indem ich als Betroffener aus eigener Situation kommentiere ( Jimi Hendrix und Plattenspieler), wobei ich dazu noch versuche, das nicht-mehr-können-dürfen mit einem gewissen satirischen Anstrich zu versehen, damit es nicht nervt.
Ein netter Mensch aus unseren Reihen schickte mir die neuste CD von Herman van Veen zu, die ich mir alle paar Tage anhöre und weiß, was ich nicht mehr kann oder darf. Für mich ist dies die Möglichkeit des kleinen Glücksempfindens auf musikalischer Ebene.
Solche Argumente kenne ich zu Genüge, habe mir sie oft anhören müssen, fängt bei Krankenversicherung an und zieht sich weiter, bishin zum Segen sozialer Zuwendungen, sprich: ich sollte nicht klagen, Deutschland sei nicht Afrika – das Übliche halt. Unter Grundsicherungsbedingungen ein normales Brot beim Bäcker zu kaufen ist schon gar nicht mehr möglich; soweit zur realistischen Betrachtung in Richtung Optimismus.
Man sollte sich also nicht darüber wundern, das Ruth und Holger bei manchen Auslassungen Kritik üben, die sehrwohl angebracht ist. Auf Herrn Fahrs Beitrag einen Kommentar zu schreiben, darauf habe ich bewußt verzichtet, um – na was nun? – nicht anzuecken, übe mich in Selbstzensur ++gluckst++
@Ruth und Holdger, danke.
Das ist sehr schnell mal so dahingesagt!
Sicher ist doch, dass es jeden treffen kann!
Ich muss mich nur umgucken, was sehe ich: Menschen, ob alt oder jung, in Abfalltonnen nach Altglas suchen, ehrenamtliche Tafeln, Sozialkaufhäuser und Wohnquartiere, da wohnen dann die s.g. Versager. Aber denkt bitte positiv, dann wird’s schon; das ist beschämend!
Es geht nicht um Argumentationsmuster, es geht um Mitgefühl!
Und meine Toleranz hört da auf, wo Schwächere mit einer so lapidaren Problemlösung abgespeist werden!
Der Staat hat versagt und wir, denen es gut geht, haben die verdammte Pflicht, die Not und Ungerechtigkeit immer wieder zu thematisieren, damit diese Menschen würdevoll leben können!
Dazu gehört Kultur, Sport, Bildung, und nur das ist hilfreich und verspricht eine Zukunft mit Perspektive und seelischer Gesundheit!
Ich kritisiere hier, aber ich beschimpfe nicht und unterstelle nicht!
Und das ist sicher auch die Intention von „HDS“!
Liebe Grüsse
Bernhard Schlegel
.
Ich las soeben den Artikel, und er gefielt mir auf Anhieb. Er spricht etwas an, das, gerade in der heutigen Zeit des Überflusses, ein wichtiger Fingerzeig ist. Natürlich, so sehe ich es gleichermaßen, kann und darf das nicht auf die Bedürftigen unserer Erde bezogen werden. Den Menschen, die tagtäglich ums Überleben kämpfen müssen, ist der Appell zum Verzicht nicht aufzuerlegen, sie verzichten ja tagtäglich. Ich sehe den Artikel auch nicht darauf bezogen, sondern auf die Lebensweise von der breiten Masse des Mittelstands und der Lebensweise der Wohlhabenden. Im Grunde genommen ist es ein Appell, sein Konsumverhalten zu überdenken.
Diesen Ansatz finde ich gut und wichtig, denn nur dieser wird der Weg aus der Umweltbelastung und Klimakatastrophe sein. Sich selbst von der Konsum Spirale befreien, sich lösen vom Ballast des Geldes, andere neue Werte an die Stelle treten lassen, das könnte eine gesellschaftliche Veränderung, eine Abkehr vom Hamsterrad und eine Hinwendung zu mehr Achtsamkeit und Leben im Bewusstsein bewirken. Wenn, sich theoretisch alle Menschen auf diesem Erdball in Verzicht üben würden, die Bedürftigen mal ausgenommen, sie verzichten bereits täglich, dann würden wir Mensch, Tier und Pflanzenwelt nicht mehr so belasten.
Ich werde diesen Artikel zum Anlass nehmen, und mein eigenes Konsumverhalten überprüfen. Es gibt bestimmt einiges, was ich an Konsumgut im Alltag weglassen kann, vielleicht befreit es mich sogar, so, wie es mich damals befreite, auf dem Camino frances (Pilgerweg in Spanien). 20 Kg, das, was die eigenen Schultern tragen, mehr braucht man nicht zum Leben.
.
Poema di Eugenio Garibay
https://youtu.be/GUf2bFtI5KM
.
