Kontaktschuld – das unfaire Spiel der Querfront-Jäger

 In Medien, Politik (Inland)
Andere mit Dreck bewerfen: irgendwas bleibt immer hängen

Andere mit Dreck bewerfen: irgendwas bleibt immer hängen

“In der Debatte rund um alternative Medien und im Kampf um die Deutungshoheit der etablierten Zeitungen und Sender wird mittlerweile häufiger versucht, Kritiker mittels Kontaktschuld auszugrenzen. Die Ausgrenzung soll es den entsprechenden Personen erschweren, ihre Ansichten weiter über die Medien zu verbreiten. Das Signal geht dabei immer an zwei Adressaten: zum einen das Publikum, dem man vermittelt „glaubt diesem Menschen nicht“, zum anderen an die Redakteure und Journalisten innerhalb der Medien, denen man nahelegt, dieser Person kein Forum zu bieten, sofern man nicht selbst – wiederum mittels Kontaktschuld – sein eigenes Ansehen gefährden will.” (Paul Schreyer)

Ein beliebtes Mittel der Kritik besteht darin, jemanden mit Personen zu verknüpfen, die in schlechtem Ruf stehen. Wissenschaftlich nennt man das „Assoziationstäuschung“ oder einfacher gesagt: „Kontaktschuld“. Auf Wikipedia heißt es dazu:

„Statt den Diffamierten selbst zu zitieren, sein Handeln zu charakterisieren, seine Beweggründe zu nennen, werden Orte, an denen er sich aufgehalten oder Personen, mit denen er gesprochen hat, (…) politisch verdächtigt und sodann ein Rückschluss auf die politische Einstellung des Angegriffenen selbst gezogen.“

In der Debatte rund um alternative Medien und im Kampf um die Deutungshoheit der etablierten Zeitungen und Sender wird mittlerweile häufiger versucht, Kritiker mittels Kontaktschuld auszugrenzen. Die Ausgrenzung soll es den entsprechenden Personen erschweren, ihre Ansichten weiter über die Medien zu verbreiten. Das Signal geht dabei immer an zwei Adressaten: zum einen das Publikum, dem man vermittelt „glaubt diesem Menschen nicht“, zum anderen an die Redakteure und Journalisten innerhalb der Medien, denen man nahelegt, dieser Person kein Forum zu bieten, sofern man nicht selbst – wiederum mittels Kontaktschuld – sein eigenes Ansehen gefährden will.

Das Kontaktschuld-System ist ein Schneeballsystem. Es lebt davon, dass andere die Empfehlung zum Ausgrenzen unkritisch befolgen und damit weiter verbreiten. Das System selbst wird selten öffentlich reflektiert und hinterfragt. Im Kern ist es eine Anleitung zum Konformismus.

In letzter Zeit ist hin und wieder zu lesen, ich sei Teil einer Querfront. Als Beleg wird dabei gelegentlich auf ein Foto verwiesen, auf dem ich neben Jürgen Elsässer zu sehen bin, bekanntlich dem Chefredakteur des Compact-Magazins. Manchmal wird auch auf ein Video verlinkt, in dem Ken Jebsen bei einer Veranstaltung des Compact-Magazins ein Interview mit mir führt. Was hat es damit nun auf sich? Bin ich tatsächlich ein verkappter Neurechter mit engen Verbindungen zu reaktionären Kreisen? Muss man daher vor mir warnen? Dazu im Folgenden einige Informationen – nicht unabhängig, nicht objektiv, allerdings aus erster Hand.

Inside Querfront

Es war im Sommer 2010, als Jürgen Elsässer bei mir anfragte, ob ich vielleicht Interesse hätte, ein Buch zum aktuellen Erkenntnisstand rund um die Anschläge von 9/11 zu schreiben. Zu dem Thema hatte ich schon einiges veröffentlicht. Das Buch sollte zum zehnten Jahrestag der Terroranschläge erscheinen, wie er mir mitteilte. Elsässer verantwortete zu der Zeit als Herausgeber eine eigene Buchreihe im Kai-Homilius-Verlag. Dieser Verlag war mir damals bekannt als Herausgeber brisanter politischer Sachbücher von Autoren wie Erich Schmidt-Eenboom, William Blum, Daniele Ganser oder des renommierten Soziologen Prof. Bernd Hamm.

