Nomaden und Mönche der Städte?

 In Spiritualität
Gemälde: Edvard Munch

Gemälde: Edvard Munch

Der Mensch, der heutzutage durch die Großstadt streunt, gleicht eher einem Nomaden der Stadt als einem Mönch in seiner Abtei. Er hat keine Zelle, von wo aus er sein Leben gestalten könnte, nirgends findet es seine Bestimmung, so scheint es. Die Stadt bietet wenig Halt, formlos lässt man sich treiben im Strom der Massen an jenem undefinierten Ort: alle tun scheinbar dasselbe, und doch haben sie keine gemeinsame Richtung. Man bewegt sich auf den Straßen der Städte, in den Einkaufszentren und den Mietshäusern von einem Moment zum nächsten, ohne Standhaftigkeit und Nachhaltigkeit. Die Praxis eines Menschen, der einen stabilen Lebensweg entdecken will, scheint dazu im krassen Gegensatz zu stehen und sich dem Gebot der Stunde zu entziehen, ständig im Fluss zu sein. Zu ihm passt die Klosterzelle als Ursprung und Ziel eines jeden Tages. (Thomas Quartier OSB)

Sie ist Ausgangs- und Endpunkt eines rituellen Parcours, den der Mönch täglich durchläuft. Sie bricht mit der Unregelmäßigkeit der rauen Umgebung und setzt ihr einen festen Rahmen entgegen. Die Zelle ist eine Manifestierung menschlicher Nachhaltigkeit. Die Stadt scheint dahingegen ein Resultat der Flüchtigkeit zu sein.

Rituelle Handlungen sind die Wegmarken, die den Weg weisen, rituelle Orte bilden Ankerpunkte, die Halt geben. Haben jene, die auf den Straßen unterwegs sind, diese Wegmarken und Ankerpunkte nicht? Lebt der Wunsch nicht in ihnen? Vieleicht sogar mehr als bei manchem Zellenbewohner. Das Verhältnis zwischen Nomaden der Städte und Mönchen könnte komplizierter sein, als man auf den ersten Blick vermutet. Gibt es Mönche auf den Straßen der Städte? Gibt es mönchische Form in der Formlosigkeit des Treibens? Und wie verhält der Nomade sich zum geregelten Tagesablauf im Kloster?

Verstörende Erfahrung

Für mich wurde das Verhältnis zwischen Stadtnomade und Mönch gehörig auf den Kopf gestellt, als ich im schönen Dresden zu einem Vortrag als Mönch und als Rituologe eingeladen war: als jemand, der Rituale zu leben versucht und sie gleichzeitig erforscht. Die eigene rituelle Rolle als Mönch zu finden, wird durch diese Doppelfunktion nicht gerade einfacher. Um auf Nummer sicher zu gehen, hatte ich mich bei der Vorbereitung bemüht, ein ausgeklügeltes Modell des rituellen Repertoires im Kloster zu entwerfen. So weit so gut, dachte ich, bis ich mitten in der Großstadt durch eine verstörende Erfahrung aus der rituellen Bahn geworfen wurde.

Ich vermisste meine Zelle, wörtlich und symbolisch, das schöne Hotelzimmer ersetzte sie nicht. Nach einer Fahrt mit der Straßenbahn streunte ich durch die wunderschöne Altstadt an der Elbe, zu Sehenswürdigkeiten, die mir doch kein rechtes Ziel werden wollten. Mir fehlten die nachhaltig wirksamen Rituale, die ich zu Hause täglich durchlief. Ging es den Menschen neben mir in der Straßenbahn genauso? Sie starrten vor sich auf den Boden, liefen in zufälligen Konstellationen über die Straße, und sie schienen den Weg zu sich selbst, zum Mitmenschen oder zum eigenen Existenzgrund nicht im Blick zu haben.