Realismus ist die Voraussetzung für Optimismus. – Optimismus ohne Realismus ist ein Trugbild, eine Fata Morgana. Was ist Realismus? Wenn ich meine unmittelbare Umgebung sehe, dann sehe ich relativ viele Schmetterlinge (vor zwei und vor drei Jahren waren es allerdings noch mehr), viele Hummeln und Wildbienen, relativ zufriedene und gesunde Menschen, die Leerstelle von zwei gefällten Tannen, die der Kupferstecher befallen hatte … .
Das ist meine Realität. Wenn ich Nachrichten höre und sehe, Zeitung lese, HdS lese, dann wird mir die Realität von anderswo präsentiert, die ich ebenfalls als Realität anerkenne. Und man kann ja etwas für den Erhalt des brasilianischen Regenwaldes tun (und sei es nur, indem man Haltung dazu zeigt und diese Realität anerkennt, statt sie zu ignorieren), bevor er ganz kaputt gemacht wird. Das sind die kleinen Schritte, die, wenn sie viele gehen, zu guten Veränderungen führen werden. Weil es ein reales Naturgesetz ist, dass dahin, wohin die Aufmerksamkeit geht, auch die Energie fließt.
dass Sie hier eine Metapher nach der anderen bemühen, das sei Ihnen gegönnt!
Meine kritische Lesart, aber mit einer „Coca Cola“ Mentalität in Verbindung bringen zu bringen, das kann und will ich nicht unwidersprochen hinnehmen!
Erstens: Ich schätze Herrn Fahr, denn seine empathische Sprache gefällt mir; in dem kritisierten Kommentar nicht uneingeschränkt!
Zweitens: Kritik ist nicht immer abwertend, sondern wirft Fragen auf und schärft den Blick ins „Ich“!
Drittens: vergorener Wein – eine weitere Metapher- ist nur dann hervorragend, wenn er gut gemacht ist!
Dieser Kommentar war gut gemeint, aber ….. hat mich nicht überzeugt!
Mir ging es dabei in keiner Weise darum, zu suggerieren, dass niemand Fahrs Artikel kritisieren „darf“. Man kann schon einiges dagegen einwenden – er hätte vielleicht besser geschrieben: „Den meisten geht es gut“, nicht „Uns geht es gut“. Aber es gibt eben in unserem Kreis verschiedenen Perspektiven und Interessen, worunter die der Hartz-IV-Betroffenen eine ist.
Dem gegenüber steht mein Interesse als Redakteur, neben einem politisch-anklagenden auch einen unpolischen (oder fast unpolitischen) künstlerischen und/oder spirituellen Diskurs zu ermöglichen. Ich achte dabei darauf, gute Autoren längerfristig an uns zu binden, und Peter Fahr – ein Freund Konstantins – ist für mich aufgrund längeren Studiums seiner Werke erst mal vertrauenswürdig. Im Zweifelsfall deute ich seine Aussagen in einer für ihn freundlichen Weise.
Als Drittes gibt es die Interessenlage der Leserinnen und Leser, die finanziell etwas oder viel besser gestellt sind als Hartz IV-Betroffene, dass auch ihre Perspektive auf HdS Gehör findet. Das heißt da geht es bei umweltinteressierten und konsumkritischen Menschen schon mal auch um die Frage des freiwilligen Verzichts, auch aus Gründen der Selbstbefreiung von inneren Zwängen, von der Erpressbarkeit durch äußere (ökonomische) Zwänge.
Ich beziehe mich mit meinem Vorstoß auf eine Tendenz, die ich in der Kommentarspalte schon öfter bemerkt habe. Nämlich, dass Hartz IV-Betroffene die „Meinungsführerschaft“ an sich reißen und damit eine für andere mitunter einschüchternde Wirkung erzielen können. Derart, dass bei jeder Gelegenheit gefordert wird, der Schreibende müsse dem Schicksal der Armen in jeder Äußerung seine Referenz erweisen, sonst komme dies einer Missachtung oder Ignoranz gleich. Dies sehe ich nicht so.
Wenn wir als Magazin im Ganzen die Armut in Deutschland und anderswo ausklammern würden, wäre das zweifellos ignorant. Ich hatte sogar schon vor meiner Begegnung mit Holdger Platta zahlreiche Hartz-IV-Beiträge auf HdS, weil ich das Thema für wichtig halte – auch für symptomatisch für bestimmte Entwicklungen in kapitalistischen Gesellschaften. Aber es kann Beiträge geben, die davon völlig unabhängig oder aus anderer Perspektive sprechen. Beiträge auch, die vielleicht aus philosophischer Sicht oder aus unmittelbarem Erleben heraus zu einer positiveren Gesamtsicht gelangen. Diese Beiträge sollen kritische Hartz-IV-Beiträge ergänzen, nicht ersetzen. Vereinfacht gesagt: Der Ausdruck von Lebensfreude und Lebensbejahung ist keine Verhöhnung der Opfer von Hartz IV.
