Alles hoffnungslos?

 In FEATURED, Gesundheit/Psyche, Politik, Spiritualität, Wolf Schneider

“Der Teufel hat sein Spiel noch nicht verloren, doch wenn er es gewinnt, dann ohne mich”, sang Udo Jürgens. In der Tat liegt vieles auf der Welt im Argen, es wäre jedoch verfrüht, davon auszugehen, dass das eigene Handeln überhaupt nichts mehr bewegen kann. Es gibt positive Ansätze; überraschenderweise sind Religionen für den spirituellen Journalisten Wolf Schneider jedoch eher Teil des Problems als Teil der Lösung.  Wolf Schneider, www.connection.de

Gegenüber den noblen Ideen, die ihnen im 18. Jahrhundert an die Macht verhalfen, sind die heutigen Demokratien nur noch ein Witz. Das gilt für Abstimmungen zum Brexit ebenso wie für die Wahlkämpfe in den USA und vieles andere, was unter dem schönen Namen „Demokratie“ die menschliche Intelligenz verspottet. Nur selten ist »das Volk« von Klugheit gesegnet. Das war auch schon im 18. Jahrhundert so, heute jedoch wird des Volkes Stimme von ausgefuchsten, professionell betriebenen Apparaten beeinflusst und begünstigt auf diese Weise leider vor allem Dummheit, Frechheit, Reichtum, die Karrieren von Psychopathen und skrupellosen Demagogen sowie den Filz von Politik und Wirtschaftslobby. Was Vertreter der ancien régimes nicht davon abhält, diese Art der Demokratie als politisches Exportgut zu betrachten und damit sogar Kriege zu rechtfertigen. Die vertikale Mobilität ist gesunken, enkeltaugliche Entscheidungen finden keine Mehrheiten und die sozialen Netzwerke kolportieren Hass und Trennendes häufiger und v.a. schneller als Wahrheiten wie hier im Blog schon mehrfach erwähnt.

Alles hoffnungslos? Nein. Das Internet ist prinzipiell fähig mit geringem Aufwand die Meinung und Stimmung der Bevölkerung abzufragen, und das nicht nur alle vier Jahre, und auch die Unterscheidung zwischen Wahrheiten und Unwahrheiten zu erleichtern. Technisch hätten wir die Voraussetzungen dafür, was fehlt ist der politische Wille.

Vor Gericht und auf hoher See …

Und auch darin gehe ich mit dem Mainstream nicht konform: Die positive Wirkung der Judikative wird krass überschätzt. Nicht wer gut ist, friedlich und mitfühlend, siegt vor Gericht, sondern wer schlau ist, intrigant und besser manipulieren kann.

In Indien warten 22 Millionen Gerichtsverfahren auf ein Urteil, 6 Millionen bereits länger als fünf Jahre. In Pakistan kann man wegen Gotteslästerung hingerichtet werden, manchmal genügt dabei die Anschwärzung eines Nachbarn. In 72 Ländern ist Homosexualität strafbar, in zehn dieser Ländern wird sie mit dem Tod bestraft. In den USA, die sich auf ihre Demokratie und ihr Rechtssystem besonders viel einbilden, sind mehr als 2,2 Millionen Menschen inhaftiert, das ist fast ein Prozent der Bevölkerung, ein Großteil davon wegen Bagatelldelikten wie Marihuana-Konsum, ihre kriminelle Karierre beginnen diese Freizeit-Raucher zumeist erst im Gefängnis.

Auch die Menschenrechte sind zwar gut gemeint, ihre Umsetzung aber ist ein Farce. Dass kein Mensch hungern muss, was für ein schönes politisches Ziel! Ein Recht darauf zu haben beseitigt den Hunger jedoch noch lange nicht. Selbst wenn die Hungernden sich einen Anwalt nehmen könnten – sie können es nicht, sie hungern ja –, würde das System einer solchen Berechtigung die Justiz füttern und nicht die Hungernden.

Eine neue, gute, friedliche, die Natur schützende Gesellschaft dürfte die Qualitäten des römischen Rechts, auf dem auch unser heutiges Rechtswesen basiert, nicht so maßlos überschätzen. Eine Gesellschaft voller Anwälte, die von Juristen regiert wird, ist keine gute Gesellschaft, in ihr erstirbt das Menschliche, das habe ich in den dreißig Jahren meines Lebens als Unternehmer ausgiebig erfahren dürfen, in besonders krasser Weise in den Jahren, in denen ich ein Flüchtlingshaus zu betreuen hatte.

Religionen? Ab ins Museum

Ist alles so schlimm? Nein, es gibt Hoffnung. Der spätkapitalistische Egoismus und Konsumismus hat noch nicht vollständig gesiegt. Viele von uns pflanzen Apfelbäumchen, auch wenn es sein kann, dass morgen die Welt untergeht. Auf spiegel.de finde ich eine Theorie der Ich-Entwicklung nach Jane Loevinger, dort von Stephan Schultz sehr optimistisch präsentiert. Sie ähnelt in vielem den Spiral Dynamics, eventuell ist sie sogar empirisch besser belegt als diese. Die Ich-Identität mit ihren sozialen und politischen Auswirkungen steht hier endlich mal im Fokus der Betrachtung. Das mit der zentral-buddhistischen These von »Anatta« in Einklang zu bringen wäre ein weiterer Schritt der Vertiefung, der Transzendenz und Immanenz miteinander in Einklang brächte. Das könnte den Religionen und politischen Ideologien als UNESCO-Weltkultur-Erbe einen Platz im Museum der Menschheitsgeschichte zuweisen, wo sie als Ahnen verehrt werden dürften ohne mehr allzu viel Schaden anrichten zu können.

Wahnsinn?

Wer bist du und für wen hältst du dich? Einige Menschen halten sich für den Messias Jesus Christus, das kommt gar nicht mal so selten vor. In der psychiatrischen Klinik von Jerusalem gibt es für diese Fälle eine eigene Abteilung. Es werden aber nicht alle weggesperrt, warum auch, sind sie doch kaum weniger halluzinierend als die normalen Gläubigen, die als tragender Teil unserer Gesellschaft gelten. In seinem Buch »The Last Testament« hat Jonas Bendiksen diese neuen Jesusse freundlich portraitiert.

Waffengeschäfte

Die Militärausgaben der Welt sind im vergangenen Jahr um 2.6% auf den höchsten Stand seit 30 Jahren angestiegen, schreibt das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI, und nach wie kommt ein Drittel des Geldes für Militär aus den USA.

Ist der Mensch von Natur aus gut?

Die Stammesgesellschaften kamen noch ohne strafende Götter aus, weil man da schädliches Sozialverhalten noch beobachten und ahnden konnte, so dass es in hohem schädigendem Maß gar nicht auftrat; größere Gesellschaften ‚erfanden‘ sich strafende Götter, sagen die Autoren in der Zeitschrift nature: Ab 1 Mio Gesellschaftsgröße tritt binnen 100 Jahren ein strafender Gott auf.

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