Fünf Jahre GriechInnenhilfe: zwischen Dankbarkeit und Zorn

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Roland Rottenfußer, Über diese Seite

229. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Tatsächlich, es ist so weit: Am heutigen Tag blicke ich auf fünf Jahre GriechInnenhilfe zurück. Anlass, Bilanz zu ziehen – Zwischenbilanz jedenfalls! Anlass des weiteren, sehr vielen Menschen großen Dank zu sagen für Hilfe der verschiedensten Art! Anlass nicht zuletzt, wenigstens in der Gestalt einer Übersicht daran zu erinnern daran, welchen Menschen (und Institutionen) in welchen Notsituationen wir fünf Jahre lang geholfen haben –und auch weiterhin zu helfen gedenken! Wie könnte es bei einer solchen Gelegenheit anders sein: es ist ein Rückblick der gemischten Gefühle. Wir haben helfen können – also gab es auch Anlässe der Freude für uns. Wir haben unendlich vielen Menschen nicht helfen können – das haben wir niemals vergessen! Dabei trieb uns stets der Wunsch zu helfen an. Doch immer wieder war auch Zorn dabei, Zorn über Politiker und Medien – egal wo –, die Verursacher des Elends in Griechenland waren und sind oder deren Verschweiger. Fünf Jahre GriechInnenhilfe? Vielleicht interessiert Euch ja, was mir zu diesem Anlass durch den Kopf gegangen ist – und nicht nur durch den Kopf. Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

wer meinen letzten Bericht zu unserer GriechInnenhilfe gelesen hat, weiß: eigentlich sollte dieser Rückblick auf unsere Spenden- und Protestaktion bereits in der vorigen Woche erscheinen. Aber eine Erkrankung meiner Frau, von Sybille Marggraf, verhinderte das. Deswegen heute erst eine Rückschau auf fünf Jahre GriechInnenhilfe, auf eine Aktion, deren Basis während dieses Zeitraums stets unsere Website www.hinter-den-schlagzeilen.de gewesen ist – und damit Eure Unterstützung von Anfang an.

Um genau zu sein: am 24. Juli 2015 erschien unser erster Aufruf zu dieser Aktion, unsere Bitte und unser Appell, zukünftig den immer stärker in Bedrängnis geratenden Griechinnen und Griechen beizustehen – und zwar beizustehen mit Spendengeldern wie auch mit Analyse der immer rabiater werdenden Verelendungsprozesse in Griechenland und mit Protest gegen eine immer brutaler werdende Politik der Euro-Staaten gegenüber Griechenland.

Darf ich aus unserem Aufruf zitieren, der meines Erachtens immer noch sehr zutreffend wiedergibt, was uns Unterzeichner zu dieser Hilfs- und Protestaktion motiviert hatte – zu einem Eingreifen in soziale, ökonomische und politische Geschehnisse, für das die Anlässe heute immer noch existieren, größtenteils sogar schärfer noch, als das damals, Ende Juli 2015, der Fall war? Wir schrieben Euch seinerzeit:

„Wir wissen aus vielen Zuschriften, dass es Euch seit längerem nicht anders ergeht als uns, den Redakteuren von www.hinter-den-schlagzeilen.de: wir halten unser Steckenbleiben in der bloßen Zuschauerrolle angesichts der katastrophalen Entwicklungen in Griechenland nicht mehr aus.

Selbstverständlich kommentieren, analysieren und kritisieren wir schon seit Monaten die menschenfeindliche Politik der Eurostaaten gegenüber Griechenland. Und solche Kritik wird auch weiterhin aufs dringendste erforderlich sein. Wenn der menschenfeindliche Neoliberalismus in anderen europäischen Staaten seine verrohte Grimasse gezeigt hat – in Deutschland zum Beispiel unter dem Namen Hartz-IV, in der Gestalt eines Menschenverelendungsprogramms ohne „Vorbild“ seinerzeit und gleichsam als Vor-Versuch für das, was seit fünf Jahren gegenüber Griechenland exekutiert wird –, so ist derselbe brutale Neoliberalismus inzwischen dazu übergegangen, Griechenland gegenüber seine Fresse zu zeigen. Und – buchstäblich! –: über Leichen zu gehen.

Mag man streiten, ob sich Tsipras bei den letzten Verhandlungen mit Merkel & Co. als ‘Feigling’ erwiesen hat oder nicht. Eindeutig ist, dass man Griechenland bei diesem sogenannten dritten ‘Rettungspaket’ vor die erpresserische Alternative gestellt hat: ‘Untergang sofort oder allmähliches Erdrosseltwerden’.