Von einem „Befehl“, dem Beitrag Peter Fahrs zuzustimmen, kann also keine Rede sein. 😉 Ich möchte aber Leserinnen und Leser, die den Artikel etwas anders wahrnehmen als Holdger und Ruth, ermutigen, sich aus der Deckung zu wagen. Ihr Beitrag ist AUCH legitim. Vielleicht ist mein Vorhaben schon geglückt. Wenn jemand Sätze wie „Alles ist gut“ oder „Uns geht es gut“ hier veröffentlicht, sind Erwiderungen legitim. Nur: ich erwidere dann eben auch mal etwas.
Herzlich Roland
Boah, das ist wie ein Tritt in die Weichteile, ist doch nicht dein Ernst (?), für mich gesehen eine üble Unterstellung. Du stellst mich (und andere) gerade vor die Frage, ob ich es lieber seinlassen sollte, mich auf HdS weiter einzubringen oder weiter zu wandern, das wäre die darausfolgende Konsequenz, allerdings mit einem bitteren Beigeschmack, sehr bitter sogar.
Das hat auch niemand behauptet, das interpretierst Du frei hinein. Wenn ich nicht zu Lebensbejahung und Lebensfreude zurückgefunden hätte, wäre ich schon seit den achtzigern tot – diesen Kampf wünsche ich niemanden. Und weiter: dieses Zurückfinden ermöglichte mir im Zuge der Agenda 2010 weiterhin psychisch überleben zu können, ohne meine Lebensfreude zu begraben, bei anderen hatte die Zurückstufung zu einem Minimum Menschsein tiefe Wunden sowie Leid hinterlassen.
Du schreibst von einschüchternder Wirkung. Deine oben zitierte Aussage könnte ich schon als einschüchternd bewerten, besser ausgedrückt: ich empfinde sie als einschüchternd, wenn angebrachte, kritische Meinungen zu einem Artikel zu solche Aussagen führen, selbst nach dem Kurzkommentar von Holdger, dem man sicherlich keine Meinungsführerschaft unterstellen kann, allerdings empört reagierte.
Ich kann nur wünschen, dass Du in Stille darüber nachdenkst, subjektiv-unbequem empfundene Kommentare hinzunehmen, als das, was sie aussagen möchten, was sie sogar sollten und müssen. Wäre sicherlich auch im Sinne des Herrn Fahr.
Gruß Volker
Viele Grüße
Ruth
Das, lieber Roland, sehe ich genauso, und würde noch dranhängen: Lebensfreude und -bejahung sind auch Hartz IVern nicht fremd. Jedenfalls hat mich dieser Satz an eine Episode (es waren knapp 2 Jahre) im Rahmen meiner Freiberuflichkeit erinnert.
Es gab vor einigen Jahren in Verantwortung von Jobcentern das bundesweite sog. 50+-Projekt, in dem ich in meiner kleinen Heimatstadt mit einer Gruppe von Menschen mit Hartz IV-Bezug gearbeitet habe. An anderer Stelle hatte ich davon schon ausführlicher erzählt.
Ich entsinne mich lebendig an Weihnachten. Vier Wochen zuvor begann meine Gruppe mit der Herstellung von Geschenken (die Materialkosten übernahm das Jobcenter). An Heiligabend selbst richtete die Stadt gemeinsam mit div. Verbänden eine Weihnachtsfeier aus für ältere Alleinstehende, Rentner, Alleinerziehende mit ihren Kindern, Obdachlose, Arbeitslose usw. aus.
Meine Gruppe hatte sich entschieden, große Gläser weihnachtlich zu bemalen, zu bekleben und mit Bändern zu schmücken, die dann als Teelichthalter auf die Tische verteilt wurden und jeder, der daran Freude hatte, konnte sie am Ende der Feier mitnehmen. Fast alle meiner Gruppe waren ebenfalls anwesend.
Eine Frau brachte es in der nächsten Sitzung für sich auf den Punkt: schenken war fast schöner, als beschenkt zu werden. (1)
Ostern im Jahr darauf besorgte ich Leinwände und Acrylfarben. Es ging darum, sich und/oder anderen ein Frühlingsbild zu Ostern zu schenken. Gleiches Erlebnis: selbst solche, die gern von sich behaupten, sie hätten noch nie malen können, griffen zu Pinsel und Farbe und waren nach anfänglichem Zögern begeistert bei der Sache. Jede/r wusste auch schon, wer das Bild bekommen sollte. Eine Frau schenkte ihr (wirklich gelungenes) Bild einer Mitarbeiterin des Jobcenters, von der sie sich immer gut betreut fühlte und das diese sofort aufhing.