Jürgen Elsässer selbst schätzte ich als kundigen Autor zu den Themen Jugoslawien-Krieg und 9/11. Das Compact-Magazin gab es zu der Zeit noch nicht. Ich sagte zu und schrieb das Buch „Inside 9/11 – Neue Fakten und Hintergründe zehn Jahre danach“, welches ich dann ein Jahr später, im Juli 2011, in Berlin gemeinsam mit Elsässer vorstellte. Bei dieser Veranstaltung entstand das erwähnte Bild, auf dem wir beide zu sehen sind.

Elsässers Compact-Magazin erschien regelmäßig ab 2011. Von Anfang an polemisierte es stark, war aber, anders als heute, zunächst nicht islam- oder fremdenfeindlich. Das änderte sich nach einigen Jahren. Ab 2014 und besonders 2015, im Zuge der Flüchtlingskrise, kam es zu einer markanten Radikalisierung und Annäherung des Blattes an Positionen der Pegida. Da ich das sehr kritisch sehe, habe ich mich seither von Compact fern gehalten.

Dennoch schätze ich an Elsässer die Sachkompetenz bei einigen Themen, nachzulesen etwa in seinen Büchern „Wie der Dschihad nach Europa kam: Gotteskrieger und Geheimdienste auf dem Balkan“ von 2005 oder „Die Schattenregierung: Geheimstrukturen in der US-Politik von 9/11 bis Obama“, das 2011 erschien. Beide Bücher sind auch heute noch lesenswert und vermitteln – ganz ohne rechte Untertöne – politische Zusammenhänge, die im Mainstream oft unterbelichtet bleiben.

Das nun seit einiger Zeit beim Compact-Magazin übliche Muslim-Bashing allerdings, mit Schlagzeilen wie „Islam – Gefahr für Europa“, „Asyl. Die Flut – So wird Deutschland abgeschafft“, „Invasion aus Afrika“ oder „Freiburg ist überall – Die Blutspur muslimischer Vergewaltiger“, gefällt mir überhaupt nicht und stößt mich ab. Offenkundig soll hier in aufhetzender Weise Stimmung gemacht werden, was sich mit sachlichem Journalismus nicht verträgt. Aus diesem Grund stieg Ende 2014 auch Andreas Rieger, einer der drei Gründungsherausgeber, aus dem Magazin aus und erklärte:

„Ich halte das Projekt ‚Compact‘ für gescheitert, weil es seit längerem nicht mehr möglich ist, in diesem Magazin verschiedene Positionen zu vertreten. Es ist zu einseitig ausgerichtet. Es ist zudem politisch abgeglitten, da in ihm rassistische und nationalistische Positionen vertreten werden.“

Auch ich veröffentliche seitdem nichts mehr in Zusammenhang mit Compact. Mein letzter Auftritt im Rahmen des Magazins datiert vor mehr als drei Jahren, im Dezember 2013, als ich dort mein Buch „Faktencheck 9/11“ vorstellte. Moderiert wurde die Veranstaltung von Ken Jebsen, der sich nur wenig später, im Frühjahr 2014, in einem offenen Brief ebenfalls von Elsässer distanzierte.

Wer nun heute, im Jahr 2017, alte Videos und Fotos als Beweise für eine Allianz anführen möchte, ohne die zugehörigen Jahreszahlen und Entwicklungen seither zu nennen, dem kann man eigentlich nur mutwillige Täuschung vorwerfen. Manche Kollegen recherchieren aber auch gar nicht erst. Einigen muss mittlerweile nur noch per Twitter solch ein Foto gesendet werden, was sie dann offenbar dermaßen erschreckt, dass weitere Recherchen zu den Hintergründen ausfallen. Das Kontaktschuld-Instrument funktioniert erstaunlich gut.

Bildblog und die Denunzianten

So geschehen in dieser Woche. Mein Artikel „Facebook-‚Wahrheitsprüfer‘ Correctiv verstrickt sich in Widersprüche“, erschienen im Online-Magazin Telepolis, fand erfreulich weite Verbreitung im Netz. Innerhalb eines Tages wurde er mehr als 2.000 mal auf Facebook geteilt, was nicht oft passiert. Auch das medienkritische Portal Bildblog brachte einen Hinweis auf den Text und schrieb:

„Es hat sich inzwischen rumgesprochen, dass Facebook etwas gegen ‚Fake News‘ unternehmen will. Eine Kennzeichnung soll her – in Deutschland soll ‚Correctiv‘ dieses Kennzeichnen übernehmen. Paul Schreyer kritisiert, dass sich ‚Correctiv‘-Geschäftsführer David Schraven ‚schon vor Beginn seiner Arbeit für Facebook in Widersprüche‘ verstricke und nichts Handfestes liefern könne: ‚Correctiv hat noch keinerlei konkrete Kriterien für die hochsensible Arbeit entwickelt. Doch ohne diese wird es nicht gehen. Die zuständigen Mitarbeiter brauchen schriftlich fixierte Anleitungen, wie sie beim Kennzeichnen von ‚Fake News‘ vorgehen sollen. Entscheidend ist, wie diese Kriterien dann aussehen und – wohl am wichtigsten – ob sie transparent für die Öffentlichkeit sein werden.‘“

Bildblog wird auch von vielen Journalisten gelesen, welche die dort veröffentlichten Informationen häufig weiter tragen. So auch in diesem Fall. Der Hinweis von Bildblog wurde per Twitter weiter verbreitet von den Kollegen Udo Stiehl, Nachrichtenredakteur beim WDR, sowie von der Redaktion des Deutschlandradio Kultur. Mein Artikel fand allerdings nicht nur Freunde. Der Bericht und seine fortschreitende Verbreitung passten einigen offenbar gar nicht. Der Schweizer Blogger Andre Hüssy (wir kommen noch auf ihn) schrieb per Twitter an Bildblog:

@BILDblog @DKultur Ihr verlinkt ernsthaft auf den Kai Homilius-Autoren Paul Schreyer…? @correctiv_org @AmadeuAntonio @jutta_ditfurth @WDR

Der kurze Tweet ging, wie zu sehen, nicht nur an Bildblog, sondern gleich noch an die anderen Medien, die den Hinweis weiter verbreitet hatten, sowie an einige Instanzen, die in der Debatte um Facebook und „Fake News“ eine wichtige Rolle spielen: Correctiv und die Amadeu-Antonio-Stiftung, sowie Jutta Ditfurth, die – aus welchen Gründen auch immer – in den letzten Jahren viel Aufwand darauf verwendet, bestimmte Personen aus dem linken Spektrum zu diskreditieren.

Blogger Hüssy arbeitete dabei sehr effizient und hochprofessionell. Kein Wunder, schickt er doch solche Tweets über „Missliebige“ mehr oder weniger täglich in die Welt, wie man seinem Twitter-Profil entnehmen kann. Er transportiert dabei mehrere Botschaften. Den Medien Bildblog, WDR und Deutschlandradio signalisierte er mit seiner kurzen Nachricht, dass sie auf einen Autoren verlinkt hatten, den man besser als unseriös oder rechts anzusehen habe und also besser gar nicht zu Wort kommen lassen sollte. Zugleich gab er Correctiv, der Amadeu-Antonio-Stiftung und Jutta Ditfurth zu verstehen, dass man zukünftig vielleicht lieber ein Auge auf diesen Kritiker und sein Schaffen werfen solle.

Die kurze Intervention führte binnen weniger Stunden auch zum Erfolg. Bildblog bedankte sich sogar noch höflich für die Denunziation:

@propagandaschao @HuessyAndre Danke für die Hinweise! Das war uns bisher nicht bekannt. Wir haben beim Teaser jetzt noch was nachgetragen.

Schaute man nun auf die Seite von Bildblog, so stand dort tatsächlich eine Ergänzung:

„Nachtrag, 12:20 Uhr: Unabhängig von dem hier verlinkten Text kann und muss man Paul Schreyer, dessen Rolle und seine Veröffentlichungen sehr kritisch sehen. Danke für die Hinweise!“

Ein Link führte wiederum zu Hüssys Tweet mit dem eingebetteten besagten Foto von mir und Elsässer. Fertig. So einfach geht das mit der Rufschädigung – wenn denn alle mitmachen und nicht etwa selbst recherchieren.

Ich fragte daraufhin beim verantwortlichen Bildblog-Redakteur Moritz Tschermak nach, warum konkret man denn seiner Ansicht nach „Paul Schreyer, dessen Rolle und seine Veröffentlichungen sehr kritisch sehen kann und muss“? Eine Antwort darauf steht bislang aus. Bildblog schweigt. (Anmerkung: Bildblog hat mittlerweile reagiert, siehe der Nachtrag am Ende des Textes.)