Mag man darüber streiten, ob Griechenland überhaupt noch über eine eigene echte Souveränität verfügt oder nicht. Eindeutig ist: die Eurostaaten betreiben seit Jahren den Untergang Griechenlands, sie haben diese Untergangspolitik verschärft, seit dort eine linke Regierung an die Macht gewählt worden ist, und sie nehmen, spätestens mit diesem dritten ‘Rettungspaket’, in Kauf, dass nicht nur eine unliebsame Regierung wie ein Hund vom Hof gejagt werden soll, sondern auch ein ganzes Volk vor die Hunde geht (selbstverständlich mal wieder abgesehen von den superreichen Halunken und milliardenschweren Steuerhinterziehern in Griechenland). Wie formulierten wir das, was nun ansteht? – „Allmähliches Erdrosseltwerden“? Nun, die zutiefst erschreckenden Berichte aus Griechenland häufen sich (wir erinnern an den Brief von Anastasios, den wir gestern auf HdS veröffentlicht haben). Und wieder einmal – wie sollte es auch anders sein?! – trifft es „natürlich“ vor allem die Armen und die Ärmsten der Armen: Kleinstrentner und Arbeitslose, Kranke und mittlerweile fast die gesamte junge Generation in Griechenland.

Dem wollen wir nicht länger tatenlos zusehen. Da helfen auch – noch so wichtige! – kritische Kommentare nicht mehr. Da wollen wir helfen – und andere ebenfalls zur Hilfe anstiften, zu eigenen ergänzenden Hilfsaktionen: Einzelne wie Organisationen, kleine Gruppen wie Websitebetreiber. Und deshalb rufen wir Euch alle heute zur Mithilfe auf!“

(Den ganzen Aufruf könnt Ihr hier nachlesen! https://hinter-den-schlagzeilen.de/helfen-wir-den-menschen-in-griechenland)

Ich denke, alle meine Berichte haben seither gezeigt, dass diese scharfen Angriffe auf die Großkopfeten des politisch organisierten Europas – welches sich bis heute als „Wertegemeinschaft“ zu bezeichnen wagt – kein leeres, gar übertriebenes Gerede war. Unter dem Tarnbegriff „Austeritätspolitik“ setzte eine sogenannte „Rettungspolitik“ gegenüber Griechenland ein, die bis heute ihres gleichen sucht. Um es nochmal auf den Punkt zu bringen: immer mehr Steuern und Abgaben sollte die griechische Regierung ihren Bürgerinnen und Bürgern abverlangen und gleichzeitig immer mehr Hilfen und Finanzierungsmöglichkeiten abschaffen dafür – insbesondere bei den eh immer stärker verarmenden Menschen in Griechenland. Konkret also: Abschaffung oder Senkung von Sozialhilfen, Senkung von Renten, Pensionen und Gehältern, Kürzungen nicht zuletzt im griechischen Gesundheitssystem, die einem Zugrunderichten der Menschenhilfe in diesen Bereichen gleichkamen. Einzelheiten muss ich hier ganz gewiß nicht wiederholen. Meine bisherigen Berichte sind voll davon.

Viele Gründe für Dankbarkeit

Bewegend war für uns OrganisatorInnen bereits der Beginn dieser Hilfs- und Protestaktion. Binnen kürzester Frist fand sich ein Team zusammen, das bis heute noch diese Hilfsarbeit zu leisten vermag, von einer Ausnahme abgesehen. Konstantin Wecker stellte HdS für die Werbearbeit zur Verfügung (und gehörte mit Roland Rottenfußer und mir zu den Unterzeichnern eines Flyers für unseren Spendenaufruf), und er blieb unserer Arbeit auch treu, als HdS in die juristischer Trägerschaft des Göttinger Vereins „Initiative für eine humane Welt (IHW) e. V.“ überging, zu Beginn des Jahres 2017. Mehrfache Großspenden von Konstantin Wecker in der Höhe von 3.000,- Euro (kürzlich erst) und 4.000,- Euro sprechen dafür. Roland Rottenfußer übernahm von Anfang an die Arbeit, die Hilfsberichte und Spendenaufrufe „einzupflegen“ auf HdS (als sein Stellvertreter auch Alexander Kinsky, der immer dann einspringt, wenn Roland mal eine – zumeist kurze – „Auszeit“ nimmt, für Urlaub etwa). Und unsere beiden Reiseteams – Evi und Tassos Chatzatoglou sowie Uschi und Heinz Apel – sorgen bis auf den heutigen Tag dafür, dass die Hilfsmittel und Hilfsgelder ankommen bei den notleidenden Menschen und Institutionen in Griechenland! Ich kann nur wiederholen, mit welch großer Dankbarkeit mich diese unermüdliche Hilfe erfüllt!