(1) Das erinnert mich wiederum an einen Bericht der hier einmal zu lesen war: es ging um die Traurigkeit einer alleinerziehenden Mutter, die nichts von dem wenigen Geld entbehren konnte, um ihren Kindern ein Weihnachtsgeschenk machen zu können
schreibt Peter Fahr. Es erinnert mich an Berthold Brecht:
Holdger nicht und ich auch nicht!
Und Lebensfreude ist wunderbar: wann, wo, mit wem, allein – total egal!
Vorweg: mir scheint erforderlich zu sein, erstmal zwei Mißverständnisse aufzugreifen, die bei unserer Debatte über den Text von Peter Fahr zu entstehen drohen:
Niemand von uns Kritikern hat die Absicht, Peter Fahr die Freiheit zu nehmen, seine Thesen äußern zu dürfen. Das wäre in der Tat Intoleranz. Wir beanspruchen aber – wie er – das Recht, auch unsere Einschätzungen äußern zu dürfen. Das ist ganze Toleranz. Meine eigene Position dazu hat bereits vor mehr als zweihundert Jahren Voltaire einem Kontrahenten gegenüber folgendermaßen auf den Punkt gebracht: „Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, daß Sie sie äußern dürfen.“
Zweitens: niemand von uns hat die Absicht, als Hartz-Vier-Betroffene auf Nicht-Hartzer loszugehen, mit der bewußten oder unbewußten Absicht, diesen ein schlechtes Gewissen einzureden, daß sie keine Hartz-Vierer sind und besser leben können als wir.
Es geht um Klärung von Fragen, die Peter Fahrs Text aufwirft, um Klärung, die – aus meiner Sicht – mit der fatalen Grund-Charakteristik des Textes zu tun hat, gerade jenen „Realismus“ verhindern zu helfen, auf den es Peter Fahr zufolge ankommt, um Optimismus entfalten zu können: mit der falschen Allgemeinheit fast aller Aussagen, die sich auf das „historisch-gesellschaftliche Subjekt“ beziehen, das da – auf was auch immer – „verzichten“ soll, mit diesen Aussagen wie „der westliche Mensch“, „uns geht es gut“, „er <= „der westliche Mensch“> besitzt alles, was sein Dasein angenehmer gestalten kann“, „er lebt in einer Welt der Lösungen“, „er hat Arbeit…“ undundund. Höhepunkt dieser Aussagen, der zugleich den inneren Widerspruch seiner eigenen Thesen deutlich macht: „Der postmoderne Mensch des Westens hat alles im Überfluß und ist der Sklave seiner Schöpfung. Dieser Konflikt betrifft uns alle, seien wir nun wohlhabend oder weniger bemittelt.“ Nein: nicht jeder von uns hat alles „im Überfluß“, und dieser Konflikt zwischen „Überfluß“ und „Sklavendasein“ betrifft diejenigen, die Peter Fahr ausdrücklich mit einbezieht, die Menschen, die „weniger bemittelt“ sind, eben gerade nicht. Peter Fahr schreibt hier an den in Europa gegebenen Realitäten völlig vorbei. Konkret:
Millionen, Abermillionen Menschen leben in Europa, die in tiefstem Elend leben, zumindest in bedrängender Armut (in Deutschland zum Beispiel). Und das bedeutet: diesen Menschen zuschreiben zu wollen, sie würden ihre Situation „beeinflussen“ können, wenn sie „auf gewisse Dinge verzichten“ und ihre „freiwillige <???> Wahl des Verzichts auf das Haben“ würde ihnen „Freiraum“ verschaffen „für ungeahntes Sein“, geht völlig an der Lebenswirklichkeit dieser Abermillionen von Menschen vorbei und an den strukturellen Gesetzmäßigkeiten unserer Gesellschaften – mit der Folge, daß man Peter Fahrs Thesen dazu wirklich nur noch als bestürzend lebensfremd bezeichnen muß. Zwangsverzichtler wie die verelendeten Menschen in Griechenland oder Hartz-Vier-Betroffenen bei uns – Menschen, die gerade keine Arbeit mehr haben, entgegen der Behauptung von Peter Fahr (siehe Zitat oben!) – können gar nichts mehr beeinflussen. Sie haben ja nicht mal mehr die Möglichkeit, das eigene Leben einigermaßen frei zu bestimmen. Und die Anspielung auf Erich Fromms Buch über „Haben oder Sein“ verkennt leider völlig, daß Fromm in seiner Bestimmung der menschlichen Bedürfnisse – gemeinsam mit anderen Vertretern der humanistischen Psychologie (Abraham Maslow zum Beispiel) – als Basis für die Befriedigung aller anderen Bedürfnisse ein bestimmtes „Haben“, ein materielles „Haben“ (!), sogar immer vorausgesetzt hat: nämlich von dem, was man hat oder für seine berufliche Arbeit bekommt, auch menschenwürdig leben zu können. Das von Fromm kritisch gemeinte „Haben“ (im Gegensatz zum „Sein“) war stets ein „Haben“, das als schaler, als unzureichender Ersatz an die Stelle eines „Seins“, eines wirklich eigenen gelebten Lebens tritt, an die Stelle eines freien – übrigens auch: sorgenfreien – Lebens, eines Lebens, das sich in der Verbundenheit mit anderen Menschen auf erfüllte und erfüllende Weise realisieren möchte und zu realisieren vermag, nicht aber – unter den obwaltenden Konkurrenzbedingungen des Kapitalismus – gegen die anderen Menschen.
