Tod einer Katze

 In FEATURED, Spiritualität, Umwelt/Natur

Luzi

Katze Luzi war eine beliebte und nicht wegzudenkende Bewohnerin im “connection-Haus”, wo Wolf Schneider über Jahrzehnte sein spirituelles Magazin produzierte. Ihre Freundlichkeit und Gelassenheit legte den Schluss nahe, dass Luzi, was ihren Erleuchtungsgrad betraf, die meisten Besucher des Hauses übertraf. Auch HdS-Redakteur Roland Rottenfußer kannte Luzi schon als “Jugendliche”, wenn sie etwa sanft um seine Beine strich, während sein Kopf am Schreibtisch über Hochgeistigem brütete. Wolf Schneider knüpft an seinen höchst persönlichen und emotionalen Abschied aufbegehrende Betrachtungen über Vergänglichkeit. (Wolf Schneider, www.connection.de)

Wer das Connectionhaus einmal besucht hat, kennt sie, unsere Katze Luzi. Anfang 2001 war sie als Frühjahrskätzchen zu uns gekommen und hatte dann hier im Connectionhaus mehr als 16 Jahre lang ein bewegtes und glückliches Katzenleben. Oft als Star der Seminare, in denen sie plötzlich mitten im Raum auftauchte, man hatte sie kaum reinkommen hören auf ihren leisen Katzenpfoten, und in ihrer göttlichen Eleganz den Raum durchschritt, Vorbild für alle, die noch »im Prozess«, also nicht so entspannt waren wie sie. Wir nannten sie Haus-Diva, liebten, bewunderten und kraulten sie, was sie sich nur allzu gerne gefallen ließ.

Vor ein paar Wochen wurde sichtbar, dass sie ihr siebzehntes Jahr wohl nicht mehr vollenden würde. Wollte sie sich vielleicht schon diesen Herbst verabschieden? Dann bekam sie eine dicke Backe, wir dachten an einen eiternden Zahn, aber die Tierärztin sagte, es sei ein Tumor hinter dem rechten Auge, inoperabel, da könne man nur noch lindern. Hat sie Schmerzen? Kopfweh, vermutete die Ärztin.

Die Tage darauf lag sie fast nur noch auf dem Heizkörper, den sie, obwohl schwach und abgemagert, immer noch mit einem Satz erspang. Ich fühlte mich wie ein Sterbegleiter, zumal ich gerade ein Buch lektoriere über die tibetische Art im Sterben und durch die Bardos zu begleiten.

Abschied

Die Stunden mit meiner Gefährtin Luzi waren nun noch inniger als sonst, obwohl ihr rechtes Auge schrecklich aussah, sie mehr sabberte als sonst und ihr Körper, dessen Geruch ich so gerne gemocht hatte, nun schlecht zu riechen begann. Meine Massage aber genoss Luzi noch, vielleicht mehr denn je. Wie sie sich da dem Druck meiner Hände entgegenstreckte, schnurrte sie so laut, dass ich dachte, der Schmerz der Sterbenden kann nicht so groß sein, bei so viel Genuss.

Dann verschlechterte sich auch ihr Stuhlgang, er enthielt Blut und der Urin roch krank. Anscheinend hatte der Tumor metastasiert, und es schien, als würde ihr Leiden den verbliebenen Lebensgenuss überwiegen. Für einen sanften Tod musste ich sie nun zur Tierärztin bringen. Im Bewusstsein des Kommenden war unsere letzte Nacht vor diesem beschwerlichen Gang nochmal eine ganz besondere. Während der Fahrt im Auto und dann bei der Ärztin, auf unserem letzten gemeinsamen Weg zu Lebzeiten, regelte ich weinend aber geistig klar alles Nötige. Auch auf dem Tisch in der Tierarztpraxis schmiegte Luzi sich noch an mich, obwohl ich doch ihr Henker war, der sie der tödlichen Spritze zuführte. Ihr Henker aber auch Erlöser, was für eine Rolle…

Aufstand gegen das Unvermeidliche

Zwei Stunden später hob ich nahe den Wurzeln eines Baumes zwischen großen Steinen ein Grab aus. Wir legten dem toten Körper Gräser bei. Ich umarmte ihn noch ein letztes Mal, drückte meine Geliebte an mich und gab sie dann zurück an die Erde.

Als das Grab zugeschüttet war, bäumte sich noch einmal etwas in mir auf. Ein wilder Protest gegen die Vergänglichkeit quoll da mit tiefen Schluchzern aus meinem Innersten, zugleich Trauer und Wut, ein Aufstand gegen das Unausweichliche. »Gott zürnen« nannten sie das wohl früher, als die Menschen noch gläubig waren, und ich konnte in diesem Aufbäumen die Personalisierung wahrnehmen, wie ich sie ich da mit der ganzen, mich umgebenden Natur vornahm, an diesem trüben Novembertag, an dem sich auch alles Natürliche drumrum von einem warmen Sommer verabschiedete.

Nun hatte ich schon aus meiner Katze eine persönliche Freundin gemacht, sie vermenschlicht, sozusagen entkatzt, und sagte dann in meinem Zorn gegen die Zumutung der Vergänglichkeit auch noch zu diesem großen, allumfassenden Ganzen: Du! Warum tust du uns das an und nimmst das Geliebte fort von uns, alles, alles, jeden! Und in diesem Schluchzen des Aufständischen, der um seine eigene Sterblichkeit weiß, war unter den Tränen auch ein Lachen.

Dann packte er die Schaufel und den Spaten ein und ging, ohne sich noch einmal umzudrehen.

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