Aber es blieb ja nicht dabei. Auch andere aus Eurem Kreis unterstützten unsere Aktion: HdS-Leserin Margit Geilenbrügge stellte mit Kurt Berlo das geniale Logo für unsere Hilfsaktion her – Ihr findet es oben nochmal über dem Einleitungstext zu diesem Bericht. Die Grazer Evi und Tassos Chatzatoglou produzierten mit Konstantin Wecker und Clemens Haid ein überaus beeindruckendes Werbe-Video für unsere GriechInnenhilfe. Ihr könnt es heute noch einmal oben auf dieser HdS-Seite anklicken und ansehen (zu korrigieren wären heute lediglich die Zahlenangaben in diesem kleinen Film: sie fallen heute noch viel alarmierender als damals aus, im September 2015).

Schließlich übernahmen Bettina Beckröge und Margit Geilenbrügge auch eine Patenschaft für Panagiota K. aus Megara mit ihren drei Töchtern, denen wir dank dieser Hilfe herausverhelfen konnten aus den entsetzlichsten, aus menschenunwürdigen Wohnverhältnissen. Die Dauerspenden von Margit und Bettina trugen nicht unerheblich zu dieser eminent wichtigen Menschenhilfe bei, von letzterer noch zusätzlich unterstützt durch zahlreiche Einzelaktionen, durch Verteilung unserer Spendenflyer nämlich bei verschiedenen Anlässen, zum Beispiel bei Wecker-Konzerten und Gastspielen von Maria Farantouri. Apropos „Spendenflyer“: dieser wurde kostenfrei in hoher Auflage hergestellt von Konstantin Weckers Schwiegervater Reinhard Berlin. Und er wurde auch von meiner Ehefrau Sybille Marggraf, von unseren Göttinger Weggefährten Edel und Rolf Grothey und mir auf verschiedenen Veranstaltungen verteilt, so unter anderem auf der Göttinger Friedenspreisverleihung an Konstantin Wecker im März 2018. Dank also auch an alle diese Mithelfer, die gleichsam “von außen her” tätig wurden für unsere Hilfsaktion!

Nicht minder bewegend für uns OrganisatorInnen war aber auch der Zuspruch, der uns zuteil wurde durch Euch, oft notiert auf den Überweisungsformularen. „Weiter so!“ hieß es da etwa, „Danke für Euer Engagement“ oder „In tiefer Verbundenheit mit den GriechInnen und für eine solidarisch ausgerichtete Politik in Europa und überall“. Ich glaube, diese Spender und Spenderinnen ahnen gar nicht, wie gut uns diese Zustimmung tat! Dank also auch für diese oft wiederholten Zeichen der Ermutigung!

Geradezu überwältigend dann aber vor allem auch der finanzielle Einstieg in unsere Hilfsaktion:

An einem Freitag – an eben jenem 24. Juli 2015, den ich erwähnte – war unser Aufruf zum ersten Mal erschienen. Schon am Montag darauf waren 5.000,- Euro auf unserem Konto an Spendengeldern eingegangen, eine Woche nach diesem Freitag, am Donnerstag, den 30. Juli, durften wir bereits 28.000,- Euro auf unserem Hilfskonto registrieren. Und auch in diesem Zusammenhang durften wir Unterstützung erleben, die uns ganz besonders bewegt hat: Spendenzahlungen sogar von Hartz-IV-Betroffenen aus der Bundesrepublik – so vom HdS-Leser, der unter dem Pseudonym „Eulenfeder“ seine Kommentare bei uns veröffentlichte –, aber auch ganz außerordentliche Vertrauensbeweise der Art, dass einige Einzelspender es sogar wagten, gleich Hilfsbeträge in der Höhe von 5.000,- Euro bis 10.000,- Euro (= zweimal geschehen!) auf unser Spendenkonto zu überweisen.

Noch heute stelle ich fest: wahrlich keine Selbstverständlichkeit, völlig unbekannten „Newcomern“ wie uns Geldbeträge von dieser Größenordnung zukommen zu lassen! Das wird für mich und die anderen aus unserem Team unvergesslich bleiben, und auch hier erfüllt uns bis heute riesige Dankbarkeit für dieses Vertrauen, und die Freude darüber klingt bis heute in uns nach. Nebenbei „Vertrauen“. „Natürlich“ gab es auch das, die Tatsache nämlich, einmalig allerdings, dass uns großes Misstrauen zu Beginn unserer Hilfsaktion entgegenschlug. Eine Anruferin beschuldigte mich wenige Tage nach Beginn unserer GriechInnenhilfe, mit unserem Aufruf lediglich Geld in die eigene Tasche stecken zu wollen. Wir vom Trägerverein reagierten darauf so, dass wir zusätzlich zur IHW-internen Kassenprüfung und zusätzlich zur Finanzamts-Kontrolle, die alle drei Jahre bei gemeinnützigen Vereinen von dieser Behörde durchgeführt wird (und inzwischen durchgeführt worden ist, im Jahre 2018), im Jahre 2016 extra einen Göttinger Anwalt und Notar, Herrn Amthauer, mit einer Zusatzkontrolle beauftragten – im Herbst desselben Jahres – mit dem Ergebnis, daß auch dieser keinerlei Unregelmäßigkeiten feststellen konnte. Ich hatte Euch diese Überprüfung im November 2016 in einem meiner Berichte mitgeteilt, siehe hier!