Von all diesen Wirklichkeiten und Differenzierungen ist leider bei Peter Fahr nirgendwo die Rede, sein „Realismus“-Konzept also äußerst begrenzt. Darf man das nicht äußern dürfen? Und darf man nicht hinzufügen dürfen, daß seine Rettungsfantasie „Verzicht“ über die reale und bereits existente Verzichtssituation von Abermillionen von Menschen hinwegschreibt, ganz so, als gäbe es all diese Menschen nicht? Für mich jedenfalls bedeutet das:
Wir haben nicht – in pauschalisierter Form zudem – „Verzicht“ zu predigen, sondern ganz im Gegenteil soziale und materielle Einlösung der Grundversprechen zu verlangen, die in der Menschenrechts-Charta der UNO vom 10. Dezember 1948 festgelegt worden sind (unter Einschluß übrigens des Rechts auf menschenwürdige Arbeit und menschenwürdigen Lohn!). Was dann – bei dieser Feststellung gebe ich Peter Fahr ausdrücklich Recht! – eine der wichtigsten Voraussetzungen sein dürfte dafür, daß „falsche Bedürfnisse“ gar nicht erst entstehen. Auf die Befriedigung “falscher Bedürfnisse“ sind angewiesen nur diejenigen, denen die Befriedigung ihrer originalen Bedürfnisse grundlegend vorenthalten wird. Und Grundmerkmal dieser Ersatzbefriedigungen ist, daß man lediglich Surrogate für seine eigentlichen Bedürfnisse angedreht bekommt. Auch der von Peter Fahr beiläufig angesprochene Konsumismus besitzt also in dieser doppelten Hinsicht nur Ersatzcharakter. Und die destruktiven Auswirkungen dieses Konsumismus – bis hin zur Gefährdung des weiteren Lebenkönnens auf unserem Planeten überhaupt – geht auf den destruktiven Charakter dieser Ursachen zurück. Nicht irgendein pauschaler „Verzicht“ ist also zu fordern, sondern ganz im Gegenteil Erfüllung der originalen und zutiefst humanen Wünsche der Menschen. Darin sollten wir unsere Gemeinsamkeit sehen und eine Grundlage für potentielle „Zuversicht“.
Mich stört hier schon immer die Aggressivität, mit der auf Leute losgegangen wird, die die Armut nicht so explizit „auf dem Schirm haben“, weil sie einfach selbst davon nicht betroffen sind. Man könnte einfach auch nur darauf hinweisen. Aber man hat immer wieder den Eindruck, dass die Armutspiranhas froh sind, sich wieder auf ein gefundenes Fressen stürzen zu können. Guten Appetit. Das ist hier nichts Neues, da hat Roland recht. Und ich wage in heiliger Voraussicht zu bezweifeln, dass es da andere Kommentatoren gibt, die sich „wagen“, dazu etwas zu sagen.
Könntest auch Trump informieren, räuberische Fische überall, bis an die Zähne bewaffnet, schwärmen aus und essen alles auf, sind sündhaft gierig wie Raubfischkapitalismus, schrecken vor nix mehr zurück.
Trump der Irre verständigt darauf Bolsonaro, der endültig durchdreht, Piranhas mit Sprengstoff raubfischt, in Dosen presst (Tomatensoße drauf, geht immer), während Merkel, genüsslich, vollfettes Rindergulasch als alternativlos-handelsverträglich uns schon vorverdaut.
Frei nach Merkel: Da muss man sagen, das schaffen die Irren nicht alleine (..) habe ich natürlich nicht die Zeit gehabt, mich mit der Gleichwertigkeit aller Irren so viel zu befassen, auch mein Tag hat nur 24 Stunden (…)
Immerhin: Habe einen Kommentar geschrieben, ohne H mit 4 nur ansatzweise zu erwähnen, mein Tag hat auch nur vierundzwanzig Stunden, allerdings berechnet unangemessen.
Grüße,
P.
Warum wohl, weil unser Wirtschaftssystem auf Konsum aufgebaut ist.
Mein Auto, mein Haus usw.