Zufällig geriet ich in eines der prächtigen Museen an der Elbpromenade. Ich hatte noch genügend Zeit bis zu meinem Vortrag. In Gedanken versuchte ich zu erklären, wie wichtig ein rituelles Repertoire und ein Ort sind – und wie treffend die Gegenbeispiele waren, die die Menschen in der Straßenbahn mir gegeben hatten. Die Ausstellung, die in jenem Museum kurz zuvor eröffnet worden war, belehrte mich eines Besseren. Sie schien all diese Menschen zum Gegenstand zu haben! Ist ihr Lebenslauf wirklich weniger rituell als der des Mönchs? Haben sie keine Zellen, in die sie zurückkehren? Stiekum erhoffte ich mir eine künstlerische Bestätigung meiner Hypothese, dass es dem heutigen Stadtnomaden an Ritualen mangelt. Es kam ganz anders…

Stadtnomade

Im abgedunkelten großen Saal des Museums befand sich eine Installation des deutschen Künstlers Heiner Goebbels. Zu sehen waren vierundfünfzig Videoprojektionen, die auf den ersten Blick alle dasselbe zeigten: von hinten sah man einen Mann mit großem Hut und Mantel durch die Stadt gehen. Er lief durch die Straßen, stieg in ein Taxi, scheinbar ohne Bedeutung. Schließlich lief er durch ein Treppenhaus und einen Hausflur bis zu einer Wohnungstür. Er steckte den Schlüssel ins Schlüsselloch, und in genau jenem Moment endete der Film in allen vierundfünfzig Fragmenten, die zeitversetzt gezeigt wurden. Die Szene wiederholte sich scheinbar endlos. Vierundfünfzig Mal derselbe Stadtnomade im abgedunkelten Museum, eine Collage von monotonen Bildern und Geräuschen durch Schritte und Gemurmel. Es schien ganz alltäglich, ein Parcours, auf dem routiniert die Wohnungstür ins Bild kam. Ein wirkliches Zuhause sah man nicht.

Wenn man die einzelnen Sequenzen jedoch etwas genauer betrachtete, stellte man fest, dass die Aufnahmen in vierundfünfzig verschiedenen Städten gemacht wurden. Nomaden der Städte gibt es also überall und nirgends, das ist doch nicht besonderes? Die Beobachtung, dass derselbe Weg durch denselben Mann überall auf dieselbe Art und Weise zurückgelegt wurde, zu unterschiedlichen Türen, die sich doch gleichen und nicht preisgeben, was hinter ihnen zu finden ist, störte jedoch die Gedankenlosigkeit, mit der ich den Weg durch die Stadt gegangen war.

Ist unser alltägliches Tun wirklich leere Routine? Oder ist die Gleichförmigkeit auch eine Kraftquelle durch den Wiedererkennungswert, der Wegmarken und Ankerpunkte mitten in der Stadt bietet, genau wie im Kloster? Begegnet uns in der Installation nicht eine Form von ritueller Nachhaltigkeit, deren flexible Bedeutung tief in unserem eigenen Leben verwurzelt ist? Ist mein mönchisch rituelles Modell für den Vortrag abends dieser Wirklichkeit angemessen? Oder begegnen wir unter dem Hut des Mannes einem ganz anderen Mönch auf den Straßen der Städte, letztlich dem Mönch in uns allen?

Der Hausflur, über den der Mann in den vierundfünfzig Filmen zur Wohnungstür lief, glich optisch durchaus einem Klostergang. Dennoch blieb auch die Verschiedenheit sichtbar, der Reichtum all jener Städte, in denen wir uns bewegen. Welche Wege gehen wir tagein tagaus, und was bedeutet das für unsere Lebensform? Diese Fragen drängten sich mir mitten in der fremden Großstadt auf. Ich gebe es gerne zu: das theoretische Modell, das ich abends präsentieren sollte, gab mir keine schlüssige Antwort.

2-R70-M1-1850-1 C.Spitzweg, Studierender Moench Spitzweg, Carl 1808-1885. 'Studierender Moench', 1850/55. Oel auf Malpappe, 23,5 x 12,2 cm. Inv.Nr. MGS 2481 Schweinfurt, Museum Georg Schaefer. F: C.Spitzweg, Moine etudiant Spitzweg, Carl , 1808-1885. 'Moine etudiant', 1850/55. Huile sur carton, H. 0,235 , L. 0,122. Inv.Nr. MGS 2481 Schweinfurt, Museum Georg Schaefer.

