Roland Rottenfußer: Der letzte freie Tag

 In FEATURED, Poesie, Roland Rottenfußer

Eine spontane Elegie zum Zeitgeschehen, geschrieben am 20. und 21. März 2020. Anmerkung der Redaktion (23.03.2021): Deutschland und der Despotismus feiern in diesen Tagen ihren ersten Hochzeitstag, und noch immer scheinen beide unzertrennlich. Seit dem Start des 1. Lockdowns ist uns nichts erspart geblieben – außer der in dem Gedicht an die Wand gemalten ganztägigen Ausgangssperre. Aber leider: Es war der letzte freie Tag, sofern man die alte Normalität vereinfachend als “Freiheit” bezeichnen möchte. Weil nichts geschehen ist und die meisten sich abgefunden haben. Noch mal so ein Jahr gefällig – oder ein schlimmeres? Wenn wir das wollen, müssen wir nur so weitermachen. Roland Rottenfußer

Der letzte freie Tag

 

Ich hab ein letztes Mal versucht, die Sonne einzufangen.

Und bin, weils noch erlaubt ist, in die Veilchenschlucht gegangen.

Ich sah den Milan kreisen, er ist freier jetzt als ich.

Wer weiß, wann ich ihn wiederseh, sie machen alles dicht.

 

Noch einmal dort zum Gatter, wo die lieben Esel stehen.

Sie wirken ganz entspannt, sie wissen nichts von alledem.

Noch einmal in mein Stammcafé, das letzte Croissant.

Noch einmal unbefangen sein, die letzte Illusion.

 

Vorbei an Maskenträgern, die sich Klopapier besorgen.

Sonst geht die Nacht vorbei, vielleicht hat diese keinen Morgen.

Die Straße wird zum Feindesland, die Wohnung unser Sarg

Am letzten freien Tag.

 

 

Nur einmal still am Wildbach stehen, solang man es noch darf.

Schon morgen wird das nicht mehr gehen, sie kontrollieren scharf.

Wie oft hab ich den Leib gekühlt im Sommer dort am Wehr

Mich in die Gischt gestürzt – aber das geht ja jetzt nicht mehr.

 

Am Himmel sieht man schwirrend Überwachungsdrohnen schweben.

Zwei Buben lachen schrill, noch regt sich widerrechtlich Leben.

Sie bauten auf die Fügsamkeit und sie behielten Recht.

Wer auf den geraden Gang gewettet hat, der kennt uns schlecht.

 

Die Despotie trumpft auf, sie überrennt die letzten Hürden.

Noch schnell mein Lieb umarmt, bevor sie es verbieten würden.

Und während ich dies schreib, vergeht er mit dem Glockenschlag:

Der letzte freie Tag.

 

 

Mein eingesperrtes Land, ich würd drum weinen, was passiert.

Hätt man mir nicht gesunde Wut schon lange abtrainiert.

Und mancher nölt noch, jedoch hinter vorgehaltner Hand.

Das Feuer der Revolte ist doch längst schon abgebrannt.

 

Sie haben uns eingelullt, wir haben es lange nicht kapiert.

Wir fanden es behaglicher, dass jemand uns regiert.

Die Leinen wurden kürzer, die Verlautbarungen länger.

Die Welt, die sie uns ließen, wurde eng und immer enger.

 

In Fügsamkeit erstarrt, haben die meisten aufgegeben.

Sie sind nicht tot, doch kann man auch nicht sagen, dass sie leben.

Erst als die Freiheit ging, spürt ich, wie viel mir an ihr lag

Am letzten freien Tag.

 

 

Die Herren blähen sich auf und ihre Schergen salutieren,

Erpicht darauf, dass sie uns streng des Atmens überführen.

Die Smarten witzeln noch, sie überspielen ihre Scham.

Und keiner gibt sich Rechenschaft, wie alles so weit kam.

 

Wir waren von ihr umgeben, waren verwöhnt von ihren Küssen.

Wie Fische, die – vom Meer umspült – vom Wasser gar nichts wissen.

Gelangweilt von Optionen und zum Seitensprung bereit

Bestiegen wir das Bett der falschen Braut, der Sicherheit.

 

Verzeih uns, Freiheit, unsere Ignoranz war dein Verhängnis.

Und wir verrieten dich für dies vergoldete Gefängnis.

Und wenn jetzt nichts geschieht, dann war das, glaubt mir was ich sag:

Der letzte freie Tag

Anzeigen von 14 Kommentaren
  • Gerold Flock
    Antworten
    Schön. Eine Elegie…Ich war Heute auch spazieren. – Im Wald hab ich eine geheime Nachricht auf einem Zettel bekommen. – Wo soll mensch sich denn sonst noch treffen? – In Benediktbeuern dreht die Polizeieieieieieiei gleich Pirouetten wenn Sie mich sehen…Wenn ich aus dem Hause gehe kommt gleich die Geheim-Polizei getarnt in einem AUDI um die Ecke, aber blöderweise drinnen mit Uniform. – Haben DIE noch keine Tv-Krimis gekuckt? – ES GIBT TARNANZÜGE!!! – Meine Emails muß ich demnächst auch endlich mal verschlüsseln im Auftrag der Universität München usw.