Hier in einigen Kommentaren wird von Harz-IV-ler gesprochen. Das ist für mich schon ein Stigma. Wir sind aber alle Menschen. Wenn ich höre, dass einige Menschen mit Repressalien von Mitarbeitern des Arbeitsamtes überzogen werden, dann kann ich verstehen, dass man hilflos und somit wütend (und auch sarkastisch) werden kann.
Abhilfe kann ein bedingungsloses Grundeinkommen schaffen, damit man seine Würde und Freiheit zurück bekommt.
Solidarität und Mitgefühl hat mich veranlasst so zu schreiben.
Ich hoffe, dass mir geglaubt wird; Kritik, um der Kritik willen, niemals!
unbestritten war jeder Deiner Kommentare von Mitgefühl geprägt und ich bin dankbar, dass es daraufhin (auch) zur Selbstklärung so viele unterschiedliche Kommentare aus verschiedenen Perspektiven gibt.
Auch finde ich keine Aggression in Kommentaren, vielmehr ein selbstbestimmtes Auftreten mit klaren Positionen.
Peter Fahr lebt in der Schweiz, von der wir allgemein das Bild eines reichen Landes mit überwiegend gut situierten Menschen haben. Weit gefehlt, denn auch dort wird im letzten Sozialbericht jede 12. Person als arm bezeichnet. Ich denke, dies ist auch Peter Fahr sehr bewusst.
Dieses und ähnliche Themen haben auch andere schon angesprochen und erfuhren weit weniger kritische Auseinandersetzung – warum auch immer.
Ich glaube, jeder von uns kennt in seinem Umfeld Menschen, die sich über Besitz definieren. Zugleich wissen wir, dass, wer 1 Million besitzt, durch die 2. Million nicht glücklicher wird. Oder einfacher ausgedrückt: eine Frau erzählt mir, dass sie, wenn es ihr schlecht geht, viel Geld für neue Kleidung ausgibt. Die Freude damit ist jedesmal von kurzer Dauer, wenn sie in ihren überfüllten Kleiderschrank schaut. Sie weiß, dass Konsum und Besitz die innere Leere nicht ausfüllen kann.
Vor einem halben Jahr hat sie eine Schulung für Betreuungskräfte absolviert und will in einem Demenzcafé mitarbeiten.
Mit jeglichem Recht könnte es sein, dass jemand mit Hartz IV-Bezug mir nun entgegenhält, er/sie wolle überhaupt mal in die Situation kommen, dauernd neue Klamotten zu kaufen.
Ja, aber weniger wahr wird die Aussage von Peter Fahr dadurch nicht, wenn man sie versteht als einen Hinweis auf die, die eben nicht in Elend und Armut leben.
.
Anarchie als höchste Form der Freiheit
.
Letzten Sonntag besuchte ich den Hambacher Wald. Ich genoss die Ruhe im Wald, die Vogelstimmen, das Licht, den Flor. Keine Polizei, keine Räumfahrzeuge, keine Kreissägen…
Auf meiner Natur- und Foto-Erkundungstour stolperte ich über Oakland, einer Baumhaus-Hambi-Siedlung. Friedlich chillend saß hier eine Gruppe der Baumbewohner, größtenteils jüngere Leute, hoch über ihnen in den Baumwipfeln lugten urige Baumhäuser hervor, alle von Hambis eigener Hand aus den am Boden liegenden Holzresten gezimmert. Ich kam mit ihnen in ein gutes Gespräch.
Die Hambis haben für sich eine alternative Lebensform gewählt, ein puristisches Leben, ohne fließend Wasser, elektrischen Strom, Fernseher, PC, ohne jegliche Art von zivilisatorischem Komfort, als vorübergehende Auszeit aus Überzeugung, zum Schutz des Walds und der Natur, als Form des Fingerzeigs der Umweltzerstörung ( Die riesige Kohlegrube der RWE liegt nur ca. 250 m von den Baumhäusern entfernt). Gäbe es die Hambis nicht, hätte die RWE längst alles platt gemacht, und es gäbe es heute keinen Hambacher Wald mehr. Die Diskussion um den Ausstieg aus der Kohle wäre nie so in der Öffentlichkiet angefacht worden, die Medien hätten sich darüber ausgeschwiegen.
Die Hambis haben gewählt: ein Leben ohne Komfort, Verzicht auf Karriere und Fortkommen im Beruf. Die Hambis haben für sich entschieden: ein freies und autarkes Leben, ein Leben von der Hand in den Mund. Da, wo die Sesselpupser dieser Welt eine Rückenlehne brauchen, zeigen die Hambis Rückgrad. Diese Form der Freiheit und des selbstbestimmten Lebens, gepaart mit einem hohen Grad an Verantwortungsbewusstsein, Durchhaltevermögen und Idealismus, das ist die Form der Freiheit die den Goliaths dieser Welt Angst einjagt. Darum fährt regelmäßig das große Aufgebot an Polizei gegen das kleine Häufchen friedlich gesinnter Hambis auf.