Abschließend aber zu diesem SpenderInnen-Kapitel: Überaus wichtig, bis auf den heutigen Tag, sind die Helfer und Helferinnen für uns, die einen Dauerauftrag für unsere GriechInnenhilfe eingerichtet haben. Ihr DauerspenderInnen – derzeit sind das um die 10 HelferInnen – sorgt ganz entscheidend dafür, dassß unsere Hilfsaktion insgesamt immer noch über ein Mindestmaß an Beständigkeit verfügt. Ganz herzlichen Dank also auch an Euch!

Das Jahr 2015 jedenfalls ging zu Ende mit einem Spendenresultat, das weit über 100.000,- Euro lag, darin enthalten auch rund 5.000,- Euro, die Evi und Tassos Chatzatoglou zu unserer Hilfsaktion aus eigenen Mitteln beigetragen hatten (zusätzlich zur stillschweigenden Übernahme aller Reisekosten nach Griechenland) sowie medizinische Hilfsmittel im Gesamtwert von rund 21.000,- Euro, die Karl-Heinz Apel, mein Kindheitsfreund und Apotheker aus Rosche bei Uelzen, für unsere GriechInnenhilfe zu akquirieren vermochte.

Nicht zuletzt: auch mein Freund Axel Kleinecke aus Hannover, Redakteur beim alternativen Sender „Radio Flora“, sorgte gleich mehrfach dafür, dass von unserer Hilfsaktion eine breitere Öffentlichkeit erfuhr. Und Annik, die Ehefrau von Konstantin Wecker, hielt sich mit ihrem Sohn Tamino im Herbst des Jahres 2015 gleich zweimal für ein paar Wochen in Griechenland auf, um auf der Insel Lesbos ankommenden Flüchtlingen Hilfe zu leisten, im Auftrag unserer „Hilfe für eine humane Welt (IHW) e.V.“. Selbstverständlich schließt unser Dank auch all die zuletzt genannten Helferinnen und Helfer mit ein! Und ich persönlich möchte mich an dieser Stelle auch aufs herzlichste bedanken für den Zuspruch, den ich immer mal wieder von meinen Teamkollegen Tassos Chatzatoglou und Roland Rottenfußer bekam, aber auch von unserer Schweizer Spenderin Esther R. sowie von unserer regelmäßigen HdS-Leserin „Piranha“. Das trägt einen auch über etwas schwerere Zeiten hinweg.

Darf ich an dieser Stelle noch ein zweites Mal aus einem früheren Text zitieren? – Es geht um eine Passage aus meinem Halbjahresbericht 2015, der Ende des betreffenden Jahres auf HdS erschien. Meines Erachtens gibt er gut wieder, was wir OrganisatorInnen damals empfanden (und eigentlich auch heute noch so sehen). Im Rückblick auf knapp sechs Monate Tätigkeit für die GriechInnenhilfe schrieb ich seinerzeit:

„Ich weiß, das klingt nach verdammt viel Arbeit – und das war und ist es auch. Aber, und deswegen drängte es mich so sehr danach, Euch dieses alles mitzuteilen:  das alles war und ist auch ungeheuer befriedigende Arbeit gewesen. Ich weiß, der folgende Satz wird ein wenig pathetisch klingen, aber es ist so: Sich in die Bereiche des Helfenkönnens zu begeben, das war und ist für meine Mitakteure und mich auch so etwas gewesen wie eine Reise ins Glück. Zur Nachahmung empfohlen, wobei jede und jeder seine Grenzen nicht vergessen mag, jeder und jede also im Rahmen der eigenen Möglichkeiten: man muss es erlebt haben, um erfahren zu dürfen, dass es verdammt gut tun kann, Gutes zu tun.