    Die joggenden Blondinnen lächeln auch nicht mehr so freundlich wie früher.

    Das kann doch nicht so weiter gehen.

    https://anarchypeaceangel.jimdofree.com/

     

  • Piranha
    Antworten
    Schaurig-schön und melancholisch, und so traurig und klar.

    Und es schwindet der Roland im Nebel …… aber der aufgehenden Sonne, nicht wahr?

  • Gerold Flock
    Antworten
    …und diesen vielleicht noch Anschauen?

    Aber bitte auch nicht hier veröffentlichen. Sonst komme ich durcheinander.

    …und schon gar nicht bei Deiner Elegie.

    https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2020/03/18/coronavirus-warum-die-aussagen-von-wolfgang-wodarg-wenig-mit-wissenschaft-zu-tun-haben

     

    Ich finde den hier gut. Die Stimme der Vernunft.

    https://hinter-den-schlagzeilen.de/die-stimme-der-vernunft

     

     

  • rr
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    Dr. Wodarg bekommt derzeit viel Gegenwind. Das heißt, dass er ziemlich bekannt geworden ist. Und unbequem. Die Sache ist für Laien natürlich schwer einzuschätzen, aber es ist keineswegs so, dass alle Thesen von Wodarg eindeutig wiederlegt sind. Siehe z.B. hier:

    https://www.rubikon.news/artikel/die-mega-denunziation

  • Elisa Gratias
    Antworten
    Oh Roland! Danke für dieses Gedicht! Es nahm mich noch einmal mit dir mit. Sehr berührend und vielleicht auch aufrüttelnd? Wir werden sehen.

     

     

  • Kerstin
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    Wie schaurig-wunderbar ergreifend, lieber Roland! Möge es auf die Reise gehen und viele Menschen zurück in die Freiheit führen.
  • Sabine
    Antworten
    “Vorbei an Maskenträgern, die sich mit Klopapier besorgen …” – wunderbar! Vielen Dank für diese nur auf den ersten Blick enigmatische Elegie!  Ich hoffe, sie wird von vielen Menschen, auch zwischen den Zeilen, gelesen! Wer es etwas deutlicher bzw. weniger poetisch wissen will, kann ja zum Glück Ihren  aktuellen Artikel “Wir streiken” auf http://www.rubikon.news lesen! Auch darin stehen wissenswerte Dinge, die viele Mitmenschen, auch bei der LINKEN dringend einmal lesen und reflektieren sollten!  Z.B. auch die vielen gewählten Mitglieder und Mitgliederinnen der Bundestagsfraktion der LINKEN, die  die aktuellen “Corana-Maßnahmen” von Herrn Spahn und Frau Merkel merkwürdigerweise gerne mittragen – und doch ein eher trauriges Bild abgeben, was die Wahrung und Wiederherstellung unserer Grundrechte anbelangt! Kann man sich wirklich nur noch auf die Rolle des Clowns und Hofnarren zurückziehen, wie Helge Schneider oder Alexander Kluge, wenn einem  die Maskenpflicht fragwürdig erscheint und man Kritik äußern möchte ? Wo sind in dieser schaurigen Plandemie-Zeit  eigentlich unsere linken Intellektuellen und Denkerinnen, die sonst so gerne ihre Unterschriften unter  Petitionen und Appelle setzen? Fragen , die sich  bei der Lektüre dieses anrührenden und gar nicht unpolitischen Gedichtes bei mir einstellen. Nochmals vielen Dank dafür, Herr Rottenfußer, und bitte machen Sie weiter so, ohne kluge und reflektierte Stimmen wie die Ihre, wäre die aktuelle Situation einfach nur noch zum Verzweifeln!
  • Die A N N A loge
    Antworten
    Danke, lieber Roland, für deine schönen, traurig-melancholischen Verse. Ich habe mich in ihnen wiedergefunden. Zeitgeschehen kann so erfüllend und belebend sein, oder weh tun. Fremd ist mir Zeit, es entfremdet sich der Mensch, es bleiben  Inzidenzen und Verordnungen.

    “Auch ich wünsch’ mir den freien Tag zurück,

    mit Weidenufern, Widbachrauschen, schwerelosem Glück.”

  • Die A N N A loge
    Antworten
    Fremd ist mir diese Zeit geworden. Ein Jahr mit dem Virus, Inzidenzzahlen und den täglichen Warnungen haben mir zugesetzt. Ich vermisse nicht “das Shoppen”, keinen Urlaub auf Mallorca, ich vermisse das unbeschwerte Beisammensein als Familie, unter Freunden. Corona trennt uns voneinander. Ich lebe in Isolation. Die letzte Familienfeier hatten wir Weihnachten 2019. Ich trage das Familienfoto stets mit mir.

    Es trennt und schmerzt, die Zeit des Lockdowns. Meine Mutter ist sehr betagt und gehört mit ihren vielen Vorerkrankungen zur Risikogruppe. Im April bekommt sie ihre Erst Impfung. Ich hoffe, dass sie diese gut überstehen wird, und sie danach besser geschützt sein wird.