Gemälde: Carl Spitzweg

Rituelles Handeln

Die Suche nach rituellen Wegmarken heutiger Nomaden der Städte habe ich nach meiner Rückkehr in den sicheren Hafen meiner eigenen klösterlichen Ordnung mit dem Künstler geteilt und Kontakt zu ihm aufgenommen. “Was denken Sie, dass durch die überall und nirgends wiederholte Art, durch die Stadt zu gehen, sichtbar wird?”, lautete meine Frage. Goebbels antwortete darauf: „Von Alltagspraktiken sind wir uns, im Gegensatz zu anderen Bereichen des Lebens, kaum bewusst, vielleicht weil sie so repetitiv ablaufen. Vielleicht müssen wir uns unserer Beobachtungen und Reflektionen auf die Fremdheit des Alltäglichen mehr bewusst werden, und vielleicht möchte ich das auch. Vielleicht gibt uns das Rituelle sogar die Möglichkeit in den Bereich vorzudringen, in dem wir uns erlauben dem Unbewussten näherzukommen“.

Das gibt für rituelles Handeln in der Stadt zu denken. Der Künstler legt durch seine Vermutungen den Finger in die Wunde sinnentleerter Rituale heutiger Menschen. Die ständige Wiederholung birgt das Risiko der Blindheit und Sinnlosigkeit. Die Routine bleibt zwar stets dieselbe, aber sie bewirkt keine Nachhaltigkeit, hinterlässt höchstens einen schalen Nachgeschmack, macht sie doch die Vergänglichkeit sinnvoller Augenblicke schmerzlich bewusst. Routine wird erst zur rituellen Wegmarke, wenn man sich ihrer bewusst wird. Dann ist sie nicht leer, sondern trägt uns durch die Straßen der Städte. Das möchte der Künstler erreichen, indem er dem Stadtnomaden vierundfünfzig Mal mit der Kamera folgt.

Dazu dienen auch die rituellen Repertoires, durch die wir in Klöstern unseren Alltag mit Bedeutung versehen. Entdecke die Handlungen, die dich dauerhaft zu dir selber führen! Das ist das Ziel des Klosters. Aber auch klösterliche Rituale werden genau wie alltägliche Routinen manchmal zu einem Strudel der Langeweile. Dann ist man sich ihrer Bedeutung eben nicht mehr bewusst. Die entdeckt man erst wieder, wenn man das eigene Handeln wirklich wahrnimmt, nebeneinanderlegt, vergleicht. Goebbels tut als Künstler also genau das, was ich als Rituologe auch versuche. Indem wir das Ritual für einen Moment verlassen, sind wir in der Lage, die Kraft unserer Handlungen zu erkennen und sie so zur Wegmarke des Lebens werden zu lassen. Man braucht verstörende Erfahrungen.

Goebbels nennt in unserer Konversation Michel De Certeau (1925-1986) als Inspirationsquelle. Dieser französische Jesuit hat wie kein anderer aufgezeigt, wie Alltagshandlungen Menschen einerseits in einem Meer der Sinnlosigkeit ertrinken lassen können, andererseits aber auch eine ungeheure Kraft entwickeln können. Er hat sich in besonderer Weise mit dem Gehen beschäftigt, und genau dabei knüpft die Dresdener Installation an.

De Certeau zufolge erschaffen Menschen ihren Lebensraum, indem sie täglich darin umhergehen: “Der Akt des Gehens ist für das urbane System, was der Sprechakt für die Sprache ist“. Menschen geben ein Statement ab, indem sie gehen, mit allen Beschränkungen, aber auch den Möglichkeiten, die der erschlossene Raum bietet. Es geht nämlich nun gerade nicht um ein sinnloses Umhergehen: „Durch Abkürzungen, Umwege und Improvisationen auf seinem Weg kann man bestimmte räumliche Elemente bevorzugen, verändern oder beiseite lassen“, so De Certeau. Durch den bewussten Akt des Gehens, den auch Goebbels zeigen will, erschafft man sein eigenes Kloster mitten in der Stadt. Er widersetzt sich der Unterdrückung, auch durch ideologische Mechanismen. Sein Gehen ist subversiv. Dabei zeigen sich Muster, die mit monastischen Ritualen vergleichbar sind, nur eben im fließenden Raum der Stadt.