Ich weiß: der letzte Satz wird einigen womöglich etwas arg befremdend in den Ohren klingen. Darf man so empfinden, darf man das schreiben? Ist hier nicht falscher Stolz im Spiel, Hoffahrt, Arroganz sogar? Oder kommt da nicht uraltes – ich sage: furchtbar abgestandenes! – Christentum in einem hoch? Hat nicht ein Martin Luther gelehrt, dass allein der Glaube zähle – „sola finde“ –, nicht die „guten Werke“? Und ist es mit den „guten Werken“ nicht dahin, wenn man sogar weiß und schreibt, man habe „Gutes“ getan? Ach, Kappes, liebe Leute! Mir ist eine Welt lieber, in der viele Menschen Gutes tun und sie wissen das auch und dürfen das auch wissen, als eine Welt, in der selbst das Gute nur mit zerknirschtem Gewissen getan werden darf und in Selbstvorwürfen endet. Entsetzlich! Calvin, dieser – sorry – furchtbare Finsterling und Über-Asket in Genf, ließ eine Patin ins Gefängnis werfen, als diese über die Taufe ihres Patenkindes vor Freude  in der Kirche zu lachen begann. Ich meine, diese zutiefst menschlichkeitsfeindliche Psychologie sollten auch alle Konfessionen auf dieser Welt mittlerweile im Orkus der Geschichte begraben haben. Amen! Sela!“

(Vollständig nachlesen könnte Ihr auch diesen Bericht: hier.)

Klar ist, aber natürlich, dass es so erfolgreich und beglückend nicht ewig weitergehen konnte. Und das Bewusstsein für eine Wahrheit hatten wir alle ja niemals verloren: dass selbst diese überraschend große Hilfe, die wir zu leisten vermochten, die furchtbaren Probleme in Griechenland insgesamt nicht würde lösen können, nicht mal nennenswert, was den quantitativen Umfang dieser Hilfsaktionen betraf (auch darüber sprach ich seinerzeit schon). Opfer irgendeines Größenwahns (oder auch: Jesus-Komplexes!) wurde niemand von uns, bis heute nicht. Und noch einmal: dass mit der Beständigkeit der entsetzlichen Probleme in Griechenland auf Dauer die Beständigkeit unserer Hilfsversuche, was die kleine Größenordnung betrifft, nicht würde mithalten können, das war uns allen ebenfalls klar. Gleichwohl soll auch über den Fortgang der Spendentätigkeit – bis heute – an dieser Stelle noch berichtet werden. Ich schicke voraus: bis zum heutigen Datum sind rund 217.000,- Euro für unsere GriechInnenhilfe gespendet worden. Sehr viel, wenn man an die Hilfswirkung für sehr viele einzelne Menschen denkt, sehr wenig natürlich im Blick auf die Probleme in Griechenland insgesamt. Doch zuvor eine ganz persönliche Zwischenbemerkung vorweg:

Was ist, wenn es mit unserer Hilfe nicht weitergehen kann?

Um es ganz deutlich festzustellen: wir produzieren mit unserer Hilfe nicht das große Glück für die betroffenen Menschen. Ich denke, jedem von uns ist dies klar. Wir würden aber großes Unglück für diese Menschen produzieren, wenn wir unsere Hilfe urplötzlich – oder auch allmählich – einstellen müssten. Welchen Absturz würde das etwa für eine Panagiota K. in Megara mit ihren drei Töchtern bedeuten, wenn wir die Miete für ihre Wohnung nicht mehr aufbringen könnten? Welche Verzweiflung würden wir auslösen, wenn Dionysis, der Junge mit den vielen Lebensmittelallergien, nicht mehr von uns seine Diät bezahlt bekäme und sein Bruder, Andreas, nicht mehr alljährlich seine neue Gaumenspange erhalten würde. Was wäre mit Laura, der wir dann nicht mehr die ebenfalls jedes Jahr erforderlichen neuen Gehprothesen bezahlen könnten? Und und und… Ein Ende unserer GriechInnenhilfe wäre grauenvoll für alle diese Menschen. Und ich hoffe inständig, dass es niemals zu dieser Katastrophe kommen möge. Oder anders gesagt:

Mit unserer Hilfe zu leben, heißt immer auch, mit der Angst leben zu müssen. Mit der Angst, dass es unverhofft zu Ende sein könnte mit unserer Hilfe. Und was dann? Ich gebe zu, an dieser Stelle wird mir geradezu schlecht. Ich fände grauenhaft, was dann passieren würde. Und mir wird klar dabei, welch enorm große Verantwortung wir Helfer da übernommen haben, und klar leider auch, dass es nicht in meinen oder in unseren Händen liegt, ob wir morgen noch dieser Verantwortung gerecht zu werden mögen. Noch einmal: ich hoffe, fast mit Verzweiflung, dass es niemals ein derart furchtbares Aus für unsere GriechInnenhilfe geben wird.

Doch damit weiter mit meinem Bericht.