    Ich halte es einfach kaum noch aus. Diese täglich ansteigenden Infektionszahlen, die nicht enden Hiobsbotschaften in den Nachrichten, das ewige Gezanke zwischen den Meinungsmachern, die düsteren Szenarien für die Zukunft und mitten in all dem Geschehen die täglichen Mahnungen,  der Aufruf zur Distanz. Was bleibt, wenn darunter der wichtige Pfeiler, die eigene Psyche, zerbricht?

     

     

  • Freiherr
    Antworten
    Nunja, was soll man dazu noch sagen, ist Hopfen und Malz verloren bei Allen die sich von einem betrügerischen Schwindel in Angst versetzen lassen, von erfundenen Zahlen und Statistiken, die ja nur mit der Absicht erhoben werden um die Leute in Angst zu versetzen.

    Gestern ist er mir wieder entgegengekommen, entgegengelaufen, der Jogger im Wald – mit einem Kaffeefilter im Gesicht !

    Leck mich am Arsch – ist der blöd. Darf er aber sein, solange er nicht andere von seiner Blödheit überzeugen will.

    Die noch geistig Normalen müssen aber wegen der Blödheit der Anderen unter den Maßnahmen leiden – die freiwillig Verdummten tragen also die Verantwortung für diese kriminellen Maßnahmen mit – die Verbrechen an den Kindern auch, die gezielten Tötungen mittels Spritze, das Vernichten der Unternehmer, das Ausradieren persönlicher Freiheiten – die ganze Latte an Verbrechen gegen uns, Diktatur und Faschismus, Transhumanismus, Genmanipulation u.s.w…

    Aber, anstatt aufzuwachen jammern sie : ” Ach diese täglichen Zahlen, die Inzidenzwerte, die Varianten..

    was soll ich nur machen, muss auf Distanz gehen zu anderen, weil es ja so befohlen wird, meine Psyche leidet…

    Naja, bald bekomme ich meine ” Impfung ” dann bin ich wieder frei…

    sorry – aber ich schaffe es nicht mehr mit dieser beispiellosen Dummheit auch noch mitzufühlen.

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

  • Volker
    Antworten
    ++ schnief ++
    Wehmut an einem Mittwoch im März. Augen feucht wie Morgentau, selbst Korkenzieherweide zittert.

    Dabei sprang ich heute munter,
    vom Rad zehn Stufen Treppe ‘runter,
    breitete im Schwung die Arme aus
    und flog durch’s Fenster wieder raus.

    Beschwingt, da ohne Last, kein Geld und keine Schulden. Ich König Angemessenheit, ein Herrscher über Warenkorb auf einem Stück Papier. Bongowirbel.
    Majestät reitet radelt der untergehenden Sonne entgegen, begleitet von Fanfaren und Lobgesängen  von hupenden Stinkefingern. Oh Heimat du, erhelle armleuchter mir den Weg , die Nacht verbirgt die Straße zeugt von mancher Not, am Wegesrand auf dem Asphalt lauert der Tod. Beamte stempeln Akten digital… tack, tack, digitack… in Teufels Namen, dies ist Gesetz und scheiß egal … hack, hack, digihack… wir graben dir ein kaltes Loch, wir kümmern uns, so glaub es doch… ein Denker, wer leugnet seinen Henker.

    Lieber Roland, Du siehst, welch inspirative Kräfte Du erwecktest –mit einem Zwinkern ein Dankeschön.

  • heike
    Antworten
    Ja, schönes Gedicht, gab es doch vor einem Jahr schon mal so ein ähnliches .. Die Veilchen blühen jetzt auch hier bei uns … hab heute das erste entdeckt, die Krokusse auch, die Schneeglöckchen… alles wunderschön .. die Natur ist immer freier als die Menschen 🙂 das liegt halt in ihrer Natur … die Freiheit der Menschen ist so eine Sache … je mehr der eine nimmt, desto weniger hat der andere … und wenn man ein paar ganz ausräubert, dann können die anderen noch ein paar Feste mehr damit feiern…

    am besten ist, die Ausgeräuberten bemerken es nicht mal, sondern lassen sich bedauern, weil sie jetzt Demenz haben, und die Pflegekräfte bekommen ganz viel Lob für ihre schwere Arbeit … und natürlich können die auch nichts dafür …

    Naja, das Virus ist jedenfalls ein Ausdruck einer Seuche, die die Menschen befallen hat – und diese Seuche ist geistiger Natur. Sozusagen ein Ungeist, der sich über andere stellen will und mit Macht seinen Willen durchsetzen …

    Und so etwas Ähnliches, nur auf noch mehr materieller Stufe hatten wir schon mal vor 70 Jahren … und jetzt sieht man die Opfer nur noch weniger als damals…

  • heike
    Antworten
    Wie komme ich eigentlich auf 70 ?

    2021 – x = 1933

    x= 88

     

    1951 sieht wohl eher die Gegenpartei als Beginn der Diktatur … aber dazu muss man schon sehr verpeilt sein …

     

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