Ritueller Raum

Sowohl in Dresden als auch in der Rückschau von zu Hause aus, beschäftigt mich die Frage, welchen Raum wir brauchen, um zu uns selbst zu finden? Ist das Kloster überall? Wo entsteht der subversive Raum, in dem man der Macht der Gewohnheit Widerstand leistet? Wenn jeder Schritt eine rituelle Qualität hat, dann ist alles im Leben ein Ritual und wird es genauso flüchtig wie die zerstreute Haltung der Menschen, die ich in der Straßenbahn wahrgenommen hatte. Wohin gingen sie? In der Ausstellung wurden die Städte zum rituellen Raum, aber nicht durch ihren Unterhaltungswert oder ihre gähnende Langeweile, sondern als ein Raum, in dem der Mensch seinen Ort finden muss, ob er will oder nicht. Er verhält sich zur Macht, indem er sie unterwandert.

Das zeigte sich darin, dass der Mann mit Hut und Mantel in den Filmsequenzen immer an eine Haustür kam, sich in den sicheren Hafen zurückzog. Leider sah man diesen Hafen jedoch nicht, die Aufnahme endete, wenn er den Wohnungsschlüssel umdrehte. Das scheinbar ziellose Gehen durch die Städte hatte also durchaus ein Ziel. Goebbels dazu: “Es ist jedes Mal eine Privatwohnung, die eigene Haustüre, eine Heimkehr”. Die Kombination von unterwegs und zuhause macht den Raum zum Ort, zum stabilen Ankerpunkt, der gegen Manipulationen gefeit ist. Genau das macht den rituellen Ort aus, so denke ich vom Kloster aus. Bedarf es dazu jedoch nicht der Geborgenheit einer festen, sichtbaren Größe, einer Art Abtei?

Als ich das Museum in Dresden wieder verließ, fühlte ich mich unsicher. Klammerte ich mich als Mönch nicht viel zu sehr an den vertrauten Weg, auf dem ich festen Ritualen folgte? Fixierte ich mich auf den stabilen Ort, ohne die Dynamik des Raumes noch zulassen zu können? Goebbels mahnt zur Offenheit: “Das Kunstwerk ist offen, alles, was man darin sieht, ist wahr. So ist auch der Raum offen, wenn Menschen ihn betreten“. So wie unsere Routinen zum Strudel werden können, so kann er der Ort, an dem wir leben, ein unbewusstes Gefängnis sein. Ein Mittel der unterdrückenden Macht der Konvention. Man merkt nicht, dass man sich selber der Möglichkeit beraubt, wirklich auf dem Weg zu sein, wenn man nur das traute Heim als Glück allein sieht.

Die Verlockung ist groß: im Kloster, in der Familie, auf der Arbeit, im Freundeskreis oder wo auch immer. Der Weg zu einem wirklich dauerhaften Ort ist versperrt, wenn man nicht mehr flexibel ist, die Klostermauern luftdicht abschottet. Der bereits zitierte De Certeau unterscheidet den Raum ausdrücklich vom Ort, um genau das zu vermeiden: “Ein Ort ist eine momentane Konstellation von festen Punkten. Er enthält einen Hinweis auf eine mögliche Stabilität. Der Raum ist ein Geflecht von beweglichen Elementen. Insgesamt ist der Raum ein Ort, mit dem man etwas macht.” Nur in der Kombination von Flexibilität und Stabilität wird unser Aufenthaltsort zum Ankerpunkt, wird der Ort, an dem unser Kloster steht, zum Lebensraum, auch mitten in der Stadt.

