Tatvorwurf: Warnung vor neuem Faschismus

 In FEATURED, Politik (Inland)

Rudolph Bauer

Pressemitteilung der Neuen Gesellschaft für Psychologie zur Hausdurchsuchung bei Prof. Bauer. Der Nationalsozialismus gipfelte in den Gaskammern – aber er begann nicht mit diesen. Immer wieder einmal in der Nachkriegsgeschichte zeigten und zeigen sich Alarmsignale, die auf eine neue Faschisierung hinweisen. Diese muss nicht unbedingt zu einem neuen “Dritten Reich” führen, damit es aber nicht so weit kommt, ist es wichtig, dass alle, die dafür ein Gespür haben, rechtzeitig Alarm schlagen. Genau diese Tugend – “den Anfängen wehren” – wurde den meisten von uns schon im Sozialkunde- und Geschichtsunterricht beigebracht. Heute stellen wir mit Entsetzen fest: Wenn Mächtigen eine Warnung unbequem wird, nehmen sie diese nicht etwa als ein Signal zur Umkehr – sie drangsalieren den Warner. So geschah es dem bewährten Antifaschisten Rudolph Bauer, der für einen Kunstbildband, in dem er derzeitige Politiker mit solchen der Nazizeit in Verbindung brachte, einen “Strafbefehl” sowie eine Hausdurchsuchung erntete. Holdger Platta beschrieb den Vorgang in einem ausführlichen zweiteiligen Artikel hier und hier. Diese Vorgehensweise, so die Autoren der Neuen Gesellschaft für Psychologie, soll ganz offensichtlich eine problematische Politik – etwa die Corona-Maßnahmen – gegen Kritik immunisieren. Der rhetorische Trick: Wer etwas Schlimmes mit etwas sehr Schlimmem vergleicht, “verharmlost” das sehr Schlimme – was nicht etwa nur auf faire Weise kritisiert, sondern mit Einschüchterung, Geldstrafen und der Einschränkung der Unverletzlichkeit der Wohnung beantwortet wird. Die Nazis unterschieden sich von heutigen autoritären Politikern dadurch, dass sie viele ihrer Gegner umbrachten. Aber bedeutet dies – umgekehrt gesprochen -, dass man sich erst dann über eine falsche Politik beschweren darf, wenn es Tote gegeben hat?

 

Die Neue Gesellschaft für Psychologie hat mit Erschrecken von der empörenden Tatsache erfahren, dass gegen einen ihrer Freunde und Kollegen, Prof. Dr. Rudolph Bauer, am 10. August 2023 eine Hausdurchsuchung durch teils bewaffnete und mit Schutzmasken ausgestattete Durchsuchungsbedienstete durchgeführt worden ist.

Die empörende Begründung lautet: „durch die faktische Gleichsetzung von demokratisch legitimierten Maßnahmen mit dem menschenverachtenden Vorgehen im Nationalsozialismus hat er in besonders verachtenswerter Weise die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlungen verharmlost.“

Bauers Vergehen ist es, in Wort und Bild vor der Gefahr der Faschisierung der Gesellschaft zu warnen. Mit „Verharmlosung des Nationalsozialismus“ aber will man ihm einen Straftatbestand anlasten – ein Vorgehen, was häufig angewandt wird, um die Verletzung der Rechtsstaatlichkeit zu verdecken. Vor allem in diesem Fall ist dieser Vorwurf an Unsachlichkeit und Unverschämtheit kaum zu überbieten.

Rudolph Bauer, emeritierter Professor und Künstler, zu unterstellen, er habe – „die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlungen verharmlost“, grenzt an die Fantasie eines Unberechenbaren; ihm, den man als Antifaschisten der ersten Stunde bezeichnen könnte, lange bevor der Antifaschismus Staatsräson wurde – um damit zu einer Totschlagswaffe gegen jegliche Form von Kritik am staatlichen Handeln gewendet zu werden.

Als Professor hat er Generationen von Studenten antifaschistische Haltung gelehrt und vorgelebt. Dokumentiert ist diese vorbildliche Arbeit in unzähligen Veröffentlichungen in renommierten wissenschaftlichen Verlagen.

Als Künstler hat er in beeindruckenden Arbeiten von hoher künstlerischer Qualität gesellschaftskritische Sichtweisen vermittelt.

Als eingeladener Referent auf dem letzten Kongress der NGfP 2022 hat er in einem brillanten Grundsatzreferat die politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge der aktuellen Situation entfaltet.