Was nach 2015 geschah

Im Folgejahr 2016 gingen immerhin noch rund 36.000,- Euro auf unserem Hilfskonto ein, 2017 und 2018 waren das noch rund 28.000,- Euro und rund 27.000,- Euro, und erst das  letzte Jahr, das Jahr 2019, hat uns dann doch mit einem deutlich wahrnehmbaren Einbruch bei den Spendeneinkünften konfrontiert: Henry Royeck, bei dem die Spendenverwaltung seit Mai 2018 in guten und zuverlässigen Händen liegt, teilte mir vor zwei Wochen mit, dass 2019 bis jetzt nur noch rund 24.400,- Euro an Unterstützungsbeträgen auf unserem Konto für die GriechInnenhilfe gelandet sind. Was präzise heißt: im vergangenen Jahr 2019 ging das Spendenvolumen von vormals noch 27.000,- Euro auf rund 12.000,- Euro zurück, im neuen Jahr 2020 trafen bislang rund 14.000,- Euro auf unserem Hilfskonto ein. Drumherum zu reden bringt also nichts: es könnte  sein – es könnte sein –, dass die Tage unserer GriechInnenhilfe gezählt sind.

Deutlich wurde das unter anderem daran, dass wir während der letzten neun Monate nicht mehr in allen Fällen Hilfe zu leisten vermochten, wo das vorher geschehen war, und erstmals bittere Entscheidungen zu treffen hatten: wem helfen wir weiterhin, bei wem setzen wir zunächst einmal mit unserer Hilfe aus. Keine und keiner von uns weiß, ob sich das wieder ändern wird. Hinweisen möchte ich jedoch – immerhin das! – auf den Umstand, dass wir in diesem Jahr 2020 bereits jetzt, Ende Juli/Anfang August, mehr an Spendenzugang verzeichnen dürfen als im gesamten Vorjahr 2019. Grund zu neuer Hoffnung?

Zwischensignal der Hoffnung?

Ausnahmsweise “zwischendurch”, an dieser Stelle also, das großartige Spendenergebnis aus der letzten Woche. Ihr erinnert Euch vermutlich: während der sieben Tage davor konnten wir leider gar keinen Spendeneingang registrieren. Doch dieses Mal kann ich einen besonders hohen Erfolg meiner Bitte um Unterstützung vermelden: 1.125,- Euro, überwiesen von 8 HelferInnen an uns, gingen vom 29. Juli bis 4. August 2020 bei uns ein. Riesigen Dank für diesen Überweisungsbetrag! Ein Zwischensignal der Hoffnung für uns?

Wem wir so alles geholfen haben…

Ihr werdet verstehen: wir würden uns ganz außerordentlich freuen, wenn unsere GriechInnenhilfe wieder kräftig zulegen würde. Vielleicht trägt ja mein Rückblick hier ein wenig dazu bei. Und vielleicht trägt ja vor allem dazu bei, was ich abschließend über unsere Hilfsaktionen selber mitteilen möchte – berichten möchte also darüber, welchen Menschen in welchen Notlagen wir zu helfen vermochten, welchen Hilfsorganisationen auch und welchen sonstigen Institutionen (vor allem im Gesundheitsbereich). Bleibt Hilfe nur ein abstraktes Wort, darf man konkrete Hilfe kaum erwarten. Im Mittelpunkt meines Berichtes sollen am Ende also alle stehen, denen unsere Hilfe gegolten hat und auch weiterhin gelten soll.

Unser Reisendenteam Uschi und Karl-Heinz Apel – ich schrieb es bereits – hat sich von Anfang an vor allem um die medizinischen Krisenfälle in Griechenland gekümmert. Fast jedes Mal bei ihren Hilfsfahrten in den östlichen Mittelmeerstaat transportieren sie mit einem Anhänger ärztliche Hilfsgüter nach Griechenland (Operationssets, Verbandsmaterialen und anderes). Regelmäßig steuerten sie die Kreiskrankenhäuser in Neapolis und Molai an, regelmäßig versorgten sie auch die Landarztpraxis in Kyparissi an der Südküste der Peloponnes mit entsprechendem Material. Außerdem kümmerten sich Uschi und Kalle um Katerina aus Piräus, die sich – wie detailliert in meinen Berichten Euch mitgeteilt – zwei lebensrettenden Transplantationen zu unterziehen hatte. Schließlich verteilten Uschi und Kalle auch Lebensmittelgutscheine an verarmte Familien in und um Kyparissi herum, in Kooperation mit dem Pfarrer dort.