.
Die absolute Freiheit, die Anarchie, ist der entscheidende Schritt, um die Goliaths dieser Erde in die Knie zu zwingen.
Davon wusste schon Novalis zu berichten.
.
NOVALIS – DER HERR DER ERDE
https://youtu.be/tFq8E1ptsQ0
Du versuchst zu schlichten, das ist zu spüren, aber ich bleibe bei meiner Kritik!
Auch, wenn Konstantin, Roland und Peter Fahr freundschaftlich verbunden sind und gemeinsam an verschiedenen Projekten gearbeitet haben.
Ich werde weiter seine Konzerte besuchen, seine Bücher lesen, weil ich es kann!
Meine Wirklichkeit sah folgendermaßen aus: ich habe meinen krebskranken Mann gepflegt – mit 48 Jahren gestorben, meine Mutter betreut, die an Demenz erkrankt war, mit behinderten Kindern gearbeitet; mein Optimismus war kein ständiger Begleiter!
Geholfen hat ganz prophan: Pflegegeld Stufe 1 und 2; ein lächerlicher Betrag!
Nun zu „ Annabell: destruktiv, negativ, unkonventionell, hör ich da eine zarte Einordnung?
Der widerspreche ich: die Schublade für mich, die gibt es nicht! ?n
.
Es ist schon ungewöhnlich, dass einige der Kommentare zu diesem doch so guten, im Grunde genommen für jeden leicht verständlichen Text, von einigen zum Anlass genommen wird, zu sticheln, auszuteilen und sich gleichzeitig bis zum letzten Atemzug zu rechtfertigen.
.
Ich frage mich, worin der Sinn in derartigen Kommentaren liegt. Ist das der verzweifelte Versuch, die aus dem Artikel heraus erkannte Notwendigkeit, an sich selbst zu arbeiten, mit Ach und Krach abzuwenden, oder ist das einfach ein Ausdruck für die eigene Unzufriedenheit?
In beiden Fällen hilft nur der Blick in den Spiegel. Welches Gesicht reflektiert er?
herzlichen Dank für Deine Reaktion.
Mein Anspruch war es nicht zu schlichten. Vielmehr habe ich eine eigene Perspektive zugefügt. Möglich, dass ich in diesem Vorhaben nicht erfolgreich war.
Und ganz selbstverständlich ist mir, dass jederman bei seiner Kritik bleiben kann, zugleich aber auszuhalten hat, dass andere Diskutanten andere Meinungen vertreten.
Und wenn ich nun bei dem Gegenstand des Artikels von Peter Fahr bleibe, vertrete ich die Position: beide Seiten haben ihre Berechtigung. 13 Millionen arme Menschen in diesem Land können auf nichts verzichten, solange sie jeden Cent einzeln umdrehen müssen. Und wie schon Sancho schrieb: „alle anderen aber…“
Zu diesen „allen anderen“ gehöre ich ebenso, wie weitere Kommentatoren. Und ich weiß von mindestens zweien, die zugunsten Ärmerer ebenso abgeben, wie ich seit geraumer Zeit auch. Das ging nicht immer so; als junge Frau hatte ich Zeiten, wo ich wirklich kämpfen musste, aber auch Unterstützung erfuhr. Wir beide sind in ähnlichem Alter (Du hattest irgendwo die Zahl 63 genannt?) und ich darf mithin vermuten, dass auch Dir solche Zeiten nicht fremd sind, auch Schicksalsschläge nicht, wie Du schreibst. Ich verbringe aktuell – wann immer meine berufliche Tätigkeit es zulässt, sehr viel Zeit mit meinem Vater, 88, und dement seit etwa 3 Jahren.
„Annabell“: niemanden wollte ich damit „einordnen“. Es ist lediglich eins meiner Lieblingsstücke von Mey aus den 70ern 🙂 , das ich oft und gern gehört und versucht habe in der Geschwindigkeit nachzusingen… gelungen ist mir immer nur der Refrain. :-))
„Freiheit ist freiwilliger Konsumverzicht“
Das ist Harz-IV-lern ja nicht möglich – sie haben da keine Wahl.
Alle anderen aber …
„Armutpiranhas“ bezog sich ganz konkret und ausschließlich auf die Gesprächkultur einiger Personen auf diesen Seiten, und diesen Begriff von mir auf alle Armen angewendet darzustellen, entspricht einer Verdrehung der Tatsachen, sprich Verleumdung. Aber, und das habe ich in den drei Jahren meiner intensiveren Beschäftigung mit Politik begriffen, das ist ein übliches Mittel unter Politikern, weshalb mir Politiker halbwegs leidtun.