Ihm vorzuwerfen, er verharmlose Handlungen, die er bisher entschieden kritisiert hatte, ist nur unter der Annahme einer um 180 Grad gewendeten politischen Haltung der Verantwortlichen zu erklären.

Sie zeigen damit nur, welches Verständnis von Antifaschismus sie zugrunde legen: nämlich eines, mit dem sie ihr eigenes politisches Handeln gegen Kritik immunisieren wollen, und eben nicht am Maßstab des antifaschistischen „nie wieder!“ orientieren können oder wollen. Im Gegenteil, sie leisten der Entstehung faschistischen Gedankenguts und Haltung Vorschub.

Gegen diese Gefahr wendet sich auch die Neue Gesellschaft für Psychologie. Sie wendet sich deshalb entschieden gegen die Diffamierung und Verfolgung kritischer Wissenschaftler, die ihre Aufgabe darin sehen und unbeirrt verfolgen, sich selbst mit ihrer Arbeit und ihrer Persönlichkeit gegen diese Entwicklungen zu stellen.

Wir fordern deshalb die Verantwortlichen auf, Professor Rudolph Bauer vollumfänglich zu rehabilitieren und sich zu entschuldigen.

Der Vorstand der Neuen Gesellschaft für Psychologie

Benjamin Lemke, Conny Stahmer-Weinandy, Klaus-Jürgen Bruder und Almuth Bruder-Bezzel

Anzeigen von 9 Kommentaren
  • Freiherr
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    Tja…

    ich sehe da auch den psychologischen, oder sogar psychiatrisch-pathologischen Hintergrund:

    Kritik an einem falschen, sogar kriminellen  Verhalten begegnet der zu recht Kritisierte ( der Karikierte oder der Unrechtsstaat ) wegen Schuldgefühlen mit einem Gegenangriff um seine zwar tatsächlich vorhandene Schuld in Form von blankem Unrecht damit zu kompensieren oder von sich zu weisen.

    Aber sowieso gehören die Täter, dieses Gewalteneinheitsregime nämlich, allesammt aufs Sofa, Sigmund Freud hätte große Freunde.

    Wären diese lediglich * nicht ganz dicht *, könnten wir uns noch köstlich amüsieren, aber die sind hochkriminell.

     

  • A.F.
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    q.e.d.

    Eigentlich wird mit der Hausdurchsuchung genau das bewiesen, was Prof. Bauer angesprochen hat.

     

  • Juerg Wyss
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    Es ist wie überall, die Fakten werden umgekehrt. Wenn ich etwas mit dem Nationalsozialismus vergleiche, ist das etwas gleich schlimm wie der Nationalsozialismus. Wenn nun das etwas sagt, der Nationalsozialismus werde ihm gleichgestellt geschieht diese Gleichstellung, indem sich das etwas als harmloser als der Nationalsozialismus hinstellt. Dass diese Differenzierung das etwas auf die gleiche Stufe stellt wie der Nationalsozialismus wird dabei nicht berücksichtigt, da der Vergleich als falsch hingestellt wird, dadurch ist es nicht mehr relevant. Ein geschickter Schachzug der Nationalsozialisten der Neuzeit!
  • Jan Schulz
    Antworten
    Es geht um die totale Deutungshoheit. Die Mächtigen haben aus ihren Fehlern der jüngeren Vergangenheit gelernt. Ende 2005 konnte Harold Pinter noch die Nobelvorlesung „Kunst, Wahrheit & Politik“ halten. Die Resonanz darauf war zumeist zustimmend.

    https://www.nobelprize.org/uploads/2018/06/pinter-lecture-g-1.pdf

    Dass heutzutage in den Leitmedien, keine vom Narrativ abweichenden Meinungen mehr zu vernehmen sind, basiert darauf, dass diejenigen ignoriert werden, welche aus der Reihe tanzen. John Mearsheimer sprach davon kürzlich in dem sehenswerten Interview mit Glenn Greenwald.

    https://www.youtube.com/watch?v=gx7tF2-Pn00&t=4s

    Doch das reicht nicht, um einigermaßen sicher zu sein, keinen Widerstand in der Bevölkerung zu kultivieren. Die Treppe wird von oben bis ganz nach unten gefegt. Mit der Hausdurchsuchung dürfte den Verantwortlichen klar sein, nichts Belastendes zu finden. Es geht um Abschreckung getreu dem chinesischen Sprichwort „Wenn du die Affen erschrecken willst, schlachte ein Huhn“.