Die Lieferungen an die Landarztpraxis und Kreiskrankenhäuser dienten ausschließlich dem Zweck, deren Etats vom Finanzdruck zu entlasten, der seit langem auf dem griechischen Gesundheitssystem liegt, um Gelder freizuhaben für jene Patienten und Patientinnen, die ihre Behandlung und Rezepte nicht aus eigener Tasche bezahlen konnten. Uschi und Kalle sind genügend in Griechenland zuhause, um immer wieder die Verwendung der Hilfsmaterialien in unserem Sinne überprüfen zu können. Wie viel erkrankte Menschen insgesamt von unserer Hilfe profitiert haben, kann nicht einmal annähernd beziffert werden. Jedenfalls war und ist kostenfreie Behandlung verarmter PatientInnen bei allen drei medizinischen Hilfseinrichtungen Fakt, und Zehntausende von Euro konnten wir für diesen Zweck zur Verfügung stellen. Dank an dieser Stelle unserem Hilfsreiseteam Uschi und Kalle Apel!

Was die Hilfsaktionen unseres anderen Reisendenteams Evi und Tassos Chatzatoglou betrifft, so gebe ich im Folgenden deren eigene Auflistung wieder. Finanzangaben zu den einzelnen Hilfsfällen erübrigen sich, weil sie Euch regelmäßig in meinen Berichten mitgeteilt worden sind.

Athen und Umgebung: 

– Seit 5 Jahren helfen wir der Sozialstation in Korydallos. In diesen 5 Jahren versorgten wir sie mit Lebensmitteln für die Armenküche, mit Verbandstoffen und Medikamenten für die Sozialapotheke sowie mit Oster- und Weihnachtspaketen. Kindern aus sozial schwachen Familien verschönerten wir den Schulanfang mit eigenen Schulstart-Paketen.

– Verbandstoffe und Medikamente, die ein Arzt aus Deutschland gespendet hatte sowie auch von uns und unserer Freundin, die ebenfalls Ärztin ist, gesammelt wurden, übergab ich persönlich der Mitropolitikon-Spezialambulanz für Arme in Ellinikon (ehemaliger Flughafen).

– Einem Jungen, der an einer Lebensmittelintoleranz leidet und bei dem die Kosten für die Spezialdiät nicht von der IKA, von der Krankenkasse, übernommen werden und deren Eltern arbeitslos sind, helfen wir laufend.

– Finanzierung der Gaumenspange für einen Jungen, dessen Eltern arbeitslos sind

– Therapien, Medikamente sowie Nahrungsergänzungsmittel für einen MS-Patient wurden von uns gekauft.

– Stromrechnungen, Wasserrechnungen sowie Lebensmittel-Bons für einen mittellosen Schauspieler übernehmen wir ebenfalls laufend.

– Weiters haben wir finanziert: Medikamente für einen Obdachlosen, Ohrhörer für ein Migrantenkind aus Syrien, die durch eine Bombenexplosion ihr Gehör verloren hat,

– Lebensmittel-Bons für diverse Obdachlose, die in den Athener Parks  ihre Bleibe haben.

– Operationskosten für einen Jungen mit Ileus (= Darmverschluß)

– Heizöl für die Autisten-Schule in Keratsini

 

Insel Andros: 

– in Zusammenarbeit mit Pater Kalinikos sowie der Sozialbeauftragten auf der Insel Andros, Maria Alexaki, Bezahlung von Strom-, Wasser und Reparaturrechnungen sowie Lebensmittel- und Hygieneartikel für diverse arbeits- und mittellose Familien und Einzelpersonen

– Verbandstoffe, Blutdruckmessgeräte, Sauerstoffregulatoren, Laptop, Aircast (= medizinisches Hilfsmittel zur Stabilisierung des Sprunggelenks)  und Medikamente für das Gesundheitszentrum Andros

– Fußprothesen für ein Migrantenkind, das nach einer Meningitis-Erkrankung beide Füße verlor. Ein Teil dieser Finanzierung wurde dank einer überwältigend großzügigen Spende in Höhe von 1.400,- € eines Dresdner Arztes möglich gemacht.

– Waisenkinder: Kleidung, Hygieneartikel, Schulbedarf

 

Insel Tinos: 

– Transferkosten eines verletzten Arbeiters, der dringend eine Operation benötigt hatte, da er sonst mehrere Finger verloren hätte

– Stromrechnung und Grundsteuer für eine alleinstehende Mutter mit zwei Kindern. Dadurch haben wir die Obdachlosigkeit verhindert.

– Stromrechnung einer Jungfamilie mit Kleinkind

 

Megara: 

– Miete für eine alleinstehende Mutter mit drei Töchtern, Kühlschrank und Lebensmittelbons zusätzlich für die Familie

 

Amaliada: 

– Medikamente und Therapien für einen Jungen mit Mittelmeeranämie

 

Molai: 

– Verbandstoff für das Krankenhaus nach dringendem Hilfeaufruf

 

Arkitsa:

– Heizöl und Stromrechnung für einen alleinstehende alte Frau sowie Ankauf von Inkontinenzeinlagen

 

Veria:
– finanzielle Hilfe für eine arbeitslose Frau mit einem Kind, deren Mann plötzlich verstorben war

 

Thessaloniki:
– Hilfe zur Schaffung eines Frauenhauses für Migrantinnen und deren Kinder. Dieses Projekt wurde von der evangelischen Gemeinde in Thessaloniki realisiert.