Ich versuche, noch immer, die Intentionen und auch die konkreten Umsetzungen, soweit vorhanden und möglich, durch die verschiedenen Parteien zu erfassen und in ihrem aktuell vorhandenen politisch-gesellschaftlich-wirtschaftlichen Kontext zu verstehen.
Durch das Auftauchen der AfD in der Parteienlandschaft sind viele Themen, die lange nicht beachtet wurden, auf den Tisch gekommen.
Ich habe die AfD ursprünglich (2012 bis kurz vor den Wahlen 2013) als eine Partei wahrgenommen, die die Wirtschaft Deutschlands stärken wollte, die Familien einen wichtigen Stellenwert in der Gesellschaft eingeräumt hat und die Traditionen bewahren wollte. Kurz vor den Wahlen 2013 kippte meiner Meinung nach das Milieu innerhalb der Partei und Rechtsextremismus wurde dort zu einem wichtigen Machtfaktor. Ich habe diese Partei nie gwählt und ich bin heilfroh, dass die Sachsen heute die CDU zur Gewinnerin dieser Wahl gemacht haben. Ich habe nichts gegen Arme, ich habe v.a. in den letzten Jahren viele arme Menschen kennengelernt und gesehen, dass viele dieser Menschen nicht faul, sondern einfach nur zu gut für diese Welt sind. Viele wehren sich auch nur mehr oder weniger instinktiv dagegen, sich in das gängige Arbeitssystem einpassen zu lassen. Wenn Arbeit wieder in einem Klima gegenseitiger Wertschätzung stattfindet, dann wird sie auch wieder Freude machen. Und dieses Thema hat nun einmal die AfD in Sachsen, jedenfalls da, wo ich es gesehen habe, aufgegriffen. Deshalb hat sie auch die Unterstützung dieser Leute. Aber trotzdem hat die AfD auch extrem mobil gemacht gegen Ausländer und Migranten, denen – und der Merkel-Regierung- sie explizit die Schuld an der Verarmung der einheimischen Bevölkerung gegeben hat. Ich bin gegen Nazis, deshalb auch gegen die AfD.
Wer, Volker, soll sich denn um die Armen kümmern? Kannst du mir mal dein Konzept vorstellen? Lass mich raten: bedingungsloses Grundeinkommen.
Ob man ein solches umsetzen könnte, entzieht sich meiner Einschätzungskompetenz. Aber ich denke, dass Arbeit nicht jeden Tag und immer Spaß macht, ist normal, aber vieles im Leben lernt man nur, wenn man auch ein bisschen Durchhaltevermögen hat. Jeder, der irgendwie ein bisschen Erfolg im Leben hat, weiß, dass man dafür kämpfen muss – nicht gegen andere, sondern oft auch mit sich selbst. Dadurch wächst derMensch. Jedenfalls ist das meine Realität. Die Menschen sollen sich durch ihre Arbeit nicht verschleißen, sondern an ihr reifen. Wenn man nicht gern sein Leben lang am Fließband arbeitet, kann man ja durch Umschulungen/Weiterbildungen einen anderen Berufsweg einschlagen.
Ich glaube auch, dass es Scheiße ist, jahrelang und ohne Aussicht auf jemalige Besserung der finanziellen Verhältnisse bei HARTZ IV festzusitzen. Aber es muss doch einen Ausweg geben.
Ein Fall zu dem Thema, derzeit sehr aktuell:
Die Hambacher Kohlegrube der RWE. Sie ist ein klassischer Fall von Gigantismus, Profitgier und Raubbau an der Natur.
Die Grube umfasst eine Fläche von 4.380 ha. Bei einer angenommenen mittleren Tiefe von 100 m (die größte Tiefe wird mit 500 m angegeben) umfasst das Volumen des Erdaushubs 4,38 km³. Das entspricht 43.800.800.000 HL.
Zum Vergleich:
Das Steinhuder Meer bei Wunstorf hat ein Volumen von 0,042 km³.
Eine Badewanne fasst 150 l Wasser.
Meine Aufnahmen vom 16. Juni 2019 machen das Ausmaß der Aushöhlung deutlich, eine gigantische Narbe in der Erde, die sich nie mehr schließen lässt.
.
Die Hambacher Kohle- Grube
https://youtu.be/rNA-h9a3_0I
wenn schon kein Friedenspfeifchen ?, dann weiteren Einsatz für Gerechtigkeit und Hilfe, wo es gewünscht wird!
Und die angesprochene „Annabelle“ – ich musste schmunzeln, weil ich den Gedanken – den Du ja nicht hattest – witzig fand und mich immer noch amüsiert!
Mir gefallen kluge,bissige, ironische Kommentare!