    Prof. Bauer sieht eine Faschisierung heranziehen. Ob man den Zeitgeist so benennen soll, lasse ich einmal stehen. Schon Mitte der 1980er Jahre verfasste Hermann Lübbe den Essay „Politischer Moralismus – Der Triumph der Gesinnung über die Urteilskraft“. 1987 erstmals in Buchform verlegt, wurde der Essay 2019 mit einem aktuellen Vorwort des Autors erneut aufgelegt. Die moralische Diffamierung Andersdenkender wurde von Hermann Lübbe exzellent erkannt und benannt.

    Der Zweck heiligt die Mittel, denn die Mächtigen haben an ihrer höheren moralischen Legitimität keinen Zweifel. Da das Narrativ sehr schnell mit dem gesunden Menschenverstand kollidiert, erwähnt seien bspw. die geistigen Kapriolen bzgl. Täterschaft im Zusammenhang mit der Sprengung Nord Streams. Die Russen waren es oder vielleicht auch die Ukrainer? Das erfordert eine kurze Leine, was die veröffentlichte Meinung betrifft.

    Ich sehe jede Menge Bullshit in der Öffentlichkeit. Der im Juli 2023 verstorbene US-amerikanische Philosoph Harry Frankfurt sah ihn abweichend von Lüge und Irrtum. Wer Bullshit produziert, interessiert sich nicht für die Wahrheit.

    Im Zuge der Pandemiebekämpfung sprach der damalige Bundeminister für Gesundheit „Wir werden einander viel verzeihen müssen“. Daran sollten wir uns erinnern, wenn der Zeitgeist sich wieder dreht. Und das tut er immer; manchmal ein Segen, manchmal ein Fluch. Nicht zufällig sind die Bürger Deutschlands aus den neuen Bundesländern schwerer zu beeinflussen, da diese anders sozialisiert wurden. Aus Schaden wird man klug. Gerne hätte ich, Jahrgang 1972 und Westdeutscher, auf diese Erfahrungen verzichtet.

  • Erno Bentfeld
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    Wer bezweifelt noch, dass der tägliche Linksfaschismus in Aktion ist? Keinen Schlag besser als der von ihm angeblich vor Vergleichen zu schützende linksfaschistische  Nationalsozialismus.
  • Ralf
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    „Der rhetorische Trick: Wer etwas Schlimmes mit etwas sehr Schlimmem vergleicht, „verharmlost“ das sehr Schlimme – was nicht etwa nur auf faire Weise kritisiert, sondern mit Einschüchterung, Geldstrafen und der Einschränkung der Unverletzlichkeit der Wohnung beantwortet wird. Die Nazis unterschieden sich von heutigen autoritären Politikern dadurch, dass sie viele ihrer Gegner umbrachten. Aber bedeutet dies – umgekehrt gesprochen -, dass man sich erst dann über eine falsche Politik beschweren darf, wenn es Tote gegeben hat?“

    Wer AFD und sonstige Regierungskritiker als Nazis bezeichnet, tut im Prinzip das Gleiche! Er verharmlost die menschenverachtende Ideologie der echten Nazis, denn es gibt keinerlei Beweise dafür, dass unter anderem die AFD, die Querdenker- und Friedensbewegung, wie einst die echten Nazis, Konzentrationslager bauen und ein Terrorregime errichtet wollen.

    Das richtige Narrative ist in einem autokratischen System von der Obrigkeit und den Systemmedien eben immer gern gesehen.

  • Peter Z.
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    Im Zuge der Pandemiebekämpfung kam es zu einer Renaissance des Living Theaters, viele Menschen haben es bloss nicht gemerkt, bis heute.
  • Kai Kniffgig
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    Endlich, der Bergdoktor zeigt Empörung, Empathie und Zivilcourage:

    https://www.bunte.de/stars/bergdoktor-star-hans-sigl-kritisiert-gender-verbot-an-schulen-scharf.html

    • Tilo Bley
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      Ja, gratismutige Äußerungen, wenn man auf der Seite der lauten linken Minderheit steht, die so tut, als hätte sie aller Zustimmung, gehn natürlich immer. Das sind dann auch in der Regel die Leute, die verständnislos reagieren, wenn man ihnen die immer mehr eingeschränkte Meinungsfreiheit in diesem Land begreiflich machen will, weil SIE mit IHRER Meinung davon ja nicht betroffen sind.

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