 

Chrysoupoli: 

– Physiotherapien,  Pflegebett sowie Rollstuhl für einen alten Parkinson-Patienten, der durch eine missglückte Operation seinen Arm verloren hat

 

Insel Ikaria: 

– Operationskosten für eine junge Mutter mit Hirntumor

 

Wie schrieben Evi und Tassos in ihrer Wiedergabe unserer Unterstützungsaktionen am Schluss? – „Viele dieser Bedürftigen sind immer noch in unserem Hilfsprogramm.“ So ist es, und so bleibt es, wenn sich unsere Finanzlage nicht wieder oder weiter verschlechtern sollte. Zum Schluss lasst mich noch etwas sagen zum „Zorn“, der unsere Spendenhilfe von Anfang an ebenfalls begleitet hat.

Deutlich zu spüren war das ja in diesem Rückblick bereits. Ich erinnere an das Anfangszitat aus unserem Aufruf vom 24. Juli 2015. Und über die objektiven Gründe für unseren Zorn muß ich heute ganz gewiß nicht mehr im Detail informieren. Meine bisherigen Berichte sind voll davon. Dieser Zorn galt und gilt den Euro-Staaten, deren erbärmliche Erbarmungslosigkeit gegenüber Griechenland wieder und wieder Gegenstand meiner Berichte war und – ich befürchte – immer wieder sein wird. Dieser Zorn galt und gilt aber auch den Mainstream-Medien in der Bundesrepublik (was Österreich oder die Schweiz betrifft, kenne ich mich nicht zuverlässig aus) – egal, ob es die elektronischen Medien oder die Printmedien betrifft.

Dieser Zorn jedoch galt im wachsenden Maße, seit dem Herbst 2015 etwa, auch der SYRIZA, die ein Versprechen nach dem anderen gegenüber der griechischen Bevölkerung brach. Hätte sich die Regierung unter Alexis Tsipras doch ein Beispiel genommen an Portugal, das sich – in durchaus ähnlicher Situation! – den Diktatversuchen der Eurostaaten widersetzte (siehe dazu meinen Bericht hier! Dieser Zorn gilt seit dem 7. Juli des vergangenen Jahres nicht zuletzt der neuen Regierung der angeblich neuen „Demokraten“ unter Kyriakos Mitsotakis, die noch offener und noch brutaler umsetzt, was bereits zu einem Teil unter SYRIZA geschah: Verelendungspolitik zu betreiben gegenüber dem unteren Bevölkerungsdrittel in Griechenland. Aber gestattet mir eine Bemerkung zu diesem Thema Zorn, die hoffentlich ebenso wenig wie alles andere hier nicht nur an der Oberfläche bleibt:

Wir, die Initiatoren und Organisatoren der GriechInnenhilfe, wollten niemals die zornige Analyse der Ursachen, die für das Elend in Griechenland vorhanden sind, zudecken mit unserer „Caritas“. Mitgefühl, das sich nur für das Unglück interessiert, nicht aber für die –behebbaren! – Gründe des Unglücks, taugt nicht viel. Ebenso wenig wollten wir aber Ursachenanalyse betreiben, Systemkritik äußern, lediglich das, ohne auch zu persönlicher Hilfe bereit zu sein! Für uns gehört beides zusammen, keines von beidem sollte gegen das andere ausgespielt werden und künstlich ein Entweder-Oder schaffen, das es realiter nicht gibt. Mir scheint: wir helfen den Menschen, wenn wir ihnen helfen. Wir helfen den Menschen aber auch, wenn wir das angreifen, was zur Hilfsbedürftigkeit dieser Menschen geführt hat. Und das, was Anlass für das Elend der Menschen in Griechenland ist, hat durchaus Namen und Adresse.

Wir werden also auch weiter Namen und Adresse nennen, wenn Ihr uns unterstützt. Und helfen – mit allem, was uns zur Verfügung steht –, weil Ihr uns unterstützt.

In diesem Sinne rufe ich auch dieses Mal, mit noch mehr Intensität als sonst, zu Spenden für unsere GriechInnenhilfe auf. Also (wie immer an dieser Stelle):

Wer uns auch weiterhin Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“  auf das Konto:

Inhaber: IHW

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49

BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Mit herzlichen Grüßen und allen meinen guten Wünschen

Euer Holdger Platta

 

 

 

 

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