Die Formulierung, dass ich eine „Rolle“ spielen würde, unterstellt, ganz nebenbei, üble Absichten innerhalb eines organisierten Netzwerks – was selbst hart an der Grenze zur Denunziation und Verleumdung ist. Für ein Portal, dass sich eine saubere und analytische Medienkritik auf die Fahnen geschrieben hat, scheint solches „Freund-Feind-Denken“ ohne weitere Recherche nicht unbedingt ein Qualitätsausweis.

Meinungskontrolleure

Mit dem Blogger Hüssy haben inzwischen auch schon andere Journalisten Bekanntschaft gemacht, unter anderem Handelsblatt-Autor Norbert Häring, der berichtet:

„Bei Hüssy kann man sich auf Twitter umfassend darüber informieren lassen, wen die Antideutschen gerade auf dem Kieker haben und wer in dieser Szene politisch und in den Medien besonders aktiv ist. (…) Seit ich mich kritisch über eine verunglimpfende Querfront-‚Studie‘ des ehemaligen Rundschau-Chefredakteurs Storz geäußert hatte, gehöre ich zu den Beobachteten und werde gelegentlich mit einem Tweet oder Blogbeitrag auf Hüssys ‚Querfrontseitenblog‘ bedacht. Es geht selten darum, was ich schreibe oder sage, sondern meist darum, wer meine Texte verlinkt oder mit wem ich rede (rechtsoffene Leute und Verschwörungstheoretiker). (…) (Bis vor wenigen Monaten wurde man übrigens nebenher bei Herrn Hüssy auch noch über neues Kriegsgerät der israelischen Armee, neue israelische Rekrutenjahrgänge und ähnliches informiert. Dieser Informationsstrang ist inzwischen weggefallen.)“

Fazit: Ich will an dieser Stelle nicht beurteilen, ob eine „Querfront“ – was auch immer man darunter verstehen will – tatsächlich existiert oder bloß imaginiert wird. Mit Sicherheit aber bin ich kein Teil von ihr, wie ich auch sonst keiner Partei oder Gruppe angehöre, sondern schlicht und einfach als freier Journalist arbeite. Wer anderes behauptet, oder meint, öffentlich vor mir warnen zu müssen, der kann das tun, dann aber bitte mit Belegen, die über das simple Verlinken eines Fotos hinausgehen – also anhand von Äußerungen und Texten, die ich formuliert habe. Alles andere ist unredlich – allerdings natürlich auch bequem und zeitsparend.

Mittlerweile bedient übrigens auch die Suchmaschine Google das Kontaktschuld-Raster. Gibt man dort meinen Namen ein, erscheint seit einigen Wochen ganz oben ein Foto von mir und Jürgen Elsässer. Es sei einmal dahingestellt, ob dahinter bloß ein dummer Algorithmus steckt. Vielleicht ist es so. In jedem Fall ist die Geschichte dieses vor mehr als fünf Jahren entstandenen Bildes nun für jeden öffentlich zugänglich.

Die Debatte über grassierende Kontaktschuld-Kampagnen aber reicht weit darüber hinaus. Sie sollte dringend geführt werden.

Nachtrag: Wenige Stunden nach Veröffentlichung dieses Textes meldete sich Moritz Tschermak von Bildblog nun doch noch bei mir und entschuldigte sich. Er habe sich von den denunzierenden Tweets (es gab mehrere) „wohl zu schnell beeindrucken lassen“. Und weiter: „Insofern finde ich, dass Ihr Artikel mit dem Hinweis auf die ‚Kontaktschuld‘ sehr angebracht ist. Ich habe jedenfalls beim Lesen des Textes was gelernt.“ Immerhin, soviel Einsicht ist selten. Auf der Bildblog-Webseite ergänzte Tschermak nun seinen Nachtrag, das man mich „kritisch sehen muss“ um eine Entschuldigung und einen Link auf den vorliegenden Artikel. Man habe mich nicht denunzieren oder verleumden wollen. Bleibt zu hoffen, dass auch andere Kollegen aus diesem Vorfall etwas lernen und sich nicht von jedem Tweet gleich aus der Bahn werfen lassen. Wir werden sehen. Danke in jedem Fall an Herrn Tschermak für seine transparente Reaktion. Allerdings reagierte auch er erst, nachdem der vorliegende Text veröffentlicht wurde und auf Twitter einige Aufmerksamkeit fand … Das Problem scheint wohl doch tiefer zu liegen.

  1. Nachtrag, 29. Januar 2017: Google zeigt das Bild bei einer Namenssuche nach mir mittlerweile nicht mehr an.

 

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