Es geht darum, dass wir in unserem Lebensraum unseren je eigenen Ort suchen, unseren Platz im Leben finden. Dazu führen wir unsere alltäglichen Rituale aus, begehen wir den Raum, ob wir nun Mönch oder Stadtnomade oder beides sind. Lebensraum muss immer wieder neu entstehen, verortet werden, man muss ihn immer wieder loslassen. Der Nomade mahnt zur Flexibilität, der Mönch zu Stabilität. Mir wurde in Dresden schlagartig bewusst, dass ich dieses ausgewogene Gefühl nach dem Besuch der Ausstellung nicht hatte. Ich suche nach Stabilität, die Kraft des Gehens erschloss sich mir nicht, ich fühlte mich heimatlos. Hat De Certeau nicht Unrecht, wenn er uns immer wieder auf die Straße schickt?

Klosterzelle

Auch der Nomade der Städte braucht eine Klosterzelle, wie auch immer sie aussehen mag, was sich auch hinter der Wohnungstür verbirgt. Sie ist der Ankerpunkt in den Stromschnellen der Großstadt. Die Nachhaltigkeit des Lebens entdeckt man, wenn man sich die eigene Zellentür immer wieder „ergeht“, auch in ihrer noch so säkularen Form. Die Wüstenväter sagen: „Geh in deine Zelle, sie wird dich alles lehren!“ Wie man in die Zelle gehen soll, wird nicht gesagt. Wohl ist klar, dass der Mönch in der Wüste lebt. Er gleicht dem Stadtnomaden, der ebenfalls durch die Wüste zieht. Wenn er auf der Straße keinen Ort fände, nicht in seine Zelle ginge, bliebe seine tägliche Mühsal sinnlos. Die städtische Wüste bliebe flüchtig. Sie kann jedoch zum nachhaltigen Ort werden: der Wüstenmönch findet die Stabilität mitten im Sandsturm, in seiner Zelle.

Ich denke wieder an den Mann, der durch die vierundfünfzig Städte ging, streunte, bis er die Zellentür erreichte. Sein Streunen war nicht sinnlos, und das zeigte sich in einem Detail, das ich bis jetzt noch nicht erwähnt habe: er sprach unterwegs, rezitierte. Das Gehen schien zunächst keine Bedeutung zu haben, aber das stimmte nicht. Die Rezitationen des Stadtnomaden machten ihn zu einem bewusst Gehenden. Sein Gang war keine blinde Routine, sondern wurde zum Ritual: unterwegs, indem er überall und nirgends dieselben Schritte tat, aber offen für Bedeutung.

Im Kloster werden Psalmen rezitiert. Auch das ist eine Rezitation unterwegs. Sie fügt dem Gang des Nomaden auf den Straßen der Stadt und der Suche des Mönchs im Kloster etwas hinzu: die Gewissheit, dass der Weg sinnvoll ist. Der Nomade ist kein Mönch, aber vielleicht entdeckt er den Mönch in sich. Und er Mönch ist kein Nomade, aber vielleicht wird er daran erinnert, sich immer wieder auf den Weg zu machen.

Durch die Erfahrung der Heimatlosigkeit in Dresden habe ich als Mönch ein wenig meiner falsche Sicherheit verloren und als Rituologe meine Voreingenommenheit ein bisschen erkannt: es ist immer wertvoll, sich der alltäglichen Handlungen bewusst zu werden, so verstörend das auch sein mag. Die Kunstinstallation weckte den Mönch auf. Und vielleicht beruhigte sie den Stadtnomaden. Daher habe ich meinen Psalter in der Abtei auch nicht ausrangiert, meine Zelle nicht verlassen – es gilt am Bewusstsein zu arbeiten, dass Handlung und Raum dauerhaft werden können, aber nie eine Sicherheit sind, auch der man sich ausruhen kann. Auch auf den Straßen der Städte sucht man nach Dauerhaftem, auch im Kloster braucht es Bewegung. Auch in der Flüchtigkeit kann man Ewigkeit entdecken, und auch in der Stabilität steckt rituelle Dynamik. Machen wir uns das bewusst!

Prof. Dr. Thomas Quartier OSB (1972) doziert an den Universitäten Nijmegen (NL) und Leuven (BE) und an der Benediktinischen Hochschule Sant Anselmo in Rom (IT). Er ist Klaustraloblate der Willibrordsabtei in Doetinchem. Email: T.Quartier@ftr.ru.nl

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