Sahra Wagenknecht – eine «AfD-Kopie»

 In Politik (Ausland)

sahra_wagenknechtVergangene Woche ist im Stern ein Interview von Sahra Wagenknecht erschienen – und sofort ging in den Medien eine Kampagne los. Der Vorwurf ist inzwischen leider sehr bekannt: Sahra Wagenknecht übernimmt Positionen der AfD! In diesem Artikel nimmt sie zu den Vorwürfen Stellung, deckt die strategische Bedeutung von “Querfront”-Vorwürfen für das neoliberale Lager auf und arbeitet einen gewichtigen Unterschied zwischen Linker und AfD heraus. Letztere ist in keiner Weise sozial. (Sahra Wagenknecht)

AfD-Kopie? Lasst Euch nicht verwirren!

Der Vorwurf der AfD-Kopie tauchte jetzt nicht das erste Mal auf. Das hat einen einfachen Grund: Wer Parallelen und Gemeinsamkeiten zwischen Linken und der AfD herbeischreibt oder mich als AfD-Kopie beschimpft, will damit erreichen, dass unsere linken Forderungen für mehr soziale Gerechtigkeit und Frieden in ein schräges Licht gesetzt und auf diese Weise geschwächt werden. Das Muster der Argumentation habe ich schon im letzten Jahr in einem Artikel auf ntv.de „Warum die Rechte profitiert“ offengelegt. Ich habe dabei mit folgender Metapher argumentiert:

„Stellen Sie sich vor, in einer Straße steht ein schönes altes Haus, das allerdings schwer baufällig ist. Nun gibt es einige, die das Haus abreißen wollen. Laut empören sie sich darüber, dass es marode ist. Sie schreien und pöbeln dabei unflätig. Andere wiederum wollen das Haus erhalten. Aber da jeder, der ausspricht, dass das Haus baufällig ist, sofort verdächtigt wird, auf der Seite der pöbelnden Abreißer zu stehen, behaupten die Freunde des Hauses tapfer, es befinde sich im besten Zustand. Und es sei übelster Populismus, darauf hinzuweisen, dass das Dach undicht ist und eine Wand sich bedrohlich abgesenkt hat. Irgendwann bricht das Haus zusammen. Die Freunde des Hauses verstummen traurig. Und die, die es immer schon abreißen wollten, kehren jubelnd den Schutt zusammen. …Die Rechten sprechen aus, dass das Haus, das sie gern abreißen möchten – die Demokratie oder auch das geeinte Europa – baufällig geworden ist. Wer ihnen das Aussprechen dieser Wahrheit überlässt, will offenbar erleben, dass sie dereinst jubelnd den Schutt zusammenkehren. Ich möchte das nicht.“

Im Kern läuft die Argumentation mit der AfD-Nähe auf folgendes simples Schema hinaus: Die Linke kritisiert Merkels Politik. Die AfD kritisiert Merkels Politik. Also ist die Linke AfD-nah. Und wer nicht will, dass er öffentlich mit dieser Keule erschlagen wird, der sollte sich – so der Ratschlag unserer Gegner – eben bemühen, seine Merkel-Kritik so zahm, so zurückhaltend, so unscheinbar zu formulieren, dass sie kaum noch als solche erkennbar ist. Das Ziel dieser Kampagne ist klar: Eine Linke, die nach diesem „Ratschlag“ handeln würde, würde in die politische Bedeutungslosigkeit verschwinden. Und alle, die dann noch gegen eine Politik der Zerstörung des Sozialstaates, gegen außenpolitische Kriegsabenteuer und Waffenexporte, also gegen die Politik von CDU, CSU, SPD und Grünen protestieren wollen, hätten bei Wahlen keine Adresse mehr. Ein noch größerer Teil der Unzufriedenen würde dann wohl aus Verzweiflung AfD wählen, in dem Gefühl, damit der herrschenden Politik wenigstens noch eine Ohrfeige geben zu können. Aber dieses Gefühl täuscht, denn programmatisch sitzen CDU/CSU, SPD und Grüne mit der AfD in einem Boot: Sie alle wollen einen schwachen Sozialstaat, eine Privatisierung von Renten und anderen öffentlichen Leistungen, sie alle finden den Armutslohn von 8,84 Euro als Mindestlohn ausreichend und Lohndumping durch Leiharbeit, Dauerbefristungen und Werkverträge unproblematisch, und sie alle wollen höhere Rüstungsausgaben und eine deutsche Beteiligung an Interventionskriegen in aller Welt.

Nun kann ich ja verstehen, dass all diese unsozialen Parteien keine Freunde der Linken sind. Wir stören, denn ohne die Linke gäbe es in diesem Land keine soziale Opposition, die die Machtverhältnisse und die tatsächlichen Profiteure benennt. Sie wollen, dass wir verschwinden, zumindest aber, dass wir deutlich schwächer werden. Deshalb ihre Kampagne. Was ich allerdings nicht verstehen kann, sind Funktionäre aus unseren eigenen Reihen, die dieser Kampagne Munition liefern, indem sie die Vorwürfe öffentlich bestätigen. Interessanterweise wurde mein Stern-Interview von zwei Linken-Politikern sogar schon öffentlich kritisiert, bevor (!) es erschienen war. Denn ihre Diffamierungen liefen bereits am letzten Mittwoch in den Medien, der Stern erscheint aber erst am Donnerstag. Wie seriös solche Kritik sein kann, möge jeder selbst beurteilen. Interessant ist auch, dass mein entscheidendes Argument, mit dem ich Merkels Mitverantwortung für die wachsende Terrorgefahr im Land begründet habe – die deutsche Beteiligung an den Öl- und Gaskriegen der USA im Nahen und Mittleren Osten mit ihren unzähligen zivilen Toten – von den meisten Medien und auch von meinen innerparteilichen Kritikern weggeschwiegen wurde. So viel zum Thema Meinungsmache und Manipulation.

Ich werde mich allerdings auch von solchen Attacken nicht davon abhalten lassen, Probleme anzusprechen und Kritik an Merkel und ihrer Politik zu üben. Denn genau das ist unsere Aufgabe als Linke. Völlig unabhängig davon, was die AfD zu den einzelnen Themen sagt. Wir hören schließlich auch nicht auf, TTIP und CETA zu kritisieren und ein Ende der gefährlichen Konfrontationspolitik gegenüber Russland zu fordern, nur weil die AfD das auch tut und irgendein AfD-Politiker uns vielleicht dafür loben könnte.

Mich interessiert hierzu auch Eure Meinung. Wie findet ihr es richtig, darauf zu reagieren? Was wären für Euch wichtige Argumente? Auf der Team Sahra Website habe ich ein Feedback-Formular hierzu eingerichtet und bitte Euch um Eure Rückmeldungen.

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